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Anwendungen der getrennt konvexen Funktionale in der Mechanik

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<strong>Anwendungen</strong> <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong>Von <strong>der</strong> Fakultät für Masch<strong>in</strong>enwesen<strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachenzur Erlangung des akademischen Grades e<strong>in</strong>esDoktors <strong>der</strong> Naturwissenschaftengenehmigte Dissertationvorgelegt vonPaul Michael Ban


VorwortDie vorliegende Arbeit entstand während me<strong>in</strong>er Tätigkeit als wissenschaftlicher Angestellteram Institut für Allgeme<strong>in</strong>e <strong>Mechanik</strong> <strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälischen TechnischenHochschule Aachen.An dieser Stelle möchte ich Herrn Universitätsprofessor Dr.-Ing. Dieter Weichert für dieBetreuung dieser Arbeit me<strong>in</strong>en Dank aussprechen. Ich danke Prof. Dr. Claude Vallée,e<strong>in</strong>erseits für die zahlreichen und wertvollen Diskussionen über Bipotentiale, an<strong>der</strong>erseitsaber auch für die bereitwillige Übernahme des zweiten Berichts. Me<strong>in</strong> Dank gebührt weiterh<strong>in</strong>Herrn Univ.-Prof. Dr.-Ing. Lorenz S<strong>in</strong>gheiser für die Übernahme des Vorsitzes,ebenso wie Herrn Prof. Dr. George D<strong>in</strong>cǎ, Herrn Prof. Dr.-Ing. Panagiotis D. Panagiotopoulos(†) und Herrn Prof. Dr. Géry de Saxcé für die freundliche und selbstlose Unterstützung.


INHALTSVERZEICHNISiInhaltsverzeichnisInhaltsverzeichnisiE<strong>in</strong>leitung 1Allgeme<strong>in</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Mechanische Modelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Materialgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3Motivation und Ziel <strong>der</strong> Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Grundlagen 51.1 Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51.2 Halbstetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71.3 Subdifferentiabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81.4 Konjugierte <strong>Funktionale</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101.5 Monotonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 Variationsmethoden 132.1 Klassische Variationsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.2 Die <strong>in</strong>direkte Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.3 Die direkten Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.4 Die Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit und <strong>der</strong> Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . 162.5 Allgeme<strong>in</strong>e Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.6 Quasikonvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.7 Nichtl<strong>in</strong>eare Elastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21


iiINHALTSVERZEICHNIS3 Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong> 233.1 Def<strong>in</strong>ition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.2 Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233.3 Beziehung zu den <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 Das Bipotential 304.1 Def<strong>in</strong>ition des Bipotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304.2 Eigenschaften des Bipotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314.3 Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbaren Bipotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . 345 Beziehung zu den an<strong>der</strong>en Konvexitätsarten 415.1 Beziehung zur Rang-1-Konvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415.2 Beziehung zur Quasikonvexität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435.3 Hüllen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 E<strong>in</strong>deutigkeit 476.1 E<strong>in</strong>deutigkeit gewährleistende Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 476.2 E<strong>in</strong>deutigkeit durch e<strong>in</strong>e konsistente Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Dissipation . . . . . . . 486.3 Invarianz bei Koord<strong>in</strong>atentransformationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 486.4 Hills Bipotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 Existenzsatz 507.1 Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507.2 Globale Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527.3 Existenz lokaler M<strong>in</strong>ima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547.4 E<strong>in</strong>deutigkeit des M<strong>in</strong>imums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557.5 Lokale und globale M<strong>in</strong>ima . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 608 Das ISM-Modell 628.1 Thermodynamische Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 638.2 Die <strong>in</strong>nere Dissipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 669 Die Shakedown-Theoreme 709.1 Das statische E<strong>in</strong>spieltheorem (Melan) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70


INHALTSVERZEICHNISiii9.2 Das k<strong>in</strong>ematische E<strong>in</strong>spieltheorem (Koiter) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7210 Materialmodelle 7510.1 Coulomb’sche Reibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7510.2 Drucker-Prager-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7610.3 Nichtl<strong>in</strong>eare Verfestigung nach Chaboche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7811 Numerische Methoden 8011.1 Diskretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80Zusammenfassung 84Summary 85Literaturverzeichnis 86


E<strong>in</strong>leitung 1E<strong>in</strong>leitungAllgeme<strong>in</strong>esE<strong>in</strong>e <strong>der</strong> Aufgaben <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong> besteht dar<strong>in</strong>, zwischen dem physikalischen Grundverständnis<strong>der</strong> Naturgesetze, <strong>der</strong> Anwendung und Entwicklung mathematischer Methodensowie <strong>der</strong> Umsetzung <strong>in</strong> computerorientierte Rechenverfahren zu vermitteln. DieserProzess umfasst mehrere Etappen, die sich gegenseitig und rückwirkend bee<strong>in</strong>flussen. Imersten Schritt gew<strong>in</strong>nt man die Erkenntnis, dass es sich um e<strong>in</strong>en natürlichen, wie<strong>der</strong>holbarenVorgang handelt; dieser E<strong>in</strong>druck kann durch Experimente bestätigt werden.Gleichzeitig kann man auch feststellen, welche physikalische Parameter den Verlauf <strong>der</strong>Experimente bee<strong>in</strong>flussen.Die zweite Etappe umfasst die Wahl e<strong>in</strong>es geeigneten mechanischen Modells. Man hofft,aus dem Ganzen e<strong>in</strong> Teilsystem heraustrennen zu können, mit dessen Hilfe man denbeobachteten Vorgang durch relativ wenige e<strong>in</strong>fache Zusammenhänge und Gesetze beschreibenkann. Der Preis, den man dafür zahlen muss, ist die beschränkte Anwendbarkeitdes Modells. Dabei unterscheidet man geometrische Eigenschaften (diskretes o<strong>der</strong>kont<strong>in</strong>uierliches, starres o<strong>der</strong> verformbares System) und Materialeigenschaften. In <strong>der</strong>Strukturmechanik hat die Bestimmung und Wahl <strong>der</strong> geeigneten Materialgesetze e<strong>in</strong>eso wichtige Rolle, dass man ihr e<strong>in</strong>e eigene Etappe zuweisen kann. Man unterscheidetgrob phänomenologische Gesetze, die auf den beobachteten Zusammenhängen zwischen(meist makroskopischen) Parametern basieren und mikroskopische Gesetze, welche dieMaterialeigenschaften durch e<strong>in</strong>e Analyse auf mikroskopischem Niveau gekoppelt mit e<strong>in</strong>erHomogenisierungstechnik zu modellieren versuchen. Dazwischen gibt es e<strong>in</strong>e Vielzahlvon Varianten, die die Vorteile bei<strong>der</strong> Methoden geschickt komb<strong>in</strong>ieren.E<strong>in</strong> weiterer Schritt ist die Formulierung des mechanischen Problems. Dies geschiehtmeistens <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Systems partieller Differentialgleichungen mit entsprechendenAnfangs- und Randwertbed<strong>in</strong>gungen. Ab diesem Punkt hat man e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> mathematischesProblem zu lösen – ist <strong>der</strong> Lösungsweg beson<strong>der</strong>s schwerfällig, o<strong>der</strong> s<strong>in</strong>d die erhaltenenLösungen nicht im E<strong>in</strong>klang mit dem Experiment, so ist das oft auf e<strong>in</strong>e falsche Wahldes Modells zurückzuführen. Es hat zum Beispiel wenig S<strong>in</strong>n, e<strong>in</strong>e numerische Lösung


2 E<strong>in</strong>leitungzu erzw<strong>in</strong>gen, <strong>in</strong>dem man Diskretisierungsmethoden anwendet, die zum mathematischenProblem nicht passen (z. B., wenn die Konvergenz o<strong>der</strong> die E<strong>in</strong>deutigkeit nicht gesichertist). Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite sollte die Wahl <strong>der</strong> Methoden zur Lösung des mathematischenProblems völlig frei se<strong>in</strong>. Es mag selbstverständlich beruhigend wirken, wenn manim Lösungsweg e<strong>in</strong>en physikalischen H<strong>in</strong>tergrund erkennen kann, aber auch e<strong>in</strong>e unkonventionelleMethode kann zusätzliche Informationen über die Lösung liefern. Man kannnun versuchen, das Problem direkt zu lösen, was aber nur selten zum Erfolg führt. E<strong>in</strong>eUmformung des Problems h<strong>in</strong>gegen kann wertvolle H<strong>in</strong>weise liefern (z. B., <strong>in</strong> welchemLösungsraum die Lösung zu suchen ist, Aussagen über die Existenz, E<strong>in</strong>deutigkeit, Datenabhängigkeitund Stabilität und sogar obere und untere Schranken für die Lösung).Diese Umformungen stützten sich häufig auf Variationsmethoden.Da die wenigsten Probleme e<strong>in</strong>e Lösung <strong>in</strong> geschlossener Form zulassen, ersche<strong>in</strong>t zw<strong>in</strong>gendals nächster Schritt die numerische Bestimmung e<strong>in</strong>er Näherungslösung. Obwohlman sie auch sofort nach <strong>der</strong> Formulierung des mathematischen Problems anwenden kann,sollte man bei <strong>der</strong> Wahl <strong>der</strong> Näherungsmethode auf die Informationen, die die Variationsmethodenliefern, zurückgreifen. Je besser e<strong>in</strong> Problem mathematisch verstanden ist,desto leichter und präziser fällt die Wahl e<strong>in</strong>er passenden Diskretisierungsmethode.Am Ende kann man die Ergebnisse <strong>der</strong> Modellierung mit den experimentellen Datenvergleichen und gegebenenfalls Än<strong>der</strong>ungen am Modell vornehmen – so lange, bis dasModell im befriedigendem E<strong>in</strong>klang mit dem Experiment steht.Mechanische ModelleEs wurde <strong>in</strong> <strong>der</strong> vorliegenden Arbeit das Modell <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uumsmechanik <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Deformationengewählt. Man geht dabei von e<strong>in</strong>em symmetrischen Spannungstensor unde<strong>in</strong>er additiven Zerlegung des Dehnungstensors aus. E<strong>in</strong>e solche vere<strong>in</strong>fachte Darstellungerleichtert die Erkennung <strong>der</strong> wesentlichen Merkmale des an sich schwierigen mathematischenProblems und die Anwendung geeigneter Variationsmethoden.MaterialgesetzeDie Suche nach allgeme<strong>in</strong> gültigen, universellen Gesetzen ist e<strong>in</strong> Hauptziel <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong>,ob es sich nun um die Erdschwerekraft als Son<strong>der</strong>fall <strong>der</strong> Massenanziehungskraft, um dieGesetze <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uumsmechanik als Verallgeme<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> für Massenpunkte gültigenGesetze o<strong>der</strong> um die Erklärung <strong>der</strong> elektrischen und magnetischen Phänomene durch dieLorentzgleichungen handelt. Die Materialgesetze s<strong>in</strong>d dabei ke<strong>in</strong>e Ausnahme. Variationsmethoden,Näherungsmethoden, Existenz- und E<strong>in</strong>deutigkeitssätze, die für e<strong>in</strong> solches


E<strong>in</strong>leitung 3allgeme<strong>in</strong>es Materialgesetz aufgestellt werden, gelten dann für alle untergeordneten Stoffgesetze,die <strong>in</strong> dieses Muster passen. Dies erlaubt e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche mathematische Behandlungdes Problems. An<strong>der</strong>seits s<strong>in</strong>d die konstitutiven Beziehungen das e<strong>in</strong>zige Element,das e<strong>in</strong> unterschiedliches Verhalten zweier Materialien begründen kann, da bei den meistenModellen die geometrisch-k<strong>in</strong>ematische Grundlage die gleiche ist, nämlich das Modell<strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uumsmechanik. Also muss e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Materialgesetz über genügend Parameterverfügen, um e<strong>in</strong>e breite Palette von Stoffgesetzen abzudecken. E<strong>in</strong> Meilenste<strong>in</strong> <strong>in</strong>dieser H<strong>in</strong>sicht war das Modell des Materiau Standard Généralisé“ ( Generalized StandardMaterial“, GSM), e<strong>in</strong>geführt von Halphen und Nguyen ([30]) im Jahr 1975. Das” ”GSM-Modell setzt die Existenz konvexer Energiepotentiale voraus, das Materialgesetzkann wahlweise durch die Zugehörigkeit zum Subgradienten dieser Potentiale o<strong>der</strong> aberdurch die assoziierte variationelle Ungleichung ausgedrückt werden. Es ist allgeme<strong>in</strong> genug,um e<strong>in</strong>e breite Klasse von Materialverhalten zu umfassen: ideale Plastizität, Verfestigung,Viskoplastizität ... Zur Lösung des mathematischen Problems können dann Methoden <strong>der</strong><strong>konvexen</strong> Analysis angewandt werden. Das GSM-Modell kann aber we<strong>der</strong> nichtassoziierteGesetze, noch solche, welche gekoppelte Terme enthalten, modellieren. E<strong>in</strong> Materialgesetz,das e<strong>in</strong>ige Schwächen des GSM-Modells beseitigt, wurde von de Saxcé ([56]) im Jahr 1990e<strong>in</strong>geführt. Das Modell des Materiau Standard Implicite“ ( Implicit Standard Material“,” ”ISM) basiert auf e<strong>in</strong>e Verallgeme<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> Young’schen Ungleichung und dem ebenfallsvon de Saxcé e<strong>in</strong>geführten Begriff des Bipotentials.In dieser Arbeit wird dieser Begriff im Detail diskutiert und Variationsmethoden für dasISM-Modell hergeleitet.MethodenMan unterscheidet allgeme<strong>in</strong> <strong>in</strong>direkte und direkte Variationsmethoden. Die <strong>in</strong>direktenMethoden stützen sich auf <strong>der</strong> Äquivalenz zwischen den Stationaritätspunkten e<strong>in</strong>es sogenanntenLagrange-Funktionals und den Lösungen <strong>der</strong> diesem Funktional assoziiertenEuler-Lagrange-Gleichung. E<strong>in</strong>e Schwäche dieser Methode, von Weierstraß hervorgehoben,ist die stillschweigend vorausgesetzte Existenz e<strong>in</strong>er Lösung: Es kann vorkommen,dass e<strong>in</strong> Stationaritätspunkt des Lagrange-Funktionals nicht die notwendige Regularitätbesitzt, um die Euler-Lagrange’sche Differentialgleichung o<strong>der</strong> die Randbed<strong>in</strong>gungen zuerfüllen. Man muss sich also zuerst die Frage des richtigen Lösungsraumes und <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition<strong>der</strong> Lösung stellen - meistens br<strong>in</strong>gt die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>er schwachen Lösung, die dieDifferentialgleichung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em verallgeme<strong>in</strong>erten S<strong>in</strong>n erfüllt, das gewünschte Ergebnis.Die <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>geführte direkte Methode stützt sich auf topologische Begriffe wieHalbstetigkeit, schwache Konvergenz und Kompaktheit. E<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung fürdie Unterhalbstetigkeit ist die Konvexität. Sie ist aber nur bed<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>setzbar, da sie auto-


4 E<strong>in</strong>leitungmatisch auch die E<strong>in</strong>deutigkeit h<strong>in</strong>ter sich zieht, was nicht e<strong>in</strong>mal im elastischen Bereichimmer vorliegt. Schwächere Voraussetzungen, die mehrfache Lösungen zulassen, basierenauf dem Begriff <strong>der</strong> Quasikonvexität (siehe Morrey [47], [49]). Da diese nur e<strong>in</strong>e globaleFormulierung zulässt und außerdem schwer zu beweisen ist, hat man die Begriffe <strong>der</strong>Polykonvexität und Rang-1-Konvexität e<strong>in</strong>geführt (siehe Ball [4]).Ebenfalls von großer Bedeutung ist die Form des <strong>in</strong>elastischen Materialgesetzes. Weistdas Gesetz Unstetigkeiten auf, so ist meistens e<strong>in</strong>e Regularisierung nötig. Auf diese Weisewurde das quasistatische, ideal plastische Problem <strong>in</strong> Duvaut und Lions ([23]) behandelt.Ausgangspunkt war das dynamische Problem für e<strong>in</strong> Material mit viskoplastischem Potential(nach Perzyna). Durch Grenzübergang wurde <strong>der</strong> Trägheitsterm vernachlässigt unddas ideal plastische Verhalten angenähert. Die erhaltene Konvergenz war – erwartungsgemäß– sehr schwach. Erst Anfang <strong>der</strong> achtziger Jahre haben Suquet, Strang und Temame<strong>in</strong>en für das ideal plastische Problem geeigneten Lösungsraum entdeckt; Untersuchungen<strong>in</strong> diesem Raum haben sich als schwierig erwiesen und haben zu ke<strong>in</strong>en greifbaren Ergebnissengeführt (siehe Temam [64]). Stoffgesetze mit Verfestigung h<strong>in</strong>gegen kann man <strong>in</strong>Sobolev-Räumen analysieren (siehe Han und Reddy [31]).Motivation und Ziel <strong>der</strong> ArbeitEs ersche<strong>in</strong>t aus den oben erwähnten Überlegungen als wichtig, Materialmodelle jenseits ”<strong>der</strong> Konvexität“ zu untersuchen – zum Beispiel solche, denen <strong>getrennt</strong> konvexe Potentialezugrunde liegen – und den Zusammenhang zwischen Konvexität und <strong>der</strong> sogenannten <strong>getrennt</strong>enKonvexität“ zu durchleuchten, um festzustellen, welche Methoden <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong>”Analysis sich weiterh<strong>in</strong> im Fall <strong>getrennt</strong> konvexer <strong>Funktionale</strong> anwenden lassen.Ziel dieser Arbeit ist, die Eigenschaften <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> zu erforschenund ihre Anwendbarkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong> mit Beispielen zu belegen.


1 Grundlagen 5Kapitel 1GrundlagenIn diesem Kapitel werden Grundbegriffe und -ergebnisse <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis und <strong>der</strong>Variationsrechnung als Basis für die Verallgeme<strong>in</strong>erungen <strong>in</strong> den nächsten Kapiteln dargestellt.Die nachfolgenden Def<strong>in</strong>itionen und Resultate s<strong>in</strong>d allgeme<strong>in</strong> bekannt – für dieBeweise kann man e<strong>in</strong>e Monographie über konvexe Analysis herbeiziehen (Moreau [45],Rockafellar [53], Ekeland und Temam [24], Marti [42], Hiriart-Urruty [35], Rockafellar undWets [54], Borwe<strong>in</strong> und Lewis [12], Hiriart-Urruty und Lemaréchal [36]). Die Sätze werdene<strong>in</strong>fachheitshalber <strong>in</strong> Banachräumen aufgestellt – die meisten davon s<strong>in</strong>d aber auch <strong>in</strong>lokal<strong>konvexen</strong> topologischen Vektorräumen gültig. In dieser H<strong>in</strong>sicht wird ke<strong>in</strong> Anspruchauf Vollständigkeit erhoben.1.1 KonvexitätSei X e<strong>in</strong> Vektorraum über R, dem Körper <strong>der</strong> reellen Zahlen.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Menge K ⊆ X ist konvex, wenn jedes Segment, das zwei beliebigePunkte aus K verb<strong>in</strong>det, <strong>in</strong> K enthalten ist:{(1 − λ)x + λy | λ ∈ [0, 1]} ⊆ K ∀x, y ∈ K (1.1)konvexnicht konvexAbbildung 1.1: Konvexe, bzw. nicht konvexe MengeDie leere Menge und <strong>der</strong> ganze Raum X s<strong>in</strong>d triviale Beispiele von <strong>konvexen</strong> Mengen.


6 1 GrundlagenDef<strong>in</strong>ition Sei f : X −→ R e<strong>in</strong> Funktional. Der Epigraph von f ist die Mengeepi(f) = {(x, y) | x ∈ X, y ≥ f(x)} (1.2)0000000000000011111111111111000000000000001111111111111100000000000000111111111111110000000000000011111111111111000000000000001111111111111100000000000000111111111111110000000000000011111111111111000000000000001111111111111100000000000000111111111111110000000000000011111111111111000000000000001111111111111100000000000000111111111111110000000000000011111111111111epi(f)Abbildung 1.2: Der EpigraphDer Epigraph ist also die Menge <strong>der</strong> Punkte aus X × R, die oberhalb des (o<strong>der</strong> auf dem)Funktionsgraphen liegen.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist konvex, wenn se<strong>in</strong> Epigraph epi(f) ⊆ X × Re<strong>in</strong>e konvexe Menge ist.Die leere Menge und <strong>der</strong> ganze Raum X s<strong>in</strong>d triviale Beispiele von <strong>konvexen</strong> Mengen.Der Durchschnitt von beliebig vielen <strong>konvexen</strong> Mengen ist ebenfalls e<strong>in</strong>e konvexe Menge.Satz 1.1.1. E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist konvex, wenn und nur wennf ((1 − λ)x + λy) ≤ (1 − λ)f(x) + λf(y) ∀x, y ∈ X, λ ∈ (0, 1) (1.3)Die Aussage dieses Satzes ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> vielen Quellen als Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Konvexität e<strong>in</strong>esFunktionals und hat e<strong>in</strong>e anschauliche Deutung.(1 − λ)f(x) + λf(y)f(y)f(x)f ((1 − λ)x + λy)Abbildung 1.3: Konvexitätsbed<strong>in</strong>gungWird die Ungleichung streng erfüllt, so spricht man von e<strong>in</strong>em streng <strong>konvexen</strong> Funktional.Der Begriff <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Funktion wurde von Jensen ([38]) e<strong>in</strong>geführt.Will man mit <strong>Funktionale</strong>n arbeiten, <strong>der</strong>en Def<strong>in</strong>itionsbereich nicht <strong>der</strong> ganze VektorraumX ist, so muss man als zusätzliche Bed<strong>in</strong>gung die Konvexität des Def<strong>in</strong>itionsbereiches <strong>in</strong>


1.2 Halbstetigkeit 7Betracht ziehen. Es ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis üblich, die Zahlengerade R um die zweiWerte −∞ und +∞ zu ergänzen: R = R ∪ {−∞, +∞} und den <strong>Funktionale</strong>n außerhalbihres Def<strong>in</strong>itionsbereiches den Wert +∞ zuzuordnen. Dadurch wird die Überprüfung <strong>der</strong>Konvexität des Def<strong>in</strong>itionsbereichs überflüssig gemacht: Ist e<strong>in</strong>e gemäß dieses Verfahrensauf ganz X erweiterte Funktion konvex, so ist ihr effektiver Def<strong>in</strong>itionsbereich (die Menge<strong>der</strong> Punkte, <strong>in</strong> denen sie endliche Werte annimmt) e<strong>in</strong>e konvexe Menge. In diesemS<strong>in</strong>ne führt man für e<strong>in</strong>e beliebige Menge K ⊆ X das assoziierte IndikatorfunktionalI K: X −→ R e<strong>in</strong>:{0 für x ∈ KI K (x) =(1.4)∞ für x ∈ X KSatz 1.1.2. E<strong>in</strong>e Menge K ⊆ X ist genau dann konvex, wenn ihr Indikator I K e<strong>in</strong>konvexes Funktional ist.Die Erweiterung <strong>der</strong> Zahlengeraden wird ausführlich <strong>in</strong> Hiriart-Urruty und Lemaréchal([36], Seiten 5-6) diskutiert.1.2 HalbstetigkeitE<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er wichtiger Begriff ist die Halbstetigkeit. Wir er<strong>in</strong>nern uns an die Def<strong>in</strong>ition<strong>der</strong> Stetigkeit:Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist stetig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt x 0 ∈ X, wenn es fürjedes ǫ > 0 e<strong>in</strong>e Umgebung V (ǫ) von x 0 gibt so, dass |f(x) − f(x 0 )| < ǫ ∀x ∈ V (ǫ) gilt.E<strong>in</strong>e äquivalente Schreibweise für die Stetigkeitsbed<strong>in</strong>gung ist f(x 0 )−ǫ < f(x) < f(x 0 )+ǫ.Liegt nur e<strong>in</strong>e dieser zwei Ungleichungen vor, so spricht man von Unterhalbstetigkeit, bzw.Oberhalbstetigkeit:Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist unterhalbstetig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt x 0 ∈ X, wennes für jedes ǫ > 0 e<strong>in</strong>e Umgebung V (ǫ) von x 0 gibt so, dass f(x 0 ) − ǫ < f(x) ∀x ∈ V (ǫ)gilt. Gilt diese Ungleichung <strong>in</strong> jedem Punkt des Def<strong>in</strong>itionsbereiches, so nennt man funterhalbstetig.Analog wird die Oberhalbstetigkeit def<strong>in</strong>iert. Man verwendet auch die Bezeichnungen” nach unten halbstetig“ und nach oben halbstetig“. Wichtig ist, dass die Halbstetigkeit”von <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> Nachbarschaften, also von <strong>der</strong> Topologie, abhängig ist.Der Begriff <strong>der</strong> Halbstetigkeit wurde von Baire ([2]) e<strong>in</strong>geführt. In e<strong>in</strong>em späteren Artikel([3]) lieferte Baire e<strong>in</strong>e Erklärung <strong>der</strong> Zusammenhänge, die zur E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Halbstetigkeitführten. Es handelte sich dabei um die Untersuchung von <strong>getrennt</strong> stetigen


8 1 GrundlagenFunktionen f(x, y), def<strong>in</strong>iert auf e<strong>in</strong>em Bereich <strong>der</strong> Form [a, b] × [c, d] ⊂ R 2 . Dabei ist dieFunktion M(x) = sup{f(x, y) | y ∈ [c, d]} zwar nicht stetig, wie es das Beispiel⎧⎨ 2xyfür (x, y) ≠ (0, 0)f : [−1, 1] × [−1, 1] −→ R , f(x, y) = x 2 + y 2⎩0 für (x, y) = (0, 0)(1.5)zeigt: M(x) = 1 für x ≠ 0, M(0) = 0. Die Funktion M(x) ist aber immer unterhalbstetig.Es gibt zur obigen Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Halbstetigkeit äquivalente Formulierungen, die leichterzu überprüfen s<strong>in</strong>d:Satz 1.2.1. E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist genau dann unterhalbstetig, wenn für jedesλ ∈ R die Menge {x ∈ X | f(x) ≤ λ} abgeschlossen ist (bezüglich <strong>der</strong> gegebenenTopologie).Satz 1.2.2. E<strong>in</strong> Funktional f : X −→ R ist genau dann unterhalbstetig, wenn <strong>der</strong> Epigraphvon f e<strong>in</strong>e abgeschlossene Menge <strong>in</strong> X × R ist.Die Konvexität wirkt sich regularisierend auf die Topologie aus: Für jede mit <strong>der</strong> Dualitätverträgliche Topologie s<strong>in</strong>d die <strong>konvexen</strong>, abgeschlossenen Mengen e<strong>in</strong> und dieselben.Lemma 1.2.3. E<strong>in</strong>e konvexe, abgeschlossene Menge ist schwach abgeschlossen (das heißt,abgeschlossen bezüglich <strong>der</strong> schwachen Topologie).Mit Hilfe dieses Lemmas und den äquivalenten Formulierungen <strong>der</strong> Unterhalbstetigkeitfolgt:Satz 1.2.4. E<strong>in</strong> konvexes, unterhalbstetiges Funktional ist schwach unterhalbstetig (dasheißt, unterhalbstetig bezüglich <strong>der</strong> schwachen Topologie).Die Begriffe <strong>der</strong> Konvexität und Unterhalbstetigkeit spielen für Optimierungsproblemee<strong>in</strong>e wichtige Rolle. Im Rahmen e<strong>in</strong>es Optimierungsproblems möchte man, zum Beispiel,erfahren, ob e<strong>in</strong> Funktional <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Menge lokale o<strong>der</strong> globale M<strong>in</strong>ima besitzt.Im nächsten Kapitel werden wir dieses Thema detailliert darstellen.1.3 SubdifferentiabilitätKonvexe <strong>Funktionale</strong> müssen nicht differenzierbar se<strong>in</strong>. Trotzdem kann man auch fürkonvexe Funktionen e<strong>in</strong>en ähnlichen Begriff def<strong>in</strong>ieren.Def<strong>in</strong>ition Sei f : X −→ R e<strong>in</strong> konvexes Funktional. Die Menge(∂f)(x) = {x ∗ ∈ X ∗ | f(y) − f(x) ≥ 〈x ∗ , y − x〉 ∀y ∈ X} (1.6)heißt Subdifferential von f im Punkt x.


