Der Archivar, Heft 4, Nov. 2005 - Archive in Nordrhein-Westfalen
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gekommen war, setzte se<strong>in</strong>e Reform des Vollzuges auf drei<br />
Ebenen an: Erstens wurde durch die E<strong>in</strong>richtung selbständiger<br />
Justizvollzugsämter und e<strong>in</strong>er eigenen M<strong>in</strong>isterialabteilung<br />
der Justizvollzug <strong>in</strong>nerhalb der Landesverwaltung<br />
aufgewertet; zweitens wurden – vor allem durch den<br />
Neubau von Haftanstalten – erhebliche Anstrengungen<br />
zur Verbesserung der äußeren Haftbed<strong>in</strong>gungen unternommen.<br />
Drittens erfolgte e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Neukonzeption<br />
des Vollzuges, die nicht mehr Vergeltung und Sühne,<br />
sondern den Leitgedanken der Wiedere<strong>in</strong>gliederung des<br />
Gefangenen <strong>in</strong> die Gesellschaft <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellte.<br />
Die Reform des Vollzuges wurde auch <strong>in</strong> den 1970er<br />
Jahren weiter fortgeführt. Viele Pilotprojekte wie zum Beispiel<br />
die Ansätze zur verstärkten Förderung der beruflichen<br />
Aus- und Weiterbildung konnten auf breiterer Basis<br />
als Standard etabliert werden. Dennoch sah sich gerade <strong>in</strong><br />
den 1970er Jahren der Vollzug <strong>in</strong>folge des RAF-Terrorismus<br />
mit neuen Herausforderungen konfrontiert, deren<br />
Bewältigung zu den Intentionen des Reformprogramms <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Spannungsverhältnis stand. Die Unterbr<strong>in</strong>gung der<br />
so genannten „anarchistischen Straftäter“, deren Gewalt<br />
sich, geleitet von politisch-ideologischen Motiven, gegen<br />
die bestehende Gesellschaft als Ganzes und damit auch<br />
unmittelbar gegen den Staat als deren Ordnungsmacht<br />
richtete, stellte hohe Ansprüche an die Sicherheit der<br />
Anstalten. Insbesondere <strong>in</strong> Reaktion auf e<strong>in</strong>zelne Skandale<br />
wurden die Sicherheitsmaßnahmen im Terroristen-Vollzug<br />
erheblich verschärft. Ulrike Me<strong>in</strong>hof beispielsweise,<br />
seit Juni 1972 <strong>in</strong> der JVA Köln-Ossendorf <strong>in</strong>haftiert, wurde<br />
systematisch von der Außenwelt und den Mitgefangenen<br />
isoliert. Diese Sonderbehandlung der Terroristen ermöglichte<br />
es, wesentliche Reform<strong>in</strong>halte im Normalvollzug zu<br />
bewahren. Die entsprechenden Grundsätze wurden 1977<br />
nach jahrelanger Vorbereitung durch das Strafvollzugsgesetz<br />
bundese<strong>in</strong>heitlich festgeschrieben.<br />
Blickt man mit der Ausstellung zurück auf den gesamten<br />
Zeitraum von 1945 bis zum Ende der 1970er Jahre, so<br />
präsentiert sich die Geschichte des nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen<br />
Strafvollzugs <strong>in</strong>sgesamt – trotz mancher Widersprüchlichkeiten<br />
und Rückschläge – als e<strong>in</strong>e Geschichte<br />
der Modernisierung. Sie ist gekennzeichnet durch e<strong>in</strong>e<br />
Entwicklung, <strong>in</strong> der erst punktuell, später zunehmend<br />
programmatisch die traditionelle Ausgrenzung von Straftätern<br />
überlagert und abgelöst wurde durch e<strong>in</strong>e an den<br />
Resozialisierungsbedürfnissen orientierte Öffnung des<br />
Vollzuges gegenüber der Gesellschaft.<br />
Düsseldorf Andreas Pilger/Manfred Huppertz<br />
„<strong>Der</strong> Papst bei uns!“<br />
Ausstellung des Landesarchivs NRW Hauptstaatsarchiv Düsseldorf<br />
„<strong>Der</strong> Papst bei uns!“ ist e<strong>in</strong>e Ausstellung des Landesarchivs<br />
Nordrhe<strong>in</strong>-<strong>Westfalen</strong> Hauptstaatsarchiv Düsseldorf,<br />
die anlässlich des Besuches von Papst Benedikt XVI. während<br />
des Weltjugendtages (WJT; 15.–21. 8. <strong>2005</strong>) im Rhe<strong>in</strong>land<br />
konzipiert wurde. Grundgedanke der <strong>in</strong>haltlichen<br />
Konzeption war die Suche nach Spuren, die die Päpste im<br />
Laufe der Zeit „bei uns“, also im Rhe<strong>in</strong>land und somit <strong>in</strong><br />
unserem Archiv h<strong>in</strong>terlassen hatten. <strong>Der</strong> markige Titel<br />
„<strong>Der</strong> Papst bei uns“ als Eyecatcher spielte auch bewusst<br />
mit der <strong>in</strong>zwischen bekannt gewordenen Tatsache, dass<br />
der Papst zwar Bonn und Köln, nicht jedoch die ebenfalls<br />
286<br />
beim Weltjugendtag gastgebende Stadt Düsseldorf besuchen<br />
sollte.<br />
