Hausen statt Wohnen – Von der Hart - KOBRA - Universität Kassel
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3.1.3 Erreichbarkeit und Durchlässigkeit im Quartier<br />
Der Wunsch vom "<strong>Wohnen</strong> im Grünen" steht mit den bisher skizzierten dichten Quartieren<br />
<strong>der</strong> Großstädte mit vielen Häusern, dichten Straßenabfolgen, vielen Läden etc. auf<br />
den ersten Blick im Wi<strong>der</strong>spruch: wo soll hier nach Feierabend "Grün" zum Joggen sein,<br />
wo Freiraum für Kin<strong>der</strong>spiel, wo genügend freie Fläche zum Fußball spielen o<strong>der</strong> Drachen<br />
steigen lassen?<br />
Dazu zwei Stichworte: Ohne angenehm und abwechslungsreich zu Fuß querbare, durchlässige<br />
Stadtquartiere und ohne erreichbare Stadträn<strong>der</strong> o<strong>der</strong> innere Rän<strong>der</strong> wie kleine<br />
Parks, Rän<strong>der</strong> entlang von Gewässern o<strong>der</strong> Bahntrassen mit begleitenden Kleingärten ist<br />
<strong>der</strong> Wochenendausflug ins Grüne mit dem entsprechenden Verkehrsaufkommen kaum<br />
zu vermeiden (vgl. IVU 1997). Lei<strong>der</strong> sind die Stadterweiterungen gerade <strong>der</strong> letzten 50<br />
Jahre aber oft so angelegt, dass die Stadträn<strong>der</strong> unangenehm o<strong>der</strong> gar nicht mehr erreichbar,<br />
die Flußauen mit Gewerbegebieten verbaut o<strong>der</strong> die Siedlungen an den Rän<strong>der</strong>n<br />
undurchlässig sind.<br />
Was den Quartieren fehlt, fehlt oft auch draußen. Das "<strong>Wohnen</strong> im Grünen", das einen<br />
alten Siedlungsrand besetzt, damit zugleich eine neue Verschiebung des Randes vorbereitet<br />
und so im Laufe <strong>der</strong> Jahrzehnte auch nicht mehr "im Grünen" liegt, ist für den jeweiligen<br />
Stadtrand wie für die neue Siedlung wenig dauerhaft. Die Siedlung bleibt immer wie<br />
neu, und die Spekulation auf die nächste Siedlungserweiterung entwertet schon im Vorfeld<br />
die eingespielten Nutzungen am Stadtrand.<br />
"Gerade wenn die Orte für bestimmte Tätigkeiten über einen langen Zeitraum entstanden<br />
sind, sich also immer wie<strong>der</strong> bewährt haben, werden sie als verlässliches Material" und als<br />
Wissensvorrat an die nächsten Generationen weitergegeben. Sie repräsentieren bestimmte<br />
Qualitäten im Hinblick auf einen Gebrauchswert und / o<strong>der</strong> sozialen Wert, die sie selber ermöglicht<br />
haben." (Böse, H. 1981: 169)<br />
So betrachtet werden Erreichbarkeit und Durchlässigkeit zu Begriffen, die über die Organisation<br />
von Baustruktur hinaus auch die soziale Organisation von Quartieren beschreiben:<br />
die Geschichte <strong>der</strong> Orte bleibt nachvollziehbar und auch für Dritte erkennbar.<br />
3.1.4 Viele Wege und Wahlmöglichkeiten für Verkehrsmittel wie Wege<br />
"Das Ideal<br />
Ja, das möchste: Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse, vorne die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;<br />
mit schöner Aussicht, ländlich mondän, vom Badezimmer ist die Zugspitze zu<br />
sehn - aber abends zum Kino hast dus nicht weit." (Tucholsky, K. 1927 / 1990: 19)<br />
So wie es bei Kurt Tucholsky für das <strong>Wohnen</strong> karikiert ist, sind die Wünsche z. T. auch für<br />
die Wahl des Weges und <strong>der</strong> Verkehrsmittel. Alle Möglichkeiten sollen vorhanden sein,<br />
viele Wege in alle Richtungen führen, aber keine Straßenbahn, keine Busse o<strong>der</strong> Autos<br />
vor <strong>der</strong> eigenen Haustür vorbeifahren und zu hören sein. In den Überlegungen zur dichten<br />
und nutzungsgemischten Stadt taucht dieses kaum zu realisierende Ideal ebenfalls<br />
häufiger auf. Dies kommt z. B. in den autofreien o<strong>der</strong> autoarmen Stadtquartieren zum<br />
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