NAH DRAN 03_Master_3 - Kinderschutz eV
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nah dran<br />
Und: Es gilt, die Vision von der Sozialraumorientierung<br />
dahingehend zu erweitern,<br />
dass man diesem Qualitätsmerkmal folgend<br />
nicht beim Kanon der gegenwärtig<br />
in der Qualitätsentwicklungsempfehlung<br />
gefassten Hilfen stehen bleiben kann und<br />
dass die Umsetzung einer solchen Vision<br />
nicht an der Struktur der öffentlichen Töpfeverwaltung<br />
scheitern darf.<br />
Herstellen eines ausgewogenen<br />
Verhältnisses von Versorgungsanspruch<br />
und Trägerautonomie<br />
Es gilt, den Anspruch der Regionen auf<br />
Versorgung mit geeigneten Erziehungsangeboten<br />
sicherzustellen und kompatible<br />
Strukturen für die hierzu notwendigen gelingenden<br />
Trägerkooperationen zu schaffen<br />
bei gleichzeitiger Bewahrung der Autonomie<br />
und der eigenen Profile der Träger.<br />
Herstellen eines ausgewogenen<br />
Verhältnisses von dezentralen<br />
Strukturen und zentraler Steuerung<br />
Wie viel Eigenständigkeit und individuelle<br />
Entwicklung kann und will die Steuerung<br />
im Sozialreferat den Sozialregionen,<br />
ihren Sozialbürgerhäusern und den Trägern<br />
zugestehen? Wird es in den einzelnen<br />
Sozialregionen zum Beispiel möglich sein,<br />
dass sich Erziehungshilfe noch kleinräumlicher<br />
organisiert, was langfristig betrachtet<br />
im Sinne der Sozialraumorientierung<br />
nur konsequent wäre?<br />
Es gilt, effektive aber schlanke Instrumente<br />
der Steuerung und des Controllings zu<br />
entwickeln, die derart gestaltet sind, dass<br />
sie dem Bedarf und berechtigten Interesse<br />
nach Steuerung genügen, eine Überregulierung<br />
aber verhindert wird.<br />
Entwicklung eines der neuen Qualität<br />
Vorschub leistenden Finanzierungsmodells<br />
Es muss ein Modell entwickelt werden, das<br />
Anreize zu kreativen Hilfearrangements<br />
schafft, die kostenintensive Erziehungshilfeformen<br />
zu verhindern helfen. Ein solches<br />
Finanzierungsmodell muss es ermöglichen,<br />
dass Einrichtungen der Erziehungshilfe<br />
dafür finanziert werden, dass<br />
sie Erziehungshilfefälle abbauen oder ver-<br />
meiden. Bildlich gesprochen: Eine stationäre<br />
Einrichtung darf sich zukünftig<br />
nicht mehr finanziell tragen, weil sie belegt<br />
ist, sondern weil sie leer steht! Das<br />
Verhindern von Erziehungshilfefällen muss<br />
sich lohnen, auch für die Träger der Erziehungshilfe<br />
selbst.<br />
Und: Spätestens bei der Finanzierungsfrage<br />
wird sich die Rolle des stadteigenen<br />
Anbieters klären, und man wird die Frage<br />
beantworten müssen, wie die Ungleichbehandlung<br />
der freien Träger gegenüber dem<br />
städtischen Träger überwunden werden<br />
kann.<br />
Die größte Herausforderung aber wird es<br />
sein, geeignete Antworten auf die (angeblich)<br />
leeren öffentlichen Kassen zu finden.<br />
Es ist eine Utopie, zu glauben, dass im<br />
Rahmen von Erziehungshilfe Kosten<br />
schlagartig sinken könnten, weil Erziehungshilfe<br />
als Anspruch der Bürgerinnen<br />
und Bürger in der Sozialgesetzgebung verankert<br />
ist und bleiben muss. Realistisch<br />
erscheint hingegen, dass durch eine konsequente<br />
Umsetzung dessen, was mit<br />
