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EXCHANGE DIE KUNST, MUSIK ZU VERMITTELN - Miz.org

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In der Praxis der Musikvermittlung findet<br />

Ästhetische Bildung statt, wenn die<br />

Musikvermittler und Konzertpädagogen<br />

Erfahrungslernen des Publikums und der<br />

Zuhörenden zulassen; im Gegensatz dazu<br />

stehen Aktionen, denen ein technischmanipulierender<br />

Handlungsbegriff zugrunde<br />

liegt, der vermuten lässt, dass<br />

zielgerichtet auf die junge Generation<br />

eingewirkt werden soll. Im Konzertleben<br />

treffen dabei meist zwei Herangehensweisen<br />

aufeinander: Während die Praxis<br />

der Ästhetischen Bildung vor allem die<br />

Prozesse der Vermittlung in den Vordergrund<br />

rückt, unterliegen Orchester und<br />

Konzerthäuser gleichzeitig der Anforderung<br />

nach Präsentation von Ergebnissen,<br />

um die Projekte sowohl gegenüber Subventionsgebern<br />

als auch Sponsoren zu<br />

rechtfertigen. Akteure der Ästhetischen<br />

Bildung müssen dabei zur Kenntnis nehmen,<br />

dass ihre Themen und Ansätze<br />

nicht unabhängig von kulturellen Märkten<br />

stattfinden und die Sehnsucht nach<br />

Autonomie und Zweckfreiheit, die<br />

künstlerische Projekte einfordern, nicht<br />

immer eingelöst werden kann.<br />

Vier Dimensionen stecken das Feld ab, in<br />

dem Ästhetische Bildung gelingen kann 4 :<br />

> Fingerfertigkeit<br />

Wir singen und musizieren, bevor wir<br />

über Musik reden, über sie nachdenken<br />

und sie zu unserer Identitätsbildung beiträgt:<br />

Musik ist also zunächst eine praktische<br />

Tätigkeit und erst in zweiter Linie<br />

ein Diskursgegenstand. Für die Musikvermittlung<br />

bedeutet dies, dass im Rahmen<br />

der Projekte und Methoden grundsätzlich<br />

immer der Umgang mit Klängen,<br />

das Musizieren mit Instrumenten und<br />

das Singen im Mittelpunkt stehen sollen.<br />

Dies schließt das aktive Hören in Konzerten<br />

für Kinder selbstverständlich ein,<br />

weil es zum Begreifen und Mitvollziehen<br />

von Musik beiträgt.<br />

> Alphabetisierung<br />

Der Umgang mit Musik wird komplex<br />

und differenziert, wenn man die Symbole,<br />

die verwendet werden, versteht<br />

und die dahinterstehenden Geschichten<br />

und Kontexte entschlüsseln kann. Erst<br />

diese Kenntnisse führen zu einer mündigen<br />

Urteilsfähigkeit über ästhetische<br />

Wahrnehmungen. Ein Kinderkonzert zu<br />

Joseph Haydn folgt beispielsweise der<br />

Dramaturgie seines Oratoriums „Die Jah -<br />

reszeiten“ und entwickelt dabei einen<br />

roten Faden anhand eines Jahres aus Joseph<br />

Haydns Kindheit. Eine Auswahl an<br />

Kinderspielen des 18. Jahrhunderts klärt<br />

grundsätzliche Fragen des Miteinanders<br />

jenseits von Geschichte und schließt unmittelbar<br />

an die heutige Lebenswelt der<br />

Kinder an.<br />

> Selbstaufmerksamkeit<br />

Ein Musikvermittlungs-Projekt ist aus<br />

Sicht der Ästhetischen Bildung gelungen,<br />

wenn der einzelne Teilnehmer sich selbst<br />

und seinen Empfindungen besondere<br />

Aufmerksamkeit schenken kann und im<br />

Verlauf des Prozesses die Einzigartigkeit<br />

des Moments erlebt. Friedrich Schiller<br />

würde als „ästhetischen Zustand“ bezeichnen,<br />

was wir mit Begriffen wie Gän -<br />

se haut oder Ergriffenheit umschreiben.<br />

Wenn konzertpädagogische Workshops<br />

ermöglichen, dass jedes Kind bzw. jeder<br />

Jugendliche seine künstlerische Ausdrucksfähigkeit<br />

erkennt und seinen eigenen<br />

Beitrag und den der Gruppe in<br />

einem wertschätzenden und konzentrierten<br />

Arbeitszusammenhang hören und<br />

56<br />

spüren kann, sind Momente der Ergriffenheit<br />

möglich.<br />

> Sprache<br />

Ästhetische Wahrnehmungen können als<br />

gemeinsames Erlebnis geteilt werden,<br />

wenn wir Worte dafür finden, was in der<br />

Musik stattfindet und was sie uns bedeutet.<br />

Ästhetische Bildung unterstützt auch<br />

reflektierende Phasen in Projekten, in<br />

denen wir uns selbst und den anderen<br />

mitteilen, was stattgefunden hat. Damit<br />

wird ästhetische Wahrnehmung nicht<br />

nur in Worte gefasst, sondern gleichzeitig<br />

bestimmt und verankert.<br />

Erst wenn alle vier Dimensionen in<br />

Projekten der Musikvermittlung zum<br />

Tragen kommen und ineinandergreifen,<br />

kann von ästhetischen Bildungsprozessen<br />

gesprochen werden.<br />

AU<strong>DIE</strong>NCE-DEVELOPMENT<br />

Im Kulturleben der Jahrtausendwende<br />

tritt das Publikum ins Zentrum der Aufmerksamkeit<br />

– nicht zuletzt deshalb,<br />

weil es nicht mehr „von selbst“ in die<br />

Konzerthäuser strömt, sondern im Rahmen<br />

einer pluralistischen Erlebnisgesellschaft<br />

aus einer Fülle von Freizeit- und<br />

Kulturangeboten wählen kann. Ebenso<br />

rechtfertigt in Zeiten der wirtschaftlichen<br />

Krisen der geringe Prozentsatz einer relativ<br />

kleinen kulturbegeisterten Schicht,<br />

deren Interesse an klassischer Musik<br />

überwiegend in der Familie geweckt und<br />

gepflegt wurde, immer weniger die ho -<br />

hen Subventionsmittel für Hochkultur.<br />

Bis in die 1990er-Jahre prägten das künstlerische<br />

Produkt und die Kultur<strong>org</strong>anisation<br />

die öffentliche Wahrnehmung von

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