1.3 Subdifferentiabilität 9Dabei bezeichnet X ∗ den Dualraum von X, bestehend aus allen l<strong>in</strong>earen stetigen <strong>Funktionale</strong>nx ∗ : X −→ R und 〈, 〉 das Dualitätsprodukt zwischen X und X ∗ : 〈x ∗ , x〉 = x ∗ (x).Die e<strong>in</strong>zelnen Elemente x ∗ ∈ (∂f)(x) des Subdifferentials heißen Subgradienten von f imPunkt x. Es kann auch vorkommen, dass an gewissen Stellen das Subdifferential die leereMenge ist; zum Beispiel dort, wo f(x) = +∞.Ist die Funktion f differenzierbar, so besteht das Subdifferential von f im Punkt x genauaus e<strong>in</strong>em Element, nämlich dem Gradienten von f im Punkt x: (∂f)(x) = {f ′ (x)}.Die Rolle des Subdifferentials <strong>in</strong> <strong>der</strong> Optimierungstheorie tritt im folgenden Satz zumVorsche<strong>in</strong>.Satz 1.3.1. Sei f : X −→ R e<strong>in</strong> konvexes Funktional. Dann gilt:f (x 0 ) = m<strong>in</strong>{f(x) | x ∈ X} ⇐⇒ 0 ∈ (∂f) (x 0 ) (1.7)E<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressanter Fall ist das Subdifferential des Indikators I K e<strong>in</strong>er <strong>konvexen</strong> MengeK ⊆ X:{{x ∗ ∈ X ∗ | 〈x ∗ , y − x〉 ≤ 0 ∀y ∈ X} für x ∈ K(∂I K )(x) =(1.8)∅für x ∈ X KDies ist aber genau <strong>der</strong> äußere Normalkegel N K (x) zu K im Punkt x:N K (x) = {x ∗ ∈ X ∗ | 〈x ∗ , x〉 ≥ 〈x ∗ , y〉 ∀y ∈ X} (1.9)Also gilt:(∂I K ) (x) = N K (x) (1.10)Das Subdifferential ist positiv homogen:(∂(λf)) (x) = λ(∂f)(x) ∀λ > 0 (1.11)Für die Summe von zwei <strong>Funktionale</strong>n f 1 und f 2 kann man den folgenden Satz beweisen.Satz 1.3.2. Seien f 1 , f 2 : X −→ R zwei konvexe <strong>Funktionale</strong>. Dann gilt:(∂f 1 )(x) + (∂f 2 ) (x) ⊆ (∂ (f 1 + f 2 )) (x) ∀x ∈ X (1.12)Es gibt auch h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gungen, damit <strong>in</strong> Satz 1.3.2 Gleichheit herrscht. Dies ist,zum Beispiel, <strong>der</strong> Fall, wenn e<strong>in</strong>es <strong>der</strong> <strong>Funktionale</strong> <strong>in</strong> x differenzierbar ist.


10 1 Grundlagen1.4 Konjugierte <strong>Funktionale</strong>Wir werden nun zeigen, wie man die Legendre-Transformation für beliebige <strong>Funktionale</strong>erweitern kann.Def<strong>in</strong>ition Sei f : X −→ R e<strong>in</strong> Funktional. Das durch die folgende Gleichungf ∗ (x ∗ ) = sup {〈x ∗ , x〉 − f(x) | x ∈ X} (1.13)über X ∗ def<strong>in</strong>ierte Funktional f ∗ wird das zu f konjugierte (polare) Funktional“ genannt.”Die Transformation trägt den Namen Legendre-Fenchel-Transformation“ o<strong>der</strong> Fenchel-” ”Young-Transformation“.Als Supremum e<strong>in</strong>er Menge aff<strong>in</strong>er <strong>Funktionale</strong> ist das konjugierte Funktional konvexund unterhalbstetig. Es könnte aber vorkommen, dass die genannte Menge <strong>der</strong> aff<strong>in</strong>en<strong>Funktionale</strong> leer ist und damit f ∗ degeneriert ist: f ∗ = +∞. Es gilt:Satz 1.4.1. Sei f : X −→ R konvex, unterhalbstetig und nicht degeneriert. Dann hat daskonjugierte Funktional f ∗ dieselben Eigenschaften.Man kann die Konjugation auch e<strong>in</strong> zweites Mal anwenden:(f ∗ ) ∗ (x ∗∗ ) = sup {〈x ∗∗ , x ∗ 〉 − f ∗ (x ∗ ) | x ∗ ∈ X ∗ } (1.14)Betrachtet man dazu die kanonische E<strong>in</strong>bettung von X <strong>in</strong> X ∗∗ , so kann man das bikonjugierteFunktional f ∗∗ konstruieren:f ∗∗ (x) = sup {〈x ∗ , x〉 − f ∗ (x ∗ ) | x ∗ ∈ X ∗ } (1.15)Satz 1.4.2. Sei f : X −→ R konvex, unterhalbstetig und nicht degeneriert. Dann istf ∗∗ (x) = f(x) ∀x ∈ X.Mit an<strong>der</strong>en Worten, die Konjugation ist <strong>in</strong>volutiv.Aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition folgt sofort die Fenchel-Young’sche Ungleichung:Satz 1.4.3. Sei f : X −→ R konvex, unterhalbstetig und nicht degeneriert. Dann gilt:f(x) + f ∗ (x ∗ ) ≥ 〈x ∗ , x〉 ∀x ∈ X, ∀x ∗ ∈ X ∗ (1.16)Mit Hilfe dieser Eigenschaft kann man die Verb<strong>in</strong>dung zum Subdifferential herstellen.Satz 1.4.4. Sei f : X −→ R konvex, unterhalbstetig und nicht degeneriert. Die folgendenAussagen s<strong>in</strong>d äquivalent:


1.5 Monotonie 111. x ∗ ∈ (∂f)(x)2. x ∈ (∂f ∗ ) (x ∗ )3. f(x) + f ∗ (x ∗ ) = 〈x ∗ , x〉Als Beispiel wollen wir den Indikator I K e<strong>in</strong>er <strong>konvexen</strong> Menge K ⊆ X untersuchen. Daskonjugierte Funktional IK ∗ : X∗ −→ R heißt Stützfunktion <strong>der</strong> Menge K:IK ∗ (x ∗ ) = sup{〈x ∗ , x〉 | x ∈ K} (1.17)Die Stützfunktion ist positiv homogen und subadditiv.Ist die Menge K auch abgeschlossen, so gilt:x ∗ ∈ (∂I K )(x) ⇐⇒ x ∈ (∂IK) ∗ (x ∗ ) ⇐⇒ I K (x) + IK ∗ (x ∗ ) = 〈x ∗ , x〉 (1.18)1.5 MonotonieDieser Abschnitt führt den Begriff <strong>der</strong> Monotonie e<strong>in</strong>.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion f : R −→ R heißt monoton, wenn (f(y) − f(x)) (y − x) ≥ 0∀x, y ∈ R gilt.Die Def<strong>in</strong>ition lässt sich auf Operatoren und sogar mehrwertige Abbildungen verallgeme<strong>in</strong>ern.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> Operator A : X −→ X ∗ heißt monoton, wenn 〈A(y) − A(x), y − x〉 ≥ 0∀x, y ∈ X gilt.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e mehrwertiger Operator A : X −→ P (X ∗ ) heißt monoton, wenn〈y ∗ − x ∗ , y − x〉 ≥ 0 ∀x, y ∈ X, ∀y ∗ ∈ A(y), ∀x ∗ ∈ A(x) gilt.Der folgende Satz stellt die Verb<strong>in</strong>dung zum Subdifferential her.Satz 1.5.1. Das Subdifferential ∂f e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong>, nicht degenerierten Funktionals f,f : X −→ R, ist e<strong>in</strong> monotoner, mehrwertiger Operator.Die Menge <strong>der</strong> monotonen Operatoren ist (im S<strong>in</strong>ne <strong>der</strong> Inklusion <strong>der</strong> Graphen) <strong>in</strong>duktivgeordnet und besitzt hiermit maximale Elemente, die ”maximal monotone Operatoren“genannt werden.


12 1 GrundlagenDef<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> mehrwertiger Operator A : X −→ P (X ∗ ) heißt maximal monoton, wenner monoton ist und ke<strong>in</strong>e monotone Erweiterung zulässt.E<strong>in</strong>e äquivalente Def<strong>in</strong>ition, mit <strong>der</strong> sich leichter arbeiten lässt, lautet:Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> mehrwertiger Operator A : X −→ P (X ∗ ) heißt maximal monoton, wenner monoton ist und wenn aus〈y ∗ − x ∗ , y − x〉 ≥ 0 ∀x ∈ D(A), ∀x ∗ ∈ A (x) (1.19)die Beziehung y ∗ ∈ A(y) folgt.Satz 1.5.2. Das Subdifferential ∂f e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong>, unterhalbstetigen, nicht degeneriertenFunktionals f : X −→ R ist e<strong>in</strong> maximal monotoner Operator.


2 Variationsmethoden 13Kapitel 2Variationsmethoden2.1 Klassische VariationsrechnungDie klassische Variationsrechnung stellt e<strong>in</strong>e Erweiterung <strong>der</strong> elementaren Theorie <strong>der</strong>Maxima und M<strong>in</strong>ima für reellwertige Funktionen dar. Für e<strong>in</strong>e Funktion f : Ω ⊆ R n −→ Rgilt nämlich <strong>der</strong> Satz von Weierstraß:Satz 2.1.1. E<strong>in</strong>e auf e<strong>in</strong>er abgeschlossenen, beschränkten Menge Ω ⊆ R n def<strong>in</strong>ierte,stetige Funktion f besitzt endliche obere und untere Grenzen, die sie auf dem Gebiet Ωauch erreicht.Ist die Funktion f auch differenzierbar und bef<strong>in</strong>det sich das Extremum im Inneren vonΩ, so muss <strong>der</strong> Gradient von f an dieser Stelle null se<strong>in</strong>. Dies ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> diesem Fallnotwendige, aber ke<strong>in</strong>eswegs h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für die Existenz von Extremwerten(da Wendepunkte o<strong>der</strong> Sattelpunkte diese Bed<strong>in</strong>gung auch erfüllen). Die Punkte, <strong>in</strong> denen<strong>der</strong> Gradient null ist, werden stationäre Punkte genannt. Die eventuellen Extrema habendabei e<strong>in</strong>en lokalen Charakter.S<strong>in</strong>d die Variablen nicht unabhängig vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>, son<strong>der</strong>n zusätzlichen Bed<strong>in</strong>gungen unterworfen,so kann man zur Bestimmung <strong>der</strong> stationären Punkte die Methode <strong>der</strong> Lagrange’schenMultiplikatoren anwenden.Die Variationsrechnung befasst sich ebenfalls mit <strong>der</strong> Bestimmung von Extrema, bzw.stationären Werten. Der Unterschied besteht dar<strong>in</strong>, dass <strong>in</strong> diesem Fall nicht mehr Funktionenmit e<strong>in</strong>er endlichen Zahl unabhängiger Variablen, son<strong>der</strong>n <strong>Funktionale</strong>, also Funktionen,die als Argumente Funktionen haben, untersucht werden. Der Def<strong>in</strong>itionsbereiche<strong>in</strong>es Funktionals ist daher e<strong>in</strong>e Menge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em gewissen Funktionenraum.Solche Probleme s<strong>in</strong>d schon im Altertum aufgetreten, auf <strong>der</strong> Suche nach <strong>der</strong> optimalenForm. Zum Beispiel, isoperimetrische Probleme, wie das Problem <strong>der</strong> Dido: Unter allen


14 2 VariationsmethodenKurven konstanter Länge wird jene gesucht, die die größte Fläche umschließt. E<strong>in</strong>e erstemo<strong>der</strong>ne Lösung e<strong>in</strong>es Variationsproblems stammt von Fermat, <strong>der</strong> im Jahr 1662 aus demPr<strong>in</strong>zip des schnellsten Weges, dem die Lichtstrahlen genügen, die Gesetze <strong>der</strong> Lichtbrechungherleitete. Als Geburtsdatum <strong>der</strong> klassischen Variationsrechung betrachtet man dasJahr 1696, als Jakob Bernoulli das Problem <strong>der</strong> Brachistochrone formulierte. Es folgte dievariationelle Formulierung e<strong>in</strong>er Vielzahl von Problemen, wie, zum Beispiel, <strong>der</strong> Bahn <strong>der</strong>Lichtstrahlen, <strong>der</strong> geodätischen L<strong>in</strong>ien, <strong>der</strong> m<strong>in</strong>imalen Rotationsfläche, <strong>der</strong> Kettenl<strong>in</strong>ie,...All diesen Problemen liegt e<strong>in</strong> Funktional <strong>der</strong> Form∫ x 1I(y) = F (x, y(x), y ′ (x)) dx (2.1)x 0zugrunde, dessen stationäre Werte (auch Extremale genannt) zu bestimmen s<strong>in</strong>d. Während<strong>in</strong> <strong>der</strong> elementaren Theorie <strong>der</strong> Maxima und M<strong>in</strong>ima <strong>der</strong> Satz von Weierstraß die Existenzvon Lösungen sichert, ist dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> Variationsrechnung nicht selbstverständlich. Es gibtganz e<strong>in</strong>fache Variationsprobleme, die ke<strong>in</strong>e Lösung <strong>der</strong> erfor<strong>der</strong>lichen Regularität besitzen.E<strong>in</strong>en gewissen Ruhm erreichte das sogenannte Pr<strong>in</strong>zip von Dirichlet“, das Riemann”<strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Werken regelmäßig anwandte, um die Beweisführung zu vere<strong>in</strong>fachen. Es handeltsich dabei um das folgende Funktional (auch Dirichlet-Integral genannt):∫I(y) = ‖ ∇y ‖ 2 dx (2.2)Ωdas es <strong>in</strong> <strong>der</strong> Klasse C 1 (Ω) <strong>der</strong> auf Ω ⊆ R n stetig differenzierbaren Funktionen, die zusätzliche<strong>in</strong>e Randbed<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Form y = g auf ∂Ω erfüllen, zu m<strong>in</strong>imieren galt. Destogrößer war die Überraschung, als Weierstraß 1870 e<strong>in</strong> Gegenbeispiel veröffentlichte unddamit die Gültigkeit des Pr<strong>in</strong>zips von Dirichlet <strong>in</strong> Frage stellte. Es mussten weitere dreißigJahre vergehen, bis Hilbert 1900 ([32]) und <strong>in</strong> größerem Detail 1904 ([33]) Bed<strong>in</strong>gungenfür die Gültigkeit des Dirichlet’schen Pr<strong>in</strong>zips formulieren konnte. Es sollte aber weiterevierzig Jahre dauern, bis auch die Frage nach <strong>der</strong> Regularität <strong>der</strong> Lösungen von Weyl([69]) geklärt werden konnte.Hilbert schreibt:Das folgende ist e<strong>in</strong> Versuch <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>belebung des Dirichlet’schen Pr<strong>in</strong>cips.Indem wir bedenken, daß die Dirichlet’sche Aufgabe nur e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Aufgabe<strong>der</strong> Variationsrechnung ist, gelangen wir dazu, das Dirichlet’sche Pr<strong>in</strong>cip<strong>in</strong> folgen<strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>eren Form auszusprechen:E<strong>in</strong>e jede Aufgabe <strong>der</strong> Variationsrechnung besitzt e<strong>in</strong>e Lösung, sobald h<strong>in</strong>sichtlich<strong>der</strong> Natur <strong>der</strong> gegebenen Grenzbed<strong>in</strong>gungen geeignete e<strong>in</strong>schränkendeAnnahmen erfüllt s<strong>in</strong>d und nötigenfalls <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Lösung e<strong>in</strong>e s<strong>in</strong>ngemäßeErweiterung erfährt.


2.2 Die <strong>in</strong>direkte Methode 15Diese Werke Hilberts gelten als Grundlage <strong>der</strong> direkten Methode <strong>der</strong> Variationsrechnung.E<strong>in</strong>e Übersicht <strong>der</strong> ”klassischen“ Methoden bis zum Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts f<strong>in</strong>detman <strong>in</strong> Courant und Hilbert ([18],[19]).2.2 Die <strong>in</strong>direkte MethodeChronologisch betrachtet, entwickelte sich zuerst die <strong>in</strong>direkte Methode <strong>der</strong> Variationsrechnung,angetrieben durch die Forschungen von Euler und se<strong>in</strong>er Nachfolger. Die <strong>in</strong>direkteMethode besteht wesentlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zurückführung des Variationsproblems auf Differentialgleichungsprobleme,gebildet aus Differentialgleichungen und Randbed<strong>in</strong>gungen.Die von Euler hergeleiteten Differentialgleichungen e<strong>in</strong>es Variationsproblems (heute unterden Namen Euler’sche Gleichungen o<strong>der</strong> Euler-Lagrange-Gleichungen bekannt) stellennotwendige (aber nicht h<strong>in</strong>reichende) Bed<strong>in</strong>gungen dar, die e<strong>in</strong>e Funktion zu erfüllen hat,um e<strong>in</strong> Extremal des Variationsproblems se<strong>in</strong> zu können.Ausgehend von e<strong>in</strong>em Funktional <strong>der</strong> Form∫I(y) = F (x, y(x), ∇y(x))dx (2.3)Ωwurden Begriffe wie die Variation δy e<strong>in</strong>er Funktion y = f(x) und die Variation δI des IntegralsI(y) e<strong>in</strong>geführt. Notwendige Bed<strong>in</strong>gung für e<strong>in</strong> Extremum war das Verschw<strong>in</strong>den<strong>der</strong> ersten Variation des Integrals I(y). Mit Hilfe des Fundamentallemmas <strong>der</strong> Variationsrechnungkann man aus dieser Bed<strong>in</strong>gung die assoziierte Euler-Lagrange-Gleichungherleiten. Die Theorie wurde auf mehrere gesuchte Funktionen, mehrere unabhängige Variablenund damit mehrdimensionale Integrale, Ableitungen höherer Ordnung, Problememit freien Rän<strong>der</strong>n (also fehlende wesentliche Randbed<strong>in</strong>gungen), Probleme mit Nebenbed<strong>in</strong>gungen(die man mit Hilfe <strong>der</strong> Lagrange’schen Multiplikatoren untersucht) erweitert.Um die Art des Extremums zu bestimmen, wurde die zweite Variation e<strong>in</strong>geführt unddas Kriterium von Legendre hergeleitet. Es wurde die kanonische Form e<strong>in</strong>geführt unddie Invarianz bezüglich Transformationen analysiert. Diese Art von Variationsproblemenwird üblicherweise als klassisch“ bezeichnet.”2.3 Die direkten MethodenDie direkten Methoden <strong>der</strong> Variationsrechnung entstammen <strong>der</strong> Bemerkung, dass die l<strong>in</strong>earenelliptischen Differentialgleichungen als Euler-Lagrange-Gleichungen e<strong>in</strong>facher Variationsproblememit quadratischen Integranden betrachtet werden können. Die Existenz<strong>der</strong> Lösung für solche M<strong>in</strong>imumprobleme wurde lange Zeit stillschweigend als selbstverständlichbetrachtet – unter an<strong>der</strong>en, wie oben erwähnt, auch von Riemann, <strong>der</strong> regen


16 2 VariationsmethodenGebrauch vom Dirichlet’schen Pr<strong>in</strong>zip machte, um Existenzsätze <strong>der</strong> geometrischen Funktionentheoriezu beweisen.Da die Existenz e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>imums nicht gewährleistet ist, geht man erst e<strong>in</strong>mal von e<strong>in</strong>erunteren Schranke für das zu m<strong>in</strong>imierende Funktional aus. Funktionenfolgen, auf denendas Funktional zu dieser unteren Schranke konvergiert, werden M<strong>in</strong>imalfolgen genannt:lim I(u n) = <strong>in</strong>f I(u) (2.4)n→∞ uAllerd<strong>in</strong>gs brauchen solche M<strong>in</strong>imalfolgen ke<strong>in</strong>eswegs zu konvergieren (nicht e<strong>in</strong>mal dann,wenn die Existenz e<strong>in</strong>er Lösung bereits bekannt ist); und wenn sie es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissenTopologie tun, dann könnte es vorkommen, daß die Grenzfunktion nicht die notwendigeRegularität besitzt, um dem Def<strong>in</strong>itionsbereich des Funktionals anzugehören.Die Hauptaufgabe e<strong>in</strong>er direkten Methode besteht dar<strong>in</strong>, aus den M<strong>in</strong>imalfolgen e<strong>in</strong>esFunktionals konvergente Teilfolgen zu extrahieren, <strong>der</strong>en Grenzwerte die erfor<strong>der</strong>liche Regularitätbesitzen, um als Lösungen des Variationsproblems und damit auch des assoziiertenDifferentialgleichungsproblems betrachtet werden zu können.Für die praktische Anwendung ist auch die Konstruktion solcher Folgen von Interesse.E<strong>in</strong>es <strong>der</strong> bekanntesten Verfahren für die numerische Konstruktion von M<strong>in</strong>imalfolgenstammt von Ritz und trägt heute se<strong>in</strong>en Namen.Die Entwicklung <strong>der</strong> direkten Methoden wurde am Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts von <strong>der</strong>italienischen Schule vorangetrieben. Auf <strong>der</strong> Suche nach geeigneten Funktionenräumen, <strong>in</strong>denen die Lösung des Dirichlet’schen Pr<strong>in</strong>zips und an<strong>der</strong>er Variationsprobleme zu suchenist, erkannte man im Laufe <strong>der</strong> Zeit die Rolle <strong>der</strong> absolut stetigen Funktionen und desLebesgue-Integrals. E<strong>in</strong>e Vielzahl von Ergebnissen von Levi, Fub<strong>in</strong>i und Tonelli belegtdiese ersten Versuche, klassische Probleme <strong>der</strong> Variationsrechnung mittels direkten Methodenanzugehen ([67]). Dies führte zur E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> Sobolev-Räume (durch Levi undallgeme<strong>in</strong>er, durch Sobolev), <strong>der</strong> sogenannten ”schwachen Lösungen“ und auch <strong>der</strong> Distributionen.Ähnliche Fortschritte waren auch <strong>in</strong> Gött<strong>in</strong>gen zu verzeichnen, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>eim Bereich <strong>der</strong> Eigenwertprobleme und <strong>der</strong> Spektralanalysis. Die Werke von Hilbert, Courant,Friedrichs, Carathéodory, Rellich, Weyl und vielen an<strong>der</strong>en trieben die Forschungentscheidend voran.2.4 Die Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit und <strong>der</strong> KonvexitätImmer stärker trat bei <strong>der</strong> Anwendung direkter Methoden die Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeitim Vor<strong>der</strong>grund. Für klassische Variationsprobleme kann man auf das Werk von Tonelli([66]) verweisen. Befreit von <strong>der</strong> starren Form <strong>der</strong> klassischen Variationsprobleme, lässtsich die direkte Methode folgen<strong>der</strong>maßen formulieren (Fichera, [25]):


2.4 Die Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit und <strong>der</strong> Konvexität 17Gesucht wird das absolute M<strong>in</strong>imum e<strong>in</strong>es Funktionals I(u) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Funktionenmenge U.Der Weg zu e<strong>in</strong>em Existenzsatz besteht aus drei Schritten:1. Man führt auf <strong>der</strong> Menge U e<strong>in</strong>en Konvergenzbegriff e<strong>in</strong> (bzw. e<strong>in</strong>e Topologie).2. Man beweist, dass I(u) unterhalbstetig bezüglich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführten Konvergenz ist.3. Man beweist, dass e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imierende Folge e<strong>in</strong>en Grenzwert <strong>in</strong> U besitzt.Der erste Schritt wird dadurch erschwert, dass man nicht von Anfang an weiß, <strong>in</strong> welchemFunktionenraum die potentielle Lösung zu suchen ist. Meistens wählt man e<strong>in</strong>e Klassevon regulären Funktionen und betrachtet ihre Vervollständigung bezüglich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführtenTopologie. Diese Topologie muss e<strong>in</strong>erseits stark genug se<strong>in</strong>, um den zweiten Schrittbeweisen zu können (je stärker die Topologie, desto mehr unterhalbstetige <strong>Funktionale</strong>gibt es und man kann eher hoffen, dass I(u) dazugehört); an<strong>der</strong>seits muss die Topologieschwach genug se<strong>in</strong>, um den dritten Schritt nicht zu gefährden (je schwächer die Topologie,desto mehr kompakte Mengen gibt es und man kann eher hoffen, dass die m<strong>in</strong>imierendenFolgen konvergente Teilfolgen besitzen).Für den zweiten Schritt gilt: Je schwächer die Topologie, desto schwieriger ist die Unterhalbstetigkeitdes Funktionals zu beweisen, da die konvergenten Folgen immer zahlreicherwerden und für alle die Unterhalbstetigkeitsungleichung erfüllt werden muss.Der letzte Schritt wird meistens über e<strong>in</strong> Kompaktheitsargument, gekoppelt mit <strong>der</strong> Abgeschlossenheit<strong>der</strong> Menge U bezüglich <strong>der</strong> e<strong>in</strong>geführten Topologie, bewiesen. Hier stehensich die Begriffe gegenüber. Während für die Abgeschlossenheit <strong>der</strong> Menge U e<strong>in</strong>e stärkereTopologie von Vorteil ist (wie im Fall <strong>der</strong> Unterhalbstetigkeit, da es mehr abgeschlosseneMengen als schwach abgeschlossene gibt), wäre für die Kompaktheit e<strong>in</strong>e schwacheTopologie wünschenswert (da sie reicher an folgenkompakten Mengen ist).Tonelli ([66], [67]) gelang es, die Halbstetigkeit im Fall von absolut stetigen Funktionenauf e<strong>in</strong>em zweidimensionalen Bereich zu beweisen. Da aber die gleichmäßige Konvergenzgewählt wurde, fiel <strong>der</strong> Beweis <strong>der</strong> Kompaktheit etwas technisch aus und ließ sich nichtauf höhere Dimensionen des Def<strong>in</strong>itionsbereichs, bzw. des Wertevorrats, verallgeme<strong>in</strong>ern.Dies gelang Morrey ([46], [48]), <strong>der</strong> den mehrdimensionalen Fall untersuchte (sowohl wasden Def<strong>in</strong>itionsbereich, als auch was den Wertevorrat betrifft). Um im dritten Schrittdie Folgenkompaktheit zu erhalten, wählte er, zum Unterschied zu Tonelli, die schwacheKonvergenz <strong>der</strong> Funktionen im entsprechenden Sobolev-Raum. Es gelang ihm auch, dieUnterhalbstetigkeit und damit auch e<strong>in</strong>en Existenzsatz zu beweisen.Die Rolle <strong>der</strong> Konvexität ist weniger offensichtlich als die <strong>der</strong> Halbstetigkeit. In vielenFällen zieht die Konvexität von F(x, y, ∇y) im letzten Argument die Unterhalbstetigkeitdes Variations<strong>in</strong>tegrals h<strong>in</strong>ter sich (siehe Serr<strong>in</strong> [61], Fichera [25], [26], Brow<strong>der</strong> [16] und,


18 2 Variationsmethodenschwach unterhalbstetige<strong>Funktionale</strong>konvergente Folgenunterhalbstetige <strong>Funktionale</strong>schwach konvergente Folgenkompakte Mengenschwach abgeschlosseneMengenschwach kompakte Mengenabgeschlossene MengenAbbildung 2.1: E<strong>in</strong>schlüsse<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er mo<strong>der</strong>neren Fassung, Gilbarg und Trud<strong>in</strong>ger [29], Absatz 11.5). In [29] wird auchgezeigt, was die strenge Konvexität im letzten Argument aus Sicht <strong>der</strong> <strong>in</strong>direkten Methodezu bedeuten hat: Sie entspricht nämlich <strong>der</strong> Elliptizität des Euler-Lagrange-Operators.Die Konvexität von F <strong>in</strong> den beiden letzten Argumenten zieht sogar die E<strong>in</strong>deutigkeit <strong>der</strong>Lösung h<strong>in</strong>ter sich – was aber nicht immer erwünscht ist.2.5 Allgeme<strong>in</strong>e FormulierungDie klassischen Variationsprobleme <strong>in</strong> R n und die Kristallisierung <strong>der</strong> drei oben genanntenSchritte führten zu e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Formulierung des Problems. E<strong>in</strong>en <strong>der</strong> erstenVersuche ist Rothe ([55]) zu verdanken.Der folgende Satz ist e<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>er solchen allgeme<strong>in</strong>en Formulierung <strong>der</strong> direktenMethode <strong>der</strong> Variationsrechnung.Satz 2.5.1. Sei X e<strong>in</strong> reflexiver Banachraum, U ⊆ X e<strong>in</strong>e nichtleere, konvexe, abgeschlossene,beschränkte Menge und I : U −→ R e<strong>in</strong> konvexes, unterhalbstetiges Funktional.Dann besitzt I e<strong>in</strong> globales M<strong>in</strong>imum, welches <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Punkt aus Uerreicht wird.


