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BRAK-Mitt. 3/2003 Aufsätze 117<br />
Mailän<strong>de</strong>r, Die Auswirkungen <strong>de</strong>r EuGH-Urteile auf das nationale Berufsrecht in Deutschland<br />
insbeson<strong>de</strong>re aber auf <strong>de</strong>m Hintergrund ihrer Zielsetzung zu<br />
würdigen sein. Dabei hat <strong>de</strong>r Gerichtshof die Notwendigkeit <strong>de</strong>r<br />
Schaffung von Vorschriften über Organisation, Befähigung,<br />
Stan<strong>de</strong>spflichten, Kontrolle und Verantwortlichkeit zur Sicherung<br />
erfor<strong>de</strong>rlicher Gewähr für Integrität und Erfahrung bei <strong>de</strong>r<br />
Erbringung anwaltlicher Dienstleistungen in <strong>de</strong>n Vor<strong>de</strong>rgrund<br />
gestellt (Tz. 97). Die Aufstellung von Stan<strong>de</strong>spflichten zur Wahrung<br />
<strong>de</strong>r Unabhängigkeit, zur Vermeidung von Interessenkonflikten<br />
und zur Wahrung von strengen Berufsgeheimnissen wird<br />
<strong>de</strong>shalb vom Gerichtshof als vorrangig bewertet und auch bei<br />
verbleiben<strong>de</strong>m Einschlag für die wirtschaftliche Tätigkeit <strong>de</strong>r davon<br />
Betroffenen als immanente Wettbewerbsbeschränkung aus<br />
<strong>de</strong>m Anwendungsbereich <strong>de</strong>s Art. 81 Abs. 1 EGV freigehalten.<br />
8. Damit hat sich <strong>de</strong>r Gerichtshof <strong>de</strong>n ihm vom Generalanwalt<br />
vorgezeichneten Weg verbaut, im Rahmen <strong>de</strong>s Art. 86 Abs. 2<br />
EGV zu prüfen, ob nicht RAe als Unternehmen zu betrachten<br />
sind, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen<br />
Interesse betraut sind und <strong>de</strong>shalb die Anwendung <strong>de</strong>r<br />
Wettbewerbsregeln ausschließen, weil diese sonst die Erfüllung<br />
<strong>de</strong>r übertragenen beson<strong>de</strong>ren Aufgaben verhin<strong>de</strong>rn wür<strong>de</strong>,<br />
ohne dass eine gemeinschaftswidrige Interessenbeeinträchtigung<br />
zu befürchten wäre.<br />
So sehr sich eine Reihe von Feststellungen <strong>de</strong>s Gerichtshofs zum<br />
immanenten Ausnahmetatbestand nach Art. 81 Abs. 1 auch <strong>de</strong>r<br />
Prüfung <strong>de</strong>r Tatbestandsmerkmale <strong>de</strong>s Art. 86 Abs. 2 zuordnen<br />
lassen, ist doch <strong>de</strong>r vom Gerichtshof mit Sicherheit nicht übersehene<br />
Anwendungsunterschied beachtlich. Zum einen erkennt<br />
<strong>de</strong>r Gerichtshof, dass je<strong>de</strong>nfalls die NOVA selbst im Geltungsbereich<br />
<strong>de</strong>s Art. 86 Abs. 2 EGV ebenso wie bei Art. 82 EGV nicht<br />
als Unternehmen angesehen wer<strong>de</strong>n kann und <strong>de</strong>shalb die von<br />
<strong>de</strong>r NOVA ausgehen<strong>de</strong> Zusammenarbeitsverordnung keine<br />
Rücken<strong>de</strong>ckung über Art. 86 Abs. 2 wür<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n können. Zum<br />
an<strong>de</strong>ren konnte <strong>de</strong>r Gerichtshof nicht übersehen, dass die Kommission<br />
bei <strong>de</strong>n Ausnahmetatbestän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>s Art. 86 Abs. 2 je<strong>de</strong>nfalls<br />
die Anwendungsaufsicht und die Kompetenz zur Einflussnahme<br />
durch Richtlinien o<strong>de</strong>r Entscheidungen an die Mitgliedsstaaten<br />
behält. In<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Gerichtshof dagegen Beschlüsse<br />
von Stan<strong>de</strong>svertretungen vom Verbot <strong>de</strong>s Art. 81 Abs. 1 EGV<br />
