Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR

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Grußwort A. Ekkernkamp, H. Siebert Fast 19 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer erscheinen die von vielen erwarteten „Beiträge zur Geschichte der Unfallchirurgie in der DDR“. Wer hätte dies kompetenter und authentischer abhandeln können als die drei Herausgeber Eberhard Markgraf, Jena (Präsident der DGU 1996), Wieland Otto, Halle, und Klaus Welz, Cottbus. Wesentliche Kapitel wurden von den Herausgebern selbst verfasst, darüber hinaus ist es ihnen gelungen, alle wichtigen Facetten der DDR-Unfallchirurgie zu beleuchten und Autoren zu gewinnen, für die der Begriff Zeitzeuge nicht übertrieben ist. Die Realisierung dieses ehrgeizigen Projektes ist zu einem maßgeblichen Teil dem langjährigen Generalsekretär der DGU, Herrn Prof. Dr. med. Jürgen Probst, Murnau, zu verdanken. Dieser hat vor der deutschen Wiedervereinigung nach Kräften den wissenschaftlichen Austausch und kontinuierlichen Dialog zwischen den Unfallchirurgen im Osten und Westen gefördert. In den frühen 90er Jahren hat der „General“ dafür gesorgt, dass die neu hinzugekommenen Kolleginnen und Kollegen rasch in die DGU integriert werden konnten – unter den wissenschaftlichen Fachgesellschaften keineswegs selbstverständlich. Durch Interesse und Zuwendung ist es den Herren Probst und Kurz aus Lübben gelungen, die Arbeitsgemeinschaft Kindertraumatologie der DDR als interdisziplinäre Sektion in die DGU zu überführen, wovon die jungen Unfallchirurginnen und Unfallchirurgen, Kinderchirurginnen und Kinderchirurgen noch heute profitieren. Herausgebern und Autoren sei für die enorme Mühe, die mit aufwendigen Recherchen verbunden gewesen ist, gedankt. Dem Thieme-Verlag ist es gelungen, die Präsentation wirklich ansehnlich zu gestalten. Den Leserinnen und Lesern wünschen wir Erkenntnisgewinn, Erinnerung an schöne und auch schwierige Zeiten. Manches Vorurteil ist nach der Lektüre nicht länger aufrecht zu erhalten, das Werk leistet einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der deutsch-deutschen Vergangenheit. Das besondere Interesse der Unterzeichnenden, die aus eigenem Erleben „östliche“ und „westliche“ unfallchirurgische Schulen erfahren durften, ist garantiert. Gratulation und herzliche Grüße! Prof. Dr. Dr. h.c. Axel Ekkernkamp Präsident – Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. Prof. Dr. Hartmut Siebert Generalsekretär – Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e. V. DGU Mitteilungen und Nachrichten | Supplement 1/2008 1
2 Geleitwort J. Probst Zu den ältesten abendländischen Kulturträgern zählt die Geschichtsschreibung, deren Begründer Thukydides (* um 460, † nach 400 a. C.) die wahrheitsgemäße Schilderung der Ereignisse, nicht deren nachgehende, der Betrachterzeit zugeordnete Deutung oder Wertung als Prinzip voraussetzte. Nicht Auskünfte des ersten Besten, sondern Selbsterlebtes sowie auf Wahrheitsgehalt genauestens geprüfte Nachrichten sollten überliefern, was in der Zukunft dauernder Besitz und nützlich bleibe, auch wenn daraus kein erzählerisches Prunkstück entstehe [1]. Die Verführung, sich historischer Argumente zu bedienen und damit (politische) Ansprüche zu begründen, ist seit Ende des 18. Jahrhunderts historisch – und seitdem oft missbraucht worden. „Die Historie wird immer neu geschrieben. Jede Zeit und ihre Richtung macht sie sich zu eigen und trägt ihre Gedanken darauf über. Danach wird Lob und Tadel ausgeteilt.