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S t a u f e n<br />
K U R I E R<br />
A U S F L Ü G E<br />
30<br />
Doch die US–Straßenkreuzer waren nicht exportfähig: Zu breit<br />
und zu groß sowie ein zu hoher Spritverbrauch. Am Preis hätte<br />
es an sich gar nicht gelegen, Dank der großen Serien in ausgefeilter<br />
Fließbandfertigung.<br />
Deutschland meldet sich zurück<br />
Die Nachteile des US-Strassenkreuzers boten uns gute Chancen.<br />
Sofort nach dem Krieg wurden wieder schnelle Autos gebaut<br />
und in Rennen erprobt. Z.B. Veritas schon ab 1946 mit<br />
Fahrzeugen auf BMW Basis, dann etwas später Mercedes, Audi<br />
und Porsche.<br />
Nun floss die große Kriegserfahrung und das Wissen aus dem<br />
Sportbereich zusammen und vereint mit dem deutschen Aufbauwillen<br />
wurden wir schon zum Ende der 1950er Jahre wieder<br />
zur Autonation Nr. 1 auf der Welt.<br />
Auch hatten wir in der Zwischenzeit gelernt mit dem Fließband<br />
umzugehen, wenn man so will ein Schwachpunkt der<br />
Vorkriegszeit. Selbst Volkswagen startete ohne Fließbänder.<br />
Dann ging es jahrelang unaufhörlich aufwärts. Das legendäre<br />
deutsche Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit speiste sich zu<br />
ca 50% allein aus der Automobilproduktion. Doch Bäume<br />
wachsen bekanntlich nicht in den Himmel, und ab etwa 1965<br />
wurden Schwächezeichen deutlich. Nun betrat Japan die Autobühne<br />
und schickte sich an, die Welt-Führerschaft zu übernehmen.<br />
Wie kam es dazu?<br />
Der VW Käfer schwächelte ab Mitte der 60er Jahre, dennoch<br />
hielt Generaldirektor Nordhoff überlang an ihm fest. Der Golf<br />
kam erst 1972 mit großer Verspätung. Vielleicht lag dies auch<br />
daran, dass die erfahrenen Konstrukteure aus der Kriegszeit<br />
mittlerweile in Pension gingen. Zur Käferkrise kam 1973/74<br />
noch die Ölkrise. Letztere setzte dem deutschen Wirtschaftswunder<br />
generell ein Ende. Dann die „68er“. Diese Generation<br />
war regelrecht autofeindlich, sie wollten zurück zum Fahrrad.<br />
Ihr Einfluss wird unter anderem am Verschwinden des Chromzierrates<br />
am Auto deutlich. Der Stolz am Auto verkehrte sich<br />
in die „neue Bescheidenheit“.<br />
Und ein Letztes: Im Ausland hatte man die deutschen Autos<br />
der frühen 70er Jahre als spießig empfunden.<br />
Der Tiefpunkt des deutschen Automobilbaus fiel sinnigerweise<br />
mit dem 100. Geburtstag zusammen. Wir wissen es alle, es war<br />
das Jahr 1986.<br />
Doch nun zu den Japanern<br />
Ihre große Stärke war die robotergesteuerte Produktion, hier<br />
waren sie uns weit voraus. Dies führte zu einer weltweiten<br />
Preisführerschaft, die durch modernste konstruktive Technologien<br />
noch verstärkt wurde.<br />
Besonders augenfällig läßt sich dies bei der Motorradproduk -<br />
tion nachzeichnen.<br />
Aufstieg und Fall der deutschen Motorradindustrie<br />
Zunächst muss man wissen, dass Deutschland vor dem Krieg<br />
die Motorradnation Nr. 1 auf der Welt war. Nirgendwo gab es<br />
mehr Motorradfahrer als bei uns. Wie schon beim Auto war<br />
der 2. Weltkrieg Lehrmeister im robusten Motorradbau. An<br />
