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Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR

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Gestaltung des Mediz<strong>in</strong>studiums<br />

„Zur Neugestaltung des Mediz<strong>in</strong>studiums<br />

im Jahre 1962 setzte e<strong>in</strong> komplizierter und<br />

langwieriger Prozess e<strong>in</strong>, <strong>der</strong> erst mit <strong>der</strong><br />

Erarbeitung des Studienplanes 1976 e<strong>in</strong>en<br />

vorläufigen, aber noch nicht endgültigen Abschluss<br />

gefunden hat. Als Ziel <strong>der</strong> Neugestaltung<br />

des Mediz<strong>in</strong>studiums wurde formuliert,<br />

e<strong>in</strong>en ärztlichen Nachwuchs heranzubilden,<br />

<strong>der</strong> über e<strong>in</strong> hohes natur- und gesellschaftswissenschaftliches<br />

Grund- und Fachwissen<br />

und praktische mediz<strong>in</strong>ische Erfahrungen<br />

verfügt, auf die Aufgaben des Arztes <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

sozialistischen Gesellschaft gut vorbereitet<br />

ist und e<strong>in</strong>en festen Klassenstandpunkt sowie<br />

hohe moralisch-ethische Eigenschaften<br />

besitzt“ [15].<br />

Auf dem 2. Nationalen Symposium Lehre<br />

und Erziehung an den Hochschulen <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> am 21. und 22.06.1963 wurden die<br />

„Berl<strong>in</strong>er Erfahrungen“ (e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

Vorarbeit) ausgewertet und „Grundsätze<br />

<strong>zur</strong> Neugestaltung des Mediz<strong>in</strong>studiums“<br />

verabschiedet. Für das kl<strong>in</strong>ische Studium<br />

wurden folgende Thesen formuliert (Auszug):<br />

– Berücksichtigung <strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit von Prophylaxe,<br />

Therapie und Metaphylaxe im kl<strong>in</strong>ischen<br />

Unterricht e<strong>in</strong>es jeden Faches<br />

– Beherrschung <strong>der</strong> Grundsätze <strong>der</strong> ärztlichen<br />

Ersten Hilfe durch jeden Absolventen<br />

– Grundsätzliche Beibehaltung <strong>der</strong> Übersichtsvorlesungen,<br />

aber stärkere Betonung<br />

<strong>der</strong> praktischen Ausbildung<br />

1969 wurde von e<strong>in</strong>er Arbeitsgruppe <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e völlig neue Konzeption des Mediz<strong>in</strong>studiums<br />

(„Meckl<strong>in</strong>ger-Plan“) vorgelegt<br />

[15].<br />

Dar<strong>in</strong> war auch e<strong>in</strong>e Neugestaltung des<br />

Chirurgieunterrichts enthalten. Kernstück<br />

bildeten die <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Wissensvermittlung<br />

und die Betonung <strong>der</strong> Pro- und<br />

Metaphylaxe.<br />

E<strong>in</strong>e neue Facharztordnung wurde 1974<br />

geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>er Anordnung über die<br />

Subspezialisierung beschlossen.<br />

1976 wurden durch den Wissenschaftlichen<br />

Beirat für Mediz<strong>in</strong> beim M<strong>in</strong>isterium für das<br />

Hoch- und Fachschulwesen neue Studienpläne<br />

erarbeitet, <strong>in</strong> denen anteilig auch die<br />

Ausbildung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Traumatologie verankert<br />

war.<br />

Für die Chirurgie wurden dabei u. a. folgende<br />

Lehrveranstaltungen vorgegeben:<br />

– Interdiszipl<strong>in</strong>ärer Komplex (IDK) E<strong>in</strong>führung<br />

<strong>in</strong> die Notfallmediz<strong>in</strong><br />

– Grundlagen <strong>der</strong> Chirurgie (34 Stunden)<br />

– Spezielle Chirurgie (e<strong>in</strong>schließlich <strong>Unfallchirurgie</strong><br />

