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L E S E N �+ �S P I E L E N<br />
L E S E N �+ �S P I E L E N<br />
jedoch stets ein bißchen schmutzig und viel<br />
zu blass wirken, die ersten Töne einer extrem<br />
verstimmten Spieluhr leiern in den Köpfen der<br />
Umstehenden oder es riecht für eine Sekunde<br />
nach verschimmelten Honigkuchen. Klassische<br />
Kampfzauberei kennt er nicht, doch wird ein<br />
Angreifer durch ein sich aus dem nächsten<br />
Baum oder einer nahen Holzwand formendes<br />
Schaukelpferd mit Krallen angegriffen oder die<br />
übergroße Illusion einer schlagenden Mutter<br />
erscheint für eine Sekunde vor dem Augen des<br />
Gegners und verschafft Chindscé ausreichend<br />
Zeit, um zu fliehen. Es liegt sonst am Spielleiter,<br />
der Chindscé ohne weiteres auch zu einem klischeehaften<br />
Schwarzmagier in präpupertären<br />
Alter machen kann, der eine Horde von Untoten<br />
hinter sich her zieht. In diesem Fall erweckt<br />
er alles zum Leben, vom Säugling bis zum letzten<br />
Tierskelett.<br />
Szenarienvorschläge:<br />
• Kindliche Suche<br />
Die einzige Erfahrung von Liebe und Zuneigung,<br />
die Chindscé jemals gemacht hat,<br />
waren die Wochen der Wanderschaft mit<br />
der Frau, die ihn später opferte. Doch<br />
Chindscé versteht es nicht und sein kleiner<br />
Funke Geist, der ihm geblieben ist, sucht<br />
diese Frau immer noch. Auf diese Weise<br />
sterben einige Familien und Frauen, die im<br />
Wald leben. Sollten die Charaktere nachforschen,<br />
stellen sie schnell fest, dass die Toten<br />
immer nach einem bestimmten Muster<br />
aufgefunden werden. Es sieht so aus, als ob<br />
der Mörder nur die Mütter in den Häusern<br />
gelassen hat, Ehemänner und Kinder sind<br />
im Wald verstreut. Die Mütter sitzen stets<br />
tot mit weit aufgerissenen Augen am Kamin,<br />
die Hände im Schoß so gelegt, dass ein Kind<br />
doch seinen Kopf darin bergen könnte. Das<br />
war Chindscé, der sich nach jenen wenigen<br />
Augenblicken sehnt, in denen er seinen Kopf<br />
in den Händen jener Frau bergen konnte.<br />
Vielleicht erinnert sich im Dorf noch jemand<br />
an die Frau, die vor bald 40 Jahren verwirrt<br />
aufgefunden wurde und dem Mädchen, das<br />
sie pflegte, vor ihrem Tod die Wahrheit<br />
über ihr Verderben und das Kind Chindscé<br />
anvertraute. Und die Charaktere erkennt,<br />
dass Chindscé ein letztes Mal zu jener Frau<br />
will, die ihm das einzige Mal in seinen Leben<br />
Zuneigung gab. Doch ihr Körper würde<br />
verbrannt und ihre Knochen vergraben. Die<br />
Suche beginnt und Chindscé Wunsch wird<br />
immer stärker.<br />
• Der Klassiker: Armee der Untoten<br />
Es regnet, als die Charaktere das Dorf erreichen,<br />
in dem alle Türen versperrt sind und<br />
jedes Fenster verrammelt. Schnell erfahren<br />
die Charaktere, nachdem sie die verängstigten<br />
Bewohner überzeugt haben, keine<br />
Gefahr zu sein, dass in den letzten Wochen<br />
immer wieder skelettierte Kleintiere wie<br />
Katzen, Ratten und Marder durch das Dorf<br />
und die Umgebung gestriffen sind. Das sind<br />
die Späher des Chindscé, der die Überreste<br />
www.anduin.de - das kostenlose und unabhängige e.Zine für phantastische Spiele - © 2004 Tommy Heinig<br />
jener Frau sucht, die ihn einst opferte. Er<br />
weiß, dass er sie finden muss, sei es, um<br />
stärker zu werden, um Erlösung zu finden,<br />
um sie zu befreien, da ein weiterer Teil jenes<br />
höheren Übernatürlichen sich mit der Essenz<br />
der Frau verbinden muss. Seit einigen<br />
Nächten sammeln sich Dutzende von untoten<br />
Kleintieren vor einem kleinen Lagerhaus<br />
aus Stein, dass in alten Tagen einst das<br />
Gebeinhaus des Dorfes war. Noch versteht<br />
keiner, dass unter diesem nun als Schuppen<br />
benutzen Haus das Ossatorium liegt, in dem<br />
die Knochen jener Frau zu finden sind. Werden<br />
die Charaktere erfahren, was geschehen<br />
ist. Werden sie Chindscé die Gebeine der<br />
Frau geben? Was geschieht dann? Wie kann<br />
man das Kind erlösen und davon abhalten,<br />
mit einer Armee aus Untoten das Dorf zu<br />
überrennen? Und die wichtigste Frage von<br />
allen: Ist es sinnvoll, einen Keller voller Skelette<br />
zu öffnen, wenn ein mächtiger „Untote<br />
erheben“-Spruch gesprochen wurde?<br />
Herausragende Werte: Magie<br />
JOHN JAMESON<br />
Name: John Jameson<br />
Titel: Der Irre/Ire<br />
Abstammung: Malkavianer<br />
Alter: ca 180 Jahre<br />
Größe: 160 cm<br />
Statur: schlank, unterernährt wirkend<br />
Augenfarbe: braun<br />
Gewicht: 57 kg<br />
Hintergrund: 1845 brach in Irland die Kartoffelfäule<br />
