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Das Magazin für Bildung und Karriere im Ausland - Itchy-feet

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Im Land der Pisa-Sieger<br />

Ein Schuljahr in Schweden<br />

Montag, 11.30 Uhr, Säve Gymnasium in Visby<br />

auf Gotland, einer Insel südlich von Stockholm:<br />

„Yvonne, kannst du mir mal eben die Schlüssel<br />

<strong>für</strong> den Computerraum geben? Ich wollte an<br />

meiner PowerPoint-Präsentation über Gotland<br />

weiterarbeiten.“ Dies ist ein typischer Satz, den<br />

man nicht selten in schwedischen Schulen zu<br />

hören bekommt. Und er enthält gleich drei wichtige<br />

Aspekte, die das Schulsystem <strong>im</strong> Land der Elche<br />

auszeichnen. Denn Yvonne ist nicht etwa eine<br />

meiner Mitschülerinnen, wie man vermuten könnte,<br />

sondern unsere Englischlehrerin, die wir, wie<br />

alle anderen Lehrer, geduzt haben. Außerdem ist<br />

eigenverantwortliches Lernen ein weiterer wichtiger<br />

Bestandteil des Schulalltags. Und ferner musste ich<br />

feststellen, dass der Unterricht sehr praxisbezogen<br />

gestaltet wird. Ideale Vorraussetzungen also <strong>für</strong> ein<br />

gelungenes Austauschjahr!<br />

Die schwedische Natur war natürlich nicht der<br />

einzige Entscheidungsgr<strong>und</strong>, weshalb ich mich<br />

<strong>im</strong> Winter 2001 <strong>für</strong> Schweden als Gastland<br />

meines zehnmonatigen <strong>Ausland</strong>saufenthalts<br />

entschieden habe. Für einen Austauschschüler<br />

ist auch das landeseigene <strong>Bildung</strong>ssystem ein<br />

Kriterium; schließlich muss man sich nicht nur<br />

in der Gastfamilie, sondern auch in der Schule<br />

wohl fühlen! Viele von euch, die sich <strong>für</strong> ein<br />

Austauschjahr interessieren, denken vielleicht<br />

als erstes an die Sprachbarrieren, die sich auftun,<br />

wenn man in ein Land fliegt, dessen Sprache man<br />

höchstens bruchstückhaft beherrscht. Eine Hand<br />

voll Worte, die man eventuell aus dem Urlaub<br />

vor drei Jahren behalten hat, bringen einen wohl<br />

nicht wirklich weit. Aber zum Glück gibt es in<br />

Schweden ein Schulgesetz, welches festhält,<br />

dass jeder Schüler, dessen Muttersprache nicht<br />

Schwedisch ist, das Recht hat, Unterricht in<br />

Schwedisch zu erhalten. Wenn das mal keine<br />

guten Neuigkeiten <strong>für</strong> Austauschschüler sind! So<br />

schaffte meine Schulleiterin deutsch-schwedische<br />

Lehrbücher an <strong>und</strong> richtete Sonderunterricht in<br />

den ersten sechs Wochen ein, um mir <strong>und</strong> einer<br />

zweiten Austauschschülerin die Möglichkeit zu<br />

geben, in möglichst kurzer Zeit so viel Schwedisch<br />

wie möglich zu lernen. Tatsächlich hat es auch<br />

funktioniert – nach diesem Intensivkurs war<br />

ich in der Lage, dem Unterricht zu folgen, denn<br />

Schwedisch ist keine komplizierte Sprache.<br />

Aber natürlich macht der Extra-Unterricht <strong>für</strong> Nicht-<br />

Muttersprachler nicht das ganze Schulsystem<br />

<strong>im</strong> Land der Elche aus. Die Ausbildung auf dem<br />

Gymnasium umfasst drei Schuljahre, sodass<br />

Austauschschüler ihrem Alter <strong>und</strong> Lernstand<br />

entsprechend entweder die Eingangsklasse des<br />

Gymnasiums oder in das zweite Lernjahr eingestuft<br />

werden. Ich selbst kam in die Eingangsklasse, was<br />

es erleichterte, Fre<strong>und</strong>e zu finden, da quasi alle<br />

neu dabei waren <strong>und</strong> es noch keine Cliquen gab.<br />

Der Besuch eines Gymnasium ist in Schweden<br />

nicht verpflichtend, aber da das Angebot der<br />

Schule oft sehr breit gefächert ist, erhält jeder<br />

Schüler die Möglichkeit, eine seinen Interessen<br />

entsprechende Ausbildung zu absolvieren. Nur<br />

um die drei Kernfächer Schwedisch, Englisch <strong>und</strong><br />

Mathe kann sich keiner drücken. So muss jeder<br />

Schüler vor dem Schulwechsel auf das Gymnasium<br />

einen Schwerpunkt setzten <strong>und</strong> sich <strong>für</strong> ein Profil<br />