diese große Zweirad-Tradition nach 1945 anzuknüpfen lag also<br />
sehr nahe. Die Produktion begann zuerst mit kleinen preis-<br />
<strong>Staufia</strong> – 2012<br />
werten Maschinen mit 98, 125 und 150 ccm. Bei 250 ccm war<br />
dann so etwas wie ein natürlicher Grenzpunkt gegeben. Die<br />
Motorleistungen begannen bei 3 PS und mit 10 PS konnte<br />
man sich absolut sehen lassen. Das Motorrad war ein Altagsgerät,<br />
die Fahrt am Wochenende ins Grüne lief am Rande mit.<br />
Nicht lange drauf schob sich der Hubraum nach oben bis 500<br />
ccm und die Leistung kam in die Nähe von 30 PS und mit den<br />
besseren Verdienstmöglichkeiten regte sich auch der Sportsgeist<br />
wieder. So ging das bis etwa Mitte der 1950er Jahre.<br />
Dann aber kippte die Szene, die Deutschen stiegen zunächst<br />
auf den Kleinwagen um, doch ab dem Ende der 1950er Jahre<br />
hatten die großen Autohersteller den Markt wieder fest im<br />
Griff. Mit großem Abstand vorn draus marschierte Volkswagen<br />
mit dem Käfer.<br />
Zu Beginn der 1960er Jahre war die Zeit der deutschen Motorräder<br />
leider vorbei. Unsere schwäbische Nobelmarke NSU<br />
stellte 1963 die Motorradproduktion ganz ein.<br />
Entsetzlich schade, denn zur neuen Spielwiese des Motorrades<br />
als Freizeit- und Sportgerät fehlten nur ein paar Jährchen. Und<br />
es mangelte vielleicht auch ein wenig an Mut und Phantasie<br />
unserer wackeren und soliden Motorradbauer.<br />
Die Japaner erobern konkurrenzlos den europäischen<br />
Markt<br />
Doch jetzt kommt die Stunde der Japaner. Auch sie hatten eine<br />
intensive Kriegserfahrung und überhaupt keine Scheu,<br />
gute Dinge zu kopieren. Sie kamen mit Sportgeräten auf den<br />
Markt, die kaum mehr Ähnlichkeiten mit den deutschen Traditions-Maschinen<br />
hatten. Schon Ende der 1960er Jahre konnte<br />
Jamaha und Honda starke Motorräder mit unglaublichen 60<br />
PS liefern. Überlebt hat in Deutschland bis zum heutigen Tage<br />
einzig die Marke BMW. Doch man hatte seinerzeit in München<br />
große Mühe mit den Japanern mitzukommen. BMW konnte<br />
erst 5 Jahre nach den Japanern eine Serien-Maschine mit<br />
ebenfalls 60 PS anbieten.<br />
Unsere Zeitgenossen vor mehr als 40 Jahren waren einst stolz<br />
auf die tollen Fahrzeuge jener Zeit und glaubten, einen überaus<br />
hohen technischen Stand erreicht zu haben. Das ist heute<br />
nicht viel anders, doch wir wissen, dass die Tage der konventionellen<br />
Fahrzeugtechnik mit dem klassischen Verbrennungsmotor<br />
schlussendlich gezählt sein werden. Wir wissen aber auch,<br />
dass die Ingenieurskunst nie enden und heute noch kaum vorstellbare<br />
Dinge hervorbringen und erfolgreich umsetzten<br />
wird.<br />
Auf die Fortschreibung dieser technischen Meilensteine in den<br />
nächsten, sagen wir 30 bis 40 Jahren, darf man gespannt sein.<br />
Ihr jungen S<strong>taufen</strong> werdet dabei sein. Habt sorgfältige Acht<br />
darauf, dass wir die wieder erlangte Weltspitze im Automobilbau<br />
zum Ende des letzten Jahrhunderts gut bewahren und<br />
verteidigen. Ich danke Euch.<br />
Autor:<br />
Martin Sauter<br />
v. Allegro