Zielgruppe der Ausstellung sollten primär die Weltjugendtagsteilnehmer<br />
und anschließend Schüler-, Studenten-<br />
sowie Kirchenjugendgruppen se<strong>in</strong>. Es handelte sich<br />
hier um e<strong>in</strong>e Gruppe von Menschen, die, wie angenommen<br />
wurde, zwischen 16 und 30 Jahre alt, im Kontext der<br />
Papstwahl und des Weltjugendtags von e<strong>in</strong>er gewissen<br />
Papstbegeisterung erfüllt und darüber h<strong>in</strong>aus kirchlich<br />
und historisch <strong>in</strong>teressiert waren, ohne dass man hier<br />
jedoch fundiertes H<strong>in</strong>tergrundwissen oder die Vertrautheit<br />
mit e<strong>in</strong>em Archiv voraussetzen konnte. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus sollte e<strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationales Publikum angesprochen<br />
werden, das daher nicht unbed<strong>in</strong>gt mit der deutschen<br />
Sprache oder deutscher und rhe<strong>in</strong>ischer Geschichte vertraut<br />
ist. Letzteres wurde auch bei den Deutschen nur<br />
begrenzt erwartet. Als K<strong>in</strong>der des Medienzeitalters s<strong>in</strong>d<br />
die Jugendlichen mit bildhafter Sprache vertraut, jedoch<br />
weniger mit ausführlichen, erklärenden Texten. Gleichzeitig<br />
s<strong>in</strong>d sie auf der Suche nach Authentischem und Konkretem,<br />
wie die Begeisterung für die Symbolfigur Papst<br />
zeigt. Papst und Weltjugendtag dienten als Aufhänger<br />
und „Lockstoff“ für die papstbegeisterten, kirchlich und<br />
historisch Interessierten.<br />
Um diese Zielgruppe <strong>in</strong>s Archiv zu locken und für<br />
unsere Schätze zu begeistern, war e<strong>in</strong> bunteres Design als<br />
üblich erforderlich. Darüber h<strong>in</strong>aus bemühten wir uns um<br />
e<strong>in</strong>e bildhafte Darbietungsform sowie um e<strong>in</strong>e didaktisch<br />
knappe Aufbereitung.<br />
Das „Flachwerk“ – die als unrepräsentativ gefürchtete<br />
Ausstellungsware der <strong>Archivar</strong>e – sollte e<strong>in</strong>en neuen Stellenwert<br />
als Exponat bekommen: E<strong>in</strong> Aktendeckel kann,<br />
wenn von der mit der Vorbereitung e<strong>in</strong>es Papstbesuchs<br />
betrauten Polizei mit Papstaufklebern versehen, e<strong>in</strong><br />
ansprechendes und für sich sprechendes Exponat se<strong>in</strong>,<br />
ebenso e<strong>in</strong>e gefaltete Bulle, die zeigt, wie sie e<strong>in</strong>st im<br />
Rhe<strong>in</strong>land ankam, und an der der Adressat sofort Absender<br />
und <strong>in</strong>haltlichen Gehalt des Schriftstücks erkennen<br />
konnte.<br />
Die spontane Idee, e<strong>in</strong> Ereignis wie den WJT samt ersten<br />
Auslandsbesuch e<strong>in</strong>es neu gewählten Papstes, noch<br />
dazu <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Heimatland, nicht ungenutzt zu lassen,<br />
bedeutete, <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es äußerst knappen Zeitrahmens<br />
mit ger<strong>in</strong>gen Mitteln – denn die Haushaltssperre stand vor<br />
der Tür – ausgerechnet <strong>in</strong> der Sommerurlaubszeit e<strong>in</strong>e<br />
Ausstellung aus dem Boden zu stampfen, die repräsentativ<br />
genug se<strong>in</strong> musste, um sie umfassend bewerben zu<br />
können. In Anbetracht der knappen Zeit war klar, dass<br />
größtenteils haus<strong>in</strong>terne Exponate zu verwenden waren,<br />
aufgepeppt durch private Leihgaben und Repros (um aufwändige<br />
Leihverträge, Versicherungen und Transportmodalitäten<br />
zu vermeiden) von <strong>Archive</strong>n oder anderen Institutionen,<br />
die zu schneller Hilfe bereit waren. Also machte<br />
sich das „Papst-Kernteam“ auf, mit e<strong>in</strong>em bis dato hier<br />
nicht praktizierten Konzept im Haus um Unterstützung<br />
zu werben. Zunächst wurden die beiden zukünftig Hauptleidtragenden,<br />
die Fotograf<strong>in</strong> und die Restaurator<strong>in</strong> des<br />
Hauses, nach ihrem Interesse befragt. Die sofort von beiden<br />
signalisierte enorme Kooperationsbereitschaft sollte<br />
<strong>in</strong> den nächsten Wochen hemmungslos genutzt werden.<br />
Auch die Urlaubsterm<strong>in</strong>e mussten abgeglichen werden,<br />
danach richtete sich fortan der Term<strong>in</strong>plan.<br />
Mit diesen Vorarbeiten im Gepäck wurde nun die Hausleitung<br />
<strong>in</strong>formiert, auch hier rannten wir offene Türen e<strong>in</strong>.<br />
<strong>Der</strong> <strong>Archivar</strong>, Jg. 58, <strong>2005</strong>, H. 4