UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981 - EPA
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KRONHÜTER 5<br />
Gran krönen. Die Geschichte von der Entwendung der Krone und die<br />
geheime Krönung ist ausführlich in den »Denkwürdigkeiten-« der Frau<br />
Helene Kottaner beschrieben 11 .<br />
In diesen »Denkwürdigkeiten« betont Frau Kottaner unter anderem,<br />
daß man nach ungarischem Recht den Säugling Ladislaus als rechtmäßigen<br />
König betrachten müßte, da er mit der heiligen Krone durch den<br />
Erzbischof von Gran in Stuhlweißenburg gekrönt wurde.<br />
Die Königswitwe mußte bald flüchten und sich nach Österreich absetzen,<br />
da Wladislaw von Polen von den Ständen zum König von Ungarn<br />
gewählt wurde und sie sich vor einer Verhaftung fürchten mußte; sie<br />
geriet auch in finanzielle Schwierigkeiten und so entschloß sie sich die<br />
Krone dem Kaiser Friedrich III. für 2500 Golddukaten zu verpfänden.<br />
Die Krone blieb fast 25 Jahre lang im Besitz von Kaiser Friedrich III.<br />
Als die Stände im Begriff waren die Krönung von Wladislaw vorzubereiten,<br />
nahmen sie mit Entsetzen wahr, daß dieselbe nicht mehr an<br />
ihrem üblichen Aufbewahrungsort in einer besonderen Kammer der<br />
Burg von Visegrád aufzufinden war. Schließlich fanden sie eine Formel<br />
um die Krönung von Wladislaw doch zu ermöglichen und entwickelten<br />
in einem Reichstagsbeschluß folgende Theorie der Krönung: »Considérantes<br />
etiam potissime quod semper regum coronatio a voluntate regnicolarum<br />
dependet, ac efficacia et virtus corone in ipsorum approbatione<br />
consistifc 12 .«<br />
Das erste Glied der ständischen Erklärung, daß die Krönung der<br />
Könige immer vom Willen der Mitglieder der Nation abhängt, bekräftigt<br />
nur die alte Rechtsauffassung, daß die Mitglieder der Nation den König<br />
wählen. — Ob die Praxis stets der Rechtsauffassung entsprach oder<br />
teilweise nicht, ist eine andere Frage. — Das zweite Glied der Erklärung,<br />
daß die Wirkungskraft der Krone (efficacia et virtus coronae) in ihrer<br />
Billigung (d. h. in der Billigung der Stände) beisteht, ikorante die öffentliche<br />
Meinung des Landes die stets die Krönung mit der Heiligen Krone<br />
gefordert hatte, nie richtig überzeugen. — Trotzdem dachten die Stände,<br />
daß dieser Reichstagsbeschluß es ihnen ermöglichte, Wladislaw mit einer<br />
Ersatzkrone, die das Haupt des Reliquiars des Heiligen Stephan schmückte,<br />
zu krönen. Sie beteuerten selbstverständlich, daß sie alles unternehmen<br />
würden, um wieder in den Besitz der Stephianisknone zu gelangen; sie<br />
stellten jedoch klar, daß solange sie dies nicht erreichen könnten, der<br />
erwähnten Ersatzkrone »kraft des Nationalwillens dieselbe Bedeutung<br />
zukommen müßte wie der heiligen Krone selbst.«<br />
Trotz alldem blieb die öffentliche Meinung des Landes weiterhin<br />
im Banne der mystischen Kraft der Stephanskirone. Deshalb war König<br />
Matthias Corvinus mit allen Mitteln bestrebt, die heilige Krone von Kaiser<br />
Friedrich III. zurückzugewinnen. Dies gelang ihm endlich im Jahre 1463,<br />
nachdem er schon mehr als fünf Jahre ohne gekrönt zu sein, regiert hatte.<br />
11 Das Orignalmanuskript befindet sich in der österreichschen Nationalbibliothek,<br />
— Manuskriptensammlung Nr: 2920; veröffentlicht in: Wiener Neudrucke.<br />
Bd. 2. Wien 1971.<br />
12 Text der Urkunde zitiert bei Kovachich S. 235, auch bei Timon S. 536.