Wendezeit 1/15 - Herr der Ringe
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
und gab ihm ein feminines Suffix «-a»,<br />
sodass daraus Kankra wurde mit <strong>der</strong> Bedeutung<br />
weiblicher Weberknecht. Auch<br />
an sich treffende Übersetzungen wurden<br />
<strong>der</strong> jüngeren Geschichte wegen von<br />
Tolkien in Zweifel gezogen: Wegen dessen<br />
Verwendung bei <strong>der</strong> Regionalglie<strong>der</strong>ung<br />
während des Dritten Reiches<br />
und <strong>der</strong> daraus folgenden negativen<br />
Nebenbedeutung räumte <strong>der</strong> Autor ein,<br />
dass man von dem deutschen Wort Gau<br />
als passendste Übersetzung für Shire<br />
unter Umständen absehen müsse. Carroux<br />
stimmte mit ihm darin überein und<br />
entschied sich für das Wort Auenland.<br />
Die erste Übersetzung in Taschenbuchausgabe<br />
von Margaret Carroux (Prosa)<br />
und Ebba-Margareta von Freymann (Gedichte),<br />
erschien in einzelnen Büchern<br />
1969 und 1970, die erste Sammelpublikation<br />
1972. Diese Versionen enthalten<br />
im Anschluss an Buch 6 im dritten Band<br />
lediglich ein Fragment des Originalanhangs,<br />
Ein Teil <strong>der</strong> Erzählung von Aragorn<br />
und Arwen aus den Annalen <strong>der</strong><br />
Könige und <strong>Herr</strong>scher. Vermutlich hatte<br />
hierum Tolkien selbst gebeten, da er diesen<br />
Teil <strong>der</strong> Anhänge als den wichtigsten<br />
einschätzte. Der Rest <strong>der</strong> Anhänge<br />
wurde ausgelassen, wie etwa die Angaben<br />
über die Aussprache <strong>der</strong> elbi schen<br />
Namen. In späteren gebundenen Ausgaben<br />
wurden jedoch auch die vollständigen<br />
Anhänge integriert, auch kamen<br />
die Anhänge in Taschenbuchform als<br />
Zusatzband heraus.<br />
Übersetzung<br />
von Wolfgang Krege<br />
Wolfgang Krege (1939-2005) war ein deutscher<br />
Autor und Übersetzer. Er arbeitete unter<br />
an<strong>der</strong>em für den Klett-Cotta-Verlag in<br />
Stuttgart. Er sagte «Ich lebe besser mit <strong>der</strong><br />
Kritik, als wenn meine Übersetzung völlig<br />
bedeutungslos geblieben wäre.»<br />
Die zweite deutsche Übersetzung (von<br />
Wolfgang Krege, 2000 im selben Verlag<br />
erschienen) glie<strong>der</strong>t in <strong>der</strong> Taschenbuchversion<br />
nun sämtliche Anhänge in einen<br />
Zusatzband aus.<br />
Äusserlich <strong>der</strong> auffälligste Unterschied<br />
an Wolfgang Kreges Fassung war die<br />
Umbe nennung des Dritten Bandes in<br />
Die Wie<strong>der</strong>kehr des Königs (Carroux:<br />
Die Rückkehr des Königs). Während v.<br />
Freymanns Übersetzungen <strong>der</strong> Gedichte<br />
wei test ge hend übernommen wurden<br />
und auch die Orts-, Sach- und Personenna<br />
men sich le diglich in ihrer Schreibung<br />
teils von <strong>der</strong> Version Carrouxs<br />
unterschei den (Carroux: Isengart; Krege:<br />
Isengard), bemüht sich Kreges Übersetzung<br />
ansons ten, Tolkiens zwischen<br />
den verschiedenen Charakteren stark<br />
wechselnden Sprachstil deutlicher abzubilden,<br />
als Car roux dies tat. In ihrer<br />
Übersetzung zeigt sich <strong>der</strong> sprachliche<br />
Stil recht einheitlich gemässigt altmodisch;<br />
im englischen Original findet<br />
man dagegen verschiedenste Sprachebenen<br />
vom aus gesproche nen «Bi belstil»<br />
des 16. Jahrhun<strong>der</strong>ts bis hin zum<br />
ländlichen und städtischen, teil weise<br />
<strong>der</strong> ben Alltagsenglisch <strong>der</strong> 1940er Jahre.<br />
Kre ge wählte entsprechend verschiedene<br />
Färbungen des Deut schen, definierte<br />
aber als Endpunkt das Deutsch<br />
<strong>der</strong> 1990er statt jenes <strong>der</strong> 1940er Jahre.<br />
Viele deutschsprachige Leser lehnen die<br />
Kregesche Übersetzung ab, da sie das<br />
Verfahren <strong>der</strong> sprachstilistischen Unterscheidung<br />
