NaturschutzReport - LBV-München
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2<br />
Es besteht kein Zweifel, dass die menschliche Zivilisation<br />
– besonders seit der industriellen Revolution<br />
– einen negativen Einfluss auf die Artenvielfalt von<br />
Pflanzen und Tieren gehabt hat. Die Überfischung<br />
der Weltmeere, die Jagd, die Zerstörung von natürlichen<br />
Ökosystemen durch Landwirtschaft und Zersiedelung<br />
sowie die Verwendung von Pestiziden und<br />
Herbiziden, forderten und fordern alle ihren Tribut –<br />
ganz besonders von den Wirbeltieren.<br />
Aber es gibt nicht nur<br />
schlechte Nachrichten.<br />
Viele Tier- und Pflanzenarten<br />
haben sich in<br />
unmittelbarer Nachbarschaft<br />
zum Menschen<br />
erfolgreich niedergelassen.<br />
Diese so genannten<br />
Kulturfolger haben sich<br />
scheinbar an den neuen<br />
Stress, die von Menschen<br />
geförderten Futterquellen,<br />
die neuen Räuber und<br />
andere Bedrohungen in<br />
den Städten und ihren<br />
Ballungsräumen angepasst.<br />
Dieser Verstädterungsprozess<br />
ermöglicht<br />
es Wissenschaftlern wertvolle<br />
– und manchmal<br />
unerwartete – Erkennt-<br />
nisse über ökologische<br />
und evolutionäre Prozesse<br />
zu sammeln. Weil die<br />
Anpassungen an das<br />
Stadtleben sehr schnell<br />
vonstatten gehen müssen,<br />
sind Städte in mancher<br />
Hinsicht ideale „Freilandlaboratorien“,<br />
um die<br />
natürlichen Selektionsvorgänge<br />
zu untersuchen.<br />
Vom Waldbewohner<br />
zur Stadtamsel<br />
Zu den vielen Tierarten,<br />
die unsere Städte erfolgreich<br />
besiedelt haben,<br />
gehört auch die Amsel.<br />
Jedoch war das nicht<br />
immer so. Die Amsel war<br />
2/ 2007<br />
Stadtnatur<br />
Stadtleben: Wie Amseln mit dem<br />
Stress in Städten umgehen<br />
ursprünglich ein scheuer<br />
Waldbewohner. Seit<br />
Anfang des neunzehnten<br />
Jahrhunderts haben<br />
Amseln aber in zunehmendem<br />
Maße Dörfer<br />
und Städte besiedelt. Die<br />
Art ist heute von dort<br />
nicht mehr wegzudenken.<br />
Im Zuge dieser Verstädterung<br />
haben solche Amseln<br />
ihre Lebensweise im Vergleich<br />
zu den im Wald<br />
vorkommenden Amseln<br />
in vielfältiger Weise geändert.<br />
Einer der auffälligsten<br />
Unterschiede zwischen<br />
Stadt- und Waldamseln<br />
ist die hohe Brutdichte<br />
in Städten. Weiterhin<br />
sind Stadtamseln zahmer,<br />
sie beginnen früher am<br />
Tag mit ihrer Aktivität<br />
und beenden sie später.<br />
Die Brutsaison der Stadtamseln<br />
beginnt früher im<br />
Jahr, sie haben mehr Bruten<br />
pro Saison, und ziehen<br />
deshalb mehr Junge auf.<br />
Auch die Zugtendenz der<br />
Stadtamseln ist weniger<br />
ausgeprägt als bei Wald-<br />
Teilalbinos und Albinos sind in der Stadt häufiger als im Wald Foto: Heinz Tuschl<br />
amseln, außerdem kommen<br />
mehr Albinos in<br />
Städten vor.<br />
Diese und andere<br />
Unterschiede in der Populationsdynamik<br />
und im<br />
Verhalten sind für manche<br />
Städte gut dokumentiert.<br />
Bis heute ist aber weniger<br />
klar, welche Ursachen sie<br />
haben. Hier bieten sich<br />
zwei Erklärungsmöglichkeiten<br />
an: Erstens könnten<br />
die Unterschiede auf den<br />
unterschiedlichen<br />
Umweltbedingungen (z.B.<br />
Ernährungssituation,<br />
Klima, Licht), denen<br />
Stadt- und Waldamseln<br />
ausgesetzt sind, beruhen.<br />
Zweitens könnten die<br />
Unterschiede in einer<br />
unterschiedlichen genetischen<br />
Ausstattung der<br />
beiden Populationen<br />
begründet sein. D.h., die<br />
in die Stadt eingewanderten<br />
Amseln könnten sich<br />
durch mikroevolutionäre<br />
Prozesse an die besonderen<br />
Bedingungen in der<br />
Stadt angepasst haben.<br />
Potentieller<br />
Stressfaktor:<br />
die Stadt<br />
Eines ist auf jeden Fall<br />
offensichtlich: Stadtamseln<br />
scheinen vom<br />
Lebensraum Stadt wegen<br />
des wärmeren Mikroklimas<br />
und des erhöhten<br />
Nahrungsangebotes deutlich<br />
zu profitieren. Auf<br />
der anderen Seite aber<br />
sind sie auch vielen neuen<br />
und potenziell stressvollen<br />
Situationen ausgesetzt,<br />
wie z.B. der permanenten<br />
Präsenz des Menschen,<br />
einer hohen Dichte an<br />
Haustieren, einem erhöhten<br />
Lärm- und Lichtpegel<br />
sowie dem starken Stadtverkehr.