freihält, solange sie von ihm als notwendig angesehen wer<strong>de</strong>n,<br />
um die ordnungsgemäße Ausübung <strong>de</strong>s Rechtsanwaltsberufs sicherzustellen,<br />
bleiben die Stan<strong>de</strong>svertretungen insoweit auch<br />
gegen jegliche Interventionen <strong>de</strong>r Kommission immun. Der eher<br />
ungewöhnlichen Kappung <strong>de</strong>s Anwendungsbereichs <strong>de</strong>s Abs. 1<br />
<strong>de</strong>s Art. 81 EGV liegt daher ein offenbar wohlbedachtes rechtspolitisches<br />
Kalkül <strong>de</strong>s Gerichtshofs zugrun<strong>de</strong>, <strong>de</strong>r so <strong>de</strong>n berufsständischen<br />
Organisationen <strong>de</strong>n weitestmöglichen Freiraum<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Verbotsregel <strong>de</strong>s Wettbewerbsrechts sichern<br />
konnte.<br />
9. Der Vollständigkeit halber sei schließlich noch angefügt, dass<br />
erst dann, wenn alle Son<strong>de</strong>rvorbehalte nicht greifen, wenn also<br />
sowohl <strong>de</strong>r unmittelbare Bezug zur Sicherstellung <strong>de</strong>r anwaltlichen<br />
Berufsausübung nicht herzustellen ist und dann auch ein<br />
allgemeines wirtschaftliches Interesse zur Zugangssicherung für<br />
das Recht nicht genügen sollte, immer noch die Freistellung<br />
vom Beschränkungsverbot unter <strong>de</strong>n Voraussetzungen <strong>de</strong>s<br />
Art. 81 Abs. 3 letzter Ausweg bleibt. Eine solche Freistellung hat<br />
bislang mangels <strong>de</strong>r Bereitschaft <strong>de</strong>r Berufsverbän<strong>de</strong>, sich überhaupt<br />
<strong>de</strong>r Wettbewerbskontrolle zu stellen und Vereinbarungen<br />
o<strong>de</strong>r Beschlüsse zur Anmeldung zu bringen – bis auf einen Ausnahmefall<br />
<strong>de</strong>r Notifizierung durch Patentvertreter 13 – keine praktische<br />
Rolle gespielt. Sie ist aber in <strong>de</strong>r Vorstufe sorgenvoller Erwartung<br />
<strong>de</strong>s EuGH-Urteils wie<strong>de</strong>rholt als Sicherungsoption geprüft<br />
wor<strong>de</strong>n.<br />
Auf die an<strong>de</strong>rsartige Be<strong>de</strong>utung, die <strong>de</strong>n Freistellungstatbestän<strong>de</strong>n<br />
im künftigen System einer Legalausnahme zufallen wird,<br />
wer<strong>de</strong> ich noch zurückkommen.<br />
V. Das Vorlageurteil Arduino<br />
Zeitgleich mit <strong>de</strong>r NOVA/Wouters-Entscheidung wur<strong>de</strong> im Fall<br />
Arduino noch über die weiterreichen<strong>de</strong> Frage entschie<strong>de</strong>n, inwieweit<br />
ein Gebührenbeschluss einer Berufskammer mit Min<strong>de</strong>st-<br />
und Höchstsätzen für bestimmte Dienstleistungen am Verbot<br />
<strong>de</strong>s Art. 81 Abs. 1 EGV scheitern könnte. Der Gerichtshof<br />
hat dies im Ergebnis verneint, weil er <strong>de</strong>n Nationalen Rat <strong>de</strong>r<br />
RAe Italiens nicht in eigener Verantwortung, son<strong>de</strong>rn lediglich<br />
unter <strong>de</strong>r Letztaufsicht <strong>de</strong>s italienischen Staates zur Gebührenanordnung<br />
betraut fand und <strong>de</strong>shalb nicht zur Feststellung einer<br />
wettbewerbsbeschränken<strong>de</strong>n Auswirkung <strong>de</strong>s Feststellungsbeschlusses<br />
durch <strong>de</strong>n Nationalen Rat <strong>de</strong>r RAe gelangt ist.<br />
Konsequenterweise kam <strong>de</strong>r EuGH jedoch nicht an <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>rsartigen<br />