– 136 Stunden im 3. bis 5. Studienjahr)<br />

– Chirurgischer Operationskurs (17 Stunden)<br />

– IDK Notfallsituationen (11 Sunden) im 5.<br />

Studienjahr<br />

Am 11.08.1978 wurde das „Kl<strong>in</strong>ische Praktikum“<br />

im 6. Studienjahr e<strong>in</strong>geführt, wobei<br />

die bis zum Ende <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> gültige Facharztordnung<br />

<strong>in</strong> Kraft trat.<br />

Mediz<strong>in</strong>ische Betreuung<br />

Trotz e<strong>in</strong>geschränkter materiell-technischer<br />

Voraussetzungen hatten die meisten Ärzte<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, beson<strong>der</strong>s auch die an Hochschulkl<strong>in</strong>iken<br />

beschäftigten, e<strong>in</strong>e hohe ärztliche<br />

Moral und e<strong>in</strong>e ebenso hohe fachliche<br />

Kompetenz.<br />

Zu diesem Anliegen hat Löffler, 1. Vorsitzen<strong>der</strong><br />

<strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>isch-wissenschaftlichen Gesellschaft<br />

für Orthopädie <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> bei ihrer<br />

Gründung am 09.05.1953 im Virchowhaus<br />

des Pathologischen Instituts <strong>der</strong> Humboldt-<br />

Universität Berl<strong>in</strong> betont: „Im Mittelpunkt<br />

unserer Arbeit steht <strong>der</strong> Mensch, das heißt<br />

<strong>der</strong> Mensch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gesamtheit, bestehend<br />

aus Leib und Seele. Gerade bei den Körperbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten,<br />

seien es angeborene, seien es<br />

erworbene Ursachen, s<strong>in</strong>d oft Leib und Seele<br />

sehr krank! Daher muss die Behandlung e<strong>in</strong>e<br />

zweifache se<strong>in</strong> und daher muß gerade <strong>der</strong><br />

Facharzt für Orthopädie Arzt im wahrsten<br />

S<strong>in</strong>ne se<strong>in</strong>, das heißt Mensch und Mediz<strong>in</strong>er,<br />

<strong>der</strong> aus Liebe zu se<strong>in</strong>en Mitmenschen, um<br />

diesen zu helfen, diesen Beruf erwählt hat“<br />

[8].<br />

Das durchgehende „Dispansaire-System“<br />

brachte Patienten und Ärzten deutliche<br />

Vorteile. Das Qualitätsbewusstse<strong>in</strong> aller<br />

Mitarbeiter für die mediz<strong>in</strong>ische Leistung<br />

ist nachträglich schwer zu beurteilen. E<strong>in</strong><br />

beson<strong>der</strong>er Vorteil, so die Me<strong>in</strong>ung <strong>der</strong><br />

Autoren dieses Artikels, war das Fehlen<br />

von Privatpatienten. Es ersparte uns die<br />

Selektion <strong>der</strong> Patienten und erlaubte die<br />

Konzentration <strong>der</strong> leitenden Ärzte auf die<br />

Schwerpunkte <strong>der</strong> Arbeit, unabhängig von<br />

profitablen Betätigungen. Es soll <strong>in</strong> diesem<br />

Supplement nur e<strong>in</strong>mal erläutert werden,<br />

dass die Honorierung ärztlicher Tätigkeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> im Vergleich mit <strong>der</strong> <strong>in</strong> Westdeutschland<br />

