moments - Das Magazin für die schönsten Augenblicke
Ausgabe März 2015
Ausgabe März 2015
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MOTION & ENTERTAINMENT<br />
Julian: „Zum Glück bist du nicht der<br />
Typ, den man retten muss, das ist ein<br />
großes Glück.“ Und Julian sagt: „Ich<br />
glaube, ich hätte sehr wohl Rettung<br />
nötig.“ – Ich finde, so geht es uns<br />
allen. Und es gilt ganz besonders <strong>für</strong><br />
meinen Freund, der vor zwei Jahren<br />
gestorben ist. Wir haben alle Rettung<br />
nötig.<br />
Soll ein Buch auch immer dazu <strong>die</strong>nen,<br />
uns weiterzubringen?<br />
Wenn wir nach dem Lesen gänzlich<br />
unverändert derselbe Mensch<br />
geblieben sind, hat sich <strong>die</strong> Lektüre<br />
nicht gelohnt. Es ist wie mit dem<br />
Verlieben: Warum sollte ich mich<br />
verlieben, wenn ich hinterher noch<br />
derselbe Mensch bin wie davor?<br />
Welches Buch hat Sie zuletzt ein<br />
Stück weitergebracht?<br />
Maxim Gorkis „Erinnerungen an<br />
Zeitgenossen“. Ein Buch von großer<br />
Beobachtungsgabe, großer Aufmerksamkeit<br />
<strong>für</strong> das Gegenüber und von<br />
tiefer Menschlichkeit. Aber auch, im<br />
Fall der Erinnerungen an Lenin, von<br />
Anbiederung an <strong>die</strong> Macht. Da sieht<br />
man, große Literatur ist in einem tieferen<br />
Sinn immer unideologisch.<br />
Sie gehen jetzt auf Lesereise. Entdecken<br />
Sie dabei selbst in einem<br />
Werk neue Facetten, wenn Sie es<br />
einem Publikum vortragen?<br />
Ja, natürlich. Jede Leserin und jeder<br />
Leser nehmen ein Buch zu sich. In<br />
jedem Zusammentreffen entsteht<br />
eine neue Intimität zwischen Mensch<br />
und Buch. In jedem Fall ist es eine<br />
andere Intimität, teilweise eine völlig<br />
andere Intimität. Und darin zeigt sich<br />
<strong>die</strong> Offenheit des Kunstwerks, offen<br />
auch über das von mir Vorhersehbare<br />
hinaus. – Ich mag es, wenn meine<br />
Bücher dort draußen ein eigenes<br />
Leben führen. ●<br />
Zur Person<br />
Arno Geiger wurde am 22. Juli<br />
1968 in Bregenz geboren. Er<br />
wuchs in Wolfurt auf und stu<strong>die</strong>rte<br />
Deutsche Philologie, Alte<br />
Geschichte und Vergleichende<br />
Literaturwissenschaft in Innsbruck<br />
und Wien. Seine erste<br />
Erzählung erschien 1996. Mit<br />
„Es geht uns gut“ gewann Geiger<br />
2005 den Deutschen Buchpreis,<br />
weitere bekannte Werke<br />
sind: „Alles über Sally“ und<br />
„Der alte König in seinem Exil“.<br />
<strong>moments</strong> 3/2015 133