dissertation
dissertation
dissertation
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
das Sozialversicherungssystem und damit an Erwerbsarbeit gebunden. Aus diesem Grund zeichnet<br />
sich Österreich ebenso wie Deutschland durch einen stark regulierten, unflexiblen Arbeitsmarkt mit<br />
einem hohen Niveau an sozialen Leistungen aus (Schierup et al. 2006, 139f). In den 1970er wurde<br />
diese Unflexibilität durch ein GastarbeiterInnensystem in großem Umfang ausgeglichen. Der Intention<br />
des GastarbeiterInnensystems nach sollten die Arbeitskräfte nur temporär im Land bleiben. Damit sich<br />
ihr Aufenthalt nicht verfestige, erhielten sie nur zeitlich begrenzte Aufenthalts- und<br />
Arbeitsbewilligungen (Rotationssystem), vor allem aber war das GastarbeiterInnensystem durch die<br />
Ausschließung der ArbeitsmigrantInnen von sozialen und politischen Rechten gekennzeichnet<br />
(Schierup et al. 2006, 138f). Die Exklusion von Bürger- und sozialen Rechten beruht auf einem<br />
hochgradig exklusiven ethnisch-nationalen Konzept von Nation, wobei eine solche Ausschließung<br />
kaum mit einem modernen demokratischen Staat vereinbar ist (Schierup et al. 2006, 138). Das<br />
Rotationssystem erwies sich allerdings als gescheitert, zum einen hinsichtlich der Intention, dass die<br />
Arbeitskräfte nur temporär im Land bleiben sollten – die GastarbeiterInnen blieben, ihre Familien<br />
kamen, der Familiennachzug verfestigte den Aufenthalt und nun lebt bereits die zweite und dritte<br />
Generation der GastarbeiterInnen in Österreich. Zum anderen scheiterte aber auch die Integration,<br />
denn diese war ja gar nicht intendiert (Stichwort Österreich ist kein Einwanderungsland). Aus den<br />
GastarbeiterInnen wurden ethnische Minderheiten (Schierup et al. 2006, 161), die zu großen Teilen<br />
auf Segmente des Arbeitsmarktes und bestimmte Wohngegenden verwiesen werden. Mit der Krise des<br />
fordistischen Akkumulationsregimes stieg insbesondere auch die Arbeitslosigkeit unter den<br />
GastarbeiterInnen, weil sie in jenen Sektoren überrepräsentiert waren, die von den ökonomischen<br />
Umstrukturierungen am härtesten getroffen wurden (Schierup et al. 2006, 90, 99). In den 1980er und<br />
90er Jahren kam es zum Zuzug neuer MigrantInnen und AsylwerberInnen aus Afrika, dem Nahen<br />
Osten, Ex-Yugoslawien sowie Osteuropa. Das Erstarken des Rechtspopulismus führte zu einer starken<br />
Politisierung der Ausländerfrage, die Einwanderungspolitik wurde zunehmend restriktiver<br />
(Demel/Stacher 2000; Schierup et al. 2006).<br />
Der wachsende Druck auf den Sozialstaat ist zum einen auf die steigende Arbeitslosigkeit aufgrund<br />
des ökonomischen Strukturwandels und die sinkenden Einnahmen, zum anderen auf den verschärften<br />
Wettbewerb in der globalisierten Ökonomie zurückzuführen. Reagiert wurde mit Deregulierungen des<br />
Arbeitsmarktes, um die Wettbewerbsfähigkeit aufrecht zu erhalten (Stichwort Standortwettbewerb).<br />
Bob Jessop konstatiert einen Wandel vom redistributiven Wohlfahrtsstaat (Keynesian welfare<br />
(national) state) zum Schumpeterian workfare state oder postnational regime (Jessop 1993). 39 Die<br />
Umstrukturierungen und Globalisierung der Ökonomie führten zwar einerseits zu steigender<br />
Arbeitslosigkeit in der Industrie (Postindustrialismus, Postfordismus), zugleich aber zu steigender<br />
Arbeitskräftenachfrage im hoch qualifizierten Bereich wie auch im Niedriglohnsegment des<br />
Dienstleistungssektors. Dazu erhöht sich aus demographischen Gründen der Arbeitskräftebedarf. Die<br />
Deregulierung begünstigte das Anwachsen der informellen Ökonomie und der Schattenwirtschaft, in<br />
der illegalisierte MigrantInnen, denen der reguläre Arbeitsmarkt verschlossen bleibt,<br />
39 Jessop formuliert drei Zielsetzungen des Schumpeterian Workfare State: „to promote product, process, organizational,<br />
and market innovation and enhance the structural competitiveness of open economies mainly through supply-side<br />
intervention; and to subordinate social policy to the demands of labor market flexibility and structural competitiveness”.<br />
(Jessop 1993, 3)<br />
43