KoBo - Bonstetten
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Editorial<br />
Von Menschen und Mäusen<br />
Die Maus begleitet den Menschen seit der Zeit<br />
als er sesshaft und das erste Getreide angebaut<br />
wurde. Kein Wunder steht uns die Maus<br />
psychologisch so nahe wie kaum ein anderes<br />
Tier. Mus musculus, die Hausmaus, siedelt<br />
wie der Homo sapiens fast überall zwischen Äquator und den<br />
Polkappen, lebt in hierarchischen Gruppen, betreibt Arbeitsteilung,<br />
sorgt sich aufopferungsvoll um ihren Nachwuchs, verpflegt<br />
kranke Artgenossen und ist ebenso hungrig wie sexgierig. Und<br />
beim Essen richtet die Maus bisweilen den Oberkörper auf und<br />
isst ihren Snack aus den Pfoten.<br />
Da sich die Maus jedoch mit Vorliebe von den Früchten und<br />
Vorräten der Feldarbeit der Menschen ernährt, kann von friedlicher<br />
Koexistenz bis heute keine Rede sein: Die ältesten Mitteilungen<br />
über Mäuseschäden finden sich bereits in altägyptischen<br />
Quellen – etwa dem Papyrus Ebers (um 1500 v. Chr.) – und<br />
ihre periodisch wiederkehrenden Plagen sind wohl einer der<br />
Gründe, warum im Lande der Pyramiden die Katze als Gottheit<br />
verehrt wurde. Mittelalterliche Stiche zeigen Mäuse, die in<br />
Städten einfallen, und «Brehms Tierleben» weiss zu berichten,<br />
«dass in dem einzigen Bezirk von Zabern im Jahre 1822 binnen<br />
14 Tagen 1 570 000 Feldmäuse eingefangen und abgeliefert»<br />
wurden. Bis heute ist das Verhältnis<br />
des Menschen, der den<br />
Vorratsschädlingen mit Fallen,<br />
Gift, Gas und Katzen nachstellt,<br />
von nagendem Zwiespalt<br />
und abgrundtiefer Irrationalität<br />
durchsetzt.<br />
Denn in kultureller Hinsicht<br />
verhalten wir uns höchst widersprüchlich<br />
zum kleinen Vierbeiner:<br />
Vor allem in Asien nehmen<br />
die winzigen Nager einen hohen<br />
religiösen Rang ein. In der japanischen<br />
Mythologie etwa sitzt<br />
Daniel Eichenberger (Bild: F. Brüderli)<br />
eine prächtig geschmückte Maus<br />
neben Daikoku, dem Gott des Reichtums. Während in Sibirien<br />
die Maus Sinnbild des Wohlstands ist, dient in Indien und Nepal<br />
ein mäuseähnliches Wesen der gierigen, aber schlauen Gottheit<br />
Ganesha als Reittier. Der mythologischen Faszination hat<br />
nun die moderne Wissenschaft ein neues Kapitel hinzugefügt,<br />
indem sie herausgefunden hat, dass die Anzahl der Gene bei<br />
Menschen und Mäusen ungefähr gleich hoch ist. Der Aufbau<br />
der Gene und die Aktivitäten der Protein-Produkte programmieren<br />
immerhin noch zu fast 90 % dasselbe, möglicherweise<br />
unsere gemeinsame Lust auf Käse genauso wie den Drang uns<br />
zu vermehren, sich gelegentlich in ein Mauseloch zu verkriechen<br />
oder den Verstand der Fresslust unterzuordnen.<br />
Impressum<br />
Herausgeberin Politische Gemeinde <strong>Bonstetten</strong><br />
<strong>KoBo</strong>-Redaktion, Postfach, 8906 <strong>Bonstetten</strong><br />
E-Mail: kobo@bonstetten.ch<br />
Redaktoren Daniel Eichenberger, Ursi Koller,<br />
Beatrice Liera, Werner Locher, Ute Ruf,<br />
Renée Schweizar, Doris Utz, Robert Zingg<br />
Korrektorat Renée Schweizar<br />
Abschlussredaktion Jürg Casanova<br />
Titelbild Fotostudio Frank Brüderli, Stallikon<br />
www.bruederli-fotograf.ch<br />
Layout & Produktion Fotostudio Frank Brüderli,<br />
Stallikon, www.bruederli-fotograf.ch<br />
Auflage 2200 Exemplare<br />
Erscheinung 4 – 6x jährlich<br />
Ausgabe 05/08 erscheint am 28. 11. 2008<br />
Redaktionsschluss ist der 3. 11. 2008<br />
Vielleicht noch schwieriger zu akzeptieren ist die Tatsache, dass<br />
die Abweichung des Gensatzes von Mensch zu Mensch gerade<br />
mal 0,08 Prozent beträgt. Einerseits ja beruhigend, möchte man<br />
meinen, diese wissenschaftlich fundierte Gleichheit aller Menschen,<br />
andererseits aber auch erschreckend, weil das bedeuten<br />
würde, dass George W. Bush und Osama Bin Laden, Barack<br />
Obama und Sarah Palin, Sie, liebe Leserin, lieber Leser und ich<br />
zu 99,92 Prozent (genetisch) gleich sind. Doch verhalten kann<br />
man sich immer noch anders. Denn es sind diese 0,08 Prozent,<br />
die Sie und mich von jenen unterscheiden, die Robidog-Behälter<br />
sprengen, Wartehäuschen zertrümmern und den Gemeinderat<br />
dazu veranlasst haben, einen Abfall-Pass einzuführen und sich<br />
Gedanken über eine dissuasive Videoüberwachung zu machen.<br />
Und für all jene, die sich an den erwähnten Namen stossen,<br />
mit denen sie genetisch identisch sein sollen, bleibt als Trost<br />
immerhin, dass wir auch mit Sophia Loren, David Beckham,<br />
Roger Federer, Angelina Jolie und unserer schönsten Schweizerin<br />
zu 99,92 Prozent identisch sind.<br />
Herzlich,<br />
Ihr Daniel Eichenberger