Newsletter Menschenrechte - Jan Sramek Verlag
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8<br />
Paksas gg. Litauen<br />
nalen Gerichte einen fairen Ausgleich der widerstreitenden<br />
Interessen geschaffen haben und eine ausreichende<br />
Begründung iSv. Art. 8 Abs. 2 EMRK vorbrachten, um<br />
den Eingriff zu rechtfertigen. Es ist zwar Sache der nationalen<br />
Gerichte zu entscheiden, ob der Kontakt zwischen<br />
dem biologischen Vater und seinem Kind dem Kindeswohl<br />
entspricht, vorliegend wurde diese Frage jedoch<br />
gar nicht behandelt.<br />
NLMR 1/2011-EGMR<br />
Der Eingriff war daher nicht »notwendig in einer<br />
demokratischen Gesellschaft«, sodass eine Verletzung<br />
von Art. 8 EMRK festzustellen ist (einstimmig).<br />
II.<br />
Entschädigung nach Art. 41 EMRK<br />
€ 5.000,– für immateriellen Schaden, € 4.030,76 für Kosten<br />
und Auslagen (einstimmig).<br />
•<br />
Entzug des passiven Wahlrechts nach Amtsenthebung<br />
des Präsidenten<br />
Paksas gg. Litauen, Urteil vom 6.1.2011, Große Kammer, Bsw. Nr. 34.932/04<br />
Leitsatz<br />
Die Sechs-Monats-Frist für die Beschwerdeerhebung<br />
beginnt nicht zu laufen, wenn die Verletzung durch<br />
gesetzliche Bestimmungen hervorgerufen wird, die<br />
eine kontinuierliche Sachlage schaffen, gegen die kein<br />
Rechtsbehelf besteht. Sie läuft erst ab dem Zeitpunkt, zu<br />
dem die Sachlage nicht mehr besteht.<br />
Eine dauerhafte, unabänderliche Beschränkung des<br />
passiven Wahlrechts ist keine verhältnismäßige Sanktion<br />
in Folge einer Amtsenthebung des Staatspräsidenten<br />
wegen Verfassungsbruchs.<br />
Rechtsquellen<br />
Art. 3 1. Prot. EMRK<br />
Vom GH zitierte Judikatur<br />
▸ Hirst/GB (Nr. 2) v. 6.10.2005 (GK)<br />
= NL 2005, 236<br />
▸ Ždanoka/LV v. 16.3.2006 (GK)<br />
= NL 2006, 78<br />
▸ Tănase/MD v. 27.4.2010 (GK)<br />
= NL 2010, 123<br />
Schlagworte<br />
Beschwerdeerhebung, Frist zur; Wahlen, Recht auf<br />
freie; Wahlrecht, passives; Zulässigkeitsvoraussetzung<br />
Petra Pann<br />
▷<br />
Sachverhalt<br />
Bei dem Bf. handelt es sich um Rolandas Paksas, der<br />
im Jänner 2003 zum Präsidenten der Rebublik Litauen<br />
gewählt wurde.<br />
Am 30.12.2003 stellte das Verfassungsgericht auf<br />
Antrag des litauischen Parlaments (Seimas) die Verfassungswidrigkeit<br />
eines Dekrets des Bf. fest, mit dem er<br />
einem russischen Geschäftsmann, J. B., die litauische<br />
Staatbürgerschaft verliehen hatte, obwohl die Abteilung<br />
für Staatssicherheit gegen diesen ermittelte. Das Verfassungsgericht<br />
stellte fest, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft<br />
nichts anderes als eine Belohnung für die<br />
finanzielle Unterstützung sei, die J. B. dem Bf. im Rahmen<br />
des Wahlkampfes zukommen ließ. Der Präsident<br />
habe daher gegen das fundamentale, in der Verfassung<br />
verankerte Prinzip der Gleichheit aller Personen vor den<br />
staatlichen Institutionen und Beamten sowie gegen<br />
das Prinzip, dass der Präsident gegenüber jedem gleich<br />
gerecht zu sein hat, verstoßen.<br />
Bereits am 23.12.2003 hatte der Seimas aufgrund<br />
einiger Anschuldigungen gegen den Präsidenten eine<br />
Ermittlungskommission eingesetzt, um diese zu überprüfen.<br />
Am 19.2.2004 beantragte der Seimas beim Verfassungsgericht<br />
zu prüfen, ob der Präsident gegen die<br />
Verfassung verstoßen habe. Das Verfassungsgericht entschied<br />
am 31.3.2004, dass der Bf. schwer gegen die Verfassung<br />
verstoßen und seinen Eid auf die Verfassung<br />
verletzt habe, indem er J. B. aufgrund von finanziellen<br />
Zuwendungen und anderer Unterstützung die litaui-<br />
Österreichisches Institut für <strong>Menschenrechte</strong><br />
© <strong>Jan</strong> <strong>Sramek</strong> <strong>Verlag</strong>