“ [2] Unsere eigenen Erfahrungen bestätigen diese Erkenntnis in besonders leidvoller Weise. Noch nicht lange liegt hinter uns die Epoche der an Vollständigkeit nicht zu überbietenden Teilung und Trennung unseres Volkes, unseres Gemeinwesens, der Wissenschaften und damit auch der Chirurgen. Und doch sind fast zwei Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung verstrichen, ein Zeitraum, in dem bereits viele Zeitgenossen von uns gegangen sind, ohne dass uns ihre Zeugnisse erhalten blieben. Rechnet man noch die Zeit des 2. Weltkrieges hinzu, sind mehr als zwei Generationen „vergessen“. So wurde es Zeit, Dokumente und Erfahrungen, Erlebtes, Er- littenes und mit Mut Bewahrtes aus erster Hand zu sichern, um jene vier Jahrzehnte getrennter Wege der nach dem 2. Weltkrieg aufstrebenden Unfallchirurgie nicht auszulöschen. Die Geschichte der Chirurgie wurde von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts von anderen ihrer Aufgabengebiete beherrscht, ihr ältester Teil, die Chirurgie der Verletzungen, blieb in zweiter Reihe. Erst aus der Asche des Infernos erstand die moderne Unfallchirurgie, die, ebenso wie einst die Chirurgie der großen Körperhöhlen, der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen bedurfte, um aus der oft nur mit Schaden erhaltenden Wundarznei die Wiederherstellungschirurgie und damit den neben der Viszeralchirurgie größten Anteil der chirurgischen Versorgung hervorgehen zu lassen. Dass diese Entwicklung in die Zeit der deutschen Teilung fiel, ist eine Tragik an sich, insofern sie eine Demigration der wissenschaftlichen und der auf praktischem Erfahrungsaustausch beruhenden evolutionären Kapazitäten verursachte. Es ist ein geschichtliches Anrecht der Unfallchirurgen der ehemaligen DDR, ihre unter schwierigen Umständen geleistete Arbeit über die engere Phase der staatlichen Wiedervereinigung hinaus gewürdigt zu sehen. Die Geschichte der Unfallchirurgie bliebe unvollständig und auch unwahr, ließe man ihren Fortgang zwischen Kriegsende und Zusammenbruch des Eisernen Vorhanges jenseits dessen unbeachtet. Sie blieb und ist ein Teil des Ganzen! „Ein Verständnis der Gegenwart gibt es nicht ohne Kenntnis der früheren Zeiten. Die eine reicht der andern die Hände: eine kann ohne die andere entweder gar nicht existieren oder doch nicht vollkommen sein.“ [3] Nicht nur die chirurgischen Leistungen verdienen unseren Respekt. Allen Behinderungen und Bedrängungen zum Trotz hielten die Unfallchirurgen in der DDR auch die unsichtbare Flagge der Menschlichkeit und der Kollegialität aufrecht. Ohne diese wäre die Wiederherstellung der Einheit in diesem für die uns anvertrauten Menschen so wichtigen Bereich schwerlich so rasch, so erfolgreich und so atraumatisch gelungen, wie sie tatsächlich zustande gekommen ist. Im Jahr der Wiedervereinigung starb unser ältestes Ehrenmitglied, „der Chirurg mit dem Jahrhundert“, Werner Wachsmuth, dessen Wort die Unfallchirurgen in Ost und West beherzigten: „Nicht äußere Liebenswürdigkeit und Bequemlichkeit des Umganges begründen Freundschaften, sondern alle wirklich echten und beständigen Beziehungen zwischen den Menschen beruhen auf der Erkenntnis des inneren Wertes des Anderen.“ [4] Prof. Dr. Jürgen Probst Asamallee 10 82418 Murnau/Staffelsee Literatur 1. Thukydides, Peloponnesischer Krieg I, 22 2. L. v. Ranke, Tagebuch um 1840 3. L. v. Ranke, Sämtliche Werke 24, 288 4. W. Wachsmuth, Zentralblatt für Chirurgie 67 (1940) DGU Mitteilungen und Nachrichten | Supplement 1/2008
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