NAH DRAN 03_Master_3 - Kinderschutz eV
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nah dran<br />
Und zum anderen sind die Zugänge zur<br />
Hilfe selbst in der Regel eher hochkomplex,<br />
verworren, wenig transparent und<br />
zeitintensiv gestaltet.<br />
Institutionen der Erziehungshilfe – seien<br />
es beratende, betreuende, therapeutische<br />
oder die Sozialverwaltung selbst – bewegen<br />
sich über weite Strecken parallel zum<br />
und nicht im Alltag der Bürgerinnen und<br />
Bürger. Erziehungshilfe ist ein System, das<br />
erst dann in ihren Wahrnehmungsbereich<br />
gelangt, wenn Schwierigkeiten im Umgang<br />
mit Kindern und Jugendlichen, wenn<br />
Schwierigkeiten in der Erziehung auftreten<br />
bzw. wenn diese Schwierigkeiten nicht<br />
mehr auszuhalten sind. Weil das Sondersystem<br />
Erziehungshilfe zu weit von den<br />
Bürgerinnen und Bürgern entfernt ist, erfolgt<br />
eine Kontaktaufnahme oftmals erst<br />
zu einem Zeitpunkt, an dem es im Grunde<br />
bereits zu spät ist. Hinzu kommt, dass eine<br />
solche Kontaktaufnahme an sich als<br />
hochgradig belastend empfunden wird.<br />
Erziehungshilfe muss daher – wie soziale<br />
Dienstleistung insgesamt – ihr bisweilen<br />
pseudotherapeutisches Glashaus verlassen,<br />
vor Ort präsenter, in ihrem Handeln<br />
transparenter und zu einem Bestandteil<br />
des bürgerschaftlichen Lebens werden.<br />
Dies könnte sie vor allem dadurch erreichen,<br />
dass sie, wie oben gefordert, zusätzlich<br />
zu aller (Einzelfall-)Hilfe sichtbar<br />
Mitverantwortung für das Gemeinwesen<br />
übernimmt, in dem sie tätig ist.<br />
In diesem Zusammenhang ist die Frage zu<br />
beantworten, wie Bürgerinnen und Bürger<br />
zukünftig Zugang in das Hilfesystem<br />
finden können. Wenn es wirklich erklärtes<br />
Ziel ist, dass die Hilfezugänge adressatenfreundlicher<br />
gestaltet und vereinfacht<br />
werden sollen, dann bedarf es eines Strukturwandels,<br />
der es möglich macht, dass<br />
Hilfesuchende diesen Bedarf dort und<br />
dann äußern können, wo und wann er auftritt.<br />
Grundvoraussetzung dafür wäre, dass<br />
an dieser ersten Stelle der Kontaktaufnahme<br />
für die Betroffenen nicht eine Reise<br />
durch die Instanzen beginnt, weil eben<br />
gerade diese Stelle zufälligerweise nicht<br />
zuständig ist. Zuständig sollte „jeder“ sein<br />
können, auch die Schule, die Pfarrge-<br />
meinde, der Fußballtrainer. Die Umgestaltung<br />
der Zugänge in diesem Sinne wird<br />
aber nur gelingen, wenn der öffentliche<br />
wie die freien Träger bereit sind, Verfahren<br />
und Finanzierungsmodelle zu entwickeln,<br />
die solches ermöglichen.<br />
Partnerschaftlichkeit zwischen<br />
dem öffentlichen Träger und<br />
den freien Trägern<br />
Zur „neuen“ Qualität von „Umbau statt<br />
Ausbau“ zählt die Partnerschaftlichkeit,<br />
und zwar in mehrerer Hinsicht: An oberster<br />
Stelle steht sicherlich der partnerschaftliche<br />
Umgang der Erziehungshilfe<br />
mit ihrer Klientel. Dies wurde eingangs bereits<br />
in Ansätzen beschrieben. Partnerschaftlichkeit<br />
ist ebenso gefordert bei der<br />
Gestaltung der Kooperationsbeziehungen<br />
zwischen den Erziehungshilfeträgern in<br />
den Sozialregionen. Die Qualität Partnerschaftlichkeit<br />
bezieht sich aber auch auf<br />
das Verhältnis zwischen öffentlichem Träger<br />