2.5 Allgeme<strong>in</strong>e Formulierung 19Beweis. Der Beweisschritte s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s e<strong>in</strong>leuchtend und belegen das Zusammenspiel<strong>der</strong> oben e<strong>in</strong>geführten Begriffe.Sei (u n ) n⊆ U e<strong>in</strong>e m<strong>in</strong>imierende Folge, das heißt:f (u n ) −→ <strong>in</strong>f{I(u) | u ∈ U} (2.5)Da <strong>der</strong> Raum X reflexiv und die Menge U (implizit auch die m<strong>in</strong>imierende Folge) beschränktist, kann man aus (u n ) ne<strong>in</strong>e schwach konvergente Teilfolge (u nk ) kextrahieren,die wir, ohne die Allgeme<strong>in</strong>heit zu bee<strong>in</strong>trächtigen, weiterh<strong>in</strong> (u n ) nbezeichnen: u n ⇀ u 0 .Die Menge U ist konvex und abgeschlossen und damit auch schwach abgeschlossen. DasElement u 0 gehört also auch <strong>der</strong> Menge U an.An<strong>der</strong>seits ist I konvex und unterhalbstetig und damit auch schwach unterhalbstetig. ImPunkt u 0 gilt:I (u 0 ) ≤ <strong>in</strong>f {I (u n ) | n ∈ N} (2.6)Da (u n ) nTeilfolge e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>imierenden Folge ist, kann man den rechten Term durch<strong>in</strong>f{I(u) | u ∈ U} ersetzen. Daraus folgt sofort, dass <strong>der</strong> Wert I (u 0 ) endlich ist und <strong>in</strong> u 0das globale M<strong>in</strong>imum von I erreicht wird.Die Hypothese, dass U beschränkt ist, lässt sich durch die Hypothese, dass I koerziv ist,verallgeme<strong>in</strong>ern:lim I(u) = ∞ für ‖u‖ −→ ∞ (2.7)E<strong>in</strong>e <strong>der</strong> wichtigen Hypothesen ist die Reflexivität des Raumes X. Sie garantiert die Existenze<strong>in</strong>er schwach konvergenten Teilfolge, auf die sich <strong>der</strong> Rest des Beweises stützt. Mankann sie, für den Fall, dass man gezwungen ist, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em nicht reflexiven FunktionenraumX zu arbeiten, durch e<strong>in</strong>e Kompaktheitsbed<strong>in</strong>gung für U ersetzen.Die zweite wichtige Hypothese ist die Unterhalbstetigkeit von I. Sie bewirkt, dass I <strong>in</strong> u 0das globale M<strong>in</strong>imum erreicht.Die zwei Konvexitätshypothesen (für U, bzw. I) dienen nur dazu, die Unterschiede zwischen<strong>der</strong> schwachen und <strong>der</strong> starken Topologie zu verwischen. Dadurch ist die MengeU nicht nur abgeschlossen, son<strong>der</strong>n sogar schwach abgeschlossen, bzw. das Funktional Inicht nur unterhalbstetig, son<strong>der</strong>n sogar schwach unterhalbstetig. Für die Gültigkeit desExistenzsatzes würden die ”schwachen“ Eigenschaften ausreichen – sie s<strong>in</strong>d aber, obwohlallgeme<strong>in</strong>er, schwerer zu beweisen (wie bereits erwähnt). In diesem Fall würde sich <strong>der</strong>Satz folgen<strong>der</strong>maßen formulieren lassen:Satz 2.5.2. Sei X e<strong>in</strong> reflexiver Banachraum, U ⊆ X e<strong>in</strong>e nichtleere, schwach abgeschlosseneMenge und I : U −→ R e<strong>in</strong> koerzives, schwach folgenunterhalbstetiges Funktional.Dann besitzt I e<strong>in</strong> globales M<strong>in</strong>imum, welches <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Punkt aus U erreichtwird.


20 2 VariationsmethodenDer zweite Schritt ist <strong>in</strong> dieser Fassung des Existenzsatzes als Hypothese enthalten. Mankann sich nun die Frage stellen, welche Eigenschaften des Funktionals I die schwacheUnterhalbstetigkeit garantieren würden. Die Konvexität von I ist zwar e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende,aber ke<strong>in</strong>e notwendige Bed<strong>in</strong>gung. Der Versuch, die Konvexität von I durch e<strong>in</strong>e an<strong>der</strong>e,schwächere Hypothese zu ersetzen, wäre auch aus e<strong>in</strong>em an<strong>der</strong>en Grund von Interesse:Konvexe <strong>Funktionale</strong> lassen ke<strong>in</strong>e unterschiedlichen lokale M<strong>in</strong>ima zu. Das mag sich <strong>in</strong>manchen Fällen als nützlich erweisen (zumal die strenge Konvexität sogar die E<strong>in</strong>deutigkeitdes M<strong>in</strong>imums garantiert), ist aber <strong>in</strong> klarem Wi<strong>der</strong>spruch mit den Beobachtungenaus <strong>der</strong> Elastizitätstheorie, sobald man den Bereich <strong>der</strong> l<strong>in</strong>earen, vere<strong>in</strong>fachten Materialmodelleverlässt (siehe Hill [34], Ball [4]).2.6 QuasikonvexitätUm die Halbstetigkeit von I zu analysieren, muss man von e<strong>in</strong>em konkreten Ausdruckdieses Funktionals ausgehen, wie, zum Beispiel, von <strong>der</strong> bereits erwähnten klassischenForm:∫I(u) = F (x, u(x), ∇u(x))dx (2.8)ΩDie Konvexität von F <strong>in</strong> <strong>der</strong> dritten Variablen wäre e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung und fürreelle Funktionen u : R n −→ R sogar notwendig (siehe [65], [61], [24], [41]).Für vektorwertige Funktionen ist die o. g. Konvexität nur noch e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung.Morrey ([47], [49]) ist es gelungen, e<strong>in</strong>e notwendige und h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung <strong>in</strong>Form <strong>der</strong> Quasikonvexität zu entdecken:Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion F : R n × R m × R nm −→ R heißt quasikonvex, wenn für alles ∈ R m , für fast alle x ∈ R n , für alle ξ ∈ R nm , für alle beschränkten, offenen MengenΩ ⊆ R n und für alle w ∈ C0 ∞ (Ω; R m ) die folgende Ungleichung gilt:∫F (x, s, ξ + ∇w(y))dy ≥ F(x, s, ξ) · µ(Ω) (2.9)ΩE<strong>in</strong> Existenzsatz könnte, zum Beispiel, wie bei Acerbi und Fusco ([1]) lauten:Satz 2.6.1. Sei F : R n ×R m ×R nm −→ R e<strong>in</strong>e Funktion mit den folgenden Eigenschaften:(i) F ist e<strong>in</strong>e Carathéodory-Funktion:F(x, s, ξ) messbar <strong>in</strong> x für alle (s, ξ) und stetig <strong>in</strong> (s, ξ) für fast alle x;(ii) F erfüllt e<strong>in</strong>e Wachstumsbed<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Form:0 ≤ F(x, s, ξ) ≤ a(x) + C 1 ‖s‖ p +C 2 ‖ξ ‖ p , mit p ≥ 1, a ≥ 0 e<strong>in</strong>e lokal <strong>in</strong>tegrierbareFunktion, C 1 ≥ 0 und C 2 ≥ 0.


2.7 Nichtl<strong>in</strong>eare Elastizität 21Das Funktional∫I(u, Ω) =F(x, u(x), ∇u(x))dx (2.10)Ωist schwach folgenunterhalbstetig auf W 1,p (Ω; R m ) wenn und nur wenn ξ ↦→ F(x, s, ξ)quasikonvex für alle s und fast alle x ist.Die Quasikonvexität hat den direkten Methoden e<strong>in</strong>en neuen Aufschwung gegeben, <strong>der</strong> <strong>in</strong>zahlreichen wissenschaflichen Veröffentlichungen se<strong>in</strong>en Nie<strong>der</strong>schlag gefunden hat. E<strong>in</strong>emo<strong>der</strong>ne E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> diese Thematik f<strong>in</strong>det man bei Dacorogna ([20]). Für e<strong>in</strong>e Übersicht<strong>der</strong> aktuellen Methoden <strong>der</strong> Variationsrechnung sei auf das Werk von Struwe ([62])verwiesen. Die klassische Methode h<strong>in</strong>gegen wird sehr ausführlich im monographischenWerk von Giaqu<strong>in</strong>ta und Hildebrandt ([27], [28]) dargestellt.2.7 Nichtl<strong>in</strong>eare ElastizitätMorreys Ergebnisse fanden durch die Arbeit von Ball ([4]) e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Anwendung <strong>in</strong><strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> nichtl<strong>in</strong>earen Elastizität. Die Gleichgewichtskonfigurationen e<strong>in</strong>es elastischenKörpers entsprechen den M<strong>in</strong>ima des Energiefunktionals∫I(u, Ω) = F (x, u(x), ∇u(x))dx (2.11)ΩDabei ist <strong>der</strong> Integrand meistens <strong>der</strong> FormF (x, u(x), ∇u(x)) = W(x, ∇u) + φ(x, u) (2.12)mit W als <strong>in</strong>nerer Energiedichte und φ als Potential <strong>der</strong> Massenkräfte. Da die Konvexitätvon W <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Variablen we<strong>der</strong> mit dem Objektivitätspr<strong>in</strong>zip, noch mit <strong>der</strong>Mehrdeutigkeit elastischer Gleichgewichtslagen zu vere<strong>in</strong>baren ist, wurde für die <strong>in</strong>nereEnergiedichte die schwächere Bed<strong>in</strong>gung <strong>der</strong> Quasikonvexität <strong>in</strong> Betracht gezogen. Lei<strong>der</strong>lässt sich die Quasikonvexität e<strong>in</strong>er Funktion nur schwer beweisen – es wurde sogar <strong>in</strong> denletzten Jahren gezeigt, dass sie ke<strong>in</strong>e lokale Charakterisierung zulässt (siehe Kristensen[39]). Dies veranlasste Ball, e<strong>in</strong>en neuen Begriff e<strong>in</strong>zuführen: die Polykonvexität.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion W(x, F ) heißt polykonvex, wenn sie sich als <strong>getrennt</strong> konvexeFunktion von F , adj F und det F ausdrücken lässt:W(x, F ) = g(x, F,adj F,detF) (2.13)mit g(x, ·, ·, ·) <strong>getrennt</strong> konvex.


22 2 VariationsmethodenDer Deformationsgradient ∇u wurde hier mit F bezeichnet. Es wurde <strong>in</strong> [4] bewiesen, dassdie poly<strong>konvexen</strong> Funktionen auch quasikonvex s<strong>in</strong>d. Sie erlauben damit e<strong>in</strong>e variationelleBehandlung des Problems, ohne auf e<strong>in</strong>e lokale Charakterisierung verzichten zu müssen.Schließlich wurde <strong>in</strong> [4] auch e<strong>in</strong> Begriff def<strong>in</strong>iert, <strong>der</strong> schwächer als die Quasikonvexitätist:Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion G : U ⊆ M (R n × R m ) −→ R ist Rang–1–konvex, wenn G entlangaller Segmente aus U, <strong>der</strong>en Enden sich durch e<strong>in</strong>e Matrix von Rang 1 unterscheiden,konvex ist:G(F + (1 − λ)(a ⊗ b)) ≤ λG(F ) + (1 − λ)G(F + a ⊗ b) (2.14)für alle F ∈ U, λ ∈ [0, 1], a ∈ R m , b ∈ R n mit F + µ(a ⊗ b) ∈ U ∀µ ∈ [0, 1].Für reguläre Funktionen G ist die Rang–1–Konvexität äquivalent zur Legendre-Hadamard-Bed<strong>in</strong>gung:Satz 2.7.1. E<strong>in</strong>e Funktion G ∈ C 2 (U) ist Rang–1–konvex, wenn und nur wenn∂ 2 G(F )∂Fα i∂F j a i a j b α b β ≥ 0 (2.15)βfür alle a ∈ R n , b ∈ R m , F ∈ U.Mit Hilfe dieses Satzes wurde bewiesen, dass quasikonvexe Funktionen auch Rang–1–konvex s<strong>in</strong>d.Der Zusammenhang zwischen Konvexität, Polykonvexität, Quasikonvexität und Rang–1–Konvexität lässt sich wie folgt darstellen:konvex =⇒ polykonvex =⇒ quasikonvex =⇒ Rang–1–konvex (2.16)In Kapitel 5 werden die zu den oben def<strong>in</strong>ierten Begriffen assoziierten Hüllen e<strong>in</strong>geführt.Für weitere Ergebnisse und <strong>Anwendungen</strong> <strong>der</strong> oben e<strong>in</strong>geführten Konvexitätsarten sei,unter an<strong>der</strong>em, auf Dacorogna und Marcell<strong>in</strong>i ([21]), Pedregal ([52]) und Dolzmann ([22])verwiesen. Die Bedeutung <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong>en Konvexität für die mo<strong>der</strong>nen Methoden <strong>der</strong>Variationsrechnung ist nicht zu übersehen.


3 Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong> 23Kapitel 3Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong>3.1 Def<strong>in</strong>itionWir werden <strong>in</strong> diesem Abschnitt e<strong>in</strong>en <strong>der</strong> Grundbegriffe dieser Arbeit def<strong>in</strong>ieren: die<strong>getrennt</strong>e Konvexität.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion f : R×R −→ R ist <strong>getrennt</strong> konvex, wenn sie <strong>in</strong> je<strong>der</strong> e<strong>in</strong>zelnenVariablen konvex ist: f(x, ·) konvex ∀x ∈ R und f(·, y) konvex ∀y ∈ R.Diese Def<strong>in</strong>ition kann man auf beliebige <strong>Funktionale</strong> f : X 1 × X 2 × . . . × X n −→ R übertragen.Dabei s<strong>in</strong>d X 1 , X 2 , . . ., X n beliebige reelle Vektorräume und R = R ∪ {+∞} (mitden üblichen arithmetischen Regeln). Der Def<strong>in</strong>itionsbereich e<strong>in</strong>es solchen Funktionals istdie MengeD(f) {(x 1 , x 2 , . . .,x n ) ∈ X 1 × X 2 × . . . × X n | f(x 1 , x 2 , . . .,x n ) ≠ +∞} (3.1)Auch die E<strong>in</strong>führung <strong>getrennt</strong> konvexer <strong>Funktionale</strong> <strong>in</strong> gewissen Gruppen von Variablenist vorstellbar. Wir werden uns im Folgenden – ohne Bee<strong>in</strong>trächtigung <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>heit– auf zwei Variablen beschränken.3.2 EigenschaftenE<strong>in</strong> konvexes Funktional ist offensichtlich auch <strong>getrennt</strong> konvex. Umgekehrt gilt dieseAussage nicht:Beispiel Die Funktion f : R × R −→ R, f(x, y) = |xy| ist zwar <strong>getrennt</strong> konvex, abernicht konvex.


24 3 Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong>43–22–1121y1x–1–22Abbildung 3.1: f(x, y) = |xy|Beweis. Man wählt x = (0, 1), y = (1, 0) und λ = 1 . Dann ist2( 1f ((1 − λ)x + λy) = f2 , 1 =2)1 > (1 − λ)f(x) + λf(y) = 0 (3.2)4Es wurde bereits im ersten Kapitel erwähnt, dass man die Konvexität e<strong>in</strong>es Funktionals f :X −→ R durch die Konvexität se<strong>in</strong>es Epigraphen epi(f) {(x, µ) ∈ X × R | f(x) ≤ µ}charakterisieren kann.Abbildung 3.2: Sektionen für f(x, y) = x 2 + y 2


3.2 Eigenschaften 25Analog gilt für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong>: E<strong>in</strong> Funktional f : X × Y −→ R ist<strong>getrennt</strong> konvex, wenn und nur wenn alle Sektionen se<strong>in</strong>es Epigraphen konvex s<strong>in</strong>d. DurchSektionen versteht man hier die Schnitte des Epigraphen mit Hyperebenen <strong>der</strong> Formx = const bzw. y = const (siehe Abbildung 3.2).Ähnliches gilt für den Def<strong>in</strong>itionsbereich. Ist <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>itionsbereich e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong> Funktionalse<strong>in</strong>e konvexe Menge <strong>in</strong> X, so gilt diese Aussage nur noch für die Sektionen desDef<strong>in</strong>itionsbereichs e<strong>in</strong>es <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionals. Der Def<strong>in</strong>itionsbereich selbst istnicht unbed<strong>in</strong>gt konvex, wie es das nächste Beispiel zeigt.Beispiel Sei f : R × R −→ R,{0, x = 0 o<strong>der</strong> y = 0f(x, y) =+∞, xy ≠ 0(3.3)f ist zwar <strong>getrennt</strong> konvex, aber <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>itionsbereich D(f) = {(x, y) | xy = 0} ist ke<strong>in</strong>ekonvexe Menge (siehe Abbildung 3.3).Abbildung 3.3: D(f) = {(x, y) | xy = 0} = {(x, 0) | x ∈ R} ∪ {(0, y) | y ∈ R}Die Konvexitätsbed<strong>in</strong>gungen für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong> s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er kompaktenanalytischen Schreibweise auszudrücken:f((1 − λ)x 1 + λx 2 , (1 − µ)y 1 + µy 2 ) ≤ (1 − λ)(1 − µ)f(x 1 , y 1 ) + λµf(x 2 , y 2 ) +(1 − λ)µf(x 1 , y 2 ) + λ(1 − µ)f(x 2 , y 1 ) ∀λ, µ ∈ [0, 1], ∀x 1 , x 2 , y 1 , y 2 . (3.4)Dieser Ausdruck lässt e<strong>in</strong>e geometrische Interpretation zu (siehe Abbildung 3.4): Für viergegebene Eckpunkte (mit den Koord<strong>in</strong>aten x 1 , x 2 , y 1 , y 2 ) e<strong>in</strong>es beliebigen Rechtecks ausdem Def<strong>in</strong>itionsbereich beschreibt <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ke Ausdruck e<strong>in</strong>e von den zwei Geradenscharen,die dem Abbild <strong>der</strong> Seiten des Rechtecks entsprechen, erzeugte Oberfläche. Die Ungleichungsagt dann aus, dass <strong>der</strong> Graph des <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionals unterhalb dieserOberfläche liegt. Diese anschauliche Interpretation macht den Unterschied, aber auch dieNähe zwischen <strong>getrennt</strong>er und globaler Konvexität deutlich.


26 3 Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong>Abbildung 3.4: Geometrische Interpretation3.3 Beziehung zu den <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>nZwischen den <strong>konvexen</strong> und den <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>n gibt es e<strong>in</strong>e Reihe vonUnterschieden und Geme<strong>in</strong>samkeiten. Wir werden nun diese Beziehung näher betrachten.Wir gehen von <strong>der</strong> <strong>in</strong> Formel 3.4 e<strong>in</strong>geführten analytischen Schreibweise aus. f ist <strong>getrennt</strong>konvex, wenn und nur wenn:f ((1 − λ)x 1 + λx 2 , (1 − µ)y 1 + µy 2 ) ≤ (1 − λ)(1 − µ)f(x 1 , y 1 ) ++λµf(x 2 , y 2 ) + (1 − λ)µf(x 1 , y 2 ) + λ(1 − µ)f(x 2 , y 1 ) (3.5)Für λ = µ <strong>in</strong> Ungleichung 3.5 erhält man:f ((1 − λ)x 1 + λx 2 , (1 − λ)y 1 + λy 2 ) ≤ (1 − λ) 2 f(x 1 , y 1 ) +λ 2 f(x 2 , y 2 ) + (1 − λ)λf(x 1 , y 2 ) + λ(1 − λ)f(x 2 , y 1 ) (3.6)Wir bezeichnen den Ausdruck auf <strong>der</strong> rechten Seite <strong>der</strong> Ungleichung 3.6 mit A.An<strong>der</strong>seits kann man die Konvexitätsbed<strong>in</strong>gung schreiben:f ((1 − λ) (x 1 , y 1 ) + λ (x 2 , y 2 )) ≤ (1 − λ)f (x 1 , y 1 ) + λf (x 2 , y 2 ) (3.7)Wir bezeichnen den Ausdruck auf <strong>der</strong> rechten Seite <strong>der</strong> Ungleichung 3.7 mit B.


3.3 Beziehung zu den <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>n 27Nun vergleichen wir die Ausdrücke A und B, <strong>in</strong>dem wir sie vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> abziehen:A − B = (1 − λ)(1 − λ − 1)f (x 1 , y 1 ) + (1 − λ)λf (x 1 , y 2 ) ++(1 − λ)λf (x 2 , y 1 ) + λ(λ − 1)f (x 2 , y 2 ) = (3.8)= (1 − λ)λ [f (x 1 , y 2 ) + f (x 2 , y 1 ) − f (x 1 , y 1 ) − f (x 2 , y 2 )]Abbildung 3.5: Beispiel für A − B ̸= 0: Die Diagonalen schneiden sich nicht.Man sieht, dass auf <strong>der</strong> rechten Seite die Werte, die f <strong>in</strong> diagonal gegenüberliegendenEcken nimmt, von den Werten <strong>in</strong> den Ecken <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Diagonale abgezogen werden.Gibt es also Punkte, für die A > B, so erreicht man durch Vertauschen von x 1 und x 2auch die entgegengesetzte Ungleichung, A < B. Es bleibt nur e<strong>in</strong> Fall übrig, <strong>in</strong> dem mane<strong>in</strong>e klare Aussage machen kann:Satz 3.3.1. Sei f(x, y) <strong>getrennt</strong> konvex mit <strong>der</strong> Eigenschaft:für alle x 1 , x 2 , y 1 , y 2 . Dann ist f konvex.f (x 1 , y 2 ) + f (x 2 , y 1 ) = f (x 1 , y 1 ) + f (x 2 , y 2 ) (3.9)Beweis. In diesem Fall haben wir A = B, und die Bed<strong>in</strong>gungen für Konvexität und<strong>getrennt</strong>e Konvexität stimmen übere<strong>in</strong>.Geometrisch gesehen würde dies heißen, dass sich die Diagonalen im Viereck gebildet ausden Ecken e<strong>in</strong>es beliebigen Rechtecks im Def<strong>in</strong>itionsbereich und den Werten von f <strong>in</strong>


28 3 Getrennt konvexe <strong>Funktionale</strong>diesen Ecken immer schneiden müssen. Das kann aber dann nur dann geschehen, wenndie Ecken dieses Vierecks koplanar s<strong>in</strong>d. In diesem Son<strong>der</strong>fall kann man e<strong>in</strong>e vollständigeCharakterisierung des Funktionals f erreichen.Satz 3.3.2. Sei f(x, y) <strong>getrennt</strong> konvex mit <strong>der</strong> Eigenschaft:f (x 1 , y 2 ) + f (x 2 , y 1 ) = f (x 1 , y 1 ) + f (x 2 , y 2 ) (3.10)für alle x 1 , x 2 , y 1 , y 2 . Dann hat f die Form: f(x, y) = g(x) + h(y) mit g und h konvexe<strong>Funktionale</strong> <strong>in</strong> den jeweiligen Variablen.Beweis. Wir wählen e<strong>in</strong>en Punkt (x ∗ , y ∗ ) so, daß f (x ∗ , y ∗ ) < ∞. Nun wählen wir x 1 = x,y 1 = y beliebig und x 2 = x ∗ , y 2 = y ∗ . Die Gleichung 3.10 schreibt sich:f (x, y ∗ ) + f (x ∗ , y) = f (x, y) + f (x ∗ , y ∗ ) (3.11)Nach e<strong>in</strong>er Umformung erhält man:f (x, y) = f (x, y ∗ ) + f (x ∗ , y) − f (x ∗ , y ∗ ) (3.12)Man muss nur noch f (x, y ∗ ) mit g(x) und f (x ∗ , y) − f (x ∗ , y ∗ ) mit h(y) bezeichnen undmerken, dass g und h konvex s<strong>in</strong>d, um die gewünschte Zerlegung zu erhalten.Abbildung 3.6: Das nicht zerlegbare Funktional f(x, y) = (x + y) 2 .


3.3 Beziehung zu den <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>n 29Wir haben also bewiesen, dass die Schnittmenge <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> und <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong><strong>Funktionale</strong>n alle Summen <strong>der</strong> Form g(x) + h(y), mit g und h konvex <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweiligenVariable, enthält. E<strong>in</strong> besseres Ergebnis ist aus <strong>der</strong> re<strong>in</strong>en Auswertung <strong>der</strong> Konvexitätsungleichungennicht zu erwarten. Solche <strong>Funktionale</strong> werden wir als zerlegbar“ bezeichnen.”Allerd<strong>in</strong>gs gibt es auch konvexe (und damit auch <strong>getrennt</strong> konvexe) <strong>Funktionale</strong>, die nichtzerlegbar s<strong>in</strong>d, wie zum Beispiel f(x, y) = (x + y) 2 (siehe Abbildung 3.6).


