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DIE SAMBASCHULEN VON RIO DE JANEIRO ANPASSUNG UND ...

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35<br />

1) die Dominanz des Rhythmus über Melodie und Harmonie in der okzidentalen<br />

Musik seit der Zeit des 1. Weltkriegs, die auch den Erfolg des Jazz<br />

mitbeeinflußte;<br />

2) der Gegensatz zwischen der bisherigen Nationalkultur, die durch die<br />

Nostalgie eines ruralen Brasiliens gekennzeichnet war, und den strukturellen,<br />

ökonomischen und politischen Transformationen, die das Land im Zuge der<br />

Urbanisierung durchgemacht hatte;<br />

3) die Suche nach brasilianischer Authentizität und nationalistischer<br />

Übertreibung (vgl. Tupy 1985: 59).<br />

Das Studio Casa Faulhaber nahm mit "Em casa da baiana" (instrumental) 1911<br />

und "A viola está magoada" 1914 die ersten Vertreter dieses musikalischen<br />

Genres auf Platte auf, allerdings unter anderen Bezeichnungen. 1917 wurde<br />

"Pelo telefone" als erster Samba unter Nennung von Donga als einzigem Autor<br />

in der Casa Edison aufgenommen, obwohl er von mehreren Personen<br />

komponiert worden war28 . Damit entstand gleichzeitig die soziale Figur des<br />

Sambakomponisten. Bisher, "[...] wenn sich die sambistas-Komponisten trafen,<br />

[…] gab es die individuelle Figur des Sambakomponisten nicht. Die Kreation, die<br />

Autorenschaft war kollektiv." (Caldas 1985: 35) 29 . Mit "Pelo telefone" begann die<br />

Praxis der Aneignung des bisher oral tradierten, kollektiv hergestellten Samba<br />

durch einzelne KomponistInnen.<br />

Der Samba verlor noch andere Charakteristika: der Improvisationsteil wurde<br />

weggelassen und die Musik vom Tanz getrennt. Derartig verändert nahm er den<br />

gleichen Weg wie der Jazz und entwickelte sich von der Musik der unteren<br />

Gesellschaftsschichten über die stilisierte, orchestrierte Tanzmusik der<br />

Mittelschicht zur "wertvollen" Musik einer intellektuellen Minderheit. Mit Hilfe der<br />

Plattenindustrie und des Radios konnte er von Rio aus in andere Städte<br />

exportiert werden und entwickelte sich zum Massenphänomen, so rasch waren<br />

sein Popularitäts- und sein Prestigeanstieg.<br />

Der Erfolg des – modifizierten – Samba löste auch Veränderungen des Milieus,<br />

aus dem er stammte, aus. Es bot sich plötzlich eine Möglichkeit für schwarze<br />

28 Die Tatsache, daß Donga den Samba nur unter seinem Namen registrieren ließ, löste damals<br />

große Empörung unter seinen FreundInnen und KollegInnen aus, vgl. dazu z.B. Moura 1983:<br />

76ff., Mattos da Matta 1981: 116ff., Schreiner 1985: 137 ff.<br />

29 Es ist interessant zu beobachten, daß die meisten KritikerInnen, die die mangelnde<br />

Authentizität der Sambaschulen heute beklagen, auch die Vielzahl der Sambakomponisten pro<br />

Samba als Verfälschung verurteilen.

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