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Hausen statt Wohnen – Von der Hart - KOBRA - Universität Kassel

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An<strong>der</strong>s bei den Haushalten, denen nur eine Wohnung zur Verfügung steht. Hier ist die<br />

Hauswirtschaft auf Konsum ausgerichtet, denn zum Selbermachen ist kein Platz. Der Unterschied<br />

zwischen bürgerlichem und proletarischem Haushalt liegt darin, dass <strong>der</strong> bürgerliche<br />

Haushalt mit einem höheren Geldeinkommen rechnen und zugleich auf vorhandenen<br />

Besitz zurückgreifen kann. Beides ermöglicht noch sparsameres Wirtschaften. Der<br />

Besitz an qualitätsvollen Haushaltsgegenständen, Kleidung und Möbeln spart Ausgaben.<br />

Das höhere Einkommen macht die Miete einer größeren Wohnung und den Kauf von größeren<br />

Mengen und qualitätsvolleren Produkten erschwinglich, was Vorratshaltung und<br />

damit langfristig günstigeres wirtschaften ermöglicht <strong>–</strong> nach dem Motto: wir sind nicht<br />

reich genug, um uns Billiges leisten zu können. Trotz <strong>der</strong> Abhängigkeit von Geld besteht,<br />

aufbauend auf dem Reichtum <strong>der</strong> Vorfahren, ein Spielraum, <strong>der</strong> Vorausdenken, Planen<br />

und den gezielten Einsatz von Geld noch möglich macht.<br />

Im Gegensatz dazu bleibt den proletarischen Haushalten in <strong>der</strong> Wohnung bereits kein<br />

Spielraum mehr. Sie haben nur ein Standbein, das Geld, und die Löhne sind letztendlich<br />

niedrig. Zudem können sie auf keine ererbten Mittel zurückgreifen. So sind sie gezwungen<br />

ihr Einkommen sofort umzusetzen. Sie müssen daher immer teurer kaufen, als sie<br />

sich eigentlich leisten können, also z.B. billige Produkte nie<strong>der</strong>er Qualität in kleinen<br />

Mengen. Und in zu kleinen Wohnungen leben, da sonst das Geld nicht für die Miete<br />

reicht. Zugleich können sie mit ihren Geldmitteln keine sicheren Rücklagen und Eigentum<br />

aufbauen, we<strong>der</strong> in Naturalien noch in Geld. Vorratshaltung ist ihnen also auf keine Weise<br />

möglich. Was sie einnehmen fließt sofort in den täglichen Bedarf (ebd.:143). Diese<br />

Notwendigkeit, Geld heranzuschaffen, zwingt alle Familienmitglie<strong>der</strong> gegen Geld zu arbeiten,<br />

was das Zeug hält. Zugleich wird auch die Haushaltsplanung immer schwieriger,<br />

weil immer genauer überlegt werden muss, an welcher Ecke noch gespart werden kann.<br />

Im Übrigen ein Anteil <strong>der</strong> unsichtbaren Arbeit, die vor allem die Haus- und Familienfrauen<br />

zu leisten hatten (und haben).<br />

Hier zeigt sich, dass mit <strong>der</strong> Reduktion des Wirtschaftens auf die Wohnung die Reduktion<br />

<strong>der</strong> ökonomischen Standbeine einhergeht, die alleinige Abhängigkeit von Geld manifestiert<br />

wird. Mit diesem Wechsel von einer Produktions- und Vorratswirtschaft zur Konsumtionswirtschaft<br />

steigt die Abhängigkeit von <strong>der</strong> Lohnarbeit sowie die Unsicherheit in <strong>der</strong><br />

Lebenshaltung (ebd.:171).<br />

Diese Beschreibung <strong>der</strong> Abhängigkeiten von Haushalten findet sich 45 Jahre später bei<br />

J.F.C. Turner in seinen Studien zur Architektur in Mexiko wie<strong>der</strong>. Er zeigt darin <strong>–</strong> analog zu<br />

Margarete Freudenthal <strong>–</strong> die ökonomischen Möglichkeiten von Familien, die über eine<br />

Hütte mit Hof verfügen, im Vergleich zu Familien, die in eine Wohnung im Sozialen Wohnungsbau<br />

gezogen sind. Auch in seiner Beschreibung wird deutlich, dass bei aller ökonomischen<br />

Bedrängnis, den BewohnerInnen von Hütte und Hof mehr Spielräume bleiben.<br />

Da sie für das Dach über dem Kopf nichts zahlen, sparen sie schon einen erheblichen<br />

Anteil an Fixkosten. Zugleich erhalten sie einen Platz, den sie nach ihrem häuslichen<br />

Bedarf und für Nebentätigkeiten nutzen können. Falls <strong>der</strong> Lohnarbeitsplatz verloren<br />

geht, können sie von ihrem Haus aus z.B. einen Laden eröffnen, handwerklich tätig wer-<br />

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