30 4 Das BipotentialKapitel 4Das BipotentialDer Begriff des Bipotentials wurde von de Saxcé ([56], [57]) e<strong>in</strong>geführt. Der mathematischeRahmen ist <strong>der</strong> <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>, die e<strong>in</strong>e verallgeme<strong>in</strong>erte Form<strong>der</strong> Fenchel-Young-Ungleichung erfüllen. In den nächsten Abschnitten werden die theoretischenGrundlagen des Bipotentials durchleuchtet (siehe auch Ban und Weichert [5], [6],[7]). Um e<strong>in</strong>e Verwechslung mit den Lösungen <strong>der</strong> biharmonischen Airy-Gleichung aus <strong>der</strong>Elastizitätstheorie, die ebenfalls Bipotentiale genannt werden, zu vermeiden, könnte manfür den von de Saxcé e<strong>in</strong>geführten Begriff eventuell den Namen bikonvexes Potential“”verwenden.4.1 Def<strong>in</strong>ition des BipotentialsIn <strong>der</strong> Folge betrachten wir nur nicht degenerierte <strong>Funktionale</strong> (mit nichtleerem Def<strong>in</strong>itionsbereich).Def<strong>in</strong>ition Sei X e<strong>in</strong> Banachraum, X ∗ <strong>der</strong> (topologisch) duale Raum, 〈·, ·〉 das Dualitätsproduktund IR = (−∞, ∞]. E<strong>in</strong> Funktional b : X × X ∗ → IR,a) <strong>getrennt</strong> konvex (i.e. b (·, y ∗ ) : X → IR konvex ∀y ∗ ∈ X ∗ , b (x, ·) : X ∗ → IRkonvex ∀x ∈ X),b) <strong>getrennt</strong> nach unten halbstetig undc) das die folgende Ungleichung erfüllt: b (x, y ∗ ) ≥ 〈y ∗ , x〉 ∀x ∈ X und ∀y ∗ ∈ X ∗ ,wird Bipotential genannt.Die Ungleichung c) hat auch e<strong>in</strong>e stärkere Variante:


4.2 Eigenschaften des Bipotentials 31c’) b (x, y ∗ ) ≥ | 〈y ∗ , x〉 | ∀x ∈ X und ∀y ∗ ∈ X ∗ .In diesem Fall ist das Bipotential zwangsmäßig positiv.Bemerkung Die Punktepaare (x, y ∗ ) <strong>in</strong> denen die Def<strong>in</strong>itionsungleichung c) als Gleichungb (x, y ∗ ) = 〈y ∗ , x〉 erfüllt wird, müssen ke<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>ima von b(·, ·) se<strong>in</strong>. Dies erkenntman aus dem folgenden Beispiel: Sei b(x, y) = x 2 y 2 + 1 (siehe Abbildung 4.1). Dann gilt:4∂ x b(x 0 , y 0 ) = 2x 0 y0 2 und ∂ y b(x 0 , y 0 ) = 2x 2 0y 0 . Für x 0 = 0, y 0 = 0 besitzt b(·, ·) e<strong>in</strong> globalesM<strong>in</strong>imum, doch b(x 0 , y 0 ) = 1 ≠ 0 = x 4 0y 0 . An<strong>der</strong>seits gibt es durchaus Punkte, <strong>in</strong> denenb(x, y) = xy gilt: Zum Beispiel alle Punkte, die die Gleichung 2xy = 1 erfüllen.21.5b(x, y) = x 2 y 2 + 1 41f(x, y) = xy1.211.20.810.80.6x 0.40.20.6y0.40.20.50Abbildung 4.1: b(x, y) = x 2 y 2 + 1 44.2 Eigenschaften des BipotentialsWir beweisen nun grundlegende Eigenschaften des Bipotentials.Lemma 4.2.1. Für e<strong>in</strong> Bipotential b (·, ·) gelten folgende Aussagen:a) Sei c ∈ IR + ; dann ist b (·, ·) + c ebenfalls e<strong>in</strong> Bipotential.


32 4 Das Bipotentialb) Die Summe zweier (und dadurch beliebig vieler) positiver Bipotentiale ist e<strong>in</strong> positivesBipotential.c) Sei b(·, ·) e<strong>in</strong> positives Bipotential und α ≥ 1; dann ist αb (·, ·) ebenfalls e<strong>in</strong> positivesBipotential.d) Seien x 0 ∈ X und y0 ∗ ∈ X∗ so, dass b (x 0 , y0 ∗) = 〈y∗ 0 , x 0〉. Dann gilt: x 0 ∈ ∂ y ∗b (x 0 , y0 ∗),y0 ∗ ∈ ∂ x b (x 0 , y0).∗e) Sei b(·, ·) <strong>der</strong> Form: b(x, y ∗ ) = 〈y ∗ , x〉 + c. Dann gilt: x ∈ ∂ y ∗b(x, y ∗ ) und y ∗ ∈∂ x b(x, y ∗ ) ∀x, y ∗ .f) Es gelte: x ∈ ∂ y ∗b(x, y ∗ ) und y ∗ ∈ ∂ x b(x, y ∗ ) ∀x, y ∗ . Dann existiert c ≥ 0 so, dassb(x, y ∗ ) = 〈y ∗ , x〉 + c ∀x, y ∗ .Beweis. a)–c) s<strong>in</strong>d offensichtlich. Um Punkt d) zu beweisen, gehen wir folgen<strong>der</strong>maßenvor:b(x 0 , y ∗ ) − 〈y ∗ , x 0 〉 ≥ 0 = b(x 0 , y ∗ 0) − 〈y ∗ 0, x 0 〉 ∀y ∗ . (4.1)Es folgt:b(x 0 , y ∗ ) − b(x 0 , y ∗ 0 ) ≥ 〈y∗ − y ∗ 0 , x 0〉 ∀y ∗ , (4.2)also x 0 ∈ ∂ y ∗b(x 0 , y0). ∗ Analog wird auch <strong>der</strong> zweite Teil bewiesen.Um Punkt e) zu beweisen, schreiben wir:x ∈ ∂ y ∗b(x, y ∗ ) ⇐⇒ b(x, z ∗ ) − b(x, y ∗ ) ≥ 〈z ∗ − y ∗ , x〉 ∀z ∗ . (4.3)Man setzt für b(x, y ∗ ) und b(x, z ∗ ) die entsprechenden Ausdrücke e<strong>in</strong>: 〈y ∗ , x〉 + c, bzw.〈z ∗ , x〉+c. Die zu beweisende Ungleichung wird dann als Gleichung erfüllt. Ähnlich beweistman den zweiten Teil.Zum Schluss beweisen wir Punkt f): Aus x ∈ ∂ y ∗b(x, y ∗ ) folgtb(x, z ∗ ) − b(x, y ∗ ) ≥ 〈z ∗ − y ∗ , x〉 ∀z ∗ , (4.4)alsob(x, y ∗ ) − 〈y ∗ , x〉 ≤ b(x, z ∗ ) − 〈z ∗ , x〉 ∀z ∗ (4.5)und hiermitAn<strong>der</strong>seits folgt aus y ∗ ∈ ∂ x b(x, y ∗ ):b(x, y ∗ ) − 〈y ∗ , x〉 =<strong>in</strong>fz ∗ {b(x, z∗ ) − 〈z ∗ , x〉} = f(x). (4.6)b(z, y ∗ ) − b(x, y ∗ ) ≥ 〈y ∗ , z − x〉 ∀z, (4.7)alsob(x, y ∗ ) − 〈y ∗ , x〉 ≤ b(z, y ∗ ) − 〈y ∗ , z〉 ∀z (4.8)


4.2 Eigenschaften des Bipotentials 33und hiermitMan hat dannb(x, y ∗ ) − 〈y ∗ , x〉 =<strong>in</strong>fz{b(z, y ∗ ) − 〈y ∗ , z〉} = g(y ∗ ). (4.9)b(x, y ∗ ) − 〈y ∗ , x〉 = f(x) = g(y ∗ ) = const. (4.10)Bemerkung Als Folge von Punkt a) sieht man, dass jedes Bipotential b(·, ·) e<strong>in</strong>e ganzeFamilie <strong>der</strong> Form {b(·, ·) + c | c ≥ 0} def<strong>in</strong>iert. Es ist dann s<strong>in</strong>nvoll, von Anfang an dieKonstante c so zu wählen, dass die Ungleichung c) aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>emPunkt als Gleichung erfüllt ist.An<strong>der</strong>seits kann man leicht beweisen, dass man nicht alle <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>durch Anwendung <strong>der</strong> Verfahren von Punkt a) und Punkt c) <strong>in</strong> Bipotentiale umwandelnkann. Dazu nehme man das Funktional f(x, y) = (x − y) 2 . f ist zwar <strong>getrennt</strong> konvex(sogar streng), aber αf(x, y) + c ist für ke<strong>in</strong>e Werte von α und c e<strong>in</strong> Bipotential. Manmuss nur x 0 = y 0 > √ |c| wählen: Dann ist f (x 0 , y 0 ) < f (x 0 , y 0 ) + c = c < x 0 y 0 , dieUngleichung aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des Bipotentials kann also nicht erfüllt werden.Sei ϕ : X → IR e<strong>in</strong> konvexes, nach unten halbstetiges Funktional. Dann ist das Funktionalb (x, y ∗ ) = ϕ (x) + ϕ ∗ (y ∗ ) e<strong>in</strong> global konvexes Bipotential. Bipotentiale dieserArt werden <strong>in</strong> <strong>der</strong> Folge zerlegbar genannt. Die Menge <strong>der</strong> zerlegbaren Bipotentiale iststreng <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menge <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Bipotentiale enthalten, welche ihrerseits streng <strong>in</strong> <strong>der</strong>Menge <strong>der</strong> allgeme<strong>in</strong>en Bipotentiale enthalten ist. Wir werden diese drei Klassen näherbeschreiben und charakterisieren. Zum Beispiel wäre es von Bedeutung zu wissen, welcheBipotentiale als Summe e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong> Funktionals und dessen Konjugierten darstellbars<strong>in</strong>d. Die globale Konvexität ist dafür notwendig, aber nicht h<strong>in</strong>reichend, wie man <strong>in</strong> denBeispielen c) und d) im nächsten Abschnitt sehen wird.zerlegbare Bipotentialekonvexe Bipotentialeallgeme<strong>in</strong>e BipotentialeAbbildung 4.2: Arten von Bipotentiale


34 4 Das Bipotential4.3 Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbaren BipotentialeDie Eigenschaften <strong>der</strong> additiv (als Summe ϕ+ϕ ∗ e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong> Funktionals ϕ und dessenKonjugierten ϕ ∗ ) zerlegbaren Bipotentiale werden untersucht.Wir führen nun zwei weitere Begriffe e<strong>in</strong>, die für die Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbarenBipotentiale e<strong>in</strong>e wesentliche Rolle spielen werden.Def<strong>in</strong>ition Sei b : X × X ∗ → IR e<strong>in</strong> Bipotential. Wir def<strong>in</strong>ieren das l<strong>in</strong>ke und das rechtebikonjugierte Funktional:b l : X ∗ × X ∗ → IR, b l (z ∗ , y ∗ ) =sup {〈z ∗ , x〉 − b (x, y ∗ )} (4.11)x∈Xb r : X × X → IR, b r (x, w) = supy ∗ ∈X ∗ {〈y ∗ , w〉 − b (x, y ∗ )}. (4.12)Um, zum Beispiel, b l (z ∗ , y ∗ ) für gegebene z ∗ , y ∗ zu berechnen, stellt man die <strong>Funktionale</strong>f(x) = 〈z ∗ , x〉 und g(x) = b (x, y ∗ ) graphisch dar. Der maximale Wert von f(x) −g(x) (<strong>in</strong><strong>der</strong> Zeichnung rot markiert, als Abstand zwischen den zwei Graphen) def<strong>in</strong>iert b l (z ∗ , y ∗ ).f(x) = 〈z ∗ , x〉IRy ∗g(x) = b(x, y ∗ )b l (z ∗ , y ∗ )xAbbildung 4.3: Konstruktion von b l (z ∗ , y ∗ )Beispiela) b (x, y) = |xy| =⇒b l (z, y) ={{0, |z| ≤ |y|∞, |z| > |y| ; b r (x, w) =0, |w| ≤ |x|∞, |w| > |x|


4.3 Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbaren Bipotentiale 3510108886664442222220–3–2–10123–200–3–2–10123–200–3–2–10123–20Abbildung 4.4: b (x, y) = |xy|, b l (z, y) und b r (x, w)b) b (x, y) = x 2 y 2 + 1 4 =⇒⎧z 2⎪⎨ 4y − 1 ⎧2 4 , y ≠ 0w 2⎪⎨ 4x − 1 2 4 , x ≠ 0b l (z, y) = ∞, y = 0, z ≠ 0 ; b r (x, w) = ∞, x = 0, w ≠ 0⎪⎩− 1 4 , y = z = 0 ⎪⎩ − 1 4 , x = w = 080353530306025254020152015202105210520–3–2–10123–200–3–2–10123–200–3–2–10123–20Abbildung 4.5: b (x, y) = x 2 y 2 + 1 4 , b l (z, y) und b r (x, w)c) b (x, y) = x 2 + y 2 =⇒b l (z, y) = z24 − y2 ; b r (x, w) = w24 − x2


36 4 Das Bipotential18221614001210–2–28–4–46420–3–2–10123–202–6–8–3–2–10123–202–6–8–3–2–10123–202Abbildung 4.6: b (x, y) = x 2 + y 2 , b l (z, y) und b r (x, w)0280060–20–240–40–4200–3–2–10123–202–60–80–3–2–10123–202–6–8–3–2–10123 0 123Abbildung 4.7: b (x, y) = x 2 + y 4 + 164 , b l (z, y) und b r (x, w)


4.3 Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbaren Bipotentiale 37d) b (x, y) = x 2 + y 4 + 1 =⇒ b 64 l (z, y) = z2 − 4 y4 − 1 ; b 64 r (x, w) = 3 ( )4w 3− x 2 − 14 64Die für die Existenz <strong>der</strong> Zerlegung notwendige Bed<strong>in</strong>gung b l (z, y) = −b l (y, z) wird vonden Funktionen aus den Beispielen c) und d) nicht erfüllt.Lemma 4.3.1. Sei ϕ(·) e<strong>in</strong> konvexes Funktional und c ∈ IR. Dann gilt:a) (ϕ + c) ∗ = ϕ ∗ − cb) Ist b (x, y ∗ ) = ϕ (x)+ϕ ∗ (y ∗ ) e<strong>in</strong>e Zerlegung von b, so ist b (x, y ∗ ) = (ϕ (·) + c) (x)+(ϕ (·) + c) ∗ (y ∗ ) ebenfalls e<strong>in</strong>e gültige Zerlegung <strong>der</strong>selben Art.Die Zerlegung e<strong>in</strong>es Bipotentials ist bis auf e<strong>in</strong>e additive Konstante c bestimmt.Sei nun ϕ : X → IR e<strong>in</strong> konvexes, nach unten halbstetiges Funktional und b : X ×X ∗ → IRe<strong>in</strong> Bipotential, def<strong>in</strong>iert durch b (x, y ∗ ) = ϕ (x) + ϕ ∗ (y ∗ ). Dann gelten die folgendenAussagen:Lemma 4.3.2.a1) b l (z ∗ , y ∗ ) = −b l (y ∗ , z ∗ ) (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gilt: b l (y ∗ , y ∗ ) ≡ 0)a2) b r (x, w) = −b r (w, x) (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e gilt: b r (x, x) ≡ 0)Lemma 4.3.3.b1) b l (z ∗ , y ∗ ) = ϕ ∗ (z ∗ ) − ϕ ∗ (y ∗ )b2) b r (x, w) = ϕ ∗∗ (w) − ϕ (x) = ϕ (w) − ϕ (x)Lemma 4.3.4.c1) ϕ ∗ (z ∗ ) = b l (z ∗ , y ∗ 0 ) + ϕ∗ (y ∗ 0 ) = b l (z ∗ , 0 ∗ ) + ϕ ∗ (0 ∗ ) = b l (z ∗ , 0 ∗ ) + c lc2) ϕ (w) = b r (x 0 , w)+ϕ (x 0 ) = b r (0, w)+ϕ (0) = b r (0, w)+c r . Hier, c l +c r = b (0, 0 ∗ ).Aus Lemma 4.3.2 folgt, dass b l und b r antisymmetrisch s<strong>in</strong>d, was im Fall e<strong>in</strong>es allgeme<strong>in</strong>enBipotentials nicht immer erfüllt ist (siehe die Beispiele c) und d) weiter oben). Die Beweises<strong>in</strong>d trivial. Die <strong>Funktionale</strong> ϕ und ϕ ∗ <strong>der</strong> Zerlegung s<strong>in</strong>d (bis auf e<strong>in</strong>e additive Konstante)e<strong>in</strong>deutig bestimmt. Das ist auch das beste zu erwartende Ergebnis dieser Art, laut Lemma4.3.1.Korollar 4.3.5. Sei b (·, ·) e<strong>in</strong> Bipotential. Die Familie {b (·, ·) + c | c ∈ IR} enthält höchstense<strong>in</strong> zerlegbares Bipotential b (·, ·)+c 0 , wobei c 0 = <strong>in</strong>f {c ∈ IR | b (·, ·) + c Bipotential }.


38 4 Das BipotentialBeweis. Man setzt voraus, dass es zwei Zerlegungen gibt: b 1 (·, ·) = b (·, ·) = ϕ 1 (·)+ϕ ∗ 1 (·)und b 2 (·, ·) = b (·, ·) + c = ϕ 2 (·) + ϕ ∗ 2 (·). Dann gilt:b 1l = b l , b 2l = b l − c, b 1r = b r , b 2r = b r − c. (4.13)Aus c1) und c2) des Lemma 4.3.4 folgt:ϕ ∗ 1 = b 1l + d 1 , ϕ 1 = b 1r + b 1 (0, 0) − d 1 , (4.14)ϕ ∗ 2 = b 2l + d 2 = b 1l − c + d 2 = ϕ ∗ 1 − c + d 2 − d 1 , (4.15)ϕ 2 = b 2r + b 2 (0, 0) − d 2 = b 1r − c + b 1 (0, 0) + c − d 2 = ϕ 1 − d 2 + d 1 . (4.16)Dann wären sowohl ϕ 1 und ϕ ∗ 1 , als auch ϕ 1 − (d 2 − d 1 ) und ϕ ∗ 1 − c + (d 2 − d 1 ) gültigeZerlegungen. Das ist e<strong>in</strong> Wi<strong>der</strong>spruch. Die Voraussetzung, dass es zwei Zerlegungen gibt,ist daher falsch.Sei nunb (x, y ∗ ) + c 1 = ϕ (x) + ϕ ∗ (y ∗ ) ≥ 〈y ∗ , x〉 mit c 1 > c 0 . (4.17)Es gilt auch:Dannb (x, y ∗ ) + c 0 ≥ 〈y ∗ , x〉. (4.18)b (x, y ∗ ) + c 0 = ϕ (x) + ϕ ∗ (y ∗ ) − c 1 + c 0 ≥ 〈y ∗ , x〉. (4.19)Laut Moreau ([45], Seite 46) ist diese letzte Beziehung falsch, und wir haben e<strong>in</strong>en Wi<strong>der</strong>sprucherhalten.Die Frage, ob e<strong>in</strong>e solche Konstante c immer existiert, kann leicht beantwortet werden:E<strong>in</strong> Bipotential, welches nicht global konvex ist, bleibt so auch nach <strong>der</strong> Addition e<strong>in</strong>erKonstanten; daher wird ke<strong>in</strong> Element <strong>der</strong> Familie zerlegbar se<strong>in</strong> (Beispiel b)). Die globaleKonvexität ist nicht h<strong>in</strong>reichend, wie es das Beispiel b (x, y) = x 2 + y 4 + c zeigt, und dieSymmetrie des Bipotentials ist es auch nicht: b (x, y) = x 2 + y 2 + c.Immerh<strong>in</strong> gibt Lemma 4.3.4 e<strong>in</strong>e Methode an, wie man das Funktional ϕ(·) aus e<strong>in</strong>emgegebenen Bipotential b(·, ·) erhalten kann und somit e<strong>in</strong>e Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbarenBipotentiale. Die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit für das Funktional ϕ(·) ist, laut Lemma 4.3.4Punkt c2), b r (0, w) + c r . Analog muss ϕ ∗ (·) die Form b l (z ∗ , 0 ∗ ) + c l haben.Satz 4.3.6. Sei b (·, ·) e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Bipotential. Sei φ (w) = b r (0, w) + b (0, 0 ∗ ) undψ (z ∗ ) = b l (z ∗ , 0 ∗ ). Das Funktional b (·, ·) ist zerlegbar wenn und nur wenn:a) φ konvex ist,b) ψ konvex ist,c) φ ∗ ≡ ψ und


4.3 Charakterisierung <strong>der</strong> zerlegbaren Bipotentiale 39d) b ≡ φ + ψ.In diesem Fall ist dies die – bis auf e<strong>in</strong>e additive Konstante – e<strong>in</strong>zige Zerlegung von b(·, ·)als Summe aus e<strong>in</strong>em <strong>konvexen</strong> Funktional und dessen Konjugierten.Man kann auch e<strong>in</strong>e notwendige Bed<strong>in</strong>gung für die Zerlegbarkeit e<strong>in</strong>es Bipotentials erhalten.Satz 4.3.7. Sei b(·, ·) e<strong>in</strong> Bipotential. E<strong>in</strong>e notwendige Bed<strong>in</strong>gung für se<strong>in</strong>e Zerlegbarkeitist:b (x 1 , y1 ∗ ) + b (x 2, y2 ∗ ) = b (x 1, y2 ∗ ) + b (x 2, y1 ∗ ) ∀x 1, x 2 , y1 ∗ , y∗ 2 . (4.20)Beweis. Laut Satz 4.3.6 Unterpunkt d) gilt:b (x 1 , y ∗ 1) = b r (0, y ∗ 1) + b l (x 1 , 0 ∗ ) + b (0, 0 ∗ ) , (4.21)b (x 2 , y2 ∗ ) = b r (0, y2 ∗ ) + b l (x 2 , 0 ∗ ) + b (0, 0 ∗ ) , (4.22)b (x 1 , y2 ∗ ) = b r (0, y2 ∗ ) + b l (x 1 , 0 ∗ ) + b (0, 0 ∗ ) , (4.23)b (x 2 , y1) ∗ = b r (0, y1) ∗ + b l (x 2 , 0 ∗ ) + b (0, 0 ∗ ) . (4.24)Die Aussage ist nun offensichtlich.43210–2 –1.5 –1 –0.5 0 0.5210–1yxAbbildung 4.8: Geometrische Interpretation


40 4 Das BipotentialDiese notwendige Bed<strong>in</strong>gung hat e<strong>in</strong>e geometrische Interpretation (siehe Abbildung 4.8):Die Summen <strong>der</strong> Werte von b(·, ·) <strong>in</strong> den paarweise gegenüberliegenden Ecken e<strong>in</strong>es jedenRechtecks im Def<strong>in</strong>itionsbereich von b(·, ·) müssen gleich se<strong>in</strong>. Das heißt, dass die Punktedes Graphen, die den Ecken e<strong>in</strong>es beliebigen Rechtecks entsprechen, immer koplanar s<strong>in</strong>d;die Extremwerte werden <strong>in</strong> jeweils diagonal gegenüberliegenden Ecken zu f<strong>in</strong>den se<strong>in</strong>.