entscheiden. Landesweit anerkannt sind 17 Profile,<br />

die so genannten linjer. Man unterscheidet hier<br />

zwischen berufvorbereitenden Programmen <strong>und</strong><br />

solchen, die in erster Linie theoretisch orientiert<br />

sind; hierzu zählen vor allem das Sprach- <strong>und</strong> das<br />

Naturwissenschaftsprogramm. Für Austauschschüler<br />

ist mit Sicherheit das Sprachprogramm von beson-<br />

derem Interesse. <strong>Das</strong> dachte sich auch meine schwe-<br />

dische Schulleiterin <strong>und</strong> teilte mich der Klasse<br />

SP1e zu. SP seht <strong>für</strong> Sprachprogramm, 1 bezieht<br />

sich auf die erste Klasse auf dem Gymnasium <strong>und</strong><br />

e – na das könnt ihr euch ja denken... In diesem<br />

Programm erhält man die Möglichkeit, speziell in<br />

den Fremdsprachen gefördert zu werden. Dazu wählt<br />

man mindestens zwei Fremdsprachen, beispiels-<br />

weise Englisch <strong>und</strong> Französisch. Viele Schulen<br />

bieten auch die Möglichkeit, weitere Sprachen, wie<br />

z. B. Spanisch, Italienisch oder Latein zu lernen.<br />

Diese Fächer werden als Kurse mit unterschied-<br />

lichen Niveauanforderungen unterrichtet. A-Kurse<br />

vermitteln die Gr<strong>und</strong>lagen, B-Kurse bauen auf A auf<br />

<strong>und</strong> die folgenden C-, D- <strong>und</strong> E-Kurse sind sozusagen<br />

die Leistungskurse, in denen es richtig zur Sache<br />

geht. <strong>Das</strong> Sprachprogramm zeichnet sich demnach<br />

dadurch aus, dass alle Sprachen mindestens in<br />

B- oder C-Kursen abgehalten werden, Mathe<br />

hingegen in den Hintergr<strong>und</strong> tritt <strong>und</strong> nur als A-<br />

Kurs belegt werden muss. Wer braucht schon viel<br />

Mathe, wenn man Dolmetscher werden will?! Als<br />

Austauschschüler sollte man sich aber bewusst<br />

sein, dass Schwedisch <strong>für</strong> einen ja auch eine<br />

Fremdsprache ist, die selbstverständlich zusätzlich<br />

zu den Fremdsprachen unterrichtet wird.<br />

Die offizielle Unterrichtszeit ist 8.00 bis 15.30 Uhr.<br />

<strong>Das</strong> hört sich erstmal nach einer anstrengenden<br />

Ganztagsschule an, die ihren Schülern keine Zeit<br />

<strong>für</strong> Hobbys <strong>und</strong> Freizeitaktivitäten lässt. Diese<br />

Annahme bestätigt sich aber nicht, da in den<br />

schwedischen Schulen nie <strong>im</strong> 45-Minuten-Takt<br />

High School – 11<br />

unterrichtet wird <strong>und</strong> es mindestens eine lange<br />

Mittagspause gibt, in der man Essen gehen kann.<br />

Außerdem hat man keine Hausaufgaben, die einen<br />

davon abhalten, Fre<strong>und</strong>e zu treffen. Wenn man<br />

nach Hause kommt, hat man wirklich Freizeit. Im<br />

heutigen Lehrplan ist festgeschrieben, wie viele<br />

Minuten ein best<strong>im</strong>mtes Fach unterrichtet werden<br />

soll. Mathematik soll zum Beispiel <strong>im</strong> ersten Jahr<br />

auf dem Gymnasium mit 185 Minuten pro Woche<br />

unterrichtet werden. Jeder Schule steht es somit

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