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Der Ehrenfelder 66 - Juni 2015

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Toll ausbalanciert<br />

Leas Hochzeit feierte in den Kammerspielen Premiere<br />

AUS DEM SCHAUSPIELHAUS<br />

In den Niederlanden ist<br />

Judith Herzbergs „Leas<br />

Hochzeit“ ein viel gespielter<br />

Theater-Klassiker, eine<br />

Art nationaler heiliger Gral.<br />

Jeder Regisseur, der das<br />

Stück neu inszeniert, steht<br />

unter genauer Beobachtung.<br />

Eric de Vroet wich so<br />

ins Nachbarland aus, um frei<br />

zu arbeiten – und brachte es<br />

mit einer tollen Balance aus<br />

Leicht und Schwer auf die<br />

Bochumer Kammerbühne.<br />

Lea feiert Hochzeit und die<br />

Gäste wollen fröhlich sein.<br />

Doch die Vergangenheit lastet<br />

schwer auf ihr und ihren Gästen.<br />

In Leas Biographie hat<br />

Judith Herzberg ihre eigene<br />

verarbeitet: Wie ihre Protagonistin<br />

hat sie jüdische Wurzeln<br />

und überlebte den Holocaust<br />

versteckt bei nicht-jüdischen<br />

Eltern. Mit ihrem Stück entfachte<br />

sie 1982 die Diskussion<br />

über die Nazi-Zeit in den<br />

Niederlanden ganz neu.<br />

<strong>Der</strong> Zuschauer in den Kammerspielen<br />

blickt ins Foyer<br />

eines Hochzeitssaals aus den<br />

1970er Jahren. Die eigentliche<br />

Feier findet nebenan<br />

statt. Ihre Musik dringt dumpf<br />

ans Ohr des Publikums. Videos<br />

in Super-8-Optik von<br />

Lena Newton und Daan Hazendonk<br />

gestatten kurze Einblicke<br />

in den Saal.<br />

Durch die Randperspektive<br />

kann Regisseur Eric de Vroedt<br />

das Grauen des<br />

Krieges gekappt<br />

wurden.<br />

Neben ihm brillieren<br />

Therese<br />

Dörr als Lea, die<br />

zwischen allen<br />

Stühlen steht und<br />

keinen Platz findet,<br />

Anke Zillich<br />

und Martin Horn<br />

als ihre Eltern,<br />

die längst unter<br />

ihrem Schicksal<br />

zusammengebrochen<br />

sind<br />

und trotzdem<br />

Torsten Flassig brillierte in den Kammerspielen als Daniel in Judith Herzbergs irgendwie weitermachen.<br />

„Leas Hochzeit“.<br />

Foto: Martin Steffen<br />

Am<br />

einen gezielten Fokus auf die<br />

rund 80 Szenen legen, in denen<br />

sich die Hochzeits-Gäste<br />

in unterschiedlichen Konstellationen<br />

begegnen. Hier<br />

treffen Schicksale von Überlebenden,<br />

von Versteckten, von<br />

Helfern, vermeintlich Unbeteiligten<br />

und Nachgeborenen<br />

aufeinander. Das Thema Holocaust<br />

wird mal offen verhandelt<br />

und liegt mal subtil unter<br />

dem Gesagten. Ein wunderbares<br />

Ensemble macht die<br />

schwere Last, die die meisten<br />

dieser Menschen zu tragen<br />

haben, immer greifbar.<br />

„Sie wissen nicht, wie sie leben<br />

sollen und überdecken<br />

das mit Lachs“, sagt einmal<br />

der junge Torsten Flassig als<br />

Daniel, die am schwersten<br />

fassbare Figur in diesem Reigen:<br />

Er ist eine Art Stellvertreter<br />

ist für all die Wünsche,<br />

Hoffnungen und Versprechen<br />

der Vergangenheit, die durch<br />

Ende gab es zu<br />

Recht sehr großen Applaus<br />

und Standing Ovations, auch<br />

für die 80-jährige Autorin, die<br />

nach Bochum gekommen war<br />

und sich gern und zu Recht<br />

feiern ließ. Max Kühlem<br />

<strong>Juni</strong> <strong>2015</strong>⎮<strong>Der</strong> <strong>Ehrenfelder</strong>⎮<br />

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