Prüfung vorbei, ob nicht <strong>de</strong>m Gesetzgeber selbst mit<br />
<strong>de</strong>m Erlass <strong>de</strong>s Ermächtigungsgesetzes vorzuhalten sei, gegen<br />
seine gemeinschaftsloyalen Pflichten aus Art. 10 Abs. 2 i.V.m.<br />
Art. 81 Abs. 1 EGV zu verstoßen. Der Gerichtshof hat einen solchen<br />
Verstoß verneint, ohne allerdings in Abwägungen über die<br />
Vorrangigkeit einer solchen Gebührenregelung im Allgemeininteresse<br />
<strong>de</strong>r Sicherung eines hohen Qualitätsniveaus bei <strong>de</strong>n anwaltlichen<br />
Dienstleistungen einzutreten. Nähere Anhaltspunkte<br />
fin<strong>de</strong>n sich dazu eher in <strong>de</strong>n Schlussanträgen <strong>de</strong>s Generalanwalts<br />
(vgl. Tz. 119).<br />
VI. Auswirkungen auf das <strong>de</strong>utsche anwaltliche Berufsrecht<br />
Der Versuch, die Systematik <strong>de</strong>s Gerichtshofs bei <strong>de</strong>r Anwendung<br />
<strong>de</strong>r Wettbewerbsregeln auf anwaltliches Berufsrecht umzusetzen<br />
und die tatbestandlichen Prüfungen nachzuvollziehen,<br />
führt zu <strong>de</strong>m nachfolgend skizzierten Befund für einzelne<br />
berufsrechtsrelevante Regelungsbereiche:<br />
1. Gesetzliche Regelungen mit berufsspezifischem Inhalt für die<br />
Anwaltschaft fin<strong>de</strong>n sich schon im Grundgesetz, 14 ebenso in Allgemeingesetzen,<br />
wie <strong>de</strong>m StGB 15 . In diesen Gesetzen steht ein<strong>de</strong>utig<br />
die öffentliche Ordnung im Vor<strong>de</strong>rgrund und je<strong>de</strong> Auswirkung<br />
auf einen Wettbewerb unter Anwälten zurück. Sie bleiben<br />
von <strong>de</strong>n Wettbewerbsregeln unbetroffen und von <strong>de</strong>ren<br />
Vorrangwirkung ungefähr<strong>de</strong>t.<br />
2. Soweit die BRAO eigene Berufspflichten aufgibt (vgl. §§ 43 ff.<br />
BRAO) berühren diese ebenfalls die wirtschaftliche Tätigkeit <strong>de</strong>r<br />
Kammermitglie<strong>de</strong>r. Sie sind jedoch so ein<strong>de</strong>utig durch Allgemeininteressen<br />
an <strong>de</strong>r Aufrechterhaltung ordnungsgemäßer<br />
Rechtspflege bestimmt, dass daraus keine Verletzung <strong>de</strong>s Loyalitätsgebots<br />
nach Art. 10 i.V. m. Art. 81 Abs. 1 droht.<br />
Dies gilt auch für die Bestimmung in § 49b) BRAO, wonach es<br />
unzulässig ist, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren<br />
o<strong>de</strong>r zu for<strong>de</strong>rn, als die Bun<strong>de</strong>sgebührenordnung für Rechtsanwälte<br />
vorsieht. Das ist die direkte gesetzliche Min<strong>de</strong>stgebühr,<br />
wie sie im Fall Arduino unbeanstan<strong>de</strong>t geblieben ist.<br />
Zu <strong>de</strong>n gemeinschaftskonformen Regelungen zählt auch die in<br />
§ 60 BRAO vorgesehene Pflichtmitgliedschaft in <strong>de</strong>r Kammer.<br />
Sie bil<strong>de</strong>t eine für Bewältigung und Kontrolle <strong>de</strong>r Berufsaufsicht<br />
unerlässliche Voraussetzung und erlaubt nur so die <strong>de</strong>n Anwaltskammern<br />
übertragene mittelbare Staatsverwaltung. Der<br />
Umstand <strong>de</strong>r Pflichtmitgliedschaft auferlegt <strong>de</strong>n RAKn hohe<br />
Verantwortung im Umgang mit ihren Mitglie<strong>de</strong>rn, verlangt <strong>de</strong>shalb<br />
aber keine Abstriche bei <strong>de</strong>r Bewältigung ihrer Aufgaben,<br />
13 Vgl. Entscheidung <strong>de</strong>r Kommission in ABl. Nr. L 106 v. 23.4.1999,<br />
14.<br />
14 Art. 12 GG; dazu BVerfG, NJW 1973, 696; 1975, 103; 1983, 1535.<br />
15 § 356 StGB – Parteiverrat.