Wendezeit 1/15 - Herr der Ringe
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Die Geschichte <strong>der</strong> Bibel<br />
Wer gab uns das<br />
Neue Testament<br />
W. J. J. Glashower – Folge 12<br />
Die wichtigsten Handschriften<br />
Wir können kurz die wichtigsten Handschriften<br />
zusammenfassen, wobei wir<br />
Gelegenheit haben, noch Exemplare zu<br />
nennen, die wir bis jetzt unberücksichtigt<br />
liessen.<br />
1. Ganz oben auf <strong>der</strong> Liste stehen die Papy<br />
ri, namentlich <strong>der</strong> älteste (P52), die<br />
Chester-Beatty-Papyri (P45-47) und die<br />
Bodmer-Papyri (P66, 72 und 75) (2. und<br />
3. Jahrhun<strong>der</strong>t).<br />
2. Dann folgen die wichtigsten Handschriften:<br />
die grossen Unzialen auf Vellum<br />
und Pergament, von denen es ca. 300<br />
gibt, die aus dem 4. und 9. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
stammen; den Codex Sinaiticus (Hebräisch),<br />
Alexandrinus, Vaticanus, Ephraemi<br />
Bezae o<strong>der</strong> Cantabrigiensis (= von Cambridge),<br />
Washingtonianus o<strong>der</strong> Freerianus<br />
und Koridethianus nannten wir schon.<br />
Wir könnten hier noch aus dem 6. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
den Codex Claramontanus (= von<br />
Clermont) hinzufügen, <strong>der</strong> an den Cantabrigiensis<br />
anschliesst und genau wie<br />
dieser sowohl einen griechischen als auch<br />
einen lateinischen Text hat und fast vollständig<br />
die Paulusbriefe (inkl. Hebräerbrief)<br />
enthält.<br />
3. Die Minuskeln datieren aus dem 9. bis<br />
<strong>15</strong>. Jahrhun<strong>der</strong>t und sind demnach für<br />
die Textkritik von geringerer Bedeutung.<br />
Sie bestehen aus ca. 2650 Manuskripten<br />
und über 2000 Lektionarien (s. unten).<br />
Einige <strong>der</strong> wichtigeren sind Nr. 33 («die<br />
Königin <strong>der</strong> Minuskeln») aus dem 9. (o<strong>der</strong><br />
10.) Jahrhun<strong>der</strong>t, die ausser <strong>der</strong> Offenbarung<br />
das ganze Neue Testament enthält<br />
und zu <strong>der</strong> «alexandrinischen» Gruppe<br />
gehört; weiter Nr. 81 (11. Jh.),<br />
die u.a. einen sehr guten Text <strong>der</strong><br />
Apostelgeschichte bietet. Wir berichteten<br />
schon, dass die «cäsareanische»<br />
Gruppe u.a. von Familie 1 (d. h.<br />
<strong>der</strong> Familie, die mit Minuskel 1 anfängt<br />
und noch einige aus dem 12.-14. Jh. enthält)<br />
und Familie 13 (zwölf Minuskeln,<br />
angefangen mit Nr. 13, aus dem 11.-<strong>15</strong>.<br />
Jh.) vertreten ist. Wie gesagt, gehören<br />
die weitaus meisten Minuskeln zu <strong>der</strong><br />
«byzantinischen» Struktur.<br />
4. Von grosser Wichtigkeit sind die antiken<br />
Übersetzungen des Neuen Testaments,<br />
auch Versionen (= direkte Übersetzun gen<br />
aus dem Grundtext) genannt. Von den syrischen<br />
Versionen (Abkürzung Syr.) sind<br />
hauptsächlich die Altsyrische zu nennen<br />
(erhalten im Codex Syro-Sinaiticus und<br />
dem Codex Syro-Curetonianus, ca. 200),<br />
das Diatessaron von Tatianus (ca. 170), die<br />
Peschita (ca. 411) und spätere, wie die des<br />
Bischofs Philoxenus (508), die des Bischofs<br />
Thomas von Harkel (= Heracla) (616) und<br />
die palästinensisch-syrische Version (1.<br />
Hälfte 5. Jh.).<br />
Bei den lateinischen Versionen unterscheiden<br />
wir zwischen <strong>der</strong> Alt-Lateinischen<br />
(It) und <strong>der</strong> Vulgata. Die alt-lateinischen<br />
Versionen unterscheiden wir zwischen<br />
<strong>der</strong> Alt-Lateinischen und <strong>der</strong> Vulgata. Die<br />
alt-lateinischen Versionen sind in einer<br />
afrikanischen Fassung (vor allem im Codex<br />
Bobiensis aus dem Jahre 400 – offensichtlich<br />
von einem Papyrus aus dem<br />
zweiten Jahrhun<strong>der</strong>t kopiert – , sowie in<br />
einer europäischen Fassung erhalten: Codex<br />
Vercellensis (Kode a aus dem Jahre<br />
360) und Codex Veronensis (b). Dieser<br />
letztgenannte bildete die Grundlage für<br />
die Vulgata des Hieronymus, die u.a. in<br />
den prächtigen Codices Palatinus (5. Jahrhun<strong>der</strong>t),<br />
Amiatinus und Cavensis erhalten<br />
wurde. Ferner sind diese Versionen<br />
in ca. 8000 (!) an<strong>der</strong>en Texten vertreten.<br />
Die koptischen Versionen werden nach<br />
den gebräuchlichen Dialekten unterschieden<br />
in sahidische (Sah) und spätere bohairische<br />
(Boh) Versionen (die letzte ist<br />
hauptsächlich in einem Bodmer-Papyrus<br />
des Johannesevangelium enthalten) sowie<br />
nach einigen mittelägyptischen Dialekten.<br />
Daneben müssen u.a. die äthiopischen,<br />
armenischen (Arm), georgischen und<br />
gothischen Versionen genannt werden.<br />
5. Wir wiesen schon mehrere Male auf<br />
die Bedeutung <strong>der</strong> Zitate früherer Kirchenväter<br />
hin. Sie sind deshalb wichtig, weil<br />
sie älter sind als die ältesten Codices; sie<br />
sind aber nicht immer glaubwürdig, erstens,<br />
weil die Kirchenväter manchmal<br />
frei (auswendig) zitierten o<strong>der</strong> den Text<br />
paraphrasierten (umschrieben), und zweitens,<br />
weil ihre Schriften, wie auch <strong>der</strong><br />
Bibeltext selber, den Einflüssen <strong>der</strong> Überlieferung<br />
ausgesetzt waren. Dass ihre<br />
Schriften trotzdem wichtig sind, wird an<br />
<strong>der</strong> Tatsache deutlich, dass darin vor<br />
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