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DIE SAMBASCHULEN VON RIO DE JANEIRO ANPASSUNG UND ...

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4. KOMPOSITION IN SCHWARZ-WEISS<br />

4.1. Invasion der weißen Mittelschicht<br />

Bis in die 60er Jahre beschränkte sich das Interesse der Mittelschicht von Rio<br />

de Janeiro an den Sambaschulen meist auf die Zeit des Karnevals bzw. auf<br />

einen Besuch der Sambaschulen kurz vorher. Für sie waren die Sambaschulen<br />

eine Art Club der Schwarzen, zu dem man sich aber im Gegensatz zu den<br />

elitären Clubs der Weißen durch das Zahlen des Eintrittspreises Zugang<br />

verschaffen konnte (vgl. Harris 1950). Abgesehen von den bereits erwähnten<br />

Allianzen mit finanziell oder politisch potenten Personen waren Reiche und<br />

damit Weiße sowohl in der Organisation als auch bei den desfiles der<br />

Sambaschulen kaum präsent. "[…] zu dieser Zeit war die Sambaschule eine<br />

radikalere Sache. […] Für einen weißen Buben eine Sambaschule zu<br />

besuchen… nicht daß ein Rassismus existiert hätte. Aber… die Leute mit<br />

Wurzeln in der Sambaschule mochten es nicht besonders. Es war eine Person<br />

oder zwei. Und ich hatte keine Wurzel im Samba." (E7), kommentiert Alexandre<br />

Louzada, der Karriere in den Sambaschulen machen sollte, seine<br />

Kindheitserlebnisse31 .<br />

Auf ideologischer Ebene hingegen hatten sich die sambistas nicht nur angepaßt,<br />

sondern hatte die dominante Gesellschaft bald nach der Gründung der<br />

Sambaschulen massiv eingegriffen, indem sie 1937 vorschrieb, daß nur<br />

Themen in Zusammenhang mit der brasilianischen Geschichte, um nicht zu<br />

sagen der Geschichte der Herrschenden, präsentiert werden durften (vgl. Tupy<br />

1985: 96). Im Gegensatz zu den ersten von den Sambaschulen vorgestellten<br />

Sambas, die mit kurzen, einfachen Texten und Improvisationen die soziale<br />

Realität der sambistas beschrieben hatten, besaßen die thematisch<br />

gebundenen Sambas nichts mehr von der ursprünglichen Spontaneität. Der<br />

samba-enredo etablierte sich, das heißt, der Samba beschrieb ein Thema, das<br />

von der Sambaschule im Karneval präsentiert wurde. Die Komponisten<br />

gestalteten ihre Texte immer länger und komplizierter, um zu beweisen, daß sie<br />

fähig waren, das "Niveau" der Kultur der Weißen zu erreichen, die nun im<br />

Mittelpunkt der enredos stand (vgl. Teixeira Valença 1983: 41). Die<br />

Rassenthematik wurde zwar mit Blick auf die Vergangenheit im Sinn<br />

31 Der Hinweis auf den angeblich nicht vorhandenen Rassismus ist symptomatisch für die<br />

Kontaktsituation von Weißen und Schwarzen in Brasilien. Für einen Exkurs zur speziellen<br />

Ausformung des brasilianischen Rassismus s. Kapitel 4.3.

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