5 Beziehung zu den an<strong>der</strong>en Konvexitätsarten 41Kapitel 5Beziehung zu den an<strong>der</strong>enKonvexitätsartenIn diesem Kapitel befassen wir uns mit <strong>der</strong> Frage <strong>der</strong> Beziehungen <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong>en Konvexitätzu den <strong>in</strong> Kapitel 2 e<strong>in</strong>geführten Konvexitätsarten. Die Relation zu den <strong>konvexen</strong><strong>Funktionale</strong>n wurde bereits <strong>in</strong> Kapitel 3 untersucht. Aus Sicht <strong>der</strong> Subdifferentialrechnunghandelt es sich dabei um die Verallgeme<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> Beziehung zwischen partiellerund totaler Differenzierbarkeit auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Konvexität.Wie <strong>in</strong> Kapitel 2 gesehen, wurde im Laufe <strong>der</strong> Zeit e<strong>in</strong>e ganze Reihe von mathematischenObjekten def<strong>in</strong>iert, <strong>der</strong>en Eigenschaften denen <strong>der</strong> Konvexität nahestehen. DieUntersuchung <strong>der</strong> direkten Methoden <strong>der</strong> Variationsrechnung führte zur Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong>Quasikonvexität, <strong>der</strong> Polykonvexität und <strong>der</strong> Rang-1-Konvexität. Der Platz <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong><strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> aus dieser Sicht ist auch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Problem, das über dieHalbstetigkeit des Energiefunktionals und die Anwendbarkeit <strong>der</strong> direkten Methoden <strong>der</strong>Variationsrechnung entscheidet.5.1 Beziehung zur Rang-1-KonvexitätWir beweisen, dass man <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong> auf IR × IR mit Rang-1-<strong>konvexen</strong><strong>Funktionale</strong>n auf dem Raum <strong>der</strong> Diagonalmatrizen identifizieren kann.Satz 5.1.1. Seif :{(x 00 y) ∣∣∣∣x, y ∈ R}⊂ M 2×2 (R) −→ Re<strong>in</strong> Rang-1-konvexes Funktional; dann istb(·, ·) : R × R −→ R,b (x, y) f((x 00 y))(5.1)


42 5 Beziehung zu den an<strong>der</strong>en Konvexitätsarten<strong>getrennt</strong> konvex.Umgekehrt, sei b(·, ·) : R × R −→ R <strong>getrennt</strong> konvex; dann ist{( ) ∣∣∣∣ ((x 0x 0f : x, y ∈ R}⊂ M 2×2 (R) −→ R, f0 y0 y)) b (x, y) (5.2)e<strong>in</strong> Rang-1-konvexes Funktional.Beweis. Sei f Rang-1-konvex. Wir beweisen die Konvexität von b(·, y).(())(1 − α)x 1 + αx 2 0b ((1 − α) x 1 + αx 2 , y) = f=0 y(())(1 − α)x 1 + αx 2 0= f=0 (1 − α)y + αy( ( ) ( ))x 1 0 x 2 0= f (1 − α) + α0 y 0 y( ) ( )x 1 0 x 2 0Nun ist aber <strong>der</strong> Rang <strong>der</strong> Differenz− gleich 1. Es folgt:0 y 0 y( ( ) ( ))x 1 0 x 2 0f (1 − α) + α≤0 y 0 y(( )) (( ))x 1 0 x 2 0≤ (1 − α)f+ αf=0 y0 y= (1 − α) b (x 1 , y) + αb (x 2 , y)Ähnlich wird die Konvexität <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Variablen bewiesen.( ) (x 1 0Sei nun b (·, ·) <strong>getrennt</strong> konvex. Seien weiterh<strong>in</strong> zwei Punkte und0 y 1<strong>in</strong> M 2×2 (R) so, dassRang[() (x 1 0−0 y 1x 2 00 y 2)]= 1)x 2 00 y 2Diese Bed<strong>in</strong>gung ist äquivalent zu:⎧ ()⎪⎨ x 1 − x 2 0det= 00 y 1 − y 2⎪⎩x 1 − x 2 ≠ 0 o<strong>der</strong> y 1 − y 2 ≠ 0


5.2 Beziehung zur Quasikonvexität 43und damit zu: {x 1 = x 2 , y 1 ≠ y 2 o<strong>der</strong>Im ersten dieser Fälle folgt:( ( ) (x 1 0f (1 − α) + α0 y 1(( ) (x 1 0= f + α0 y 1= f(()x 1 0+ α0 y 1(x 1 ≠ x 2 , y 1 = y 2x 2 00 y 2))=))x 2 − x 1 0=0 y 2 − y 1))0 0= f0 y 2 − y 1((= b (x 1 , (1 − α)y 1 + αy 2 ) ≤ (1 − α)b(x 1 , y 1 ) + αb (x 1 , y 2 ) == (1 − α)f() (x 1 0+ αf0 y 1) (x 1 0= (1 − α)f0 y 2x 1 00 (1 − α)y 1 + αy 2))=Analog lässt sich <strong>der</strong> zweite Fall behandeln. f ist also Rang-1-konvex.) (x 1 0+ αf0 y 1)x 2 00 y 25.2 Beziehung zur QuasikonvexitätDie Beziehung zur Quasikonvexität lässt sich mit Hilfe <strong>der</strong> eben bewiesenen Identifizierunguntersuchen. Die folgenden Sätze stammen von Müller ([50]).Theorem 5.2.1. Sei f : IR 2 −→ IR e<strong>in</strong>e <strong>getrennt</strong> konvexe Funktion, die e<strong>in</strong>e Wachstumsbed<strong>in</strong>gung<strong>der</strong> Form 0 ≤ f(x, y) ≤ C (1+ ‖(x, y)‖ 2 ) erfüllt. Sei U ⊆ IR 2 e<strong>in</strong>e offeneMenge und (u j ) j , (v j ) j zwei Funktionenfolgen so, dass:u j ⇀ u ∞ ,v j ⇀ v ∞ <strong>in</strong> L 2 loc (U),∂u j∂y → ∂u ∞∂y ,∂v j∂x → ∂v ∞∂x<strong>in</strong> H−1loc (U).Dann gilt für jede offene Menge V ⊆ U:∫∫f(u ∞ , v ∞ ) dxdy ≤ lim <strong>in</strong>fj→ ∞VVf(u j , v j ) dxdyKorollar 5.2.2. Sei b(·, ·) : R × R −→ R <strong>getrennt</strong> konvex und{( ) ∣∣∣∣ ((x 0x 0f : x, y ∈ R}⊂ M 2×2 (R) −→ R, f0 y0 y)) b (x, y)


44 5 Beziehung zu den an<strong>der</strong>en Konvexitätsartendie assoziierte Rang-1-konvexe Funktion.Für jedes ε > 0 und für jede kompakte Menge K ⊂ M 2×2 (R) existiert e<strong>in</strong>e quasikonvexeFunktion g : M 2×2 (R) −→ R so, dass ‖f − g‖< ε auf K.5.3 HüllenAus mengentheoretischer Sicht ist die Hülle e<strong>in</strong>er gegebenen Menge die – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zupräzisierenden S<strong>in</strong>n – kle<strong>in</strong>ste Menge, welche die gegebene Menge enthält und e<strong>in</strong>e gewisseEigenschaft besitzt. Diese ganz allgeme<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition ist nicht immer e<strong>in</strong>deutig: Manwähle, zum Beispiel, die Menge <strong>der</strong> reellen Intervalle und die Eigenschaft, dass e<strong>in</strong> Intervallan m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>em Ende abgeschlossen ist. Dann gibt es für e<strong>in</strong> beidseitig offenes Intervallzwei gleichwertige Möglichkeiten, diese Eigenschaft zu erfüllen – die Hülle ist nichte<strong>in</strong>deutig. Man muss daher jedes Mal, wenn e<strong>in</strong>e Hülle def<strong>in</strong>iert wird, darauf achten, daßdie Konsistenz <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition gewährleistet ist.Def<strong>in</strong>ition Sei A ⊆ X e<strong>in</strong>e Menge. Die (mengentheoretische) konvexe Hülle <strong>der</strong> MengeA ist die Mengeco(A) = ⋂ {M ⊆ X | A ⊆ M, M konvex } (5.3)Diese Def<strong>in</strong>ition lässt sich für alle e<strong>in</strong>geführten Konvexitätsarten anwenden. Wir sprechendann von <strong>der</strong> poly<strong>konvexen</strong>, quasi<strong>konvexen</strong> o<strong>der</strong> Rang-1-<strong>konvexen</strong> Hülle.Für die oben genannten Konvexitätsarten hat sich e<strong>in</strong>e weitere Hülle als wichtig erwiesen,die funktionale Hülle.Def<strong>in</strong>ition Sei A ⊆ X e<strong>in</strong>e Menge. Die funktionale konvexe Hülle <strong>der</strong> Menge A ist dieMengeco(A) = {x ∈ X | f(x) ≤ sup{f(y) | y ∈ A} für alle <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> f} (5.4)Auch diese Def<strong>in</strong>ition lässt sich für an<strong>der</strong>e Konvexitätsarten anwenden. Je nachdem, obman <strong>in</strong> <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition nur endliche o<strong>der</strong> auch erweiterte <strong>Funktionale</strong> zulässt, können sichdie dadurch def<strong>in</strong>ierten funktionalen Hüllen unterscheiden.Unterschiede kann es auch zwischen <strong>der</strong> mengentheoretischen und <strong>der</strong> funktionalen Hüllee<strong>in</strong>er und <strong>der</strong>selben Menge geben; dabei ist die mengentheoretische Hülle stets <strong>in</strong> <strong>der</strong>funktionalen Hülle enthalten.Die funktionalen Hüllen spielen e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle bei <strong>der</strong> mathematischen Modellierungund <strong>der</strong> numerischen Behandlung nichtl<strong>in</strong>earer Systeme partieller Differentialgleichungenund <strong>in</strong> <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Mikrostrukturen <strong>in</strong> festen Körpern (Matoušek and Plecháč[43], Matoušek [44], Székelyhidi [63]).


5.3 Hüllen 45Ähnliche Überlegungen gelten auch im Fall <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>.Def<strong>in</strong>ition Die konvexe Hülle ¯f e<strong>in</strong>es beliebigen Funktionals f wird als Supremum aller<strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>, die kle<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> gleich f s<strong>in</strong>d, def<strong>in</strong>iert:¯f = sup{h konvex | h ≤ f} (5.5)Die konvexe Hülle e<strong>in</strong>es Funktionals ist selbst e<strong>in</strong> konvexes Funktional. Dies ist auch e<strong>in</strong>enatürliche Art, e<strong>in</strong> beliebiges Funktional zu konvexifizieren, das heißt, ihm e<strong>in</strong> möglichstnaheliegendes konvexes Funktional zuzuordnen. Dieses Verfahren wird oft auch Regularisierunggenannt, da man dadurch e<strong>in</strong> Funktional mit zusätzlichen Eigenschaften erhält(<strong>in</strong> diesem Fall, die Konvexität).Ist das Funktional f selbst konvex, so stimmt die konvexe Hülle mit f übere<strong>in</strong>: ¯f = f.E<strong>in</strong>e grundlegende Eigenschaft <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> ist, dass man sich <strong>in</strong> <strong>der</strong> obigenDef<strong>in</strong>ition auf aff<strong>in</strong>e <strong>Funktionale</strong> beschränken kann:Satz 5.3.1. Die konvexe Hülle e<strong>in</strong>es beliebigen Funktionals f ist das Supremum alleraff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong>, die kle<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> gleich f s<strong>in</strong>d:¯f = sup{h aff<strong>in</strong> | h ≤ f} (5.6)Man braucht also bei <strong>der</strong> Konstruktion e<strong>in</strong>er <strong>konvexen</strong> Hülle nur die aff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong>zu berücksichtigen - dies ist, zum Beispiel, für numerische Verfahren vorteilhaft.Als Korollar folgt sofort, dass e<strong>in</strong> konvexes Funktional als Hülle von aff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong>nbetrachtet werden kann (da <strong>in</strong> diesem Fall ¯f = f ist).Man stellt sich nun die Frage, ob ähnliche Eigenschaften auch für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong>gelten.Zuerst merkt man, dass man den Begriff e<strong>in</strong>er <strong>getrennt</strong> konvexe Hülle ohne E<strong>in</strong>schränkunge<strong>in</strong>führen kann:Satz 5.3.2. Das Supremum e<strong>in</strong>er beliebigen Menge <strong>getrennt</strong> konvexer <strong>Funktionale</strong> ist<strong>getrennt</strong> konvex.Beweis. Seig (x, y ∗ ) = sup{f α (x, y ∗ ) | f α <strong>getrennt</strong> konvex ∀α ∈ A}Legt man x fest, so s<strong>in</strong>d alle <strong>Funktionale</strong> f α (x, ·) konvex und damit auch das Funktionalg(x, ·). Analog <strong>in</strong> <strong>der</strong> Variablen y ∗ . g ist also <strong>getrennt</strong> konvex.Dieser Satz garantiert die Konsistenz <strong>der</strong> folgenden Def<strong>in</strong>ition.


46 5 Beziehung zu den an<strong>der</strong>en KonvexitätsartenDef<strong>in</strong>ition Die <strong>getrennt</strong> konvexe Hülle e<strong>in</strong>es beliebigen Funktionals g (x, y ∗ ) ist das Supremumaller <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>, die kle<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> gleich g s<strong>in</strong>d:ḡ (x, y ∗ ) = sup{h (x, y ∗ ) <strong>getrennt</strong> konvex | h ≤ g} (5.7)Die <strong>getrennt</strong> konvexe Hülle e<strong>in</strong>es <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionals g stimmt mit g übere<strong>in</strong>:ḡ = g.Um die <strong>getrennt</strong> konvexe Hülle praktisch zu konstruieren wäre es wünschenswert, dieMenge <strong>der</strong> <strong>Funktionale</strong>, über die das Supremum gebildet wird, wie im Fall <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong>Hüllen zu reduzieren. Die aff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong> s<strong>in</strong>d aber zu grob“ für diesen Zweck: Die”Hülle, die sie generieren würden, wäre global konvex. Die natürliche Lösung für diesesProblem s<strong>in</strong>d die biaff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong> (d. h. <strong>Funktionale</strong> <strong>der</strong> Form a〈y ∗ −y0, ∗ x−x 0 〉+b).E<strong>in</strong>erseits ist jedes biaff<strong>in</strong>e Funktional <strong>getrennt</strong> konvex. An<strong>der</strong>seits gilt:Satz 5.3.3. Das Supremum e<strong>in</strong>er beliebigen Menge biaff<strong>in</strong>er <strong>Funktionale</strong> ist <strong>getrennt</strong> konvex.Beweis. Seig (x, y ∗ ) = sup{f α (x, y ∗ ) | f α biaff<strong>in</strong> ∀α ∈ A}Legt man x fest, so s<strong>in</strong>d alle <strong>Funktionale</strong> f α (x, ·) aff<strong>in</strong> und damit ihr Supremum, g(x, ·),konvex. Analog <strong>in</strong> <strong>der</strong> Variablen y ∗ . g ist also <strong>getrennt</strong> konvex.Dieser Satz erlaubt uns, die biaff<strong>in</strong>e Hülle e<strong>in</strong>es beliebigen Funktionals zu def<strong>in</strong>ieren.Def<strong>in</strong>ition Sei f (x, y ∗ ) e<strong>in</strong> beliebiges Funktional. Die biaff<strong>in</strong>e Hülle ˜f (x, y ∗ ) des Funktionalsf ist das Supremum aller biaff<strong>in</strong>en <strong>Funktionale</strong>, die kle<strong>in</strong>er o<strong>der</strong> gleich f s<strong>in</strong>d:˜f (x, y ∗ ) = sup{h (x, y ∗ ) | h biaff<strong>in</strong> , h ≤ f} (5.8)Die biaff<strong>in</strong>e Hülle e<strong>in</strong>es Funktionals ist, laut Satz 5.3.3, <strong>getrennt</strong> konvex. Sie ist, im Allgeme<strong>in</strong>en,kle<strong>in</strong>er als die <strong>getrennt</strong> konvexe Hülle desselben Funktionals, da das Supremumnur über e<strong>in</strong>e Teilmenge gebildet wird.


6 E<strong>in</strong>deutigkeit 47Kapitel 6E<strong>in</strong>deutigkeitWir haben <strong>in</strong> Abschnitt 4.2, Lemma 4.2.1 gesehen, dass e<strong>in</strong> Bipotential b(·, ·) niemalsalle<strong>in</strong> auftritt: Die Menge {b(·, ·) + c | c ∈ IR} enthält weitere Bipotentiale, welche diegleichen impliziten Beziehungen zwischen den dualen Variablen erzeugen. Dies führte zurBemerkung, die E<strong>in</strong>deutigkeit des Bipotentials durch die Wahl <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>sten Konstantenc zu erzw<strong>in</strong>gen.Ausgehend von impliziten Beziehungen zwischen den dualen Variablen ist es nicht gewährleistet,dass sie e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Bipotential entstammen können.An<strong>der</strong>seits, falls man für e<strong>in</strong> implizites Gesetz mehrere Bipotentiale konstruieren kann,so könnten e<strong>in</strong>ige davon besser für die Anwendung numerischer Methoden geeignet se<strong>in</strong>o<strong>der</strong> bessere Regularitätseigenschaften besitzen als die an<strong>der</strong>en.Aus diesem Grund ist es wichtig, diverse E<strong>in</strong>deutigkeit gewährleistende Hypothesen zuanalysieren.6.1 E<strong>in</strong>deutigkeit gewährleistende HypothesenE<strong>in</strong>e erste zusätzliche Hypothese wäre, dass die Bipotentialungleichung <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destense<strong>in</strong>em Punkt (x 0 , y0 ∗) als Gleichung erfüllt wird: b (x 0, y0 ∗) = 〈y∗ 0 , x 0〉.Allgeme<strong>in</strong> stellt die Bipotentialungleichung sicher, dass b(·, ·) e<strong>in</strong>e biaff<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>orante besitzt:nämlich 〈y ∗ , x〉. Dies erlaubt im Allgeme<strong>in</strong>en für Bipotentiale die Konstruktion <strong>der</strong>biaff<strong>in</strong>en Hülle (da die Menge <strong>der</strong> biaff<strong>in</strong>en M<strong>in</strong>oranten nicht leer ist). Außerdem wird diebiaff<strong>in</strong>e Hülle, da als Supremum def<strong>in</strong>iert, ebenfalls die Bipotentialungleichung erfüllenund damit selbst e<strong>in</strong> Bipotential se<strong>in</strong>. Wir haben hiermit den folgenden Satz bewiesen:Satz 6.1.1. Die biaff<strong>in</strong>e Hülle e<strong>in</strong>es Bipotentials ist e<strong>in</strong> Bipotential.Diese Operation entspricht e<strong>in</strong>er Regularisierungsmethode: E<strong>in</strong>em Bipotential b kann e<strong>in</strong>-


48 6 E<strong>in</strong>deutigkeitdeutig e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres (daher auch mit besseren Regularitätseigenschaften ausgestattetes)Bipotential zugeordnet werden, nämlich se<strong>in</strong>e biaff<strong>in</strong>e Hülle.Wir verstärken nun die Hypothese im folgenden S<strong>in</strong>n: Sei b(·, ·) e<strong>in</strong> <strong>getrennt</strong> konvexesFunktional, welches an je<strong>der</strong> Stelle (x 0 , y0 ∗ ) e<strong>in</strong>e biaff<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>orante f(·, ·) besitzt, die denselbenWert wie b hat:b (x, y ∗ ) ≥ f (x, y ∗ ) , b (x 0 , y ∗ 0) = f (x 0 , y ∗ 0) (6.1)In diesem Fall stimmt b mit se<strong>in</strong>er biaff<strong>in</strong>en Hülle übere<strong>in</strong>. Dies wäre also e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>deutigkeitgewährleistende Hypothese.Für e<strong>in</strong>e Familie von Bipotentialen kann man ebenfalls die biaff<strong>in</strong>e Hülle als Bipotentialassoziieren.6.2 E<strong>in</strong>deutigkeit durch e<strong>in</strong>e konsistente Def<strong>in</strong>ition<strong>der</strong> DissipationVon mechanischem Standpunkt modelliert man durch Bipotentiale <strong>in</strong> den meisten Fällendie Dissipationsenergie – für e<strong>in</strong> gegebenes Materialmodell sollte diese Def<strong>in</strong>ition selbstverständlichkonsistent se<strong>in</strong>.Falls e<strong>in</strong> Materialgesetz e<strong>in</strong>e Modellierung mit Hilfe verschiedener Bipotentiale zulässt,so kann man die Dissipation als biaff<strong>in</strong>e Hülle all dieser Bipotentiale def<strong>in</strong>ieren. Dadurchwerden, wie soeben gesehen, auch die Regularitätseigenschaften dieses Funktionals verbessert,was sich für die Anwendung numerischer Methoden als bedeutend herausstellenkönnte.6.3 Invarianz bei Koord<strong>in</strong>atentransformationenMan kann die <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> entwe<strong>der</strong> funktionalanalytisch, def<strong>in</strong>iertauf dem Produkt dualer Räume, o<strong>der</strong> aber geometrisch, def<strong>in</strong>iert auf dem Produkt desselbenRaumes, betrachten. In diesem letzten Fall spielen die Variablen die Rolle vonKoord<strong>in</strong>aten, y ∗ wird zu y, welches sich im selben Raum bef<strong>in</strong>det wie die Variable x:f(x, y) : X × X −→ IR.In beiden Fällen ist es von Bedeutung, die Folgen von Koord<strong>in</strong>atentransformationen zuuntersuchen und jene Eigenschaften und Ausdrücke zu f<strong>in</strong>den, welche koord<strong>in</strong>atensystemunabhängigs<strong>in</strong>d (mit an<strong>der</strong>en Worten, die Invarianten).Ergebnisse dieser Art f<strong>in</strong>det man bei Valleé (persönliche Mitteilung).


6.4 Hills Bipotential 496.4 Hills BipotentialGesucht wird e<strong>in</strong> Materialgesetz <strong>in</strong> den Tensoren S und E, welches koaxial ist und dieReihenfolge <strong>der</strong> Eigenwerte erhält. Unter koaxial versteht man, dass die Tensoren S undE dieselben Eigenvektoren besitzen.Seien λ i (S), λ i (E), i = 1, 3 die Eigenwerte von S und E so, dass λ 1 (S) ≥ λ 2 (S) ≥ λ 3 (S)und λ 1 (E) ≥ λ 2 (E) ≥ λ 3 (E).Satz 6.4.1. Das Funktionalb(S, E) λ 1 (S)λ 1 (E) + λ 2 (S)λ 2 (E) + λ 3 (S)λ 3 (E) (6.2)ist e<strong>in</strong> Bipotential, welches e<strong>in</strong> koaxiales Materialgesetz <strong>in</strong> S und E unter Erhaltung <strong>der</strong>Reihenfolge <strong>der</strong> Eigenwerte beschreibt.Der Beweis, sowie weitere Eigenschaften des Hill’schen Bipotentials s<strong>in</strong>d bei Valleé, Ler<strong>in</strong>tiu,Ban, Fortuné, de Saxcé [68] und bei Ban, Valleé, Ler<strong>in</strong>tiu [8] zu f<strong>in</strong>den.


50 7 ExistenzsatzKapitel 7Existenzsatz7.1 Rolle <strong>der</strong> HalbstetigkeitIn diesem Abschnitt werden wir die Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong>untersuchen.Def<strong>in</strong>ition Laut Def<strong>in</strong>ition ist e<strong>in</strong>e Funktion f : X −→ IR def<strong>in</strong>iert auf e<strong>in</strong>em topologischenRaum X genau dann stetig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt x 0 ∈ X, wenn für jedes ε > 0 e<strong>in</strong>eUmgebung U ∈ V(x 0 ) von x 0 gefunden werden kann so, dassf(x 0 ) − ε ≤ f(U) ≤ f(x 0 ) + ε (7.1)Mit an<strong>der</strong>en Worten, man kann immer e<strong>in</strong>e Umgebung U von x 0 f<strong>in</strong>den so, dass alle Werte<strong>in</strong> f(U) sich beliebig nahe an f(x 0 ) bef<strong>in</strong>den.Betrachtet man die zwei Ungleichungen aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition <strong>getrennt</strong>, so kann man denBegriff <strong>der</strong> Unter- und Oberhalbstetigkeit e<strong>in</strong>führen. Die erste Ungleichung, f(x 0 ) − ε ≤f(U), ist die Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Unterhalbstetigkeit und besagt, dass die <strong>in</strong> f(U) enthaltenenWerte von unten beliebig nahe an f(x 0 ) herankommen. Analog wird die Oberhalbstetigkeite<strong>in</strong>geführt. Da e<strong>in</strong>e Funktion f genau dann oberhalbstetig ist, wenn −f unterhalbstetigist, werden wir uns nur noch mit <strong>der</strong> Unterhalbstetigkeit befassen.Falls die Topologie auf X durch konvergente Folgen def<strong>in</strong>iert werden kann, wird die Unterhalbstetigkeit<strong>in</strong> x 0 auch durch die Ungleichunge<strong>in</strong>geführt.lim <strong>in</strong>fx−→x 0f(x) ≥ f(x 0 ) (7.2)Unterschiedliche Topologien auf X führen zu unterschiedlichen Begriffen <strong>der</strong> Halbstetigkeit.Man kann, zum Beispiel, über schwach unterhalbstetige Funktionen reden, falls aufX die schwache Topologie e<strong>in</strong>geführt wird.


7.1 Rolle <strong>der</strong> Halbstetigkeit 51Die Halbstetigkeit kann auch auf e<strong>in</strong>em ganzen Bereich aus X gelten, wenn die Funktion<strong>in</strong> jedem Punkt des Bereiches halbstetig ist.Für Funktionen von zwei Variablen kann man die <strong>getrennt</strong>e Halbstetigkeit folgen<strong>der</strong>maßene<strong>in</strong>führen.Def<strong>in</strong>ition Sei f : X × Y −→ IR. f ist unterhalbstetig <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Variablen im Punkt(x 0 , y 0 ), wenn die Funktion x ↦−→ f(x, y 0 ) unterhalbstetig <strong>in</strong> x 0 ist.Mit Hilfe von Folgen kann man diese Def<strong>in</strong>ition durch die Ungleichungausdrücken.lim <strong>in</strong>fx−→x 0f(·, y 0 ) ≥ f(x 0 , y 0 ) (7.3)Analog def<strong>in</strong>iert man die Unterhalbstetigkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Variablen.Schließlich führt man die <strong>getrennt</strong>e Halbstetigkeit e<strong>in</strong>.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong>e Funktion f : X × Y −→ IR ist <strong>getrennt</strong> unterhalbstetig im Punkt(x 0 , y 0 ), wenn sie <strong>in</strong> je<strong>der</strong> <strong>der</strong> beiden Variablen <strong>in</strong> diesem Punkt unterhalbstetig ist.Die globale Halbstetigkeit (bezogen auf die Produkttopologie) impliziert die <strong>getrennt</strong>eHalbstetigkeit. Die zwei Begriffe s<strong>in</strong>d aber nicht äquivalent: E<strong>in</strong>e <strong>getrennt</strong> halbstetigeFunktion ist nicht unbed<strong>in</strong>gt auch global halbstetig. E<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung, damitdie zwei Begriffe übere<strong>in</strong>stimmen, wird im folgenden Satz angegeben.Satz 7.1.1. Sei f : X ×Y −→ IR <strong>getrennt</strong> unterhalbstetig. Falls f <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> Variablengleichmäßig unterhalbstetig ist, so ist f global unterhalbstetig.Beweis. Die <strong>getrennt</strong>e Unterhalbstetigkeit lässt sich folgen<strong>der</strong>maßen ausdrücken:∀y, ∀ε > 0 ∃U = U(y) ∈ V(x 0 ) mit f(x 0 , y) − ε ≤ f(U, y)∀x, ∀ε > 0 ∃V = V (x) ∈ V(y 0 ) mit f(x, y 0 ) − ε ≤ f(x, V )bzw. <strong>in</strong> <strong>der</strong> Fassung mit Folgen:∀y, ∀ε > 0 ∃U = U(y) ∈ V(x 0 ) mit f(x 0 , y) ≤ lim <strong>in</strong>fx∀x, ∀ε > 0 ∃V = V (x) ∈ V(y 0 ) mit f(x, y 0 ) ≤ lim <strong>in</strong>fyf(x, y)f(x, y)Sei nun f gleichmäßig unterhalbstetig <strong>in</strong> <strong>der</strong> Variablen y: ∀y ∃V ∈ V(y) so, dass∀ȳ ∈ V, ∀ε > 0 ∃U ∈ V(x 0 ) unabhängig von ȳ mit f(x 0 , ȳ) − ε ≤ f(U, ȳ)


52 7 ExistenzsatzSei dann e<strong>in</strong>e konvergente Folge (x n , y n ) −→ (˜x, ỹ). E<strong>in</strong>erseits gibt es e<strong>in</strong>e Zahl m mit <strong>der</strong>Eigenschaft y n ∈ V für n ≥ m. Für n ≥ m gilt also:∀ε ∃U ∈ V(˜x) mit f(˜x, y n ) − ε 2 ≤ f(U, y n)An<strong>der</strong>seits gilt:∀ε ∃V ′ ∈ V(ỹ) mit f(˜x, ỹ) − ε 2≤ f(˜x, y) für y ∈ V′Es gibt e<strong>in</strong>e Zahl p ≥ m mit <strong>der</strong> Eigenschaft y n ∈ V ′ für n ≥ p, also gilt die Ungleichungauch für alle y n mit n ≥ p:f(˜x, ỹ) − ε 2 ≤ f(˜x, y n) für n ≥ pFügt man die zwei Ungleichungen zusammen, so erhält manf(˜x, ỹ) − ε ≤ f(x n , y n ) für n ≥ pund damit die globale Unterhalbstetigkeit von f.7.2 Globale EigenschaftenWir wollen nun den Übergang von <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionen zu <strong>Funktionale</strong>n analysierenund beobachten, ob durch diesen Übergang die grundlegenden Eigenschaften <strong>der</strong><strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktion erhalten bleiben. Das Vorbild kommt aus <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis.Satz 7.2.1. Sei f : X −→ IR e<strong>in</strong>e konvexe Funktion und F das assoziierte FunktionalF(u) = ∫ f(u(x))dx. Dann ist F ebenfalls konvex.ΩBeweis. Man sieht, dass:∫F(αu 1 + (1 − α)u 2 ) =f(αu 1 (x) + (1 − α)u 2 (x))dx ≤∫≤Ω∫αf(u 1 (x)) + (1 − α)f(u 2 (x))dx ≤ αf(u 1 (x))dx +Ω∫+(1 − α)f(u 2 (x))dx = αF(u 1 ) + (1 − α)F(u 2 )ΩΩF ist daher konvex.Allgeme<strong>in</strong>er gilt sogar:


7.2 Globale Eigenschaften 53Satz 7.2.2. Sei f : X × Y −→ IR e<strong>in</strong>e <strong>getrennt</strong> konvexe Funktion und F das FunktionalF(u) = ∫ f(x, u(x))dx. Dann ist F konvex.ΩBeweis. Wie im vorangehenden Satz gilt:∫F(αu 1 + (1 − α)u 2 ) =f(x, αu 1 (x) + (1 − α)u 2 (x))dx =∫=Ωf(βx + (1 − β)x, αu 1 (x) + (1 − α)u 2 (x))dxΩfür beliebige Werte von β ∈ [0, 1]. Wir wenden nun die <strong>getrennt</strong>e Konvexität an:∫f(βx + (1 − β)x, αu 1 (x) + (1 − α)u 2 (x))dx ≤Ω∫≤αβf(x, u 1 (x)) + α(1 − β)f(x, u 1 (x)) +Ω+(1 − α)βf(x, u 2 (x)) + (1 − α)(1 − β)f(x, u 2 (x))dxFür β = α reduziert sich dieser letzte Ausdruck auf:∫αf(x, u 1 (x)) + (1 − α)f(x, u 2 (x))dx = αF(u 1 ) + (1 − α)F(u 2 )ΩDamit ist das Funktional F konvex.Schließlich kann man e<strong>in</strong>en dritten Satz dieser Art beweisen.Satz 7.2.3. Sei f : X × Y −→ IR e<strong>in</strong>e <strong>getrennt</strong> konvexe Funktion und F das FunktionalF(u, v) = ∫ f(u(x), v(x))dx. Dann ist F ebenfalls <strong>getrennt</strong> konvex.ΩBeweis. Um die Konvexität <strong>in</strong> <strong>der</strong> ersten Variablen zu beweisen, geht man folgen<strong>der</strong>maßenvor.∫F((1 − α)u 1 + αu 2 , v) = f((1 − α)u 1 (x) + αu 2 (x), v(x))dx ≤∫≤Ω∫(1 − α)f(u 1 (x), v(x))dx +ΩΩαf(u 2 (x), v(x))dx == (1 − α)F(u 1 , v) + αF(u 2 , v)Analog lässt sich die Konvexität <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Variablen beweisen. Damit ist F e<strong>in</strong><strong>getrennt</strong> konvexes Funktional.


