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UNGARN-JAHRBUCH 1980-1981 - EPA

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ANTON RADVANSZKY<br />

die Kronhüter am 18. November 1944 in Anwesenheit des stellvertretenden<br />

Ministerpräsidenten Szöllösi, den Krönungsmantel in der Erzabtei<br />

von Pannonhalma (Martinsberg) dem Erzabt, der ihn in Gewahrsam nahm.<br />

Trotzdem erschien Szöllösi am 20. Februar 1945, als Budapest bereite in<br />

sowjetrussischen Händen war, mit einigen Kronwächtern in der Erzabt ei<br />

und nahm den Krönungsmantel mit.<br />

Hierüber steht am 20. Februar 1945 in den Tagesaufzeichnungen des<br />

Priors der Erzabtei, folgender Text (Deutsche Übersetzung vom Verfasser):<br />

»Mittags kamen der stellvertretende Ministerpräsident Szöllösi<br />

in einem Personenkraftwagen und vier bis fünf Kronwächter in einem<br />

Lastauto an; die letzteren nahmen nachmittags den bis dahin bei uns<br />

gehüteten Krönungsmantel mit.« Der ungarische Originaltext wurde<br />

freundlicherweise von Professor Mike Jámbor, der damals Unterprior der<br />

Erzabtei war, zur Verfügung gestellt. Er bemerkte dazu, daß sie in der<br />

Erzabtei nichts über eine Aufzeichnung wüßten, die nähere Auskunft<br />

über das Vorgehen Szöllösis und dessen Begleitumstände geben würde.<br />

Der damalige Erzabt, und der Oberprior, sind nicht mehr am Leben 97 .<br />

Die Wanderung der Krone in Österreich bis sie schließlich auf Befehl<br />

Szálasis Ende April in Mafttsee (Österreich) vergraben wurde, sowie ihre<br />

Ausgrabung durch die Amerikaner im Juli 1945 unter Mitwirkung des<br />

Obersten der Kronwache Ernő Pajtás, sind nicht mehr Gegenstand der<br />

vorliegenden Abhandlung. Es soll jedoch vermerkt werden, mit welcher<br />

Hartnäckigkeit Szálasis Pfeilkreuzler sich selbst außerhalb Ungarns im<br />

österreichischen Exil bemühten, die Verfügungsgewalt über die Krone<br />

zu behalten. Die Heilige Krone übte auch auf die Pfeilkreuzler eine<br />

mystische Faszinationskraft aus.<br />

Noch vor ihrer Verhaftung durch die Amerikaner hatte sich die<br />

Szálasi Regierung auf ihrer Flucht nach Meran (Südtirol) zurückgezogen.<br />

Dort befand sie sich auch am 4. Mai 1945. Als ein groteskes Beispiel ihrer<br />

Verehrung der Heiligen Krone sei hier am Schluß die deutsch verfaßte<br />

Denkschrift erwähnt, die Szálasis »Außenminister« am 4. Mai 1945, über<br />

die amerikanischen und britischen Besatzungsbehörden, an deren Regierungen<br />

richtete.<br />

Einleitend stellt der Außenminister der Pfeilkreuzler fest, daß das<br />

»verfassungsgemäße« Staatsoberhaupt Ungarns (also Szálasi) am 4. November<br />

1944 vor der Heiligen Krone, den Eid auf die Ungarische Verfassung<br />

abgelegt hat. Dann fährt er wörtlich fort: »Der Besitz der Heiligen<br />

Stephanskrone, als Symbol der souverainen Nation, kennzeichnet<br />

unmißverständlich die Verfassungsmäßigkeit der staatlichen Ordnung.«<br />

(Im Besitz der Heiligen Krone betrachtete sich also die Szálasi-Regierung<br />

selbst im Exil als verfassungsmäßige Vertreterin der Nation.) Demzufolge<br />

91 Es isoll dankend hervorgehoben werden, daß den oben angeführten Text,<br />

und die anschließenden Mitteilungen, auf Ersuchen des Verfassers ihm<br />

sein Freund, Prof. Dr. Joseph Bölöny im Jahre 1979 verschafft hat. So ist<br />

der Widerspruch gelöst, der darin bestand, daß der Krönungsmantel unbestreitbar<br />

von den Kronhütern dem Erzabt von Martinsberg übergeben<br />

wurde und er sich doch unter der von den USA im Januar 1978 an Ungarn<br />

zurückerstatteten Krönungsinsignien befand.

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