Beilage 200 Jahre Sudenburg - Volksstimme
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<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Sudenburg</strong><br />
Georg Becker: Ein sozial engagierter <strong>Sudenburg</strong>er Kaufmann<br />
Um 1900 lebten in <strong>Sudenburg</strong><br />
etwa 35.000 Menschen. In<br />
dieser Zeit entwickelte sich der<br />
Stadtteil, neue Straßen wurden<br />
angelegt, Häuser gebaut, Werkstätten<br />
und Unternehmen gegründet.<br />
Im Mai 1907 eröff nete der damals<br />
knapp dreißigjährige Georg<br />
Becker im Erdgeschoss des<br />
Wohnhauses heutige Halberstädter<br />
Straße 142 ein Handelsgeschäft<br />
für Förderanlagen (ab 1912<br />
war dort eine Konsumanstalt des<br />
Krupp-Gruson-Werkes). Die Geschäfte<br />
liefen so erfolgreich, dass<br />
Becker bereits fünf Jahr nach<br />
Gründung die „Maschinenfabrik<br />
Georg Becker und CO“ in die<br />
<strong>Sudenburg</strong>er Wuhne verlegte.<br />
Schnell entwickelte sich das<br />
Unternehmen zum erfolgreichsten<br />
Produzenten von Transportanlagen<br />
in Mitteldeutschland.<br />
Neben seiner Tätigkeit als<br />
Kaufmann engagierte er sich in<br />
<strong>Sudenburg</strong>. Er arbeitete sehr aktiv<br />
im Gemeindekirchenrat der<br />
Ambrosiusgemeinde, war viele<br />
<strong>Jahre</strong> Kirchenältester. Sein<br />
Hauptanliegen war der weitere<br />
Ausbau des Kindergartens<br />
der evangelischen Gemeinde in<br />
der heutigen Halberstädter Straße<br />
117. Das Grundstück hatte 1890<br />
der Kaufmann Jordan erworben<br />
und der Gemeinde St. Ambrosius<br />
geschenkt. Diese verlegte die 1864<br />
in der Kirchhofstraße gegründete<br />
Kinderbewahranstalt hierher.<br />
Das alte Wohnhaus wurde<br />
vollständig umgestaltet, denn neben<br />
dem Kindergarten sollte dort<br />
noch eine „Suppenküche“ untergebracht<br />
werden.<br />
Am Vorderhaus wurde zur<br />
Hofseite ein Flügel angebaut, der<br />
durch Beckers Engagement 1912<br />
nochmals verlängert wurde. Im<br />
Vorderhaus waren die Schwesternstation<br />
und das 6. Polizeirevier<br />
<strong>Sudenburg</strong> untergebracht.<br />
Nach dem Umbau wurden bis zu<br />
130 Kinder betreut. Der monatliche<br />
Elternbeitrag betrug<br />
50 Pfennig, auf Antrag konnte der<br />
Neben der Tätigkeit als Kaufmann engagierte er sich in <strong>Sudenburg</strong><br />
Beitrag für Bedürftige erlassen<br />
werden.<br />
Doch zurück zu Georg Becker.<br />
Sein soziales Engagement<br />
war auch in seinem Unternehmen<br />
spürbar. Er zahlte Weihnachts-<br />
und Urlaubsgeld, richtete<br />
eine Betriebsrentenkasse ein<br />
und übergab seinen Mitarbeiterinnen<br />
Präsente zu besonderen<br />
familiären Anlässen wie Taufe<br />
und Hochzeit. In Notzeiten versorgte<br />
er die Familien seiner Angestellten<br />
mit Kohlen und Kartoffeln.<br />
Unmittelbar nach Kriegsende<br />
musste er zusammen mit seiner<br />
Familie die Villa in der Westendstraße<br />
29 innerhalb weniger<br />
Stunden verlassen, weil sie von der<br />
Sowjetischen Militäradministration<br />
beschlagnahmt wurde. Am 1.<br />
September 1948 feierte Becker seinen<br />
70. Geburtstag zusammen mit<br />
allen Arbeitern und Angestellten,<br />
die ihn liebevoll „Papa Becker“<br />
nannten. Trotzdem gab es Neid<br />
und Missgunst, die dazu führten,<br />
dass er wegen einer Nichtigkeit<br />
denunziert wurde. Was war passiert?<br />
Georg Becker hatte bereits<br />
1944 fertiggestellte Ersatzteile<br />
für eine Förderanlage der Alsenschen<br />
Zementfabrik in Itzehoe<br />
1946 dorthin versandt. Ohne sich<br />
vorher die nötigen behördlichen<br />
Formalitäten zu holen. Sicherlich<br />
durch Denunzierung eines Mitarbeiters<br />
wurde diese Angelegenheit<br />
zu einem politisch motivierten<br />
Prozess, der in seinem Ergebnis<br />
zur Enteigung des Betriebes führte.<br />
Zwei Monate nach seinem<br />
70. Geburtstag erhielt Becker<br />
die Enteignungsurkunde. Ihm<br />
wurden Wirtschaftsverbrechen<br />
zum Nachtteil des sozialistischen<br />
Eigentums vorgeworfen<br />
und innerhalb von<br />
kürzester Zeit sein Lebenswerk genommen.<br />
Etliche Wochen saß er im<br />
Gefängnis.<br />
Am 19. Januar 1953 ist Georg Becker<br />
verbittert verstorben. Durch<br />
Beschluss des Stadtrates wurde<br />
<strong>200</strong>6 in <strong>Sudenburg</strong> eine Straße<br />
nach ihm benannt.<br />
| 19<br />
Westendstr. 25 (vorher 3-33) - vorheriger Besitzer Bezirksschornsteinfeger Matthies Fotos: Archiv FW<br />
Sonntags Mittagstisch<br />
ab 12.00 Uhr!