54 7 ExistenzsatzDarüber h<strong>in</strong>aus kann man auch die Bipotentiale aus diesem Standpunkt betrachten undbeweisen, dass auch die Bipotentialungleichung im untenstehenden S<strong>in</strong>n erhalten bleibt.Satz 7.2.4. Sei f : X × Y −→ IR e<strong>in</strong>e Funktion mit <strong>der</strong> Eigenschaft f(x, y) ≥ 〈x, y〉.Def<strong>in</strong>iert man nun F(u, v) = ∫ f(u(x), v(x))dx und e<strong>in</strong> Produkt auf den dualen RäumenΩ<strong>der</strong> Form 〈u, v〉 = ∫ u(x)v(x)dx, so gilt F(u, v) ≥ 〈u, v〉. Falls es Punkte x Ω 0, y 0 gibt,<strong>in</strong> denen f(x 0 , y 0 ) = 〈x 0 , y 0 〉, so gibt es auch Funktionen u 0 , v 0 , für welche F(u 0 , v 0 ) =〈u 0 , v 0 〉.Beweis. Der Beweis basiert auf den Eigenschaften des Integrals.∫∫F(u, v) = f(u(x), v(x))dx ≥ 〈u(x), v(x)〉dx = 〈u, v〉ΩΩFür den zweiten Teil def<strong>in</strong>ieren wir die konstanten Funktionen u 0 (x) = x 0 und v 0 (x) = y 0 .Dann gilt:∫∫ ∫F(u 0 , v 0 ) = f(u 0 (x), v 0 (x))dx = f(x 0 , y 0 )dx = 〈x 0 , y 0 〉dx =∫=Ω〈u 0 (x), v 0 (x)〉dx = 〈u 0 , v 0 〉ΩΩΩ7.3 Existenz lokaler M<strong>in</strong>imaWie <strong>in</strong> Kapitel 2 bereits gesehen, hängt die Existenz e<strong>in</strong>es M<strong>in</strong>imums praktisch nicht vonden Konvexitätseigenschaften des Funktionals ab. Die für konvexe <strong>Funktionale</strong> entwickelteMethode gilt daher auch für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong>. Die Unterschiede treten erst<strong>in</strong> <strong>der</strong> Beziehung zwischen lokalen und globalen M<strong>in</strong>ima zum Vorsche<strong>in</strong>.Für konvexe <strong>Funktionale</strong> gilt nämlich, dass alle lokalen M<strong>in</strong>ima denselben Wert habenmüssen (und damit globale M<strong>in</strong>ima s<strong>in</strong>d).Satz 7.3.1. Sei X e<strong>in</strong> Banachraum, f : X −→ IR e<strong>in</strong> konvexes Funktional und x 1 , x 2 ∈ Xlokale M<strong>in</strong>ima von f. Dann ist f(x 1 ) = f(x 2 ).Beweis. Nehmen wir an, dass f(x 2 ) < f(x 1 ). Dann gibt es um die lokalen M<strong>in</strong>ima x 1und x 2 Kugeln B(x 1 , r 1 ) und B(x 2 , r 2 ) so, dass f(x 1 ) ≤ f(x) für alle x ∈ B(x 1 , r 1 ) undf(x 2 ) ≤ f(x) für alle x ∈ B(x 2 , r 2 ).r 1Sei λ mit <strong>der</strong> Eigenschaft 0 < λ


7.4 E<strong>in</strong>deutigkeit des M<strong>in</strong>imums 55An<strong>der</strong>seits gilt: f (x λ ) = f((1 −λ)x 1 + λx 2 ) ≤ (1 −λ)f(x 1 ) + λf(x 2 ) < f(x 1 ). Dies ist e<strong>in</strong>Wi<strong>der</strong>spruch.Mit an<strong>der</strong>en Worten s<strong>in</strong>d die Werte <strong>der</strong> Funktion <strong>in</strong> den Punkten x λ auf <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungsstreckezwischen x 1 und x 2 kle<strong>in</strong>er als <strong>der</strong> größte <strong>der</strong> zwei Endwerte:f(x λ ) ≤ (1 − λ)f(x 1 ) + λf(x 2 ) < max{f(x 1 ), f(x 2 )}Dieser Endwert kann daher ke<strong>in</strong> lokales M<strong>in</strong>imum se<strong>in</strong>.Dieser Beweis ist für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong> nicht anwendbar, da solche <strong>Funktionale</strong>entlang <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungsstrecke zwischen zwei lokalen M<strong>in</strong>ima nicht konvex se<strong>in</strong> müssen.Es s<strong>in</strong>d also im Pr<strong>in</strong>zip echte lokale M<strong>in</strong>ima (mit unterschiedlichen Werten) möglich.Für <strong>getrennt</strong> konvexe <strong>Funktionale</strong> kann man die Tatsache, dass <strong>der</strong>en Sektionen konvexs<strong>in</strong>d, ausnutzen. Seien die MengenM y = {(x, y) | f(x, y) ≤ f(x ′ , y) ∀x ′ }undM x = {(x, y) | f(x, y) ≤ f(x, y ′ ) ∀y ′ }Sei M die Menge <strong>der</strong> globalen M<strong>in</strong>ima von f - dann giltM = {(x, y) | f(x, y) = <strong>in</strong>fy f(M y)} = {(x, y) | f(x, y) = <strong>in</strong>fx f(M x)}⋂An<strong>der</strong>seits muss e<strong>in</strong> lokales M<strong>in</strong>imum (x 0 , y 0 ) die Bed<strong>in</strong>gung (x 0 , y 0 ) ∈ M x0 My0 erfüllen.E<strong>in</strong>e weitere Bemerkung ist, dass zwei lokale M<strong>in</strong>ima mit verschiedenen Werten nicht <strong>in</strong><strong>der</strong> gleichen Sektion liegen können. Damit s<strong>in</strong>d lokale M<strong>in</strong>ima e<strong>in</strong>es <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong>Funktionals globale M<strong>in</strong>ima <strong>in</strong> den jeweiligen Sektionen.7.4 E<strong>in</strong>deutigkeit des M<strong>in</strong>imumsEs ist bekannt, dass es im Fall e<strong>in</strong>er streng <strong>konvexen</strong> Funktion nur e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges M<strong>in</strong>imumgeben kann. Diese Eigenschaft wird von streng <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionen nicht geerbt.Wir werden nun e<strong>in</strong>e Reihe von e<strong>in</strong>fachen Gegenbeispielen konstruieren. Die Konstruktionist erschwert durch die Tatsache, dass we<strong>der</strong> die Multiplikation, noch die Zusammensetzung<strong>der</strong> Funktionen die Konvexität erhalten.Lemma 7.4.1. Die Menge <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> ist nicht abgeschlossen bezüglich <strong>der</strong>Multiplikation von Funktionen.


56 7 ExistenzsatzBeweis. Wir schreiben zuerst, was die Konvexität des Produktes gh zweier <strong>Funktionale</strong>g und h heißen würde:(gh) ((1 − λ)x 0 + λx 1 ) ≤ (1 − λ)(gh)(x 0 ) + λ(gh)(x 1 ) (7.4)An<strong>der</strong>seits gilt:(gh) ((1 − λ)x 0 + λx 1 ) = g ((1 − λ)x 0 + λx 1 ) h ((1 − λ)x 0 + λx 1 ) ≤≤ ((1 − λ)g(x 0 ) + λg(x 1 ))((1 − λ)h(x 0 ) + λh(x 1 )) (7.5)E<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für die Konvexität von gh wäre dann:((1 − λ)g(x 0 ) + λg(x 1 ))((1 − λ)h(x 0 ) + λh(x 1 )) ≤ (1 − λ)(gh)(x 0 ) + λ(gh)(x 1 ) (7.6)o<strong>der</strong>, nach e<strong>in</strong>er Umgruppierung,λ(1 − λ) (g(x 1 ) − g(x 0 )) (h(x 1 ) − h(x 0 )) ≥ 0 (7.7)2y101 2 3 4 5x–1–2Abbildung 7.1: g(x) = (x − 1)(x − 2), h(x) = (x − 3)(x − 4), f = g · hUm e<strong>in</strong> Gegenbeispiel zu f<strong>in</strong>den, suchen wir zwei Funktionen, die diese Ungleichung nichterfüllen. Seien, zum Beispiel, g : R −→ R, g(x) = (x − x 0 ) 2 und h : R −→ R, h(x) =(x − x 1 ) 2 mit x 0 ≠ x 1 zwei offensichtlich konvexe Funktionen. Das Produkt gh ist nichtkonvex, da es die Konvexitätsbed<strong>in</strong>gung verletzt:(gh) (x 0 ) = 0, (gh) (x 1 ) = 0 (7.8)


7.4 E<strong>in</strong>deutigkeit des M<strong>in</strong>imums 57aberDamit ist( ) ( ) 2 ( ) 2 x0 + x 1 x1 − x 0 x0 − x 1(gh) =· = (x 0 − x 1 ) 4> 02 2 2 16(7.9)( 1(gh)2 x 0 + 1 )2 x 1 > 1 2 (gh)(x 0) + 1 2 (gh)(x 1) (7.10)E<strong>in</strong> ähnliches Beispiel ist <strong>in</strong> Abbildung 7.1 zu sehen.Lemma 7.4.2. Die Menge <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> ist nicht abgeschlossen bezüglich <strong>der</strong>Zusammensetzung von Funktionen.Beweis. Seien, zum Beispiel, wie <strong>in</strong> Abbildung 7.2, g : R −→ R, g(x) = x 2 und h : R −→R, h(x) = (x − 1)(x − 2). Die Funktionen g und h s<strong>in</strong>d quadratische Polynomfunktionenmit positivem Koeffizient und damit konvex. Ihre Zusammensetzung (g ◦ h)(x) = (x −1) 2 (x − 2) 2 ist aber nicht konvex, da e<strong>in</strong>erseits (g ◦ h)(1) = (g ◦ h)(2) = 0, an<strong>der</strong>seits(g ◦ h)(x) > 0 für 1 < x < 2 ist. Mit x λ = (1 − λ) · 1 + λ · 2 = 1 + λ verletzt dies dieKonvexitätsbed<strong>in</strong>gung (g ◦h) (x λ ) ≤ (1 −λ)(g ◦h)(1)+λ(g ◦h)(2) für alle 0 < λ < 1.10.80.6y0.40.200.5 1 1.5 2 2.5 3xAbbildung 7.2: (g ◦ h)(x) = (x − 1) 2 (x − 2) 2


58 7 Existenzsatz543210–1y121 1.5 2xAbbildung 7.3: f(x, y) = (x − 1) 2 y + (y − 1) 2 xSatz 7.4.3. E<strong>in</strong>e streng <strong>getrennt</strong> konvexe Funktion kann mehr als e<strong>in</strong> lokales M<strong>in</strong>imumhaben.Beweis. Wir werden e<strong>in</strong> Beispiel e<strong>in</strong>er streng <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktion konstruieren,die zwei lokale M<strong>in</strong>ima hat. Genauer gesagt, suchen wir e<strong>in</strong>e Polynomialfunktion f(x, y)mit dieser Eigenschaft. Durch diese Wahl lässt sich die Konvexitätsbed<strong>in</strong>gung leicht ausdrücken:∂ 2 f∂x 2 ≥ 0,∂ 2 f∂y 2 ≥ 0Wir konzentrieren uns auf Funktionen <strong>der</strong> Form: f(x, y) = g(x)y + h(y)x. Die Konvexitätsbed<strong>in</strong>gungschreibt sich nun: g ′′ (x)y ≥ 0, bzw. h ′′ (y)x ≥ 0. Wir wählen als Def<strong>in</strong>itionsbereichD = [0, 2] × [0, 2], g(x) = (x − 1) 2 und h(y) = (y − 1) 2 . Die darausresultierende Funktion f(x, y) = (x − 1) 2 y + (y − 1) 2 x ist streng <strong>getrennt</strong> konvex und positiv:f(x, y) ≥ 0 ∀(x, y) ∈ D. Man muss nur noch bemerken, dass f(0, 0) = f(1, 1) = 0,um daraus zu schließen, dass sowohl <strong>der</strong> Punkt (0, 0), als auch <strong>der</strong> Punkt (1, 1) lokaleM<strong>in</strong>ima von f darstellen (siehe auch Abbildung 7.3).An dieser Stelle s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> paar Bemerkungen angebracht. E<strong>in</strong>erseits merkt man, dass diezwei M<strong>in</strong>ima vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> isoliert s<strong>in</strong>d. Tatsächlich s<strong>in</strong>d beide M<strong>in</strong>ima streng und <strong>der</strong>Verlauf von f entlang <strong>der</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> zwei Punkte ist nicht konvex. Dies steht<strong>in</strong> klarem Gegensatz zum Fall <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionen. An<strong>der</strong>seits ist zu beachten, dass


7.4 E<strong>in</strong>deutigkeit des M<strong>in</strong>imums 59die Methode des steilsten Abstiegs alternativ <strong>in</strong> x- und y-Richtung nun zu jedem <strong>der</strong>beiden M<strong>in</strong>ima führen kann.Man könnte an diesem ersten Beispiel bemängeln, dass D, wenn auch konvex, ke<strong>in</strong>e offeneMenge ist und dass das e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>imum sich auf dem Rand von D bef<strong>in</strong>det. Wir geben nune<strong>in</strong> ganz allgeme<strong>in</strong>es Beispiel, das diese Schwächen beseitigt.Abbildung 7.4: f(x, y) = (x + y) 2 + s<strong>in</strong>(x − y)Beispiel Sei f : R 2 −→ R def<strong>in</strong>iert durch f(x, y) = (x + y) 2 + s<strong>in</strong>(x − y). f ist dann e<strong>in</strong>estreng <strong>getrennt</strong> konvexe Funktion mit e<strong>in</strong>er unendlichen Anzahl von isolierten M<strong>in</strong>ima(siehe Abbildung 7.4).Beweis. Man sieht, dassund∂ 2 f= 2 − s<strong>in</strong>(x − y) > 0 ∀x, y∂x2 ∂ 2 f= 2 − s<strong>in</strong>(x − y) > 0 ∀x, y∂y2 Daraus folgt, dass f streng <strong>getrennt</strong> konvex ist. Wenn man nun das System∂f= 2(x + y) + cos(x − y) = 0∂x∂f= 2(x + y) − cos(x − y) = 0∂y


60 7 Existenzsatzlöst, erhält man als Menge <strong>der</strong> Lösungen:( 2k + 1(x k , y k ) = π, − 2k + 1 )π , mit k ∈ Z.4 4Alle diese Punkte s<strong>in</strong>d isolierte lokale M<strong>in</strong>ima von f.7.5 Lokale und globale M<strong>in</strong>imaWir er<strong>in</strong>nern uns an Satz 7.3.1, <strong>der</strong> sagt, dass alle lokalen M<strong>in</strong>ima e<strong>in</strong>es <strong>konvexen</strong> Funktionalsdenselben Wert haben und dadurch auch globale M<strong>in</strong>ima s<strong>in</strong>d.Abbildung 7.5: f(x, y) = (x − 1) 2 y + (y − 1) 2 x + 1 2 xyDie <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Funktionen erben diese wichtige Eigenschaft nicht. Man kann dafürdie zuletzt konstruierten Gegenbeispiele betrachten: D = [0, 2]×[0, 2], f(x, y) = (x−1) 2 y+(y − 1) 2 x. Zwar ist <strong>in</strong> diesem Fall f(0, 0) = f(1, 1) = 0, aber man kann e<strong>in</strong>e Störung <strong>der</strong>Form εxy mit 0 < ε ≪ 1 h<strong>in</strong>zuaddieren. Dies än<strong>der</strong>t nichts an <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong>en Konvexität,da die Ableitungen zweiter Ordnung dieselben wie vor <strong>der</strong> Störung s<strong>in</strong>d. Der Punkt (0, 0)bleibt e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum, f(0, 0) = 0. Das an<strong>der</strong>e M<strong>in</strong>imum, <strong>der</strong> Punkt (1, 1), verschiebt sichleicht, liefert aber weiterh<strong>in</strong> e<strong>in</strong> lokales M<strong>in</strong>imum, dessen Wert nun verschieden von nullist (siehe Abbildung 7.5).Dasselbe gilt für das zweite Beispiel, die Funktion f(x, y) = (x + y) 2 + s<strong>in</strong>(x − y). E<strong>in</strong>eStörung <strong>der</strong> Form εxy än<strong>der</strong>t die partiellen Ableitungen zweiter Ordnung nicht, hat alsoke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die Konvexität: ˆf(x, y) = (x + y) 2 + s<strong>in</strong>(x − y) + εxy ist weiterh<strong>in</strong>streng <strong>getrennt</strong> konvex (siehe Abbildung 7.6). Um die M<strong>in</strong>ima zu f<strong>in</strong>den, stellt man das


7.5 Lokale und globale M<strong>in</strong>ima 61Abbildung 7.6: f(x, y) = (x + y) 2 + s<strong>in</strong>(x − y) + 110 xySystem∂f= 2(x + y) + cos(x − y) + εy = 0∂x∂f= 2(x + y) − cos(x − y) + εx = 0∂yauf. Durch Addition erhält man (2 + ε)(x + y) = 0, was zu y = −x führt. Die M<strong>in</strong>imahaben also die Form (x ∗ , −x ∗ ). Die Bestimmungsgleichung für x ∗ lautet:cos (2x ∗ ) = εx ∗Durch Wahl e<strong>in</strong>es genügend kle<strong>in</strong>en ε kann man e<strong>in</strong>e beliebig große Anzahl von Schnittpunktendes Graphen von cos(2x) mit <strong>der</strong> Geraden εx erhalten. Alle diese Schnittpunktedef<strong>in</strong>ieren isolierte lokale M<strong>in</strong>ima für ˆf, und die Werte haben die Formˆf (x ∗ , −x ∗ ) = s<strong>in</strong> (2x ∗ ) − εx 2 ∗können also im Betrag beliebig groß werden.


62 8 Das ISM-ModellKapitel 8Das ISM-ModellDie konvexe Analysis, dargestellt <strong>in</strong> den Werken von Moreau ([45]) und Rockafellar ([53]),hat e<strong>in</strong>e große Bedeutung für zahlreiche Bereiche <strong>der</strong> Mathematik (die klassische und diedirekte Methode <strong>der</strong> Variationsrechnung, die Theorie <strong>der</strong> Variationsungleichungen und dieTheorie des Quasidifferentials), <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong> (Elastizitätstheorie, Plastizitätstheorie undFormoptimierung) und <strong>der</strong> Ökonomie. Konvexitätsmethoden werden seit Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong><strong>Mechanik</strong> erfolgreich angewandt; auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite haben Probleme <strong>der</strong> <strong>Mechanik</strong> dieEntwicklung <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis vorangetrieben. In <strong>der</strong> Plastizitätstheorie basiert dasvon Halphen und Nguyen ([30]) e<strong>in</strong>geführte GSM-Modell auf <strong>konvexen</strong> Superpotentialen.Das GSM-Modell erreichte wegen se<strong>in</strong>er Allgeme<strong>in</strong>heit e<strong>in</strong>e große Verbreitung; durch e<strong>in</strong>egezielte Wahl geeigneter <strong>in</strong>ternen Variablen und assoziierten Potentialen kann man e<strong>in</strong>ebreite Palette von Materialverhalten abdecken. Das GSM-Modell setzt aber e<strong>in</strong>e expliziteForm des Materialgesetzes voraus, wobei die Variablen (generalisierte Dehnungen undSpannungen) <strong>getrennt</strong> auftreten müssen. Auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite gibt es Materialgesetze,die ke<strong>in</strong> konvexes Superpotential zulassen. Aus diesem Grund hat man versucht, das GSM-Modell auf nichtkonvexe Energiefunktionale zu erweitern (e<strong>in</strong>e Übersicht f<strong>in</strong>det man <strong>in</strong>Panagiotopoulos [51]). Die Entwicklung <strong>der</strong> subdifferentialen Analysis für nichtkonvexe<strong>Funktionale</strong> ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> wichtigsten Erfolge <strong>in</strong> dieser Richtung.E<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er Weg, um das GSM-Modell zu erweitern, wurde von de Saxcé durch die Def<strong>in</strong>itiondes Bipotentials und die E<strong>in</strong>führung des ISM-Modells vorgeschlagen. Das ISM-Modellerlaubt sowohl Materialgleichungen <strong>in</strong> impliziter, gekoppelter Form, als auch nichtkonvexeEnergiefunktionale. Zahlreiche Anwendungsbeispiele wurden <strong>in</strong> den Arbeiten von deSaxcé und se<strong>in</strong>en Mitarbeitern ([57], [59]) analysiert.


8.1 Thermodynamische Formulierung 638.1 Thermodynamische FormulierungIn <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uumsmechanik spielen die dissipativen Materialgesetze e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle.Jenseits <strong>der</strong> Elastizitätstheorie trifft man e<strong>in</strong>e große Anzahl von Modellen aus den unterschiedlichstenBereichen, die e<strong>in</strong> nichtkonservatives Verhalten aufweisen. In ursprünglicherForm s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesen Fällen die Potentialmethoden <strong>der</strong> Elastizitätstheorie nicht anwendbar.Der Zustand e<strong>in</strong>es Körpers wird im Rahmen <strong>der</strong> Kont<strong>in</strong>uumsmechanik durch e<strong>in</strong>en Satz χvon Zustandsvariablen beschrieben. Solche Zustandsvariablen können, zum Beispiel, <strong>der</strong>Verschiebungsvektor u, <strong>der</strong> Dehnungstensor ε, <strong>der</strong> Tensor <strong>der</strong> plastischen Dehnungen ε p ,sowie weitere <strong>in</strong>nere Variablen α = (α 1 , . . .,α n ), wie z.B. gewisse Verfestigungsparametero<strong>der</strong> die Schädigungsdichte, se<strong>in</strong>. Die <strong>in</strong>neren Variablen beschreiben die irreversiblenProzesse, die den <strong>in</strong>neren Zustand des Materials än<strong>der</strong>n.In e<strong>in</strong>er gesamtkont<strong>in</strong>uumsmechanischen Betrachtung des GSM-Modells wird das Materialverhaltene<strong>in</strong>es Körpers durch zwei Potentiale bestimmt: w, die spezifische freie Energie,steuert die Zustandsgleichungen <strong>der</strong> Zustandsvariablen, während D, die Dissipation, dieEvolutionsgleichungen <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Parameter steuert. Man geht bei <strong>der</strong> Bestimmung diesesPotentials von <strong>der</strong> lokalen Form <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>zipien <strong>der</strong> Thermodynamik aus.Mit den Notationen:θ für die Temperaturρ für die Dichtee = e(θ, χ) für die spezifische <strong>in</strong>nere Energieq für den Wärmestromh für die spezifische Leistung <strong>der</strong> Wärmequellenσ für den Cauchy’schen Spannungstensors = s(θ, χ) für die spezifische Entropielassen sich die Hauptsätze <strong>der</strong> Thermodynamik wie folgt lokal formulieren.Der erste Hauptsatz nimmt die Form e<strong>in</strong>es Energiesatzes an:ρė = σ · ˙ε + div q + ρh (8.1)während <strong>der</strong> zweite Hauptsatz durch die Clausius-Duhem-Ungleichung ausgedrückt wird:ρṡθ ≥ ρh − q · ∇θθ+ div q (8.2)


64 8 Das ISM-ModellEs ist üblich, die spezifische freie Energie (Helmholtz-Energie) w e<strong>in</strong>zuführen: w = e −sθ.Damit nimmt die Clausius-Duhem-Ungleichung die folgende Form an:σ · ˙ε − ρẇ − ρs ˙θ + q · ∇θθ≥ 0 (8.3)Der Term, <strong>der</strong> auf <strong>der</strong> l<strong>in</strong>ken Seite <strong>der</strong> Ungleichung steht, ist die totale Dissipation Dund setzt sich zusammen aus <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Dissipation D 1 = σ · ˙ε − ρẇ − ρs ˙θ und <strong>der</strong>thermischen Dissipation D 2 = q · ∇θ ; D = D 1 + D 2 ≥ 0.θAls vere<strong>in</strong>fachende Hypothese nimmt man an, dass sowohl die <strong>in</strong>nere als auch die thermischeDissipation positiv s<strong>in</strong>d: D 1 ≥ 0 und D 2 ≥ 0.Außerdem soll das Postulat von Helmholtz gelten: Es gibt e<strong>in</strong> System von Zustandsvariablenχ (genannt ”normal“), die nicht unmittelbar von ˙θ abhängig s<strong>in</strong>d.Daraus folgt, dass die spezifische freie Energie e<strong>in</strong> Potential für die Entropie darstellt:s = − ∂w∂θBezeichnet man nun −ρ ∂w∂χ mit X, so nimmt D 1 die Form:an.(8.4)D 1 = σ · ˙ε + X · ˙χ ≥ 0 (8.5)Man kann dabei dem Dehnungstensor ε e<strong>in</strong>e geson<strong>der</strong>te Stellung e<strong>in</strong>räumen: χ = (ε, α) =(ε, α 1 , . . .,α n ). In diesem Fall gilt:D 1 = σ · ˙ε − ρ ∂w∂ε · ˙ε + A iα˙i ≥ 0 (8.6)wobei die assoziierten generalisierten Kräfte A i = −ρ ∂w∂α ie<strong>in</strong>geführt wurden.Mit <strong>der</strong> Notation σ R = ρ ∂w∂ε für die reversiblen Spannungen und σIR = σ − σ R für dieirreversiblen Spannungen, lässt sich die <strong>in</strong>nere Dissipation zuumformen.D 1 = σ IR · ˙ε + A i α˙i ≥ 0 (8.7)Vergleicht man nun die Anzahl <strong>der</strong> Unbekannten mit <strong>der</strong> Anzahl <strong>der</strong> Gleichungen, sostehen sich 2n + 23 skalare Unbekannte (ρ, u, ε, σ, α i , σ IR , A i , θ) und n + 17 skalareGleichungen (Massenerhaltung, Impulserhaltung, geometrische Verzerrungshypothese,Zustandsgleichungen für α i und ε, Wärmegleichung) gegenüber. Das Defizit an n+6 skalarenBeziehungen muss durch die Aufstellung von Evolutionsgleichungen zwischen den


