Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Toll ausbalanciert<br />
Leas Hochzeit feierte in den Kammerspielen Premiere<br />
AUS DEM SCHAUSPIELHAUS<br />
In den Niederlanden ist<br />
Judith Herzbergs „Leas<br />
Hochzeit“ ein viel gespielter<br />
Theater-Klassiker, eine<br />
Art nationaler heiliger Gral.<br />
Jeder Regisseur, der das<br />
Stück neu inszeniert, steht<br />
unter genauer Beobachtung.<br />
Eric de Vroet wich so<br />
ins Nachbarland aus, um frei<br />
zu arbeiten – und brachte es<br />
mit einer tollen Balance aus<br />
Leicht und Schwer auf die<br />
Bochumer Kammerbühne.<br />
Lea feiert Hochzeit und die<br />
Gäste wollen fröhlich sein.<br />
Doch die Vergangenheit lastet<br />
schwer auf ihr und ihren Gästen.<br />
In Leas Biographie hat<br />
Judith Herzberg ihre eigene<br />
verarbeitet: Wie ihre Protagonistin<br />
hat sie jüdische Wurzeln<br />
und überlebte den Holocaust<br />
versteckt bei nicht-jüdischen<br />
Eltern. Mit ihrem Stück entfachte<br />
sie 1982 die Diskussion<br />
über die Nazi-Zeit in den<br />
Niederlanden ganz neu.<br />
<strong>Der</strong> Zuschauer in den Kammerspielen<br />
blickt ins Foyer<br />
eines Hochzeitssaals aus den<br />
1970er Jahren. Die eigentliche<br />
Feier findet nebenan<br />
statt. Ihre Musik dringt dumpf<br />
ans Ohr des Publikums. Videos<br />
in Super-8-Optik von<br />
Lena Newton und Daan Hazendonk<br />
gestatten kurze Einblicke<br />
in den Saal.<br />
Durch die Randperspektive<br />
kann Regisseur Eric de Vroedt<br />
das Grauen des<br />
Krieges gekappt<br />
wurden.<br />
Neben ihm brillieren<br />
Therese<br />
Dörr als Lea, die<br />
zwischen allen<br />
Stühlen steht und<br />
keinen Platz findet,<br />
Anke Zillich<br />
und Martin Horn<br />
als ihre Eltern,<br />
die längst unter<br />
ihrem Schicksal<br />
zusammengebrochen<br />
sind<br />
und trotzdem<br />
Torsten Flassig brillierte in den Kammerspielen als Daniel in Judith Herzbergs irgendwie weitermachen.<br />
„Leas Hochzeit“.<br />
Foto: Martin Steffen<br />
Am<br />
einen gezielten Fokus auf die<br />
rund 80 Szenen legen, in denen<br />
sich die Hochzeits-Gäste<br />
in unterschiedlichen Konstellationen<br />
begegnen. Hier<br />
treffen Schicksale von Überlebenden,<br />
von Versteckten, von<br />
Helfern, vermeintlich Unbeteiligten<br />
und Nachgeborenen<br />
aufeinander. Das Thema Holocaust<br />
wird mal offen verhandelt<br />
und liegt mal subtil unter<br />
dem Gesagten. Ein wunderbares<br />
Ensemble macht die<br />
schwere Last, die die meisten<br />
dieser Menschen zu tragen<br />
haben, immer greifbar.<br />
„Sie wissen nicht, wie sie leben<br />
sollen und überdecken<br />
das mit Lachs“, sagt einmal<br />
der junge Torsten Flassig als<br />
Daniel, die am schwersten<br />
fassbare Figur in diesem Reigen:<br />
Er ist eine Art Stellvertreter<br />
ist für all die Wünsche,<br />
Hoffnungen und Versprechen<br />
der Vergangenheit, die durch<br />
Ende gab es zu<br />
Recht sehr großen Applaus<br />
und Standing Ovations, auch<br />
für die 80-jährige Autorin, die<br />
nach Bochum gekommen war<br />
und sich gern und zu Recht<br />
feiern ließ. Max Kühlem<br />
<strong>Juni</strong> <strong>2015</strong>⎮<strong>Der</strong> <strong>Ehrenfelder</strong>⎮<br />
7