KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com
KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com
KRANKHEIT UND WIRKUNG - Lalegion-pictures.com
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Ausklang<br />
Nietzsches Lebensweg als Schriftsteller begann unter seinen Hauptwerken<br />
mit einem Buch über die Entstehung der Tragödie. Der Jüngling<br />
war gewiß völlig ahnungslos, welche Rolle das T r a g i s c h e in seinem<br />
eigenen Schicksal und den Auswirkungen seiner Werke spielen sollte.<br />
Beides war mit Tragik durch und durch verwoben.<br />
Sein persönliches Schicksal: die Infektion mit Syphilis war noch nichts<br />
Tragisches. Es war ein Unglücksfall, hervorgerufen durch Mangel an naturwissenschaftlich-medizinischer<br />
Schulung, dazu vielleicht auch durch seine<br />
eigene Maßlosigkeit.<br />
Etwas Tragisches entsteht dann, wenn irgendein höherer Wert gesetzmäßig,<br />
zwangsläufig oder ursächlich mit der Kehrseite seiner Medaille verbunden<br />
erscheint, und wenn diese Kehrseite etwas Unheimliches, Grauenerweckendes<br />
darstellt, das gerade den hohen Wert der Vorderseite hervorruft<br />
oder hervorhebt.<br />
So wurde die intellektuelle und philosophische Entwicklung des jungen<br />
Nietzsche gerade durch die syphilitischen Qualen und ihre seelische Auswirkung<br />
bedeutend gefördert und vertieft. Anderseits wurde durch die<br />
Steigerung der Syphilis zur hypomanischen Paralyse auch sein Schriftstellertum<br />
entscheidend hochgehoben in der Richtung auf Ruhmwirkung,<br />
auf die Befriedigung seines Ehrgeizes.<br />
Hier zeigt sich die zweite Form einer Tragik. Er begann Weltruhm zu<br />
erlangen. Aber — dritte Tragik — im gleichen Augenblick wurde ihm der<br />
Genuß, eine Weltgröße zu sein, durch die Verblödung abgeschnitten wie<br />
ein Faden durch die unabwendbare Parze.<br />
Im letzten, extremen und pathologischen Stadium seines Schaffens — der<br />
herrischen Betonung des Willens zur Macht, des Willens zum Übermenschen,<br />
des Strebens nach einer Herrenmoral, der alles erlaubt ist, der<br />
Verherrlichung der Mitleidlosigkeit und Härte, der Schmähung auf das<br />
Christentum — tritt zunächst durchaus keine Tragik hervor, sondern lediglich<br />
eine grauenhaft geistesgestörte Verzerrung alles Menschlichen. Seine<br />
Sucht nach Zerstörung, nach einer Katastrophe durch seine Bücher, bei der<br />
sich die Erde in Konvulsionen winden sollte, ruft keine Schauer von Tragik<br />
hervor. Man wendet sich nur voll Grauen davon ab.<br />
Tragik setzt erst ein, als gerade diese gestörte Geisteswelt Anhängern<br />
und Verehrern, die selber moralisch anrüchig und gestört waren, als willkommene<br />
Beute anheimfiel. Namentlich