Kulturwissenschaftliches Symposium Wald : Museum : Mensch ...
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in der Grauzone zwischen dem Unterhaltungsfilm und dem<br />
künstlerisch ambitionierten Animationsfilm. Sie zielen auf ein<br />
Massenpublikum und finden dieses auch. Regisseur Hayao<br />
Miyazaki thematisiert in „Prinzessin Mononoke“ die Umweltzerstörung<br />
und die Frage nach der Koexistenz des <strong>Mensch</strong>en<br />
mit der Natur. Wie im Märchen ist auch bei Miyazaki der <strong>Wald</strong><br />
ein Ort unheimlicher Verzauberung: es leben und wirken dort<br />
Geistwesen und Dämonen. Ein junger Krieger, Held des Films<br />
und zugleich auch Prinz, rettet sein Dorf vor einem verzauberten<br />
Wildschwein. Er tötet dieses, muss dafür jedoch seine Gesundheit<br />
zum Opfer bringen und wird vom dämonischen Furor<br />
des Tieres infiziert. Das eingedrungene Gift droht ihn selbst<br />
zu töten, und nur die Suche nach den Ursachen des Überfalls<br />
auf sein Dorf und damit nach den Hintergründen des Bösen<br />
kann ihn retten. Der Prinz geht also auf eine Wanderung – und<br />
findet den Grund allen Übels heraus: Der Betrieb einer im <strong>Wald</strong><br />
ansässigen Eisenhütte und Waffenschmiede zerstört die Natur.<br />
Gegen diesen Auswuchs menschlicher Zivilisation kämpfen<br />
bereits <strong>Wald</strong>dämonen, Geister und eine Wolfskriegerin. Der<br />
verletzte Krieger beteiligt sich auf der Seite der Guten an diesem<br />
Befreiungskampf und erlöst am Ende nicht nur die <strong>Wald</strong>gesellschaft,<br />
sondern auch sich selbst vom Fluch einer sich unbegrenzt<br />
ausbreitenden Zivilisation. 59<br />
3.3. Künstlerische <strong>Wald</strong>-Bilder<br />
Jenseits dieser populären Bildmedien, mitunter auch im Dialog<br />
mit ihnen, ist der <strong>Wald</strong> jedoch immer noch Motiv und Motivation<br />
der Bildkünste, der in anderem Sinne <strong>Wald</strong>-bildenden<br />
Kunst.<br />
Abb. 12 Gemälde „Der <strong>Wald</strong>“ von Max Ernst, 1927. Staatliche Kunsthalle<br />
Karlsruhe. © VEG Bildkunst.<br />
59 Über Spielkonsolen oder Handyspiele, die Abenteuersequenzen der Mangas und Animes<br />
verarbeiten, „wuchert“ der <strong>Wald</strong> längst auch in der digitalen Welt.<br />
WALDKULTUR. EIN RÜCKBLICK AUF 200 JAHRE KULTURELLE ANEIGNUNG | 45<br />
Doch welche Rolle konnte der <strong>Wald</strong> in der Kunst des 20. Jhs.<br />
überhaupt noch spielen? Diese Frage stellt sich angesichts zweier<br />
Weltkriege, die die deutsche Gesellschaft und ihre Künste in<br />
einen unmittelbaren Schockzustand versetzt haben. Wie für<br />
1945, so galt auch schon für 1918: Nichts war nach Ende dieses<br />
Krieges wie zuvor. Vielerorts war bereits der Erste Weltkrieg<br />
schon ein totaler Krieg. Er hatte <strong>Mensch</strong>en, Städte und Natur<br />
zerstört. Wie also sollte man Natur noch zeigen, gar abbilden?<br />
Das Erleben des Ersten Weltkrieges führte in allen gesellschaftlichen<br />
Kreisen erstmals im 20. Jahrhundert zu radikalen<br />
Verwerfungen. So auch in der Kunst.<br />
Der Dadaismus als radikalästhetische gesamtkünstlerische<br />
Bewegung war eine Reaktion auf diese Verwerfungen der Zeit.<br />
So findet sich etwa im Gemälde „Der <strong>Wald</strong>“ von Max Ernst<br />
(1891 – 1976) aus dem Jahr 1927 nichts mehr wieder vom <strong>Wald</strong><br />
der Romantik. Er gleicht einer „Vision im Halbschlaf “, wie Max<br />
Ernst in einem im selben Jahr erschienen Text ausführt. 60 Dieser<br />
<strong>Wald</strong> hat alles Leben, alles Organische verloren – er ist erstarrt<br />
und stellt sich dem <strong>Mensch</strong>en wie eine Barrikade entgegen. Der<br />
<strong>Wald</strong> ist ein Thema, welches das Lebenswerk von Max Ernst<br />
durchzieht. Bei ihm jedoch erscheint er verwandelt und verfremdet.<br />
Der Blick wird in die Tiefe, in labyrinthische, scheinbar<br />
undurchdringliche, bizarre Strukturen gezogen. Der <strong>Wald</strong> von<br />
Max Ernst wirkt wie eine Traumwelt, die sich dem <strong>Mensch</strong>en zu<br />
entziehen scheint.<br />
Als Schutzraum besonderer Art beschreibt 1936 Erich Kästner<br />
den <strong>Wald</strong>:<br />
„Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.<br />
Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden<br />
und tauscht bei ihnen seine Seele um.<br />
Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.<br />
Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.“ 61<br />
Hier ‚verdichtet’ sich dem Autor aus innerer Emigration heraus<br />
der <strong>Wald</strong> zum lyrischen Fluchtpunkt. Doch der <strong>Wald</strong> der<br />
nationalsozialistischen Diktatur bot nicht jedem Trost und<br />
war alles andere als unbelastet. Er war vereinnahmt und zum<br />
Symbol wie Tatort der Blut- und Boden-Politik und Rassenideologie<br />
geworden. So steht kennzeichnend für die propagandistische<br />
<strong>Wald</strong>ideologie des „Dritten Reichs“ und damit für eine<br />
„völkische Ortsbesetzung“ 62 des <strong>Wald</strong>es der im selben Jahr wie<br />
Kästners Gedicht erschienene Propagandafilm „Ewiger <strong>Wald</strong>“ 63 .<br />
60 Vgl. Werner Spies (Hg): Max Ernst. Retrospektive zum 100. Geburtstag. München 1991,<br />
S. 148.<br />
61 Letzte Strophe des Gedichtes „Die Wälder schweigen“. In: Dr. Erich Kästners lyrische Hausapotheke.<br />
Zürich 1936, S. 49.<br />
62 Konrad Köstlin: Lönsstein, Jahnhügel und Sonnenwende. Völkische Ortsbesetzungen in<br />
Österreich. In: Uwe Puschner/Georg Ulrich Großmann (Hg.): Völkisch und National. Zur<br />
Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Darmstadt 2009, S. 110 – 127, hier S. 110.<br />
63 Vgl. dazu ausführlich Johannes Zechner: „Ewiger <strong>Wald</strong> und ewiges Volk“: Die Ideologisierung<br />
des deutschen <strong>Wald</strong>es im Nationalsozialismus. Mit einem Vorwort von Uwe Puschner.<br />
Freising 2006.