„Umbau statt Ausbau“ begonnen wurde,<br />
der Kostenanstieg verlangsamt und die<br />
Planungssicherheit sowohl für die öffentliche<br />
Hand als auch für die freien Träger<br />
der Erziehungshilfe selbst gesteigert werden<br />
kann. Die Verantwortlichen stehen<br />
künftig vor der Wahl, der Verlockung von<br />
kurzfristigen Verbesserungen finanztechnischer<br />
Kennzahlen zu erliegen oder sich<br />
für nachhaltig wirkende Lösungen zu entscheiden.<br />
Wenn ihnen Letzteres gelingt,<br />
dann besteht vielleicht sogar eine gewisse<br />
Chance, dass die Utopie nicht zwangsläufig<br />
eine solche bleiben muss.<br />
NORBERT BLESCH ■<br />
1. Kurz-Adam, Maria; Frick, Ulrich: Umbau statt Ausbau<br />
- Analyse der Inanspruchnahme stationärer Erziehungshilfen<br />
der Landeshauptstadt München von 1996<br />
- 1999. Evaluation der Massnahmen von 1996 - 1998.<br />
Benediktbeuern, Regensburg: August 2000.<br />
2. Landeshauptstadt München, Sozialreferat, Stadtjugendamt<br />
(Hg.): Umbau statt Ausbau. Qualitätsentwicklung<br />
der ambulanten, teilstationären und stationären<br />
Erziehungshilfen in München. Facharbeitsgemeinschaft<br />
§ 78 SGB VIII „Hilfen zur Erziehung“.<br />
München: Februar 2002.<br />
Oft genug geht die derzeitige<br />
Spardiskussion in unserem<br />
Staat nach dem „Florians-<br />
Prinzip“ vonstatten: „Sparen ist ja<br />
okay, aber bitte nicht bei mir!“ So auch<br />
hier im schönen München...<br />
Man erinnere sich an die Tarifrunde im<br />
Öffentlichen Dienst: Die Kommunen<br />
sind pleite, dem Land geht’s schlecht,<br />
der Bund muss die Arbeitslosigkeit<br />
finanzieren – und dennoch findet der<br />
Tarifabschluss große Zustimmung auf<br />
kommunaler Ebene. Der Presse war zu<br />
entnehmen, dass die Münchner Stadtspitze<br />
die 80 Mio. €, welche der Tarifabschluss<br />
gekostet hat, für „verkraftbar“<br />
hält. Und die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter des Öffentlichen<br />
Dienstes müssten ja auch an der allgemeinen<br />
Einkommensentwicklung<br />
beteiligt werden.<br />
Um hier kein Missverständnis aufkommen<br />
zu lassen: Dies ist kein Plädoyer<br />
für einen grundsätzlichen Verzicht auf<br />
Lohnerhöhungen! Aber es muss erlaubt<br />
sein, einmal kritisch darüber nachzudenken,<br />
welche Konsequenzen ein solcher<br />
Tarifabschluss für die soziale<br />
Landschaft in dieser Stadt hat:<br />
Nahezu im gleichen Atemzug mit der<br />
Erhöhung der Tarifgehälter im Öffentlichen<br />
Dienst verordnete die Landeshaupstadt<br />
München nach der „Rasenmäher-Methode“<br />
die Kürzung fast aller<br />
Zuschüsse für soziale Leistungen<br />
um 2,61 %. Gegenüber den freien<br />
Wohlfahrtsverbänden ist das Florian<br />
pur! Denn in aller Regel erhalten diese<br />
eben nur Zuschüsse zu ihren Projekten<br />
und keine echte kostendeckende<br />
Finanzierung - obschon sie häufig<br />
kostengünstiger arbeiten als die Öffentliche<br />
Hand. Und diese Zuschüsse<br />
werden ja wohl gerade im Interesse<br />
der Realisierung einer sozialen Stadt<br />
gegeben: Die Leistungen der Wohlfahrtspflege<br />
sollen jenen Bürgerinnen<br />
und Bürgern zugute kommen, die sie<br />
am nötigsten brauchen. Doch die<br />
Schere zwischen öffentlichem Zuschuss<br />
und Kostendeckungsbeitrag