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Arbeitsmärkten, der Inklusion und Exklusion von sozialen Rechten und der Migrations- und<br />
Einwanderungspolitik (vgl. Schierup et al. 2006; Jessop 1993).<br />
Pflege ist ein sozialpolitisches Feld von wachsender Bedeutung. Gerade das Risiko der<br />
Pflegebedürftigkeit ist aber - im Gegensatz zu anderen Lebensrisiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit<br />
und Alter, die durch die Sozialversicherung geschützt sind - eines, das vorrangig privat und familiär<br />
mehr oder weniger abgesichert ist. Das öffentliche Pflegesystem fördert durch seine starke<br />
Geldorientierung die Institutionalisierung familiärer oder auch irregulärer Pflege (Mairhuber 2000,<br />
174f, 180; Hammer/Österle 2001a; Hammer/Österle 2001b; Österle/Hammer 2004, 18, 131, 135). In<br />
den 1990er Jahren kam es mit der Einführung des Pflegegeldes zu einer Neuorientierung und<br />
Neustrukturierung der staatlichen Pflegevorsorge. Zum einen sollte mit der Einführung einer<br />
Geldleistung mehr Wahlfreiheit für die Pflegebedürftigen und eine stärkere Orientierung an<br />
Marktprinzipien erreicht werden, zum anderen sollte die häusliche und damit die familiäre Pflege<br />
stärker unterstützt werden. Dies geschah wohl nicht zuletzt aufgrund der absehbaren Folgen der<br />
demographischen Alterung der Bevölkerung und des abnehmenden familiären Pflegepotentials,<br />
insbesondere infolge der stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen (Hammer/Österle 2001a;<br />
Hammer/Österle 2001b; Mühlberger et al. 2008; Österle/Hammer 2004, 75f). Die Monetarisierung der<br />
öffentlichen Pflegevorsorge traf mit Migrations- und Arbeitsmarktstrukturen zusammen, die irreguläre<br />
Arbeit im Privathaushalt begünstigten: Die zunehmenden Restriktionen der Immigration und des<br />
Arbeitsmarktzugangs seit der Ostöffnung förderten irreguläre Arbeitsmigration (vgl. Cyrus 2000; Pries<br />
1997; Schierup et al. 2006). In den mittelosteuropäischen Nachbarländern stand außerdem ein gut<br />
ausgebildetes Arbeitskräftereservoir, das einerseits im Herkunftsland keine Beschäftigung finden<br />
konnte, andererseits von hohen Einkommensdifferenzen zwischen Herkunfts- und Ankunftsland<br />
profitierte, zur Verfügung (Elwert 2003, 272; Schmid/Procházková 2006, 460; Schneider 2004). Mit<br />
dem Pflegegeld konnte irreguläre Arbeit im klandestinen Bereich des Privathaushaltes als einem<br />
prädestinierten Arbeitsplatz für vom regulären Arbeitsmarkt ausgeschlossene Arbeitskräfte bezahlt<br />
werden (vgl. Lutz 2003, 21f).<br />
Mit der Alterung der Gesellschaft und einem abnehmenden Potential an Angehörigenpflege durch den<br />
demographischen und sozialen Wandel wird die Problematik der Notwendigkeit professioneller bzw.<br />
bezahlter Pflege und Betreuung in den nächsten Jahren noch an Brisanz gewinnen. Die Zahl der<br />
pflegenden Angehörigen verringert sich Schätzungen zufolge um einen halben bis zu einem<br />
Prozentpunkt jährlich. Der Anteil familiärer Pflege ist von 80% Mitte der 1990er Jahre auf<br />
gegenwärtig rund 75% gesunken, in 20 Jahren würde demgemäß nur mehr die Hälfte der<br />
Pflegelbedürftigen von Angehörigen versorgt werden (Mühlberger et al. 2008, 22). Ein entsprechendes<br />
Mehrangebot an öffentlichen, marktlichen oder eben irregulären Pflegediensten wird erforderlich sein.<br />
Es wird also einen stark steigenden Arbeitskräftebedarf geben, der aufgrund der Alterung der<br />
Wohnbevölkerung auch durch MigrantInnen gedeckt werden wird. Eine mögliche Strategie um<br />
drohenden Personalengpässen zu begegnen, wäre es, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen, die Anreiz<br />
bieten, ein entsprechendes Arbeitskräftepotential zu attrahieren, um den Pflegebedarf durch in- und<br />
ausländische Arbeitskräfte zu decken. Eine andere Strategie ist es Spaltungen der Arbeitsmärkte zu<br />
forcieren und auch zukünftig durch restriktive Arbeitsmarkt- und Migrationsregime ein<br />
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