und freien Trägern.<br />
Diese Partnerschaftlichkeit, die nach Meinung<br />
von Kurz-Adam und Köhler auch<br />
zum bisherigen Erfolg im Projekt „Umbau<br />
statt Ausbau“ selbst beigetragen hat (vgl.<br />
QE, S. 20 f), kann auf zwei Ebenen betrachtet<br />
werden:<br />
Im Projekt „Umbau statt Ausbau“<br />
Ausgestattet mit einem notwendigen Maß<br />
an Frustrations-, Verwunderungs- und<br />
Ernüchterungstoleranz – und zwar auf öffentlicher<br />
wie auf freier Trägerseite – kann,<br />
bezogen auf den bisher gemeinsam gestalteten<br />
Prozess, durchaus von transparenten<br />
Entscheidungsprozessen und guten<br />
Verhandlungen gesprochen werden.<br />
Ein weiterer Erfolg von „Umbau statt Ausbau“<br />
wird sich aber nicht von alleine einstellen:<br />
Zum einen wird er davon abhängig<br />
sein, ob es den Trägern und Verbandsvertreterinnen<br />
und -vertretern gelingt,<br />
sich von der Vorstellung zu verabschieden,<br />
dass vom Jugendamt nichts kommen kann,<br />
hinter dem nicht auch eine (böse) Absicht<br />
steht, ... dass sowieso schon alles fertig<br />
geplant ist, ... dass das Jugendamt letztlich<br />
ohnehin das tun wird, was es will. (Denn:<br />
Wer zahlt schafft an!) Die freien Träger<br />
hatten und haben, was in der Vergangenheit<br />
vielleicht nicht häufig der Fall war,<br />
die Möglichkeit zur tatsächlichen Mitgestaltung.<br />
Sie sind gut beraten, sich nicht<br />
auf die Position zurückzuziehen, dass Stillhalten<br />
Schlimmeres verhindert, sondern<br />
sich aktiv am Geschehen zu beteiligen.<br />
Auf der Seite des öffentlichen Trägers wird<br />
entscheidend sein, welche Rolle die „Verwaltungstreuen“<br />
spielen werden, für die<br />
Erziehungshilfe nicht mehr als die Komposition<br />
von Dienstanweisungen und Verfahren<br />
zu sein scheint, für die die Krone<br />
der Erziehungshilfe deren Verwaltung und<br />
Zuweisung ist - und der freie Träger ihr<br />
Erfüllungsgehilfe.<br />
Eine Zäsur im bisherigen Prozess darf hier<br />
nicht unerwähnt bleiben: Es ist der Zeitpunkt,<br />
an dem in der Landeshauptstadt<br />
München im Frühsommer 2002 die Haushaltssperre<br />
verhängt wurde. Von diesem<br />
Zeitpunkt an stand das Erreichte in Sachen<br />
Partnerschaftlichkeit auf Messers<br />
Schneide. Das „gute Verhandeln“ (vgl. QE,<br />
S. 20) wich dem Diktat des Mächtigeren.<br />
Das inhaltliche Ringen wich der permanenten<br />
(Be-)Drohung der freien Träger<br />
durch den öffentlichen Partner nach der<br />
Devise: „Wer zu unseren Bedingungen<br />
nicht mitmachen will, der macht eben<br />
nicht mit!“ Wenn in solchen Aussagen die<br />
Respektierung der Eigenständigkeit der<br />
Träger zum Ausdruck kommen sollte, so<br />
war es eine Phase, in der der Respekt<br />
merkwürdige Züge annahm...<br />
Trotz dieser Erschütterungen konnten beide<br />
Seiten zu ihrem partnerschaftlichen<br />
Umgang miteinander zurückfinden. Es<br />
scheint ein Fundament gelegt zu sein, das<br />
Erschütterungen standzuhalten in der Lage<br />
ist und von dem man hoffen darf, dass<br />
seine Festigkeit weiter zunimmt.<br />
Im (sozialräumlichen) Arbeitsalltag<br />
Bezogen auf die Kernaufgaben im Alltagsgeschehen<br />
gibt es sowohl ein Mehr<br />
als auch ein Weniger an Partnerschaftlichkeit:<br />
Ob mehr oder weniger ist dabei<br />
jeweils abhängig von den konkret handelnden<br />
Personen, von deren Koopera-