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Kulturwissenschaftliches Symposium Wald : Museum : Mensch ...

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58 | DIE NEUE DAUERAUSSTELLUNG ZUM GOLDENEN STEIG IM PRACHATITZER MUSEUM<br />

František Kubů war damals von Ost- nach Südböhmen umgezogen<br />

und hat die Stelle des Historikers im „Prachatitzer <strong>Museum</strong>“<br />

angetreten. Petr Zavřel, sein langjähriger Mitschüler, war<br />

in Südböhmen schon seit 1978 als Archäologe in Budweis tätig<br />

und beide suchten ein gemeinsames Thema. Der „Goldene Steig“<br />

erwies sich für die Zusammenarbeit eines Historikers und eines<br />

Archäologen als ideal. Als Ziel setzten sich die beiden Forscher<br />

zuerst die vollständige Rekonstruktion der Route des Goldenen<br />

Steiges von den böhmischen Zielstädten bis zur Grenze und<br />

die Dokumentation aller im Gelände erhaltenen Überreste.<br />

Großen Einfluss auf das Forschungsvorhaben nahm ein Ereignis<br />

der allgemeinen und auch der tschechischen Geschichte – die<br />

„Samtene Revolution“, die im Endeffekt den eisernen Vorhang<br />

beseitigte. Sie ermöglichte das Betreten von bisher unzugänglichen<br />

Grenzregionen und des deutschen Gebietes sowie das<br />

Knüpfen von Beziehungen mit deutschen Kollegen und Institutionen.<br />

Somit konnte die Forschung in den folgenden Jahren<br />

ins passauische Gebiet erweitert werden. Der „Goldene Steig“<br />

symbolisierte dazu die historische Verbindung Böhmens mit<br />

Deutschland. Diese war in der kommunistischen Zeit völlig<br />

unerwünscht, wurde aber nach 1989 plötzlich sehr aktuell.<br />

Die Forschung seit dem Jahr 1990<br />

Wie sieht diese Forschung eigentlich in der Praxis aus? In<br />

der Anfangsphase werden zunächst Archivalien, literarische<br />

Quellen, alte Karten und ikonografische Quellen zu dem<br />

aktuell zu erforschenden Zweig zusammenzutragen. Danach<br />

sucht man im Gelände zwischen den in den Quellen erfassten<br />

Punkten nach Überresten des Steiges, die heute meistens als<br />

eingeschnittene Hohlwege erscheinen. Die entdeckten Relikte<br />

des Goldenen Steiges zeichnet man in entsprechende Landkarten<br />

1:10 000 ein und macht zugleich eine genaue fotografische<br />

Dokumentation. Die großen Hohlwegsysteme werden mit Hilfe<br />

von Fachgeodaten vermessen. In den letzten Jahren ersetzt man<br />

diese Vermessung durch Airbornescanning-Aufnahmen, die das<br />

Gelände naturgetreu abbilden. Um Material zur Datierung der<br />

Hohlwegsysteme zu gewinnen, untersucht man einige Abschnitte<br />

mit Hilfe eines Metallsuchgerätes. Man hat dabei schon<br />

mehrere hundert Gegenstände gefunden – meistens Hufeisen,<br />

aber auch Eisenbeschläge, Nägel, alte Waffen – die den Verkehr<br />

am „Goldenen Steig“, vor allem zur Blütezeit im 15. und 16.<br />

Jahrhundert, dokumentieren. An wichtigen Lokalitäten fanden<br />

archäologische Ausgrabungen statt, z. B. am Prachatitzer Zweig<br />

beim Bau einer neuen Brücke bei Plahetschlag, auf der Burg<br />

Kunžvart in der Nähe des Grenzübergangs Strážný, oder auf<br />

deutschem Boden im sogenannten „Salzgraben“ bei Hauzenberg.<br />

Bis zum Jahr 2008 wurde die Erforschung aller böhmischen<br />

Teile des „Goldenen Steiges“ beendet. Dieses Ereignis wurde am<br />

Grenzübergang Bučina – Finsterau gefeiert. Seit dem Jahr 2009<br />

läuft im Auftrag der Universität Passau die Erforschung der<br />

passauischen Teile des Steiges. Dieser Teil der Untersuchung<br />

soll bis 2013 abgeschlossen sein. Die Forschung hat schon viele<br />

Ergebnisse gebracht und sie wird regelmäßig von tschechischen<br />

und bayerischen Medien verfolgt. Die wissenschaftlichen<br />

Ergebnisse werden zudem in einer Bücherreihe veröffentlicht,<br />

die seit dem Jahr 2001 in deutsch und in tschechisch erscheint.<br />

Bisher gibt es drei tschechische und zwei deutsche Publikationen,<br />

die dritte deutsche wird gerade übersetzt und zum Druck<br />

vorbereitet.<br />

Abb. 2 „Hohlweg mit Säumerkarawane“ im Innenhof des <strong>Museum</strong>s.<br />

Die Forschung hat aber auch zur Wiederbelebung des für das<br />

Gebiet des mittleren Böhmerwaldes so wichtigen historischen<br />

Begriffs und Phänomens „Goldener Steig“ beigetragen. Viele<br />

Zeitungsartikel, Vorträge, Rundfunk- und Fernsehsendungen<br />

haben die Forschung sowie den „Goldenen Steig“ in breiten<br />

Schichten der Bevölkerung bekannt gemacht. Allmählich stieg<br />

das Interesse der Leute für den „Goldenen Steig“; Studenten<br />

schreiben ihre Seminar- und Diplomarbeiten über ihn; Wanderer<br />

wollen auf den Spuren des „Goldenen Steiges“ wandern und<br />

das bringt die <strong>Mensch</strong>en auf beiden Seiten der Grenze näher<br />

zusammen. Die Touristiker haben in Zusammenarbeit mit F.<br />

Kubů und P. Zavřel den Prachatitzer und den Winterberger<br />

Zweig markiert. Auf diesen eröffneten Lehrpfaden kann man<br />

nun bis zur Grenze wandern. Sie knüpfen an der Grenze an die<br />

schon mehrere Jahre bestehenden deutschen Themenwanderungen<br />

an und die Wanderer können so auf dem Goldenen Steig<br />

von Prachatitz oder von Winterberg bis nach Passau wandern<br />

und sich dabei informieren. Seit dem Jahr 1996 findet jedes Jahr<br />

auch eine mehrtägige deutsch-tschechische Fußwanderung auf<br />

den Spuren des Goldenen Steiges statt. Als Symbol des auf beiden<br />

Seiten der Grenze erneuerten Lebens am Goldenen Steig ist<br />

schließlich die feierliche Eröffnung des neuen Grenzüberganges<br />

České Žleby – Bischofsreut zu sehen, bei der sich im Oktober<br />

1996 Deutsche und Tschechen in fröhlicher Geselligkeit begegnet<br />

sind. Als den bisherigen Höhepunkt aller Bemühungen um

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