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Hausen statt Wohnen – Von der Hart - KOBRA - Universität Kassel

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gibt es immer noch genug zu tun, aber die Arbeit wird immer unsichtbarer. Die vielen<br />

Wege, Absprachen, die Koordination <strong>der</strong> Öffnungszeiten, die Kin<strong>der</strong>, die Küche - das erledigt<br />

Frau nun scheinbar nebenbei und zwischendurch. Das bisschen Organisation und<br />

Herumgerenne fällt kaum auf, die Kin<strong>der</strong> sind sowieso ein Vergnügen und fallen unter<br />

"Liebe" (vgl. Bock, G./Duden, B. 1977). Nach Walter Gropius wird das Alles in <strong>der</strong> Freizeit<br />

schnell erledigt. So sieht niemand die Arbeit, sie zählt auch nicht als Arbeit, aber <strong>–</strong> wie<br />

bei Heinzelmännchen <strong>–</strong> alles Notwendige ist getan. Und wenn Frau gestresst ist, weiß<br />

keine(r) warum, schließlich hat sie doch gar nichts mehr zu tun ("vor allem im Verhältnis<br />

zu früher").<br />

1.1.4 Der Weg zur Emanzipation als Zwang zum Konsum<br />

Nicht ganz geklärt ist zudem, wer all diese Versorgungsanlagen, Freizeiteinrichtungen<br />

und den täglichen Konsum bezahlen soll. So spricht Walter Gropius zwar davon, dass<br />

Großanlagen ökonomischer arbeiten als Einzelhaushalte. Aber die Frage, ob sich denn<br />

<strong>der</strong> Einzelhaushalt überhaupt alle vorgesehenen Einrichtungen leisten kann und will, ist<br />

damit noch nicht beantwortet <strong>–</strong> und auch nicht vorgesehen. Denn die Einzelhaushalte<br />

können gar nicht mehr selbständig entscheiden, welche Fix- und Gebrauchskosten sie in<br />

Kauf nehmen und was sie lieber selber machen wollen. Geldsparen ist nicht vorgesehen,<br />

Selbermachen wird von vorneherein als rückständig und unökonomisch denunziert und<br />

als Verhaltensmöglichkeit ausgeschaltet. Die Abhängigkeit von Konsum und Versorgungseinrichtungen<br />

wird zum Standard gemacht und zum Fortschritt erklärt. Der Frau, die<br />

das nicht akzeptiert, fehlt dann wohl <strong>der</strong> Blick für ihre Emanzipation.<br />

1.1.5 Kein Leben neben <strong>der</strong> Vorgabe<br />

Zugleich wird mit den Geschoßwohnungen im Zeilenbau umgeben von Grünflächen <strong>der</strong><br />

baulich-organisatorische Rahmen so eng vorgegeben, dass ein Ausweichen o<strong>der</strong> Abweichen<br />

von <strong>der</strong> Norm schwierig wird. Ein Leben neben dem permanenten Zwang zum Geldausgeben<br />

ist kaum drinnen. So geraten auch alle Frauen, die dem versprochenen "Standard<br />

einer Konsumgesellschaft" (vgl. Turner, J.F.C. 1978:95) nicht entsprechen können<br />

o<strong>der</strong> wollen, in Bedrängnis. Denn ihre gesamte Arbeit - also sparsames Wirtschaften,<br />

Vorräte Anlegen, Sammeln, Aufbereiten, Werkeln, Reparieren - muss in <strong>der</strong> auf Erholung<br />

ausgerichteten Wohnung <strong>statt</strong>finden, sonst gibt es keinen Platz. Wohnzimmer, Grünflächen<br />

und Freizeitklubs sind zur Erbauung da, nicht zum Produzieren. Da heißt es dann<br />

zusammenrücken, den Gürtel enger schnallen - am Essen kann Frau immer sparen, wenn<br />

das Geld nur für die Miete und den Kin<strong>der</strong>garten reicht (vgl. Turner, J.F.C. 1978:48f).<br />

"Die Folge für die Frauen und all jene, die am Wohnort produzieren, ist also weniger Platz für<br />

die gleiche Arbeit, bzw. manche Arbeiten sind gar nicht mehr möglich o<strong>der</strong> sie verän<strong>der</strong>n<br />

sich. Es ist demnach genau umgekehrt: die Architektur schafft erst die Notwendigkeit <strong>der</strong><br />

Übernahme von Teilen <strong>der</strong> häuslichen Produktion in den Dienstleistungssektor. Durch diese<br />

Architektur werden Teile <strong>der</strong> häuslichen Produktivität <strong>der</strong> Frauen <strong>der</strong> Geldökonomie zugeschlagen.<br />

Es muss mehr gekauft werden, mehr Geld für Dienstleistungen aufgewendet wer-<br />

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