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„Die Geringerqualifizierten treffen stets zu spät am Kriegsschauplatz ein, wenn sich<br />

zwischenzeitlich das allgemeine Bildungsniveau gehoben hat.“ (Castel 2000, 353)<br />

Die Qualifizierung der inländischen Arbeitskräfte verteuert diese zudem auch noch und macht ihren<br />

Einsatz unflexibel und bürokratisch, sie haben also einen doppelten Wettbewerbsnachteil.<br />

Brain Drain und Care Drain<br />

In der feministischen Migrationsforschung werden die Folgen des Verlustes von qualifizierten<br />

Arbeitskräften (Brain Drain, Brain Waste) und insbesondere von bezahlten wie unbezahlten<br />

SorgeleisterInnen in Institutionen und Familien (Care-Drain) problematisiert (Bettio et al. 2004;<br />

Escrivá 2004; Hochschild 2001, Hochschild 2002). Humankapital geht verloren (Ausbildungskosten<br />

der Herkunftsstaaten werden in den Ankunftsländern verwertet), die Herkunftsländer haben Mangel an<br />

qualifiziertem Personal. Selbst niedrig qualifizierte Arbeit - unter anderem im Haushalt – wird<br />

aufgrund der Einkommensunterschiede nicht selten von hoch qualifizierten Arbeitskräften geleistet,<br />

vor allem FernmigrantInnen und MigrantInnen aus den ehemaligen Ostblockländern zeichnen sich<br />

durch ein hohes Qualifikationsniveau aus (Elwert 2003, 272). Die Gefahr des Brain Drain ist insofern<br />

relativiert, als manche Länder geradezu als Ausbildungsstätten für Personal, das weltweit eingesetzt<br />

wird, fungieren, wie zum Beispiel die Philippinen (Paal 2007). Die Tschechoslowakei bildete zu<br />

Zeiten der Sowjetunion ÄrztInnen und Pflegepersonal, das zur Unterstützung anderer<br />

kommunistischer Länder wie Kuba, Libyen, Mosambik vorgesehen war, aus. Nach dem<br />

Zusammenbruch der Sowjetunion kehrten die meisten wieder in ihre Heimat zurück und es entstand<br />

ein enormer Überschuss an Pflegepersonal (Schmid/Procházková 2006, 460; Schneider 2004). Zum<br />

anderen sind die im Ausland Arbeitenden als DevisenbringerInnen von großer volkswirtschaftlicher<br />

Bedeutung. Rhacel Salazar Parreñas untersuchte die Auswirkungen der Abwanderung philippinischer<br />

Frauen. Bis zu 54% der philippinischen Bevölkerung sei auf Geldsendungen von Familienmitgliedern,<br />

die im Ausland arbeiten, angewiesen (Parreñas 2000, 39). 10% der philippinischen Bevölkerung<br />

arbeiten ständig im Ausland, 33 die Hälfte der im Ausland Arbeitenden sind Frauen. Die Zahlungen der<br />

Overseas Filipino Workers machen 8,9% des BIP aus (Philippines National Statistics Office 2005;<br />

Gonzaga 2006). Die Problematik des Care Drains und insbesondere die langfristigen Effekte sind aber<br />

noch wenig untersucht. 34 Das Konzept der Global Care Chains von Hochschild erwies sich als<br />

33 eigene Berechnung; Quellen: Philippines National Statistics Office 2005, Number of Overseas Filipino Workers, by Sex<br />

and by Region, October 2003 and 2004; National Statistical Coordination Board 2007, Population of the Philippines Census<br />

Years 1799 to 2007, Philippines National Statistics Office 2007<br />

34 Ein historisches Beispiel, das die Folgen der Migration von Frauen aufzeigen könnte, haben Ana Barbic und Inga<br />

Miklavcic-Brezigar beschrieben. Sie untersuchten die Migration von Frauen aus der Region Goriska in Slowenien seit Mitte<br />

des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurde in Ägypten der Suez-Kanal gebaut und viele europäische Familien benötigten<br />

Hauspersonal, was zu einer Massenmigration von Frauen aus Goriska nach Ägypten führte, die dort als Ammen (wet-nurses),<br />

Kinderfrauen, Gouvernanten und Erzieherinnen beschäftigt wurden. Die Motivation der Sloweninnen war ökonomisch, meist<br />

waren es junge, unverheiratete Frauen ohne Kinder, aber auch verheiratete Frauen ließen ihre Kinder bei Verwandten in<br />

Slowenien zurück. Obwohl zumeist als Übergangslösung geplant, arbeiteten viele Frauen bis zum Ruhestand in Ägypten. In<br />

manchen Ortschaften Goriskas war aus fast jeder Familie eine Frau als Haushaltsarbeiterin nach Ägypten migriert. In<br />

späteren Jahren machten sich viele SlowenInnen nach Italien auf, eine Arbeit als Hausangestellte war häufig der erste Schritt<br />

in eine soziale Unabhängigkeit. Die Migration der SlowenInnen ging aber zurück, als mit der Industrialisierung Frauen die<br />

Arbeitsplätze ihrer Männer, die nun in den Fabriken arbeiteten, in der Landwirtschaft einnehmen mussten. Erst in den 1960er<br />

Jahren konnten auch die Frauen selbst vermehrt Beschäftigung in der Industrie finden. In den 1960er und 1970er arbeiteten<br />

schließlich kaum noch Frauen als Hausangestellte, auch weil im sozialistischen Yugoslawien die Anerkennung für diesen<br />

Beruf stark gesunken war und die Grenzen zu Italien ab 1947 kaum noch zu überwinden waren. Mit der Transition von einer<br />

sozialistischen zu einer kapitalistischen Gesellschaft gewann bezahlte Hausarbeit vor allem als informelle Schwarzarbeit<br />

wieder an Bedeutung. Slowenien zeichnet sich heute durch einige demographische Besonderheiten aus, die möglicherweise<br />

wie Barbic/Miklavcici-Brezigar meinen, auf die lange Tradition der Arbeitsmigration zurückzuführen seien: es hat eine sehr<br />

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