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NAH DRAN 03_Master_3 - Kinderschutz eV

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Von der patriarchalischen<br />

zur zeitgenössischen Familie<br />

Erfahrungen aus der Ambulanten Erziehungshilfe mit einer albanischen Familie<br />

in der Sozialregion Ramersdorf/Perlach<br />

Fran Krasniqi ist gebürtiger Kosovo-<br />

Albaner und war 19 Jahre als Lehrer in<br />

seiner Heimat tätig. Seit 1996 arbeitet<br />

er als muttersprachlicher Betreuer und<br />

später als Sozialpädagogischer Familienhelfer<br />

bei der Arbeiterwohlfahrt<br />

München sowie ab 2000 beim <strong>Kinderschutz</strong><br />

und Mutterschutz e.V. mit mehreren<br />

albanischen Familien. Für nah dran<br />

berichtet er aus seinen Erfahrungen<br />

über die kulturellen, sozialen und individuellen<br />

Lebensbedingungen und Probleme<br />

einer Familie aus dem Kosovo, die<br />

er im Rahmen von Ambulanter Erziehungshilfe<br />

(AEH) als Mitarbeiter des<br />

Regionalteams Ramerdorf/Perlach betreut.<br />

Die historische Entwicklung<br />

der Familie in Albanien<br />

Man kann in der albanischen Kultur zwei<br />

Familienarten unterscheiden: die patriarchalische<br />

Familie und die zeitgenössische<br />

Familie.<br />

Die patriarchalische Familie ist ein altes<br />

Familienmodell, das auch heutzutage<br />

noch von einem Teil der albanischen Bevölkerung,<br />

insbesondere in den Dörfern<br />

und auf den Bergen, gelebt wird. Sie hat<br />

viele Mitglieder und umfasst mehr als<br />

zwei Generationen. Diese Form der Familie<br />

entwickelte sich aus historischen Erfahrungen<br />

und Bedürfnissen, weil das albanische<br />

Volk in einer sehr langen Zeit<br />

unter fremder Herrschaft lebte: Das Land<br />

wurde 500 Jahre lang von den Türken<br />

und 100 Jahre von den Slawen regiert.<br />

Die Bevölkerung wurde in dieser Zeit<br />

nicht durch das Gesetz geschützt und<br />

war von den Herrschenden ausgeschlossen.<br />

Es war daher üblich, dass jene Familien,<br />

welche mehr Männer im Hause hatten,<br />

sich selbst beschützen und sich ihren Lebensunterhalt<br />

erarbeiten konnten, so dass<br />

in der patriarchalischen Familie die Jungen<br />

viel erwünschter waren als die Mädchen.<br />

Dadurch, dass viele Verheiratete in einem<br />

Haus zusammen wohnten, fehlten die Familienwärme<br />

und die Intimität. Ein Mann<br />

musste die Dominanz über seine Frau bewahren,<br />

und die Frau musste zeigen, dass<br />

sie ihren Mann mehr respektierte als liebte.<br />

Diese Gesetze und Traditionen, die sich<br />

von denen anderer Völkern unterscheiden,<br />

sind ein Erbe unserer Vorfahren: Sie waren<br />

ständig der Gefahr ausgesetzt, so dass die<br />

Männer permanent bereit sein mussten,<br />

nah dran 21<br />

Eine albanische<br />

Familie in<br />

München findet<br />

neue Wege für<br />

das Zusammenleben<br />

und die<br />

Erziehung ihrer<br />

Kinder<br />

den Feind zu bekämpfen und keine tieferen<br />

Emotionen gegenüber ihren Frauen<br />

zeigen konnten.<br />

Die zeitgenössische Familie besteht dagegen<br />

hauptsächlich aus Eltern und ihren<br />

Kindern. In dieser Familienform ist die Verbindung<br />

zwischen den Menschen viel besser<br />

und stärker, und die Emotionen werden<br />

viel intimer geteilt. Um die Erziehung der<br />

Kinder kümmern sich beide Elternteile gemeinsam.<br />

Die Entstehung der zeitgenössischen<br />

Familie in Albanien ist der Schulung<br />

und Ausbildung der Frauen im Zuge der<br />

Industrialisierung (in der Zeit von 1970 bis<br />

1980) zu verdanken. Diese Epoche brachte<br />

den Familien Beschäftigung und<br />

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