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Newsletter Menschenrechte - Jan Sramek Verlag

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NLMR 1/2011-EGMR<br />

sche Staatsbürgerschaft verliehen habe und diesen über<br />

die laufenden Ermittlungen gegen ihn und die Überwachung<br />

durch die litauische Exekutive informiert habe.<br />

Weiters habe er seine amtliche Stellung ausgenutzt,<br />

indem er Einfluss auf ein privates Unternehmen nahm,<br />

um ihm nahe stehenden Personen einen Vorteil zu verschaffen.<br />

Der Bf. versuchte im Verfahren die Befangenheit<br />

des Präsidenten des Verfassungsgerichts geltend zu<br />

machen. Dies blieb jedoch genauso erfolglos wie die Einlegung<br />

eines Rechtsbehelfs zur Klarstellung der Schlussfolgerungen<br />

des Gerichts.<br />

Am 6.4.2004 enthob der Seimas den Bf. seines Amtes.<br />

Der Bf. beantragte, bei den Präsidentschaftswahlen<br />

am 13.6.2004 kandidieren zu dürfen. Am 22.4.2004 entschied<br />

das Zentrale Wahlkomitee, dass dem nichts entgegenstehe.<br />

Wenige Tage später nahm der Seimas eine<br />

Änderung des Gesetzes über die Präsidentschaftswahlen<br />

an, durch die jeder, der durch den Seimas seines<br />

Amtes enthoben wurde, für einen Zeitraum von fünf<br />

Jahren von der Kandidatur bei Präsidentschaftswahlen<br />

ausgeschlossen wurde. Daraufhin verweigerte das Zentrale<br />

Wahlkomitee die Eintragung des Bf. in die Kandidatenliste.<br />

Diese Gesetzesänderung wurde vom Verfassungsgericht<br />

hinsichtlich seiner Verfassungsmäßigkeit überprüft.<br />

Das Gericht entschied am 25.5.2004, dass der<br />

Ausschluss einer ihres Amtes enthobenen Person vom<br />

passiven Wahlrecht verfassungskonform sei. Den Auschluss<br />

zeitlich zu beschränken, sei jedoch verfassungswidrig.<br />

Da ein Bruch der Verfassung immer vorliegen<br />

werde, könne ein aus diesem Grund seines Amtes enthobener<br />

Präsident nie wieder einen Eid ablegen bzw. das<br />

Amt des Präsidenten, eines Parlamentsmitglieds oder<br />

ein anderes Amt, für das die Ablegung eines Eides auf<br />

die Verfassung notwendig ist, bekleiden.<br />

Am 15.7.2004 nahm der Seimas eine Änderung des<br />

Gesetzes über die Parlamentswahlen an, in der ihres<br />

Amtes enthobene Personen davon ausgeschlossen wurden,<br />

Mitglied des Parlaments zu sein.<br />

Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Bf. wurden<br />

aufgrund mangelnder Beweise eingestellt.<br />

Rechtsausführungen<br />

Der Bf. rügt Verletzungen von Art. 6 Abs. 1 (Recht auf<br />

ein faires Verfahren), Abs. 2 (Unschuldsvermutung) und<br />

Abs. 3 lit. b EMRK (Recht, über ausreichende Zeit und<br />

Gelegenheit zur Vorbereitung seiner Verteidigung zu verfügen).<br />

Ferner beschwert er sich über Verletzungen seines<br />

Rechts unter Art. 7 EMRK (Nulla poena sine lege)<br />

und Art. 4 Abs. 1 7. Prot. EMRK (Doppelbestrafungsverbot).<br />

Des Weiteren behauptet er, in seinen Rechten<br />

gemäß Art. 3 1. Prot. EMRK (Recht auf freie Wahlen) allei-<br />

Paksas gg. Litauen<br />

ne sowie in Verbindung mit Art. 13 EMRK (Recht auf eine<br />

wirksame Beschwerde bei einer nationalen Instanz) verletzt<br />

zu sein.<br />

I. Zu den behaupteten Verletzungen von Art. 6 Abs. 1,<br />

Abs. 2 und Abs. 3, von Art. 7 EMRK sowie von Art. 4<br />

7. Prot. EMRK<br />

Diese Beschwerdepunkte werden wegen Unvereinbarkeit<br />

mit der Konvention ratione materiae als unzulässig<br />

zurückgewiesen (einstimmig).<br />

II.<br />

Zur behaupteten Verletzung von Art. 3 1. Prot.<br />

EMRK<br />

Der Bf. beschwert sich darüber, dass sein dauerhafter<br />

Ausschluss von der Präsidentschaftskandidatur, obwohl<br />

er als Politiker beachtliche Unterstützung durch die<br />

Bevölkerung genieße, dem Wesensgehalt freier Wahlen<br />

entgegen stehe. Sein lebenslanger Ausschluss von<br />

gewählten Ämtern sei daher gänzlich unverhältnismäßig.<br />

Die Gesetzesänderung infolge seiner Absetzung sei<br />

außerdem willkürlich und bezwecke nichts anderes,<br />

als ihn von der Ausübung öffentlicher Ämter zukünftig<br />

abzuhalten.<br />

1. Zur Zulässigkeit<br />

Da Art. 3 1. Prot. EMRK nur auf Wahlen der »gesetzgebenden<br />

Organe« anzuwenden ist, wird die Beschwerde,<br />

insofern sie sich auf die Amtsenthebung oder den Ausschluss<br />

von der Kandidatur bei Präsidentschaftswahlen<br />

bezieht, wegen Unvereinbarkeit ratione materiae iSv.<br />

Art. 35 Abs. 3 EMRK zurückgewiesen (einstimmig).<br />

a. Erschöpfung des nationalen Instanzenzugs<br />

Die Regierung wendet ein, dass der Bf. gegen die Ablehnung<br />

der Kandidatur berufen oder aber eine Klärung der<br />

Frage durch das Verfassungsgericht beantragen hätte<br />

können, ob derartige Sanktionen unabänderlich seien.<br />

Er hätte dann die Möglichkeit gehabt, zurückzutreten,<br />

um der Amtsenthebung zu entgehen.<br />

Der GH stellt diesbezüglich fest, dass die Entscheidung<br />

des Verfassungsgerichts vom 25.5.2004 klar festlegte,<br />

dass eine aufgrund eines Verfassungsbruchs ihres<br />

Amtes enthobene Person nie wieder zum Präsidenten,<br />

Parlamentsmitglied oder in ein anderes Amt gewählt<br />

werden könne, für das die Ablegung eines Eides auf die<br />

Verfassung nötig ist. Entscheidungen des litauischen<br />

Verfassungsgerichts entfalten Gesetzeskraft und sind<br />

endgültig. Da das Verfassungsgericht an seine eigenen<br />

Entscheidungen gebunden ist, hätte eine Bekämpfung<br />

der ablehnenden Entscheidung bezüglich der Kandidatur<br />

des Bf. nur erfolglos sein können.<br />

9<br />

Österreichisches Institut für <strong>Menschenrechte</strong><br />

© <strong>Jan</strong> <strong>Sramek</strong> <strong>Verlag</strong>

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