an verschiedenen Stellen für<br />
überzogen o<strong>der</strong> unzutreffend angewandt<br />
halten. Bekanntestes Beispiel: Aus Sams<br />
üblicher Anrede für Frodo, <strong>Herr</strong> (für master),<br />
wurde Chef, wodurch nach Ansicht<br />
<strong>der</strong> Kritiker das spezifische Verhältnis eines<br />
ländlichen Gärtnergesellen zu seinem<br />
<strong>Herr</strong>n nicht zutreffend umschrieben<br />
werde. Über setzungen einzel ner Ausdrücke<br />
werden ausserdem als sinnentstellend<br />
kritisiert, beispielsweise wurde<br />
aus «ever-moving leaves» (leaves: Blätter,<br />
to leave: verlassen) – einem Symbol<br />
<strong>der</strong> Vergänglichkeit und des bevorstehenden<br />
Abschieds <strong>der</strong> Elben – «un ermüd<br />
lich wedelndem Laubwerk». Die<br />
deut sche Synchronisation <strong>der</strong> Verfilmung<br />
von Pe ter Jackson nutzte daher die ältere<br />
Carroux-Fassung, worauf bereits <strong>der</strong> Filmtitel<br />
des dritten Teils hinweist, <strong>der</strong> weiterhin<br />
Die Rückkehr des Königs heisst.<br />
Im September 2012 erschien Wolfgang<br />
Kreges Übersetzung in einer neu lektorierten<br />
und umfassend überarbeiteten<br />
Fassung. Unter an<strong>der</strong>em wurde Sams – von<br />
vielen Lesern kritisierte – Anrede Chef eliminiert<br />
und <strong>der</strong> Titel des dritten Bandes<br />
wie<strong>der</strong> geän<strong>der</strong>t in Die Rückkehr des<br />
Königs.<br />
Der <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Ringe</strong><br />
als Allegorie<br />
Tolkien versicherte in seinem Vorwort<br />
zur revidierten Ausgabe von 1966, dass<br />
die beiden Weltkriege, die er miterlebt<br />
hatte, keine Grundlage für sein Werk<br />
legten. Demnach wollte er lediglich ein<br />
Buch mit einer langen, den Leser fesselnden<br />
Geschichte schreiben:<br />
«Was die tiefe Bedeutung o<strong>der</strong> ‚Botschaft‘<br />
des Buches angeht, so hat es<br />
nach Absicht des Autors keine. Es ist we<strong>der</strong><br />
allegorisch, noch hat es irgendeinen<br />
aktuellen Bezug. […] Der wirkliche<br />
Krieg hat we<strong>der</strong> in seinem Verlauf noch<br />
in seinem Ausgang eine Ähnlichkeit mit<br />
dem Krieg <strong>der</strong> Sage. Hätte er als Vorbild<br />
[…] gedient, so hätte man sich des<br />
Rings sicherlich bemächtigt und ihn gegen<br />
Sauron verwendet; und Sauron wäre<br />
nicht vernichtet worden, son<strong>der</strong>n unterworfen,<br />
und Barad-dur nicht zerstört,<br />
son<strong>der</strong>n besetzt. […] Denkbar wären<br />
auch Deutungen gemäss den Vorlieben<br />
o<strong>der</strong> Ansichten <strong>der</strong>jenigen, die auf allegorische<br />
o<strong>der</strong> aktuelle Bezüge Wert legen.<br />
Doch die Allegorie in allen ihren<br />
Formen verabscheue ich von Herzen,<br />
und zwar schon immer, seit ich alt und<br />
argwöhnisch genug bin, ihr Vorhandensein<br />
zu bemerken. Geschichte, ob wahr<br />
o<strong>der</strong> erfunden, mit ihrer vielfältigen Anwendbarkeit<br />
im Denken und Erleben<br />
des Lesers ist mir viel lieber. Ich glaube,<br />
dass ‚Anwendbar keit‘ mit ‚Allegorie‘ oft<br />
verwechselt wird; doch liegt die eine im<br />
freien Ermessen des Lesers, während<br />
die an<strong>der</strong>e von <strong>der</strong> Absicht des Autors<br />
beherrscht wird.»<br />
Damit antwortete <strong>der</strong> Autor auf zahlreiche<br />
Nachfragen, die ihn um eine Deutung<br />
befragten und eine allegorische Interpretation<br />
vorschlugen.<br />
Inhalt<br />
Im tolkienschen Universum stellt <strong>der</strong> Roman<br />
Der <strong>Herr</strong> <strong>der</strong> <strong>Ringe</strong> den Abschluss<br />
<strong>der</strong> Erzählungen aus einer fiktiven Welt<br />
dar. Er berichtet von den letzten wichtigen<br />
Ereignissen eines dunklen Zeital-<br />
Schwerpunkt<br />
<strong>Wendezeit</strong> 1/<strong>15</strong><br />
37