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KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com

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I. Entstehung des Ruhms und seine Wertung<br />

Wodurch ist im Grunde der Weltruhm Nietzsches entstanden?<br />

Zuallererst durch die ganz plötzliche Geistesstörung, die seine gelehrten<br />

(und entfremdeten) Freunde erschütterte. Man horchte auf und<br />

forschte seinen Werken mehr nach als bisher. Sein glänzender Stil und<br />

die originelle Form seiner Darstellungsweise mußten auffallen. Das Gesamtwerk<br />

ließ sich jetzt eher überblicken. Geistvolles und Widersprüche,<br />

Extremes und Grelles, Feines und Zartes — bunt durcheinander:<br />

das gab Probleme auf; und das Schicksal eines Mannes, der schwer gelitten,<br />

der totgeschwiegen war, lockte in seiner Tragik zur Lösung, zur<br />

Sühne. Leid als Lohn: das erträgt kein Gewissen.<br />

Betrachten wir zuerst die Form und die Darstellungsweise von Nietzsche.<br />

Weilheim (Seite 222) hat recht, wenn er Nietzsche zu den Romantikern<br />

rechnet. [Bei Romantikern handelt es sich gewöhnlich um Menschen, die<br />

mit der Gegenwart nicht zufrieden sind und sich entweder in die Vergangenheit<br />

oder in Wunschträume zu retten versuchen; auch etwas<br />

Dichterisches klingt dabei mit an.] „Dichtung und Philosophie" wären<br />

„nicht scharf gesondert". Ferner meint Weilheim (Seite 217): „Man vermisse<br />

oft die klare Fassung des Problems und die strenge Durchführung<br />

des Gedankens." Nietzsche gäbe „Stimmungsbilder" und besäße eine<br />

„meisterhafte Darstellung" (Seite 218). [An der ganz hohen stilistischen<br />

Begabung Nietzsches für die deutsche Sprache hat bisher noch niemand<br />

gezweifelt. In mancherlei Hinsicht steht seine sprachliche Darstellung in<br />

der deutschen Literatur einzig da.]<br />

Sie ist auch zweifellos einer der Gründe seines Weltruhms. Auffällig<br />

ist die Bemerkung Weilheims, daß Nietzsche gar nicht die Wahrheit wolle.<br />

„Nietzsche steht außerhalb eines jeden ernsten philosophischen Strebens"<br />

(Seite 221.) [Hier sagt man vielleicht statt „philosophischen" besser<br />

„wissenschaftlichen Strebens". Darin liegt vielleicht auch nebenbei einer<br />

der Gründe seines Ruhms; weil das ganz streng Wissenschaftliche gewöhnlich<br />

bei der breiteren Masse keinen rechten Anklang findet So<br />

steuert also gleichsam ein objektiver Fehler, wie so oft bei Nietzsche, zu<br />

seinem Ruhme bei. Das hysterische Geltungsbedürfnis um jeden Preis<br />

übersteigt bei Nietzsche weitaus das sachlich selbstlose Wahrheitssuchen.<br />

Bei seinen Aphorismen dreht es sich tatsächlich vielfach mehr<br />

um Stimmungsbilder und Dichtungen als um streng philosophische Feststellungen.<br />

Sehr viele seiner Aphorismen könnten wir wohl auch philosophische<br />

Dichtung in Prosa nennen, und in dieser Form der Darstellung<br />

hat er zweifellos etwas Einzigartiges und Klassisches geleistet.]<br />

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