aus und vernichtete innerhalb weniger<br />
Wochen die gesamte Knollengewächsernte. Da<br />
Kartoffeln das Hauptnahrungsmittel der armen<br />
irischen Bevölkerung waren und Hilfe von Außen<br />
ausblieb, verhungerten Abertausende Iren<br />
im folgenden Winter. Diese Epidemie hielt auch<br />
in den kommenden Jahren an, so dass bis 1855<br />
gut zwei Drittel der Bevölkerung der Irischen<br />
Insel auswanderten. Ziel dieses Exodus war<br />
hauptsächlich Amerika, das Land der unendlichen<br />
Möglichkeit und vor allem das Land, in<br />
dem es etwas zu Essen gab.<br />
Unter diesen Flüchtlingen befand sich auch an<br />
einem kalten Novemberabend des Jahres 1849<br />
der englischstämmige Sir Edward Keith Doubt,<br />
ein Gentleman von echtem Schlage, der seine<br />
Güter in der Nähe von Tullamore hinter sich<br />
ließ, um ein Schiff zu besteigen, dass ihn in sein<br />
neues Leben in Amerika bringen sollte. Seinem<br />
immensen Barvermögen angemessen begleiteten<br />
ihn sein Buttler James und eine Batterie<br />
voll Schrankkoffer. Die dreiwöchige Reise verlief<br />
für den erster Klasse reisenden Doubt sehr<br />
ereignislos, zumal der Gentleman es vorzog,<br />
den Tag stets in seiner Kabine zu verbringen,<br />
die gemeinsamen Dinner mit den Herren und<br />
Damen der Höheren Klasse zu meiden und nur<br />
ab und zu mitten in der Nacht einen kleinen<br />
Spaziergang auf Deck zu unternehmen. Sir Ed-<br />
54<br />
ward Keith Doubt war bereits seit einem guten<br />
Jahrhundert tot und musste aus Irland fliehen.<br />
Ein unangenehmer Umstand, der für ihn nicht<br />
durch etwaigen Nahrungsmangel an Kartoffeln<br />
erwuchs, sondern vielmehr durch eine Intrige,<br />
die ihn in seiner Heimat um sein untotes<br />
Leben fürchten ließ. Wenige Tage vor seiner<br />
überstützten Abreise hatte eine Feindin des<br />
lieben, als etwas verschroben geltenden Doubt<br />
den juristischen Instanzen von Tullamore einen<br />
Tip gegeben, sich in den Kellern des exzentrischen<br />
Adligen um zu sehen, in dem dieser seine<br />
bewundernswerte Sammlung an getöteten<br />
und mit heißem Wachs überzogenen Mädchen<br />
ausgestellt hatte. Denn dies war die einzige<br />
„Schwäche“, die dem Malcav bei seinem Kuss<br />
mit auf den Weg gegeben wurde.<br />
Doch Doubt und sein Buttler waren nicht alleine<br />
auf ihrer Reise. Um seinen gröbsten Hunger<br />
auf der Reise zu stillen, hatte der Sir kurzerhand<br />
seinen Gärtner John Jamesson, einen jungen<br />
und etwas tumben Jungen, überzeugt, mit ihm<br />
in einem seiner Schrankkoffer die Reise über<br />
den großen Ozean an zu treten. Dort, über<br />
drei Wochen bewegungslos, aber bei vollem<br />
Bewusstsein eingepasst in den Koffer und immer<br />
wieder als Nahrungsquelle benutzt, verlor<br />
der arme John den Verstand. Nach der Reise<br />
brachte es der Sammler kleiner Mädchen nicht<br />
übers Herz, seinen Reisegefährten weg zu werfen,<br />
sondern nahm ihn mit sich. Die folgenden<br />
Wochen und seine Wandlung zu einem Gärtner<br />
der Nacht, pardon, einem Geschöpf der Nacht,<br />
zehrten den letzten Rest Verstand des nun jungen<br />
Malcav auf. Es wurde noch stiller um John<br />
Jamesson als es bereits zu seinen Lebzeiten<br />
war.<br />
Doch der Verrückte blieb, was er gewesen war:<br />
Ein Gärtner.<br />
Lange war es still um ihn, bis Mitte der 20ger<br />
Jahre in Chicago eine Nachtbar eröffnete, in<br />
der sich ein wortkarger und etwas schräger<br />
Gärtner liebevoll um die Pflanzen kümmerte,<br />
die dort als Dekoration wuchsen. Ein in diesem<br />
Laden beheimateter Unterweltboss nahm den<br />
Gärtner zu sich, akzeptierte lachend seine obskuren<br />
Arbeitszeiten und überließ ihm das Geld,<br />
einen besonderen Wintergarten in seiner Villa<br />
ein zu richten: Den Garten der Nacht! Dort<br />
fanden sich nur Blumen und Gewächse, die des<br />
Nachts Blüten, allen voran die ersten Exemplare<br />
der „Selenicereus grandiflorus, Cactaceae“,<br />
einer Lilienart, deren betörend schöne Blüte<br />
nur eine Nacht im Jahr erblüht. Dieser Garten<br />
wurde innerhalb weniger Monate in Chacago<br />
und Umgebung berühmt. Scharenweise pilgerte<br />
die High Society zu Stehimbissen und Mitternachtspartys,<br />
um das seltene Erblühen dieser<br />
Blume zu erleben.<br />
Dann, im Zuge der alles verschlingenden Inflation<br />
1929 wurde der Mafiosi erschossen und sein<br />
kleines Imperium zerfiel. Seine Konkurrenten<br />
übernahmen seinen Besitz, ermordeten seine<br />
Bediensteten und brannten sein Haus nieder.<br />
Nur den kleinen Wintergarten auf dem Grund-