UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981 - EPA
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ANTON RADVÁNSZKY<br />
Szálasi eine Sitzung des »Landesrates« ein, der im Sinne des G. A. XIX<br />
vom Jahre 1937 die provisorischen Regierungsmaßnahmen bei einer Vakanz<br />
des Reichsverweseramtes zu treffen hatte. Unter anderen waren<br />
Mitglieder dieses »Landesrates« die Präsidenten des Ober- und Unterhauses,<br />
der Fürstprimas etc., Kronhüter Perényi war in seiner Eigenschaft<br />
als Präsident des Oberhauses, anwesend. Selbstverständlich übte Pfeilkreuzführer<br />
Szálasi einen riesigen Druck aus. Er legte in dieser Sitzung<br />
den Eid als Ministerpräsident ab und forderte außerdem das Reichsverweseramt<br />
nicht zu besetzen, sondern ihn, Franz Szálasi, als Staatsoberhaupt<br />
mit dem Titel eines »Nemzetvezető« (Leiter der Nation) zu installieren<br />
und ihn mit der Führung der Nation zu betrauen. Zum Schluß<br />
bestand er darauf, seinen Amtseid als »Leiter der Nation« in der Anwesenheit<br />
der Krone auf die Heilige Krone abzulegen. Über die Sitzung<br />
berichtet Kronhüter Radvánszky kaum etwas, da er nicht anwesend war.<br />
Trotzdem erwähnt er, daß Kronhüter Perényi dem Ansinnen Szálasis,<br />
seinen Amtseid vor der Krone, auf die Heilige Krone abzulegen, widersprach.<br />
Warum später Baron Perényi nachgab und zur Eidesleistung Szálasis<br />
in der Burg erschien, darüber schweigt sich Krorahüter Radvánszky<br />
aus. Was er wörtlich dazu schrieb, lautete in deutscher Übersetzung: »Die<br />
Heilige Krone blieb bis zum 4. November vergraben. Dann mußte sie<br />
mein Kronhüterkollege auf Wunsch und laut Verfügung des Franz Szálasi,<br />
der inzwischen die Macht ergriffen hatte, in die königliche Burg heraufbringen<br />
lassen.« Dort im Festsaal der Burg, fand dann vor der Krone und<br />
in Anwesenheit des Kronhüters Perényi, die Eidesleistung Szálasis auf die<br />
Heilige Krone, statt. Kronhüter Radvánszky war nicht anwesend, da er<br />
nach seiner Aufzeichnung vom 25. Oktober bis zum 5. November an einer<br />
Blinddarmirritation litt und krank darniederlang. Seine Krankheit war<br />
eme »diplomatische«, die er nachträglich nicht als solche bezeichnete.<br />
Vielleicht aus Rücksicht auf seinen Kronhüterkollegen! Daß Kronhüter<br />
Perényi, im Anschluß an die Sitzung des »Landesrates« vom 27. Oktober<br />
unter schwerem Druck, den Platz, an dem die Krone vergraben war,<br />
Franz Szálasi mitteilte, ist wahrscheinlich. Es ist auch möglich, daß Szálasi<br />
von einem der eingeweihten Kronwächter, den Ort erfuhr. Vergessen<br />
wir nicht, daß der Verteidigungsminister die Disziplinargewalt über die<br />
Kronwache innehatte, und daß die Armee nach der Machtergreifung dér<br />
Ffeilkreuzler auf Szálasi vereidigt wurde.<br />
Die Äußerung des Kronhüters Perényi seinem Amtskollegen gegenüber,<br />
daß er deswegen die Krone zur Eidesleistung Szálasis begleitete,<br />
weil er dieselbe nicht verlassen wollte, wie Albert Radvánszky dem Verfasser<br />
der vorliegenden Abhandlung im Sommer 1948 persönlich mitteilte,<br />
läßt darauf schließen, daß der Pfeilikireuzfühirer die Möglichkeit hatte,<br />
die Krone auch ohne die Mithilfe eines Kronhüters aus ihrem Versteck<br />
zur Eidesleistung in den Festsaal der Burg bringen zu lassen. Es ist ganz<br />
müßig darüber zu diskutieren, ob es Szálasi gewagt hätte, ohne die Mitwirkung<br />
eines Kronhüters am 4. November 1944 den Befehl zur Herbeischaffung<br />
der Krone zur Eidesleistung zu erteilen.<br />
Was beide Kronhüter anbelangt, gab es verständliche Beweggründe<br />
für ein opportunistisches Handeln zum Schutz der Heiligen Krone. Dar-