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Kulturwissenschaftliches Symposium Wald : Museum : Mensch ...

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46 | WALDKULTUR. EIN RÜCKBLICK AUF 200 JAHRE KULTURELLE ANEIGNUNG<br />

Und für das monströse Weltbild dieses Systems stehen die<br />

euphemistischen, Vernichtungslager kaschierenden, Bezeichnungen<br />

„Buchenwald“ und „Birkenau“. Wie konnte man sich<br />

dem <strong>Wald</strong> nach 1945, nach „Buchenwald“ und „Birkenau“, noch<br />

künstlerisch nähern?<br />

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts spielt der <strong>Wald</strong> in<br />

der Bildenden Kunst als verfremdetes Zitat eine gewisse Rolle.<br />

Die <strong>Mensch</strong>-Natur-Beziehung wird vielfach ironisch gebrochen<br />

verarbeitet oder in einen tagespolitischen Kontext gestellt.<br />

So thematisiert – neben anderen international renommierten<br />

Malern seiner Generation wie Sigmar Polke (geb. 1941), Georg<br />

Baselitz (geb. 1938) und Gerhard Richter (geb. 1932) – auch<br />

Anselm Kiefer (geb. 1945) den Naturraum <strong>Wald</strong> in seinem<br />

Werk. Er tut dies besonders breit und auf eine besonders diskursive<br />

Weise als historischer Bezug. In seinem Gemälde „Varus“<br />

aus dem Jahr 1975 ent-romantisiert Kiefer den romantischen<br />

Kern des deutschen <strong>Wald</strong>mythos, die Legende um die „Hermannsschlacht“<br />

im Teutoburger <strong>Wald</strong>. Wie dem <strong>Wald</strong> entwachsene<br />

Symbole einer Staatsgründung schweben historische<br />

Namen an dürrem Gehölz oder lagern auf blutfleckigem Boden.<br />

Die Motive Baum und <strong>Wald</strong> durchziehen Kiefers Lebenswerk,<br />

und als kunstsinniger ‚<strong>Wald</strong>laborant‘ nutzt er vor allem in den<br />

1970er Jahren eine Serie von Werken zur Kampfansage an<br />

Konvention und Tradition. So auch jene zum Themenkreis<br />

Teutoburger <strong>Wald</strong>, wie das Buchprojekt „Hermanns-Schlacht“<br />

aus dem Jahr 1977.<br />

Fast schon virtuell, auf jeden Fall zum Instrument tagespolitischer<br />

Auseinandersetzung, erscheint der <strong>Wald</strong> dann<br />

in der Kunst Klaus Staecks. Auf seinem Plakat „Deutscher<br />

Mischwald (regenfest)“ ist der <strong>Wald</strong> in die Struktur einer<br />

maschinenlesbaren, stilisierten Schrift zum „Strichcode“ transformiert<br />

und eigentlich nur noch scheinbar vorhanden. Der<br />

Titel nimmt Bezug auf den gesellschaftlichen Diskurs um das<br />

„<strong>Wald</strong>sterben“, der die 1980er Jahre prägte. So wird die Kunst<br />

im 20.Jh. als Mittel der Provokation und des politischen<br />

Diskurses bedeutsam. In diesem diskursiven Kontext finden<br />

sich in großer Vielfalt <strong>Wald</strong>themen – vor allem außerhalb von<br />

Malerei und Graphik. Dafür stehen die Aktion „7000 Eichen“<br />

auf der documenta 7, 1982 in Kassel von Joseph Beuys<br />

(1921 – 1986) oder etwa die Installation „Wrapped Trees“ in<br />

Basel 1997 bis 98 von Christo (geb. 1935) & Jeanne Claude<br />

(1935 – 2009). Die „Land Art“ von Andy Goldsworthy (geb.<br />

1956) oder die Foto-Projekte von Bernhard und Anna Blume<br />

(beide geb. 1937) sowie von Christoph Loos (geb. 1959)<br />

nutzen den Naturraum als Interaktionsfläche. Die Rauminstallationen<br />

von Martin Kippenberger (1953 – 1997) oder die<br />

Skulpturen einer Cosima von Bonin (geb. 1962) führen den<br />

künstlerischen Diskurs über den Moment des Komischen –<br />

und es wären hier sehr viele Genres und weitere Künstler zu<br />

nennen.<br />

4. „Der <strong>Wald</strong> wird Metapher bleiben“ 64<br />

Abb. 13. <strong>Wald</strong>landschaft als Kulisse. Das Tageslichtatelier von Josef Kuper,<br />

Rietberg/Westfalen, Ende 19. Jh. Aus: LWL Freilichtmuseum Detmold.<br />

Die Zeit der Romantik war für unsere heutige Wahrnehmung des<br />

<strong>Wald</strong>es so prägend, dass wir zu Recht von einem „romantischen<br />

Naturgefühl“ sprechen. Wir meinen damit nicht nur eine gesteigerte<br />

Sentimentalität, sondern bezeichnen historisch exakt auch<br />

die Entstehungszeit dieses Naturgefühls. Diesem Naturempfinden<br />

verliehen bestimmte Kunstgattungen und populäre Genres einen<br />

typischen Ausdruck: Lied, Lyrik, Sage und Märchen sowie Malerei,<br />

Graphik und Film. Sie trugen zu einer Bedeutungsverschiebung<br />

des <strong>Wald</strong>es bei – weg von einem reinen Nutzraum hin zur<br />

Idealvorstellung und zum Symbol: Aus dem Naturraum wurde ein<br />

Kunstraum, aus dem Nutzwald ein Lustwald. 65<br />

Die Romantik hat die Sicht auf die Natur verändert. Sie hat uns<br />

den fremden <strong>Wald</strong> ganz nahe gebracht und vertraut gemacht,<br />

und dies hatte Folgen. Bis heute reicht der Spannungsbogen der<br />

64 Konrad Köstlin: Der ethnisierte <strong>Wald</strong>. In: Albrecht Lehmann/Klaus Schriewer (Hg.): Der<br />

<strong>Wald</strong> – Ein deutscher Mythos?. Berlin 2000, S. 64.<br />

65 Vgl. Marie Louise von Plessen. In: Bernd Weyergraf (Hg.): <strong>Wald</strong>ungen. Die Deutschen und<br />

ihr <strong>Wald</strong>. Berlin 1987, S. 82.

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