KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com
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Merkwürdigerweise treffen wir auch bei D r e w s (nach Weilheim Seite<br />
153) in dessen Darstellung auf objektive Fehler Nietzsches, die den Ruhm<br />
gerade erst recht begründet haben. Man höre diesen Autor (der Universitätsprofessor<br />
für Philosophie gewesen ist): „In inhaltlicher Beziehung hat<br />
Nietzsche eigentlich auch in diesem Werk (dem Antichrist) etwas wirklich<br />
Neues nicht vorzubringen. Es ist überhaupt bemerkenswert, daß seit<br />
der Abfassung seines .Zarathustra' die Produktionskraft neuer Ideen so<br />
gut wie erschöpft ist und er sich darauf beschränkt, die alten Gedanken<br />
nur in immer neuen Wendungen und immer schärferer Pointierung zu<br />
wiederholen. Was früher in dem Orchester seines Geistes die Geigen<br />
spielten, wird jetzt in möglichst greller Akzentuierung von den Trompeten<br />
und Posaunen vorgetragen und an geeigneter Stelle, wie um den Hörer<br />
beständig in Atem zu halten, durch wuchtige Paukenschläge und Trommelwirbel<br />
noch besonders hervorgehoben." (Natürlich ist wiederum diese Tatsache<br />
eine Ursache des Ruhms bei der breiten Masse, weil diese nicht<br />
imstande ist, die paralytisch-extreme Darstellungsform von einer normalen<br />
zu unterscheiden.)<br />
Der Ruhm ist nichts Absolutes und Objektives, sondern hängt von der<br />
Masse seiner Beurteiler ab. Neben der stimmungsvollen und sprachlich<br />
einzigartigen Darstellung sind es höchstwahrscheinlich bestimmte Charakter-<br />
oder Menschentypen gewesen, die seinen Ruhm begründet haben.<br />
Ruhige, sachliche, gesunde und natürliche Menschen hätten sich wahrscheinlich<br />
um Nietzsche überhaupt nicht gekümmert, wie dies anfänglich<br />
tatsächlich der Fall war, oder sie hätten sich, wie dies heute noch bei fast<br />
sämtlichen Frauen von Bildung und Urteilskraft der Fall zu sein pflegt,<br />
herb mit Befremden von ihm abgewandt. Tatsächlich ist mir nicht eine<br />
einzige gebildete Frau im Leben begegnet, die Nietzsche geschätzt oder<br />
gar verehrt hätte. Hier und da hört man wohl einmal Urteile, die wohlwollend<br />
von der schönen poetischen Sprache im „Zarathustra" sprechen,<br />
aber das Wort Nietzsches im „Zarathustra": „Du gehst zu Frauen, vergiß<br />
die Peitsche nicht" scheint doch das zu sein, was am meisten im Gedächtnis<br />
der Frauen haften geblieben ist. Es versteht sich wohl von selbst, daß<br />
dies Wort niemals von Nietzsche selber geprägt werden konnte, sondern es<br />
stammt von einer Frau (mit der häufigen Geringschätzung andern Frauen<br />
gegenüber). Dieser Satz ist Nietzsche von seiner eigenen Schwester gleichsam<br />
diktiert worden; sie spielte damit auf russische Verhältnisse an. Ab<br />
und zu hört man wohl als Zusatz von irgendeiner Frau die Bemerkung:<br />
Allerdings, es ist tatsächlich etwas Richtiges daran. Die Schwester Elisabeth<br />
hatte auf die Tatsache angespielt, daß in Rußland sehr viele Frauen<br />
nicht glücklich in der Ehe wären, wenn ihr Mann -sie nicht gelegentlich<br />
schlüge; sie glaubten dann, daß er sie nicht mehr liebe. Alles in allem hat<br />
man den Eindruck, wenn Damen einem sagen: „Bleiben Sie mir mit<br />
Nietzsche vom Halse, ich mag ihn nicht", daß er ihnen in irgendeiner<br />
Weise abstoßend oder als etwas Fremdes und Unheimliches erscheint. Eine<br />
Frau, die sämtliche Werke von Nietzsche wirklich studiert hätte, ist mir<br />
noch nicht vorgekommen.<br />
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