01.12.2012 Aufrufe

KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com

KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com

KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

liegt eine Nuance von Wildheit, von „Unordnung", wie Kant etwas<br />

philiströs gemeint hat.<br />

Ist nun der Ferment zusatz zum großen Form- und Intelligenztalent,<br />

der gerade das „Geniale" zu erzeugen scheint, nur die P s y c h o p a t h i e ?<br />

(Ferment ist natürlich bloß ein Verlegenheitsausdruck; gemeint ist<br />

irgendeine reizgebende biologische Ursache.)<br />

Oder bedeutet das Ferment einen Zuschuß v o n f r e m d e m B l u t ?<br />

Drittens, ist vielleicht Psychopathie und fremde Blutbeimischung i d e n -<br />

t i s c h ? Etwa durch Keimfeindschaft?<br />

Nach dem biologischen Grundgesetz von Arndt-Schulz könnte das<br />

Fremde einen leichten nützlichen Reiz bedeuten. Auch eine P s y c h o s e<br />

ganz im B e g i n n kann die Leistungsfähigkeit steigern (Beispiele: Schumann,<br />

Nietzsche); da ist sie klinisch noch gleichbedeutend mit Psychopathie<br />

und würde nur einen schwachen Reiz ausgeübt haben. Als<br />

starker Reiz, als a u s g e s p r o c h e n e Geisteskrankheit wirkt sie später<br />

nur z e r s t ö r e n d , auch auf die Produktion.<br />

Man kann eine fließende Reihe aufstellen:<br />

1. Stärkster Reiz — P s y c h o s e — Zerstörung des Produktiven.<br />

2. Mittelstarker Reiz — mehr oder weniger P s y c h o p a t h i e — Anreiz<br />

der Produktion (manchmal auch Schädigung).<br />

3. Schwacher Reiz — Fermentunruhe im Blut in Form von Uberempfindlichkeit,<br />

Sensitivität, geistiger Beweglichkeit und' Lockerung einef a s t<br />

noch normale Abart von Blutmischung, ein feinster Anreiz zur<br />

Produktion. (Leonardo könnte solch Typ gewesen sein.)<br />

Soll man wirklich daran denken, Genies zu züchten? Meist, fast<br />

gesetzmäßig heißt Geniewerden zugleich auch ein tiefes, schauervolles<br />

Martyrium. Ja, die Masse will ihren Halbgott am liebsten als<br />

Märtyrer, so oder so gekreuzigt, sonst v e r t r ä g t sie seine Überlegenheit<br />

nicht.<br />

Soll man wirklich formtalentierte gesunde Familien mit fremdartigem<br />

oder psychopathischem Blut absichtlich kreuzen? Soll man einen Menschen<br />

mit vollem Bewußtsein zum Martyrium führen . . .?<br />

Fast noch unerträglicher wäre die p s y c h o l o g i s c h e Seite der<br />

Geniezüchtung. Alles Hohe und Feinste, alles sehr Verwickelte m i ß l i n g t<br />

gewöhnlich, wenn man es rational, zweckbewußt will. Das geht schon<br />

beim Kunstschaffen so. Ein Jüngling, der sich sagt: nun w i l l ich das<br />

tiefste Drama der Welt schreiben — dem J ü n g l i n g gerät es b e -<br />

stimmt nicht. Und man sehe sich das Literatentum in den verschiedenen<br />

Cafes Größenwahn an: wir wollen als Genies anerkannt werden!<br />

Einer, der zum Genie gezüchtet worden ist, einer, dessen Eltern ihn<br />

zum Genie e r z i e h e n , einer, der das w e i ß und Genie werden w i l l —<br />

d e r wird es ganz bestimmt n i e ! Der verfehlt sogar das allereinfachste<br />

Ziel: etwas B r a u c h b a r e s im Leben zu leisten; einer zu werden, der<br />

wirklich etwas kann und der nicht bloß mystischen Nebel um sich verbreitet.<br />

„Der Mensch ist verloren, der sich früh für ein Genie hält"<br />

(Lichtenberg).<br />

80

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!