8.1 Thermodynamische Formulierung 65Raten <strong>der</strong> Zustandsvariablen ( ˙ε, ˙α i ) und den assoziierten generalisierten Kräften (σ IR , A i )ausgeglichen werden. Darüber h<strong>in</strong>aus muss weiterh<strong>in</strong> die Bed<strong>in</strong>gung D 1 ≥ 0 erfüllt werden.An dieser Stelle wird e<strong>in</strong>e für das GSM-Modell charakteristische Hypothese e<strong>in</strong>geführt: dieNormalitätshypothese. Es wird nämlich die Existenz e<strong>in</strong>es Dissipationspotentials D ( ˙ε, ˙α)vorausgesetzt so, dass:D ( ˙ε, ˙α) ≥ 0D(0, 0) = 0σ IR = ∂D∂ ˙εA i = ∂D∂ ˙α iDadurch wird die Anzahl <strong>der</strong> Gleichungen ergänzt und gleichzeitig die Dissipationsungleichungerfüllt.Als Erweiterung lässt sich die Normalitätshypothese auch für nichtdifferenzierbare Potentiale<strong>in</strong> <strong>der</strong> Form ( σ IR , A ) ∈ ∂D ( ˙ε, ˙α) aufstellen.Um das Verhalten e<strong>in</strong>es Materials zu beschreiben, werden also die Ausdrücke <strong>der</strong> spezifischenfreien Energie w(ε, α, θ) und des Dissipationspotentials D ( ˙ε, ˙α) benötigt.Die spezifische freie Energie w liefert die Zustandsgleichungen:σ R = ρ ∂w∂ε ,A = −ρ∂w ∂α(8.8)und das Dissipationspotential liefert die Evolutionsgleichungen:σ IR = ∂D∂ ˙ε ,A = ∂D∂ ˙α(8.9)E<strong>in</strong>e duale Formulierung wird durch die E<strong>in</strong>führung des Potentials <strong>der</strong> generalisiertenKräfte ϕ ( σ IR , A ) = D ∗ ( ˙ε, ˙α) ermöglicht. Die Evolutionsgleichungen schreiben sich dann:˙ε = ∂ϕ∂σ IR,∂ϕ˙α =∂A(8.10)beziehungsweise ( ˙ε, ˙α) ∈ ∂ϕ ( σ IR , A ) im nichtdifferenzierbaren Fall.Die Kernhypothese des GSM-Modells lautet:Die Potentiale w(ε, α) und D ( ˙ε, ˙α) s<strong>in</strong>d konvex.Man bemerkt, dass <strong>in</strong> diesem Fall die Dissipationsungleichung automatisch erfüllt wird:(σ IR , A ) ∈ ∂D ( ˙ε, ˙α) =⇒ D 1 = ( σ IR , A )·( ˙ε, ˙α) ≥ D ( ˙ε, ˙α)−D(0, 0) = D ( ˙ε, ˙α) ≥ 0 (8.11)


66 8 Das ISM-Modell8.2 Die <strong>in</strong>nere DissipationWir werden nun zeigen, wie sich das ISM-Modell auf natürliche Weise als Generalisierungdes GSM-Modells anbietet. Wir verwenden im Folgenden die Notationen aus Halphenund Nguyen ([30]), um die Modelle nachträglich leichter vergleichen zu können. Während<strong>der</strong> Vorstellung des GSM-Modells verzichten wir zugunsten e<strong>in</strong>er klaren Darstellung <strong>der</strong>grundlegenden Ideen absichtlich auf e<strong>in</strong>e detaillierte mathematische Darstellung, welchedie Notation nur komplizieren würde.In <strong>der</strong> Folge werden wir die Raten <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Parameter ˙α mit {a} = (a k ) kfür k = 1, nbezeichnen. Für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Darstellung wird auf e<strong>in</strong>e hervorgehobene Darstellung<strong>der</strong> Dehnungs- und Spannungstensoren, wie im vorausgehenden Abschnitt, verzichtet.Es wird weiterh<strong>in</strong> angenommen, dass den <strong>in</strong>neren Parametern generalisierte Kräfte assoziiertwerden können, die mit {A} = (A k ) k, k = 1, n bezeichnet werden, so, dass dieLeistung <strong>der</strong> generalisierten Kräfte (auch <strong>in</strong>nere Dissipation genannt) positiv ist:D = A · a = A k a k ≥ 0 (8.12)Die Abhängigkeit zwischen den Raten <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Parameter und den assoziierten generalisiertenKräften wird durch Evolutionsgleichungen ausgedrückt. Die e<strong>in</strong>fachste Artdieser Beziehungen wird durch l<strong>in</strong>eare Gleichungen wie<strong>der</strong>gegeben:Die obere Ungleichung schreibt sich dann:a = LA (8.13)D = LA · A = L ij A i A j ≥ 0 (8.14)was nichts an<strong>der</strong>es heißt, als dass <strong>der</strong> l<strong>in</strong>eare Operator L positiv ist.Mit Hilfe von zwei neuen Hypothesen, <strong>der</strong> Symmetrie und <strong>der</strong> Umkehrbarkeit des l<strong>in</strong>earenOperators L, kann man die Evolutionsgleichungen als Potentialgesetze ausdrücken. Führtman die Potentialee<strong>in</strong>, so schreiben sich die Evolutionsgesetze:Ω(A) = 1 2 LA · A und Ω∗ (a) = 1 2 L−1 a · a (8.15)a k = ∂Ω∂A kbzw. A k = ∂Ω∗∂a k(8.16)Die e<strong>in</strong>geführten Potentiale s<strong>in</strong>d konvex, weil <strong>der</strong> Operator L positiv ist. Zum Beispiel,für das Potential Ω(A):∆(A, B, λ) = (1 − λ)Ω(A) + λΩ(B) − Ω((1 − λ)A + λB)= (1 − λ)LA · A + λLB · B − L((1 − λ)A + λB) · ((1 − λ)A + λB)= λ(1 − λ)LA · A − λ(1 − λ)LA · B − λ(1 − λ)LB · A + λ(1 − λ)LB · B= λ(1 − λ)Ω(A − B) ≥ 0


8.2 Die <strong>in</strong>nere Dissipation 67Im Fall von nichtl<strong>in</strong>earen, aber differenzierbaren Beziehungen zwischen den Raten <strong>der</strong><strong>in</strong>neren Variablen und den assoziierten generalisierten Kräften:kann man unter <strong>der</strong> Voraussetzung:a k = g k (A 1 , . . .,A n ) (8.17)∂g i∂A j= ∂g j∂A ifür i, j = 1, n (8.18)weiterh<strong>in</strong> das Potential Ω(A) def<strong>in</strong>ieren. Ist dieses Potential konvex, so spricht man vone<strong>in</strong>em normalen Dissipationsgesetz.Man kann nun auch die Hypothese <strong>der</strong> Differenzierbarkeit schwächen und das Materialgesetzmit Hilfe von Subgradienten def<strong>in</strong>ieren. Als Voraussetzung behält man nur nochdie Normalitätshypothese (o<strong>der</strong> Hypothese <strong>der</strong> normalen Dissipation): Es existiert e<strong>in</strong>konvexes, unterhalbstetiges Potential ϕ(A) so, dass die Raten <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Variablen aSubgradienten dieses Potentials <strong>in</strong> den entsprechenden generalisierten Kräften A s<strong>in</strong>d:a ∈ ∂ϕ(A) (8.19)Ausgehend von dieser Hypothese kann man die Methoden <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis anwenden.Man kann mit Hilfe <strong>der</strong> Transformation von Legendre-Fenchel das konjugiertePotential ϕ ∗ (a) def<strong>in</strong>ieren:ϕ ∗ (A) = sup {A ′ a − ϕ (A ′ ) | A ′ generalisierte Kräfte} (8.20)und zeigen, dass es sich ebenfalls um e<strong>in</strong> konvexes, unterhalbstetiges Funktional handelt.ϕ ∗ wird Dissipationspotential genannt. Außerdem gilt für die <strong>in</strong>neren Variablen und denassoziierten generalisierten Kräften:A ∈ ∂ϕ ∗ (a) (8.21)Äquivalent gilt nun auchϕ(A) = sup {Aa ′ − ϕ ∗ (a ′ ) | a ′ <strong>in</strong>nere Variablen} (8.22)und das Materialgesetz kann auf e<strong>in</strong>e dritte Weise mit Hilfe <strong>der</strong> Gleichungϕ(A) + ϕ ∗ (a) = Aa (8.23)ausgedrückt werden. Diese Gleichung ist e<strong>in</strong> Son<strong>der</strong>fall <strong>der</strong> Young’schen Ungleichungϕ (A ′ ) + ϕ ∗ (a ′ ) ≥ A ′ a ′ (8.24)die für beliebige Fel<strong>der</strong> von <strong>in</strong>neren Variablen und generalisierten Kräften gilt.Man kann das Materialgesetz auch <strong>in</strong> Form von Maximumpr<strong>in</strong>zipien ausdrücken - dieswird bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>der</strong> impliziten Materialgesetze von Bedeutung se<strong>in</strong>.


68 8 Das ISM-ModellSatz 8.2.1. Für gegebene <strong>in</strong>nere Variablen a, maximieren die assoziierten generalisiertenKräfte A den Ausdruck A ′ a − ϕ (A ′ ).Für gegebene generalisierte Kräfte A, maximieren die assoziierten <strong>in</strong>neren Variablen aden Ausdruck Aa ′ − ϕ ∗ (a ′ ).Den letzten Satz kann man nämlich leicht umformen:Satz 8.2.2. Für gegebene <strong>in</strong>nere Variablen a, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten generalisiertenKräfte A den Ausdruck ϕ (A ′ ) − A ′ a.Für gegebene generalisierte Kräfte A, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten <strong>in</strong>neren Variablen aden Ausdruck ϕ ∗ (a ′ ) − Aa ′ .E<strong>in</strong>e weitere Umformung erhält man, <strong>in</strong>dem man im ersten Fall die Konstante ϕ ∗ (a) (daa gegeben), bzw. im zweiten Fall die Konstante ϕ(A) (da A gegeben) h<strong>in</strong>zuaddiert.Satz 8.2.3. Für gegebene <strong>in</strong>nere Variablen a, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten generalisiertenKräfte A den Ausdruck ϕ (A ′ ) + ϕ ∗ (a) − A ′ a.Für gegebene generalisierte Kräfte A, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten <strong>in</strong>neren Variablen aden Ausdruck ϕ(A) + ϕ ∗ (a ′ ) − Aa ′ .Bezeichnet man nun die Summe ϕ (A ′ )+ϕ ∗ (a ′ ) mit b(A ′ , a ′ ), erhält man e<strong>in</strong>e letzte Form:Satz 8.2.4. Für gegebene <strong>in</strong>nere Variablen a, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten generalisiertenKräfte A den Ausdruck b (A ′ , a) − A ′ a.Für gegebene generalisierte Kräfte A, m<strong>in</strong>imieren die assoziierten <strong>in</strong>neren Variablen aden Ausdruck b (A, a ′ ) − Aa ′ .Es ist also das Funktional b(·, ·), welches das Materialverhalten bestimmt und man stelltsich die Frage, ob e<strong>in</strong> solches Funktional auch an<strong>der</strong>e Formen als ϕ+ϕ ∗ haben kann. DieseBemerkung führte zur E<strong>in</strong>führung des ISM-Modells durch de Saxcé ([56], [58]).Def<strong>in</strong>ition Sei X e<strong>in</strong> reeller Banachraum. E<strong>in</strong> Materialgesetz M ist e<strong>in</strong>e nichtleere Untermengevon X × X ∗ , bestehend aus Paaren von dualen Variablen.E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>deutige Zuordnung <strong>der</strong> dualen Variablen führt dazu, dass das MaterialgesetzM als Graph e<strong>in</strong>er Abbildung darstellbar ist. Im Allgeme<strong>in</strong>en dürfen e<strong>in</strong>er Variablen auchmehrere Werte von dualen Variablen entsprechen. Zum Beispiel, lässt sich das Materialgesetzdes GSM-Modells folgen<strong>der</strong>maßen ausdrücken:M = {(a, A) | ϕ(A) + ϕ ∗ (a) = Aa} (8.25)Wie gesehen, lässt dieses Gesetz auch die alternativen Formulierungen:M = {(a, A) | a ∈ ∂ϕ(A)} = {(a, A) | A ∈ ∂ϕ ∗ (a)} (8.26)


8.2 Die <strong>in</strong>nere Dissipation 69zu.Sei nun b(·, ·) e<strong>in</strong> Bipotential - das heißt, e<strong>in</strong> Funktional b : X×X ∗ → ¯ IR mit den folgendenEigenschaften:a) <strong>getrennt</strong> konvex (i.e. b (·, y ∗ ) : X → IR konvex ∀y ∗ ∈ X ∗ , b (x, ·) : X ∗ → IRkonvex ∀x ∈ X),b) <strong>getrennt</strong> nach unten halbstetig,c) b (x, y ∗ ) ≥ 〈y ∗ , x〉 ∀x ∈ X and ∀y ∗ ∈ X ∗ .Zusätzlich zu diesen Eigenschaften soll auchd) y ∗ ∈ ∂ x b (x, y ∗ ) ⇐⇒ x ∈ ∂ y ∗b (x, y ∗ ) ⇐⇒ b (x, y ∗ ) = 〈x, y ∗ 〉gelten.Def<strong>in</strong>ition E<strong>in</strong> Material, dessen Materialgesetz M sich durch e<strong>in</strong> Bipotential b(·, ·) mitden Eigenschaften a) – d) folgen<strong>der</strong>maßen ausdrücken lässt: M = {(x, y ∗ ) | b (x, y ∗ ) =〈x, y ∗ 〉}, heißt standard implizit ( Implicit Standard Material“, ISM). Die Menge M wird”Graph des Bipotentials b(·, ·) genannt.Man kann die folgenden Sätze beweisen ([60]):Satz 8.2.5. Der Graph e<strong>in</strong>es Bipotentials ist <strong>getrennt</strong> konvex und <strong>getrennt</strong> abgeschlossen.Satz 8.2.6. E<strong>in</strong> <strong>getrennt</strong> konvexes und <strong>getrennt</strong> abgeschlossenes Materialgesetz M ist alsGraph e<strong>in</strong>es Bipotentials darstellbar.Beweis. Man wähle b (x, y ∗ ) = 〈x, y ∗ 〉 + I M (x, y ∗ ), wo I M <strong>der</strong> Indikator <strong>der</strong> Menge Mist.Bemerkung: Das e<strong>in</strong>em Materialgesetz assoziierte Bipotential muss nicht e<strong>in</strong>deutig se<strong>in</strong>.Das oben e<strong>in</strong>geführte Bipotential besitzt die schlechtesten Regularitätseigenschaften überhaupt,ist daher eher ungeeignet für die Anwendung numerischer Methoden. Um möglichstreguläre Bipotentiale zu erhalten, s<strong>in</strong>d mehrere Ansätze möglich - mit Hilfe von biaff<strong>in</strong>enHüllen, durch e<strong>in</strong>e konsistente Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> Dissipation, o<strong>der</strong> durch an<strong>der</strong>e konstruktiveMethoden (siehe [60]).


70 9 Die Shakedown-TheoremeKapitel 9Die Shakedown-Theoreme9.1 Das statische E<strong>in</strong>spieltheorem (Melan)Wir werden nun e<strong>in</strong>en klassischen Satz <strong>der</strong> Plastizitätstheorie, das E<strong>in</strong>spieltheorem vonMelan, im Fall des ISM-Modells formulieren und beweisen. Zuerst s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>ige Def<strong>in</strong>itionenund Notationen <strong>der</strong> Plastizitätstheorie <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>en Deformationen nötig. Man betrachtetdie Evolution e<strong>in</strong>es festen Körpers, <strong>der</strong> im Raum den Bereich Ω e<strong>in</strong>nimmt. Sei u(x, t)das Verschiebungsfeld, ε(x, t) das Dehnungsfeld und σ(x, t) das Spannungsfeld. Das Feld¯f(x, t) <strong>der</strong> Massenkräfte ist <strong>in</strong> ganz Ω bekannt. Ebenfalls bekannt ist das Verschiebungsfeldū(x, t), def<strong>in</strong>iert auf e<strong>in</strong>em Teil Γ 0 des Randes ∂Ω und das Spannungsvektorfeld ¯p(x, t),def<strong>in</strong>iert auf Γ 1 , dem an<strong>der</strong>en Teil des Randes.E<strong>in</strong> Dehnungsfeld ε wird k<strong>in</strong>ematisch zulässig genannt, wennfür e<strong>in</strong> Verschiebungsfeld u mit u = ū auf Γ 0 .E<strong>in</strong> Spannungsfeld σ wird statisch zulässig genannt, wennε = ∇ s u <strong>in</strong> Ω (9.1)divσ + ¯f = 0 <strong>in</strong> Ω und σn = ¯p auf Γ 1 . (9.2)Es gilt die Green’sche Formel:∫ ∫ ∫ ∫σ · ε(u) dΩ = ¯f · u dΩ +ΩΩ¯p · u dΓ +Γ 1σn · ūdΓΓ 0(9.3)für beliebige zulässige Fel<strong>der</strong> σ und ε.Um das statische E<strong>in</strong>spieltheorem von Melan für e<strong>in</strong> perfekt plastisches Material zu formulieren,werden noch e<strong>in</strong>ige Begriffe e<strong>in</strong>geführt.E<strong>in</strong> Spannungstensorfeld ρ heißt residuell, wenndivρ = 0 <strong>in</strong> Ω und ρn = 0 auf Γ 1 . (9.4)


9.1 Das statische E<strong>in</strong>spieltheorem (Melan) 71Wenn σ E das re<strong>in</strong> elastische Spannungsfeld, das <strong>der</strong> Gleichgewichtslage entspricht, bezeichnet,dann ist σ − σ E e<strong>in</strong> residuelles Spannungsfeld.E<strong>in</strong> Dehnungsfeld η heißt residuell, wenn∃v, η = ∇ s v <strong>in</strong> Ω und v = 0 auf Γ 0 . (9.5)Wenn ε E das re<strong>in</strong> elastische Dehnungsfeld, das <strong>der</strong> Gleichgewichtslage entspricht, bezeichnet,dann ist ε − ε E e<strong>in</strong> residuelles Dehnungsfeld.Betrachten wir nun e<strong>in</strong> elastisch–perfekt plastisches Material. Sei K, e<strong>in</strong>e abgeschlossene,konvexe Menge, <strong>der</strong> Elastizitätsbereich. Jedes Spannungsfeld σ ∈ K erfüllt die Normalitätsregel:(σ − ¯σ) · ˙ε p ≥ 0, ∀¯σ ∈ K. (9.6)Für kle<strong>in</strong>e Deformationen verwenden wir e<strong>in</strong>e additive Zerlegung: ε = ε e + ε p und e<strong>in</strong>elastisches Materialgesetz <strong>der</strong> Form ε e = Cσ mit C positiv def<strong>in</strong>it.E<strong>in</strong> residuelles Spannungsfeld ρ heißt streng plastisch zulässig wennρ + σ E ∈ <strong>in</strong>t(K) ∀σ E . (9.7)Das E<strong>in</strong>spieltheorem von Melan lautet:Theorem 9.1.1. Wenn e<strong>in</strong> zeitunabhängiges, streng plastisch zulässiges residuelles Span-existiert, dann wird <strong>der</strong> betrachtete Körper e<strong>in</strong>spielen (die totale Dissipation∫nungsfeld∞∫σ · ˙ε p dΩdt ist beschränkt).0 ΩWir formulieren nun das statische E<strong>in</strong>spieltheorem für das ISM–Modell mit e<strong>in</strong>em durche<strong>in</strong> Bipotential b(·, ·) def<strong>in</strong>iertem Materialgesetz: b(σ, ˙ε p ) = σ · ˙ε p .Theorem 9.1.2. Sei ¯ρ e<strong>in</strong> residuelles Spannungstensorfeld mit den folgenden Eigenschaften:a) ¯ρ ist zeitunabhängigb) ¯ρ ist streng plastisch zulässig: ¯ρ + σ E ∈ <strong>in</strong>t(D(b)) ∀σ Eund das Bipotential b(·, ·) mit <strong>der</strong> Eigenschaft:c) b(σ, ˙ε p ) ≥ ¯σ · ˙ε p ∀¯σ.Dann wird <strong>der</strong> betrachtete Körper e<strong>in</strong>spielen.Beweis. SeiR = 1 ∫(ρ − ¯ρ) · C(ρ − ¯ρ)dΩ ≥ 0, (9.8)2Ω


72 9 Die Shakedown-Theoremewobei ρ = σ − σ E e<strong>in</strong> residuelles Spannungstensorfeld ist.η = ε − ε E ist e<strong>in</strong> residuelles Dehnungstensorfeld und erfüllt:η = (Cσ + ε p ) − Cσ E = C(σ − σ E ) + ε p = Cρ + ε p = η e + η p . (9.9)Wir haben dann:C(ρ − ¯ρ) = η e − ¯η e . (9.10)Die Zeitableitung von R hat die Form:∫∫Ṙ = (ρ − ¯ρ) · ˙η e dΩ =ΩΩ∫(ρ − ¯ρ) · ˙η dΩ −Ω(ρ − ¯ρ) · ˙ε p dΩ. (9.11)Der erste Term verschw<strong>in</strong>det; mit ρ − ¯ρ = σ − ¯σ erhalten wir:∫∫Ṙ = − (σ − ¯σ) · ˙ε p dΩ = − D( ˙ε p ) − ¯σ · ˙ε p ≤ 0, (9.12)aus <strong>der</strong> Voraussetzung c).ΩAus <strong>der</strong> Voraussetzung b) folgt: ∃m > 1 so, daß m¯σ plastisch zulässig ist. Es gilt:Ωm(¯σ − σ) · ˙ε p + (m − 1)σ · ˙ε p = (m¯σ − σ) · ˙ε p ≤ 0. (9.13)Die totale Dissipation ist dann nach oben beschränkt:∫ t ∫σ · ˙ε p dΩdt ≤m ∫ t ∫(σ − ¯σ) · ˙ε p dΩdt = − mm − 1m − 10da R(t) ≥ 0.Ω= m (R(0) − R(t)) ≤mm − 10Ω∫ t0Ṙ dt =R(0) ∀t, (9.14)m − 19.2 Das k<strong>in</strong>ematische E<strong>in</strong>spieltheorem (Koiter)Analog zum statischen E<strong>in</strong>spieltheorem gibt es e<strong>in</strong> k<strong>in</strong>ematisches E<strong>in</strong>spieltheorem, welchesvon Koiter stammt und e<strong>in</strong>e h<strong>in</strong>reichende Bed<strong>in</strong>gung für das Versagen e<strong>in</strong>es Körpers auselastisch-ideal plastischem Material liefert.Theorem 9.2.1. Wenn für e<strong>in</strong> beliebiges Feld <strong>der</strong> Massenkräfte ¯f(x, t) und e<strong>in</strong> beliebigesFeld von Spannungsvektoren ¯p(x, t) für jeden Zeitpunkt T e<strong>in</strong> Feld von plastischenDehnungsraten ˙¯ε(x, t) mit den folgenden Eigenschaften gefunden werden kann:a) ∆¯ε(x) = ∇ s ū mit ū| Γ0 = 0


9.2 Das k<strong>in</strong>ematische E<strong>in</strong>spieltheorem (Koiter) 73b)∫ T0⎛∫⎝Ω⎞∫¯f ˙ū dΩ + ¯p ˙ū dΓ⎠ dt >Γ 1∫ T∫0 ΩD ( ˙¯ε) dΩdtdann wird <strong>der</strong> Körper nicht e<strong>in</strong>spielen.Dieser Satz ist <strong>in</strong> dieser allgeme<strong>in</strong>en Form schwer anzuwenden, da man beliebige Belastungsfel<strong>der</strong>im Lastraum untersuchen müsste. Er tritt oft <strong>in</strong> vere<strong>in</strong>fachten Formen auf,die e<strong>in</strong>e zyklische Belastung voraussetzen. In diesem Fall betrachtet man das Zeit<strong>in</strong>tervall[0, T] als Zyklusperiode.Das k<strong>in</strong>ematische E<strong>in</strong>spieltheorem von Koiter ist <strong>in</strong> <strong>der</strong> folgenden Form auch für dasISM-Modell gültig.Theorem 9.2.2. Sei e<strong>in</strong> Körper, dessen Materialgesetz implizit durch e<strong>in</strong> Bipotentialb(·, ·) def<strong>in</strong>iert wird. Wenn für e<strong>in</strong> beliebiges Feld <strong>der</strong> Massenkräfte ¯f(x, t) und e<strong>in</strong> beliebigesFeld von Spannungsvektoren ¯p(x, t) für jeden Zeitpunkt T e<strong>in</strong> Feld von plastischenDehnungsraten ˙¯ε(x, t) mit den folgenden Eigenschaften gefunden werden kann:a) ∆¯ε(x) = ∇ s ū mit ū| Γ0 = 0⎛⎞∫ T ∫ ∫b) ⎝ ¯f ˙ū dΩ + ¯p ˙ū dΓ⎠ dt >0 Ω Γ 1∫ T0∫ΩD ( ˙¯ε) dΩdtund das Bipotential zusätzlich <strong>der</strong> Bed<strong>in</strong>gungc) b(σ, ˙ε p ) ≥ ¯σ · ˙ε p ∀¯σ.genügt, dann wird <strong>der</strong> Körper nicht e<strong>in</strong>spielen.Beweis. E<strong>in</strong>erseits gilt:⎛∫ T ∫ ∫⎞⎝ ¯f ˙ū dΩ + ¯p ˙ū dΓ⎠ dt =0 Ω Γ 1und damit, laut Voraussetzung b),∫ T∫∫ T0∫Ωσ E ˙¯ε dΩdt >(σ E ˙¯ε + C ˙ˆρ) ∫ TdΩdt =∫ T∫D ( ˙¯ε) dΩdt0∫Ωσ E ˙¯ε dΩdt0Ω0ΩSetzen wir nun voraus, dass <strong>der</strong> Körper e<strong>in</strong>spielen würde. Es würde also e<strong>in</strong> zeitunabhängiges,streng plastisch zulässiges residuelles Spannungsfeld ¯ρ(x) existieren. Laut Hypothesec) gilt für ¯σ = σ E + ¯ρ:b(σ, ˙ε p ) ≥ ( σ E + ¯ρ ) · ˙ε p


74 9 Die Shakedown-TheoremeDurch Umformung erhält man:D ( ˙ε p ) ≥ σ E · ˙ε p + ¯ρ · ˙ε pDiese Ungleichung <strong>in</strong>tegrieren wir nun über das Volumen Ω und die Zeitspanne [0, T]:∫ T∫D ( ˙ε p ) dΩdt ≥∫ T∫∫σ E · ˙ε p dΩdt +¯ρ · ∆ε p dΩ0Ω0ΩΩFür ε p = ¯ε verschw<strong>in</strong>det aber das letzte Integral:∫¯ρ · ∆¯εdΩ = 0und die verbleibende Ungleichung:Ω∫ T∫D ( ˙¯ε) dΩdt ≥∫ T∫σ E · ˙¯ε dΩdt0Ω0Ωwi<strong>der</strong>spricht <strong>der</strong> am Anfang des Beweises aufgestellten Ungleichung. Wir erhalten e<strong>in</strong>enWi<strong>der</strong>spruch. Also kann unsere Annahme, dass <strong>der</strong> Körper e<strong>in</strong>spielt, nicht stimmen.


