30.11.2012 Aufrufe

Schule - Wirtschaftsnachrichten

Schule - Wirtschaftsnachrichten

Schule - Wirtschaftsnachrichten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

8<br />

COVERSTORY<br />

„Man fühlt sich verhöhnt“<br />

Kärntens Landeshauptmann<br />

Gerhard Dörfler fordert die Ein-<br />

führung der flächendeckenden<br />

Ganztagsschule in Österreich.<br />

Lehrer sollen in Zukunft auch in<br />

den Sommerferien arbeiten.<br />

n Alle reden von der Notwendigkeit,<br />

Österreichs <strong>Schule</strong>n anders zu organisieren.<br />

Was möchten Sie ändern?<br />

Österreich hat im OECD-Vergleich hohe Bildungskosten<br />

und trotzdem sind die PISA-Ergebnisse<br />

schlecht. Auch bei den Ausgaben<br />

für Nachhilfe liegen wir im internationalen<br />

Spitzenfeld. Das sind alles Indizien dafür,<br />

dass im österreichischen Schulsystem etwas<br />

nicht stimmen kann. Vergleicht man die<br />

<strong>Schule</strong> mit einem Unternehmen, dann<br />

müsste man sagen: Wir haben hohe Lohnkosten,<br />

liefern unterdurchschnittlicher Qualität<br />

und haben außerdem noch hohe Reklamationskosten,<br />

nämlich die Nachhilfe. So<br />

ein Unternehmen ist eigentlich insolvent.<br />

Daher muss man zwei Dinge tun: das Lehrerdienstrecht<br />

reformieren und die flächendeckende<br />

Ganztagsschule einführen. Daran<br />

führt kein Weg vorbei, weil sich die Gesellschaft<br />

in den letzten Jahren und Jahrzehnten<br />

dramatisch verändert hat.<br />

n Fragt man Lehrer nach den Ursachen<br />

der Probleme, dann sagen alle übereinstimmend:<br />

Die Politik solle sich so<br />

schnell wie möglich aus der <strong>Schule</strong> zurückziehen.<br />

Die Verantwortung für <strong>Schule</strong>n sollte in eine<br />

Hand – also entweder alles zum Bund oder<br />

alles zu den Ländern. Es müssen jedenfalls<br />

klare Strukturen und klare Zuständigkeiten<br />

geschaffen werden. Ich habe kein Interesse<br />

an politischem Bürokratismus. Aber letztlich<br />

muss die Politik Rahmenbedingungen festlegen.<br />

Wenn man das der Gewerkschaft<br />

überlässt, dann führt das zu noch geringerer<br />

Lehrverpflichtung und noch mehr Nachhilfe.<br />

Da geht es um viel Geld und eine finanzielle<br />

Belastung für Eltern, wenn man von Preisen<br />

zwischen 30 und 50 Euro pro Stunde ausgeht.<br />

Neben einem modernen Lehrerdienstrecht<br />

und der flächendeckenden Ganztagsschule<br />

braucht man auch eine entsprechende<br />

Schulausstattung. Die Lehrer sollten wie alle<br />

anderen Arbeitnehmer auch ihre Arbeitszeit<br />

WIRTSCHAFTSNACHRICHTEN 6/2012<br />

am Arbeitsplatz verbringen und die dafür erforderlichen<br />

Rahmenbedingungen vorfinden.<br />

n Unterrichtsministerin Claudia<br />

Schmied will die Lehrverpflichtung<br />

auf 24 Wochenstunden erhöhen.<br />

Das ist aus meiner Sicht das Mindestmaß.<br />

Ich möchte <strong>Schule</strong> so organisieren, dass<br />

Schüler und Lehrer von acht bis 16 Uhr in<br />

der <strong>Schule</strong> sind. Aber in der Zeit muss wirklich<br />

alles abgedeckt werden – Hausaufgaben,<br />

Übungen, Vorbereitung für Schularbeiten<br />

und Tests. Berufstätige Eltern haben einfach<br />

nicht mehr die Kraft, nach einem anstrengenden<br />

Arbeitstag auch noch mit den Kindern<br />

zu lernen.<br />

n Lehrer verweisen auf „unsichtbare<br />

Arbeiten“, wie die Korrektur von<br />

Schularbeiten und die Vorbereitung<br />

der Unterrichtsstunden.<br />

Man fühlt sich verhöhnt, wenn die Lehrer<br />

behaupten, sie würden die ganzen Ferien<br />

auch zur Unterrichtsvorbereitung brauchen.<br />

n Wollen Sie die Ferien der Lehrer kürzen?<br />

In Zeiten wie diesen wird es wohl noch erlaubt<br />

sein, über die immens hohen Freizeiten<br />

„Wir brauchen<br />

eine Sommerbetreuung.“<br />

Foto: APA<br />

durch Ferien nachzudenken. Die lange Sommerferienzeit<br />

stellt wirklich ein Problem für<br />

viele Familien dar. Eltern und Gemeinden<br />

müssen sehr viel Geld aufwenden, um die<br />

Betreuung der Kinder und Jugendlichen in<br />

den Ferien zu organisieren. Außer den Lehrern<br />

kann niemand im Sommer zwei Monate<br />

frei nehmen, um für die Kinder zu sorgen.<br />

Das Gefüge der Gesellschaft hat sich so verändert,<br />

dass wir eine Sommerbetreuung<br />

brauchen. In Zeiten von Sparpaketen wird<br />

man doch auch von den Lehrern einen Beitrag<br />

verlangen dürfen.<br />

n In kaum einer anderen Berufsgruppe<br />

ist das Risiko, an einem Burn-out zu<br />

erkranken, größer als im Lehrerberuf.<br />

Woran liegt diese Überlastung?<br />

Einige Lehrer werden wohl auch eine falsche<br />

Berufswahl getroffen haben. Der zweite<br />

Grund liegt darin, dass Lehrer heute erzieherische<br />

Aufgaben übernehmen müssen, die<br />

früher in der Familie erledigt wurden. Lehrer<br />

müssen ihren Schülern heute sogar das Grüßen<br />

beibringen. In einer Ganztagsschule<br />

wäre es leichter, diese sozialen Kompetenzen<br />

zu vermitteln. Wichtig wäre, die Lehrerausbildung<br />

rasch zu ändern und ein neues Verständnis<br />

für den Lehrerberuf zu erhalten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!