und an<strong>der</strong>en europäischen<br />

Län<strong>der</strong>n beschämend ger<strong>in</strong>g war.<br />

Der Mangel an fortgeschrittener Tech-<br />

nik (Untersuchungsgerätschaft, technische<br />

Ausrüstungen, Instrumente, Implantate)<br />

war eklatant. Aber auch für simple Zube-<br />

höre unserer Tätigkeit, wie z. B. Verbandsmaterial,<br />

Operationshandschuhe, Wäsche<br />

u. a. bestand oft Mangel; über Arbeitsgruppen<br />

bei den Bezirksärzten mussten solche<br />

Artikel angefor<strong>der</strong>t werden.<br />

Die genannten Umstände führten zu beachtlichen<br />

improvisatorischen Leistungen<br />

<strong>der</strong> Ärzteschaft und ihrer Mitarbeiter.<br />

Was die poststationäre Betreuung Unfallverletzter<br />

betraf, war die mögliche Weiterbetreuung<br />

<strong>der</strong> Patienten durch die primär<br />

behandelnden Ärzte e<strong>in</strong> großer Vorteil; anspruchsvolle<br />

Rehabilitationse<strong>in</strong>richtungen<br />

standen ungenügend <strong>zur</strong> Verfügung.<br />

Was Spitzensportler betraf, hat <strong>der</strong> Autor<br />

E. M. e<strong>in</strong>ige Erfahrungen.<br />

Der Hochspr<strong>in</strong>ger R. B., <strong>der</strong> aufgrund se<strong>in</strong>er<br />

Leistungen e<strong>in</strong>e Chance auf e<strong>in</strong>e olympische<br />

Medaille hatte, zog sich beim Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e<br />

Achillessehnenruptur zu. Es war an e<strong>in</strong>em<br />

Sonntag. Die wenigen E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong>, die für solche Behandlungen <strong>in</strong> Frage<br />

kamen, schieden aus, da die entsprechenden<br />

Chefärzte nicht erreichbar waren. Schließlich<br />

wurde ich beauftragt, die notwendige<br />

Operation durchzuführen. Die Operation<br />

erbrachte e<strong>in</strong>e stabile Wie<strong>der</strong>herstellung<br />

<strong>der</strong> Sehnenkont<strong>in</strong>uität. Postoperativ wurde<br />

mir, gegen me<strong>in</strong>en Protest, die Nachsorge<br />

me<strong>in</strong>es Patienten durch die Sportführung<br />

untersagt. 4 Wochen nach <strong>der</strong> Operation<br />

wurde er erneut vorgestellt, da die Sehnennaht<br />

ausgerissen und wie<strong>der</strong>um e<strong>in</strong>e Diastase<br />

<strong>der</strong> Sehnenstümpfe vorlag. Ursache<br />

dieses Ereignisses war das Üben <strong>der</strong> Dorsalextension<br />

des Fußes <strong>der</strong> operierten Seite<br />

gegen e<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>stand von 100 kg. Die<br />

Reoperation wurde mir nicht übertragen;<br />

sie erfolgte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er für Spitzensportler vorgesehenen<br />

Kl<strong>in</strong>ik <strong>in</strong> Bad Düben.<br />

Forschung<br />

Wissenschaftliche Untersuchungen zu unfallchirurgischen<br />

Fragestellungen erfolgten<br />

bis <strong>in</strong> die 70er Jahre des vergangenen Jahrhun<strong>der</strong>ts<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> vorwiegend im Rahmen<br />

<strong>der</strong> chirurgischen Forschung.<br />

Diese fanden <strong>in</strong> drei Bereichen statt [11]:<br />

– zum e<strong>in</strong>en <strong>in</strong> den Instituten <strong>der</strong> Deutschen<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften– später<br />

Akademie <strong>der</strong> Wissenschaften <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> <strong>in</strong><br />

den so genannten „Bucher Instituten“<br />

– <strong>in</strong> den chirurgischen Hochschulkl<strong>in</strong>iken<br />

– im Bereich des M<strong>in</strong>isteriums für Gesundheitswesen,<br />

also den nichtuniversitären<br />

E<strong>in</strong>richtungen<br />

DGU Mitteilungen und Nachrichten | Supplement 1/2008 21

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