10 Materialmodelle 75Kapitel 10MaterialmodelleIn diesem Kapitel werden Materialgesetze dargestellt, die sich mit Hilfe e<strong>in</strong>es Bipotentialsbeschreiben lassen und damit <strong>der</strong> Klasse <strong>der</strong> ISM-Modelle angehören.Von beson<strong>der</strong>em Interesse s<strong>in</strong>d dabei konstitutive Gleichungen, für die e<strong>in</strong>e Modellierungals GSM nicht möglich ist. Es handelt sich entwe<strong>der</strong> um nichtassoziierte Gesetze, welchedie Normalitätsregel nicht erfüllen, o<strong>der</strong> um Gesetze impliziter Natur, welche gekoppelteSpannungs-Dehnungs-Terme enthalten.Für jedes dieser Materialgesetze wird e<strong>in</strong> passendes Energiefunktional konstruiert, welchesalle Eigenschaften e<strong>in</strong>es Bipotentials besitzt. Das Funktional ist nicht das e<strong>in</strong>zige, mitdessen Hilfe man das Materialgesetz <strong>in</strong> impliziter Form ausdrücken kann – für numerische<strong>Anwendungen</strong> ist es von Bedeutung, e<strong>in</strong> möglichst reguläres Bipotential zu konstruieren.Die folgenden Beispiele stammen von de Saxcé, Tritsch, Bouby, Boussh<strong>in</strong>e, Bodovillé,Chaaba, Feng, Hjiaj ([56], [57], [59], [14], [15], [17], [10], [11], [9], [13], [37]).10.1 Coulomb’sche ReibungE<strong>in</strong> erstes Beispiel stammt aus <strong>der</strong> Theorie <strong>der</strong> Trockenreibung. Man betrachtet zweiKörper mit regulärer Oberfläche, die sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt berühren. In diesem Berührungspunkts<strong>in</strong>d drei Vorgänge möglich:a) Die Körper trennen sich.b) Die Körper haften ane<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.c) Die Körper überw<strong>in</strong>den die Reibung und rutschen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> ab.Man bezeichnet mit ⃗v 1 , ⃗v 2 die Momentangeschw<strong>in</strong>digkeiten <strong>der</strong> zwei Körper an <strong>der</strong> Kontaktstelleund mit ⃗r die auf den ersten Körper wirkende Kontaktkraft (selbstverständlich


76 10 Materialmodellewirkt dann auf den zweiten Körper die Kraft −⃗r).Man kann alle vektoriellen Größen <strong>in</strong> Komponenten, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> zu den Körpern tangentenEbene liegen, beziehungsweise darauf senkrecht stehen, zerlegen: ⃗v = ⃗v t + ⃗v n = ⃗v t + v n ⃗n.Sei K µ <strong>der</strong> Coulomb’sche Reibungskegel mit dem Reibungskoeffizienten µ:K µ = {⃗r | ‖ ⃗r t ‖≤ µr n } (10.1)Die drei oben erwähnten Vorgänge lassen sich folgen<strong>der</strong>maßen formulieren:a) falls ⃗r = ⃗0 dann v n ≥ 0;b) sonst, falls ‖ ⃗r t ‖< µr n dann ⃗v = ⃗0;c) sonst v n = 0 aber es gibt λ ≥ 0 mit ⃗v t = −λ ⃗r t‖ r t ‖Dieses Verhalten lässt sich durch e<strong>in</strong> Superpotential repräsentieren:− (⃗v + µ ‖ ⃗v t ‖ ⃗n) ∈ ∂I Kµ (⃗r) (10.2)Man merkt dabei den Kopplungsterm, <strong>der</strong> die Darstellung dieses Gesetzes als GSM verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t.Die Modellierung als ISM ist h<strong>in</strong>gegen möglich, wenn man das folgende Bipotentialbetrachtet:b (−⃗v,⃗r) = µr n ‖ ⃗v t ‖ +I (−∞,0] (−v n ) + I kµ (⃗r) (10.3)10.2 Drucker-Prager-ModellDas Drucker-Prager-Modell ist e<strong>in</strong> nichtassoziiertes Materialgesetz, das man für die Beschreibung<strong>der</strong> <strong>in</strong>elastischen Verformung von Böden und Geste<strong>in</strong>en verwendet. Geomaterialienweisen e<strong>in</strong> Phänomen namens Dilatanz (Volumenvergrößerung bei Verformung)auf, welches sich durch e<strong>in</strong> die Normalitätsregel respektierendes Gesetz nicht darstellenlässt.Zur Aufstellung <strong>der</strong> phänomenologischen Materialgesetze s<strong>in</strong>d folgende Notationen üblich.Man bezeichnet die Spur des Dehnungstensors mit e m und führt den sphärischen Tensorε m e<strong>in</strong>:e m = tr ε, ε m = 1 3 e mI, e = ε − ε m (10.4)Analog zerlegt man den Spannungstensor σ <strong>in</strong> sphärischem und deviatorischem Anteil:s m = 1 3 tr σ, σ m = s m I, s = σ − σ m (10.5)


10.2 Drucker-Prager-Modell 77Die Koeffizienten wurden so gewählt, dass folgende Gleichung gilt:σ · ε = e m s m + e · s (10.6)Man führt die äquivalente plastische Dehnungsrate ε eq und die äquivalente deviatorischeSpannung σ eq e<strong>in</strong>:ε eq (ė p ) =√23 ėp · ė p (10.7)√3σ eq (s) =2 s · s (10.8)Diese Größen def<strong>in</strong>ieren Normen, die zu den üblichen Normen‖ ė p ‖ = √ ė p · ė p (10.9)‖ s ‖ = √ s · s (10.10)äquivalent s<strong>in</strong>d.Man merkt, dassε eq (ė p ) · σ eq (s) =‖ ė p ‖ · ‖ s ‖ (10.11)Für ė p m = 0 gilt dann, nach <strong>der</strong> Cauchy-Schwartz-Ungleichung:σ · ˙ε p = s · ė p ≤ σ eq (s)ε eq (ė p ) ≤ σ y ε eq (ė p ) (10.12)Der Elastizitätsbereich wird K σ bezeichnet:K σ = {σ = (s m , s) | f(s m , s) = σ eq (s) − r(c − s m tan φ) ≤ 0} (10.13)Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong>en Kegel im Spannungsraum mit <strong>der</strong> Spitze bei s = 0 unds m =c . r ist dabei e<strong>in</strong>e Kostante:tanφr =3√3 + 4 tan 2 φ(10.14)Hills Pr<strong>in</strong>zip lautet:für alle σ ′ = (s ′ m , s′ ) ∈ K.(s ′ m − c )ė p mtan φ+ s′ · ė p ≤ 0 (10.15)Außerdem führt man im Dehnungsraum den zu K σ dualen Kegel K ∗ e<strong>in</strong>:K ∗ = { ˙ε p = (ė p m , ėp ) | ė p m ≥ r tanφ ε eq (ė p )} (10.16)


78 10 MaterialmodelleSchließlich bezeichnet man mit θ (0 ≤ θ ≤ φ) den plastischen Dilatanzw<strong>in</strong>kel, <strong>der</strong> dasEvolutionsgesetz für die Dehnungsraten <strong>in</strong> Punkten auf <strong>der</strong> Fließgrenze bestimmt:An <strong>der</strong> SpitzeKegel(s m =c )tan φ , s = 0ė p m = r tan θ ε eq (ė p ) (10.17)des Kegels K σ ist die plastische Dehnungsrate imK ε = { ˙ε p = (ė p m , ėp ) | ė p m ≥ r tanθ ε eq (ė p )} (10.18)enthalten.Für θ ≠ φ ist das Materialgesetz nichtassoziiert.Mit I K bezeichnet man, wie bisher, den Indikator <strong>der</strong> Menge K:{0 für σ ∈ KI K (σ) =+∞ für σ /∈ K(10.19)Dieser Art von Materialgesetz kann man nun e<strong>in</strong> Bipotential assoziieren:(b ( ˙ε p , σ) = cėp mtanφ + r(tanθ − tan φ) s m −c )ε eq (ė p ) + I Kε ( ˙ε p ) + I Kσ (σ) (10.20)tanφIn e<strong>in</strong>igen Werken stellt man das Bipotential mit Hilfe <strong>der</strong> Normen 10.9, 10.10 statt <strong>der</strong>Größen 10.7, 10.8 auf. Dabei än<strong>der</strong>t sich die Konstante r zur ∗ =3 √ 2√9 + 12 tan 2 φ(10.21)10.3 Nichtl<strong>in</strong>eare Verfestigung nach ChabocheE<strong>in</strong> bekanntes Materialmodell <strong>der</strong> Metallplastizität mit nichtl<strong>in</strong>earer Verfestigung wird imWerk von Lemaitre und Chaboche ([40]) beschrieben. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong> Modellmit multiplikativer Kopplung zwischen Dehnungsraten und Spannungen. Aus diesemGrund erfüllt es nicht die Voraussetzungen des GSM, wohl aber jene des ISM.Es werden zwei <strong>in</strong>nere Variablen e<strong>in</strong>geführt: p, e<strong>in</strong>e skalare Variable, zuständig für dieisotrope Verfestigung und α, e<strong>in</strong>e tensorielle Variable, zuständig für die k<strong>in</strong>ematischeVerfestigung. Die assoziierten Variablen s<strong>in</strong>d die Fließspannung R, beziehungsweise dieRestspannung X.Zwischen <strong>der</strong> k<strong>in</strong>ematischen Variablen α und <strong>der</strong> Restspannung X herrscht die Beziehungwobei C > 0 e<strong>in</strong>e Materialkonstante ist.X = 2 Cα (10.22)3


10.3 Nichtl<strong>in</strong>eare Verfestigung nach Chaboche 79Die generalisierten Dehnungsraten s<strong>in</strong>d hiermit ˙κ = ( ˙ε p , − ˙α, −ṗ) und die assoziertengeneralisierten Spannungen werden mit π = (σ, X, R) bezeichnet.Der Elastizitätsbereich wird <strong>in</strong> zwei Schritten def<strong>in</strong>iert. SeiK 2 = {(σ, R) | σ eq (s) − R ≤ 0} (10.23)Dabei bezeichnet σ eq (s) die Vergleichsspannung nach von Mises des deviatorischen Anteilss des Spannungstensors σ. Der Elastizitätsbereich wird dann alsK = {π = (σ, X, R) | (σ − X, R) ∈ K 2 } (10.24)e<strong>in</strong>geführt. Es handelt sich dabei um e<strong>in</strong>en <strong>konvexen</strong> Kegel.Man kann auch den zu K 2 polaren Kegel def<strong>in</strong>ieren:K2 ∗ = {( ˙εp , −ṗ) | ṗ ≥ ε eq (ė p )} (10.25)Die Evolutionsgesetze <strong>der</strong> <strong>in</strong>neren Variablen lauten:( ˙ε p , −ṗ) ∈ ∂I K2 (σ − X, R) (10.26)(diese Gleichung beschreibt sowohl das plastische Fließgesetz, als auch die isotrope Verfestigungsregel)und˙α = ˙ε p − 3 X(10.27)2 X ∞ ṗ(das nichtl<strong>in</strong>eare k<strong>in</strong>ematische Verfestigungsgesetz). X ∞ > 0 ist dabei e<strong>in</strong>e Materialkonstante.Auch diesem Modell lässt sich e<strong>in</strong> Bipotential assoziieren:b (˙κ, π) = (σ eq(s)) 2(ṗ + I K2 (σ − X, R) + I K ∗X 2( ˙ε p , − ˙α) + I {0} ˙α − ˙ε p + 3 )Xṗ (10.28)∞ 2 X ∞


80 11 Numerische MethodenKapitel 11Numerische MethodenIn diesem Kapitel werden numerische Methoden für das ISM-Modell hergeleitet. ÄhnlicheErgebnisse und <strong>Anwendungen</strong> (<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für das Drucker-Prager-Modell) f<strong>in</strong>det manbei de Saxcé, Boussh<strong>in</strong>e und Chaaba ([14], [15], [17], [59]).11.1 DiskretisierungSei e<strong>in</strong> Material, dessen Verhalten sich durch das ISM-Modell ausdrücken lässt. Für dasBipotential b gilt dann die Hypothese d) aus <strong>der</strong> Def<strong>in</strong>ition des ISM-Modells:y ∗ ∈ ∂ x b (x, y ∗ ) ⇐⇒ x ∈ ∂ y ∗b (x, y ∗ ) ⇐⇒ b (x, y ∗ ) = 〈x, y ∗ 〉 (11.1)Betrachtet man die ersten beiden Terme, so kann man das Materialgesetz auch <strong>in</strong> <strong>der</strong>folgenden Form zusammenfassen:(x, y ∗ ) ∈ (∂ y ∗b (x, y ∗ ) , ∂ x b (x, y ∗ )) (11.2)Diese Form kann man als Fixpunkteigenschaft <strong>der</strong> Anwendung(x, y ∗ ) −→ (∂ y ∗b (x, y ∗ ) , ∂ x b (x, y ∗ )) (11.3)<strong>in</strong>terpretieren. Dies könnte dann, im Gültigkeitsbereich diverser Fixpunktsätze, zu iterativenMethoden <strong>der</strong> Formführen.( )xn+1 , yn+1∗ ∈ (∂y ∗b (x n , yn ∗ ) , ∂ xb (x n , yn ∗ )) (11.4)Kehren wir nun zum <strong>in</strong> Kapitel 9 def<strong>in</strong>ierten kont<strong>in</strong>uumsmechanischen Problem zurück:Es werden das k<strong>in</strong>ematisch zulässige Dehnungsratenfeld ε(x, t) und das statisch zulässige


11.1 Diskretisierung 81Spannungsfeld σ(x, t) gesucht, welche das durch das Bipotential b def<strong>in</strong>ierte Materialgesetzerfüllen.Wir führen das Energiefunktional∫∫B(u, σ) = b(ε(u), σ) dΩ −ΩΩ∫¯f · u dΩ −e<strong>in</strong>. Unter Anwendung <strong>der</strong> Sätze 7.2.4 und 8.2.4 folgt:Γ 1∫¯p · u dΓ −Γ 0σnū dΓ (11.5)Satz 11.1.1. E<strong>in</strong>e Paar (u, σ) ist genau dann Lösung des Problems, wenn die Fel<strong>der</strong> uund σ gleichzeitig das Funktional B über alle statisch, bzw. k<strong>in</strong>ematisch zulässigen Fel<strong>der</strong>m<strong>in</strong>imieren:B(u, σ) = <strong>in</strong>f¯σ{B (u, ¯σ)} = <strong>in</strong>fū{B (ū, σ)} (11.6)Für numerische Auswertungen ist es üblich, die Materialgleichungen durch Inkrementeauszudrücken. Man geht dabei von e<strong>in</strong>er zeitlichen Diskretisierung aus und bezeichnet diee<strong>in</strong>em Zeit<strong>in</strong>tervall ∆t entsprechenden Spannungs- und Dehnungsän<strong>der</strong>ungen (Inkremente)mit ∆σ, bzw. ∆ε.Im Fall e<strong>in</strong>es elastoplastischen Materialgesetzes würde e<strong>in</strong> implizites Integrationsschemadas Dehnungs<strong>in</strong>krement nach <strong>der</strong> Regeldef<strong>in</strong>ieren.∆ε = ∆ε e + ∆ε p = C∆σ + ˙ε p 1∆t (11.7)Für ∆ε e und ∆σ gibt es die üblichen Energiepotentiale <strong>in</strong> Inkrementschreibweise:∆V e = 1 2 ∆εe C −1 ∆ε e =E6(1 − 2ν) (∆ee m )2 + G∆e e · ∆e e (11.8)∆W e = 1 3(1 − 2ν)∆σC∆σ = (∆s m ) 2 + 1 ∆s · ∆s (11.9)2 2E 4Gdie zu e<strong>in</strong>em zerlegbaren Bipotentialzusammengefasst werden können.∆b e (∆ε e , ∆σ) = ∆V e (∆ε e ) + ∆W e (∆σ) (11.10)Für das plastische Dehnungs<strong>in</strong>krement wertet man die Formeln ˙ε p ∈ ∂ σ b p ( ˙ε p , σ) undσ ∈ ∂˙ε pb p ( ˙ε p , σ) aus.Das Funktional∆b p (∆ε p , ∆σ) = b p (∆ε p , σ 0 + ∆σ) − σ 0 · ∆ε p (11.11)eignet sich für die Darstellung des Materialgesetzes <strong>in</strong> den Inkrementen:∆σ ∈ ∂ ∆ε p∆b p , ∆ε p ∈ ∂ ∆σ ∆b p (11.12)


82 11 Numerische MethodenDie zwei Bipotentiale ∆b e und ∆b p kann man mittels Inf-Faltung zu e<strong>in</strong>em Materialgesetz<strong>in</strong> ∆ε und ∆σ zusammenfassen, dessen Bipotential wie folgt def<strong>in</strong>iert wird:∆b(∆ε, ∆σ) = <strong>in</strong>f∆ε p (∆b e(∆ε − ∆ε p , ∆σ) + ∆b p (∆ε p , ∆σ)) (11.13)Diese Methode kann man auch im Fall <strong>der</strong> <strong>in</strong> Kapitel 10 dargestellten Materialmodelleanwenden. Wir werden dies am Beispiel des Drucker-Prager-Modells umsetzen.Für das Drucker-Prager-Modell hatten wir das Bipotential(b ( ˙ε p , σ) = cėp mtanφ + r(tanθ − tan φ) s m −c )ε eq (ė p ) + I Kε ( ˙ε p ) + I Kσ (σ) (11.14)tanφkonstruiert. Durch Inf-Faltung mit dem bereits erwähnten elastischen Bipotential erhältman das folgende elastoplastische Bipotential <strong>in</strong> den Inkrementen ∆ε und ∆σ:∆b(∆ε, ∆σ) = <strong>in</strong>f∆ε p {E6(1 − 2ν) (∆e m − ∆e p m )2 + G (∆e − ∆e p ) · (∆e − ∆e p ) +3(1 − 2ν)+ (∆s m ) 2 + 1 ∆s · ∆s +c2E 4G tanφ ∆ep m +(+r(tanθ − tanφ) s m0 + ∆s m −c )ε eq (∆e p ) +tanφ}+I Kε (∆ε p ) + I Kσ (σ 0 + ∆σ) − σ 0 · ∆ε p(11.15)Dabei kann σ 0 · ∆ε p durch s m0 ∆e p m + s 0 · ∆e p ersetzt werden.Die Indikatorfunktionen garantieren die Erfüllung <strong>der</strong> folgenden Ungleichungen:σ eq (s 0 + ∆s) − r (c − (s m0 + ∆s m ) tanφ) ≤ 0 (11.16)∆e p m ≥ r tan θ ε eq (∆e p ) (11.17)Die letzte Ungleichung wird zur Gleichung falls die Spitze des Kegels K σ nicht erreichtwird. In diesem Fall vere<strong>in</strong>facht sich <strong>der</strong> obenstehende Ausdruck des Bipotentials zu∆b(∆ε, ∆σ) = <strong>in</strong>f∆ε p {E6(1 − 2ν) (∆e m − r tanθ ε eq (∆e p )) 2 ++G (∆e − ∆e p ) · (∆e − ∆e p 3(1 − 2ν)) + (∆s m ) 2 +2E+ 14G ∆s · ∆s + r (c + (tanθ − tan φ)∆s m − tan φ s m0 )ε eq (∆e p ) +}+I Kσ (σ 0 + ∆σ) − s 0 · ∆e p(11.18)


11.1 Diskretisierung 83Die regularisierende Wirkung <strong>der</strong> Inf-Faltung führt dazu, dass wir für das obenstehendePotential die Stationaritätsbed<strong>in</strong>gung aufstellen können:E6(1 − 2ν) (∆e m − r tanθ ε eq (∆e p )) (−r tanθ) 2 ∆e p3 ε eq (∆e p ) ++r (c + (tan θ − tanφ)∆s m − tan φ s m0 ) 2 ∆e p3 ε eq (∆e p ) −−2G (∆e − ∆e p ) − s 0 = 0 (11.19)E<strong>in</strong>e Umformung führt zu[E6(1 − 2ν) (−∆e m + r tan θ ε eq (∆e p ))r tanθ ++ r (c + (tanθ − tan φ)∆s m − tanφ s m0 ) +]+ 3Gε eq (∆e p ∆e p)ε eq (∆e p ) = 3G∆e + 3 2 s 0 (11.20)Mit Hilfe dieser Gleichung kann man das Bipotential ∆b(∆ε, ∆σ) bestimmen.


84 ZusammenfassungZusammenfassungIn dieser Arbeit wurden die Eigenschaften <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> untersuchtund e<strong>in</strong>e Reihe von <strong>Anwendungen</strong> dargestellt.Mehrere Sätze zu den theoretischen Grundlagen <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> wurdenformuliert und bewiesen und die Beziehung zur Klasse <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>durchleuchtet. Es wurden Charakterisierungssätze für das Bipotential hergeleitet. Die dreiKlassen von Bipotentialen – zerlegbare, konvexe und allgeme<strong>in</strong>e Bipotentiale – wurdenanalysiert.Anschließend wurden die Beziehungen zu an<strong>der</strong>en Konvexitätsbegriffen, sowie konsistenteDef<strong>in</strong>itionen <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> Hüllen untersucht. Hier wurde die biaff<strong>in</strong>e Hülle alsnatürliche Verallgeme<strong>in</strong>erung <strong>der</strong> aff<strong>in</strong>en Hülle aus <strong>der</strong> <strong>konvexen</strong> Analysis e<strong>in</strong>geführt.Nach <strong>der</strong> Herleitung diverser E<strong>in</strong>deutigkeit gewährleisten<strong>der</strong> Hypothesen folgt e<strong>in</strong>e Analysegängiger Existenzsätze. Hier wurde bewiesen, dass es zwischen den <strong>konvexen</strong> undden <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong>n grundlegende Unterschiede sowohl <strong>in</strong> <strong>der</strong> Anzahl, alsauch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Art <strong>der</strong> lokalen M<strong>in</strong>ima gibt.Die Rolle <strong>der</strong> <strong>getrennt</strong> <strong>konvexen</strong> <strong>Funktionale</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Formulierung <strong>der</strong> Materialmodelle,<strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e des ISM–Modells, wurde <strong>in</strong> Kapitel 8 dargestellt. E<strong>in</strong>spieltheoreme für e<strong>in</strong>egewisse Klasse von Materialien, die den Gleichungen des ISM–Modells genügen, wurdenbewiesen.Weitere Materialmodelle, die <strong>der</strong> ISM–Klasse angehören, wurden <strong>in</strong> Kapitel 10 präsentiert.Schließlich wurden Algorithmen hergeleitet, die für e<strong>in</strong>e numerische Auswertung geeignets<strong>in</strong>d.


Summary 85SummaryIn the present work, the properties of separately convex functionals were <strong>in</strong>vestigated andsome applications to mechanics were given.Several propositions concern<strong>in</strong>g the theoretical basis of separately convex functionals wereformulated and proved and the relation to the class of convex functionals was explored.Characterization theorems for the bipotential were given. The three classes of bipotentials– decomposable, convex, and general bipotentials – were exam<strong>in</strong>ed.Relations to other convexity notions, as well as consistent def<strong>in</strong>itions of separately convexhulls were studied <strong>in</strong> the sequel. The biaff<strong>in</strong>e hull was <strong>in</strong>troduced as a natural generalizationof the aff<strong>in</strong>e hull from convex analysis.Sufficient conditions for the uniqueness and typical existence theorems were analyzed.Fundamental differences between convex and separately convex functionals concern<strong>in</strong>gthe number and the k<strong>in</strong>d of local m<strong>in</strong>ima were displayed.The role of separately convex functionals <strong>in</strong> the formulation of material models, especiallyof the ISM model, was explored <strong>in</strong> chapter 8. Shakedown theorems for a certa<strong>in</strong> class ofmaterials, satisfy<strong>in</strong>g the hypotheses of the ISM model, were proved.Further material models, belong<strong>in</strong>g to the class of ISM models, were presented <strong>in</strong> chapter10. F<strong>in</strong>ally, algorithms for the numerical treatment of the problem were deduced.


86 LITERATURVERZEICHNISLiteraturverzeichnis[1] Acerbi, E., Fusco, N., Semicont<strong>in</strong>uity Problems <strong>in</strong> the Calculus of Variations. Arch.Rat. Mech. Anal., 86, (1984), 125–145.[2] Baire, R., Sur les fonctions de variables réelles. Annali di mat. pura ed appl., 3,(1899), 1–123.[3] Baire, R., Sur l’orig<strong>in</strong>e de la notion de semi-cont<strong>in</strong>uité. Bullet<strong>in</strong> de la SociéteMathématique de France, 55, (1927), 141–142.[4] Ball, J.M., Convexity conditions and existence theorems <strong>in</strong> nonl<strong>in</strong>ear elasticity. Arch.Rat. Mech. Anal., 63, (1977), 337–403.[5] Ban, M., Weichert, D., Über durch Bipotentiale def<strong>in</strong>ierte Materialgesetze. ZAMM,80, Suppl. 2, (2000), 417–418.[6] Ban, M., Weichert, D., Zur Def<strong>in</strong>ition des impliziten Standard Material Model.ZAMM, 81, Suppl. 4, (2001), 839–840.[7] Ban, M., Weichert, D., Application of directionally convex functionals. Erschienen<strong>in</strong> Nonsmooth/Nonconvex Mechanics with Applications <strong>in</strong> Eng<strong>in</strong>eer<strong>in</strong>g, ed. C. C.Baniotopoulos, Thessaloniki, 2002.[8] Ban, M., Vallée, C., Ler<strong>in</strong>tiu, C., On Hill’s Bipotential. PAMM, 5, (2005), 289–290.[9] Bodovillé, G., On Generalised and Implicit Normality Hypotheses. Meccanica, 36,(2001), 273–290.[10] Bodovillé, G., The implicit standard material theory for modell<strong>in</strong>g the nonassociativebehaviour of metals. Arch. Appl. Mechanics, 71, (2001), 426–435.[11] Bodovillé, G., de Saxcé, G., Plasticity with non-l<strong>in</strong>ear k<strong>in</strong>ematic harden<strong>in</strong>g: modell<strong>in</strong>gand shakedown analysis by the bipotential approach. Eur. J. Mech. A/Solids, 20,(2001), 99–112.[12] Borwe<strong>in</strong>, J.M., Lewis, A.S., Convex Analysis and Nonl<strong>in</strong>ear Optimization. Spr<strong>in</strong>ger-Verlag, New York, (2000).


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