ÜSERS DORF BROGGE
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Ja, dieses Singen, das konnte sie dann in der<br />
Sekundarschule Schönau nicht mehr verstekken,<br />
zumal sie hätte auf der Bühne vorsingen<br />
müssen .....<br />
In dieser Jugendzeit verdiente sie sich auch ihr<br />
erstes Geld, und dies tat sie am Arbeitsplatz ihres<br />
Vaters. In den Ferien gab sie auf Dreiweihern<br />
Bügel für die Garderobe heraus, während sie an<br />
Samstagen im Volksbad die damals noch geschätzten<br />
öffentlichen Badewannen und Duschen<br />
putzte. Und wie es damals auch bei mir üblich<br />
war: Das verdiente Geld musste abgegeben werden,<br />
nur ein Trinkgeld blieb einem selber. “Hier<br />
habe ich oft etwas geschummelt!” gibt Myrtha<br />
Weber schalkhaft lachend zu.<br />
Nach der Verkäuferinnenlehre in einem Lebensmittelgeschäft<br />
im Osten der Stadt war ihr die<br />
Schule verleidet und sie trat mit einer Freundin<br />
zusammen in Ascona eine Saisonstelle an. Italienisch<br />
habe sie nicht gekonnt, aber unter so vielen<br />
Leuten habe sie das schnell kapiert.<br />
Ihre Freundin sei übrigens schon nach einer Woche<br />
mit einem neuen Freund abgehauen, weiss<br />
sie noch bestens. Myrtha trat dann eine Stelle in<br />
Luzern an, und begeistert erzählt sie jetzt von den<br />
“fürchterlichen” Hexen, welche ihr an der grossen<br />
Fasnacht nachjagten. Als dann ihre Mutter<br />
krank wurde, kehrte sie nach St.Gallen zurück, wo<br />
sie ihren ersten Mann einen Malayen kennen<br />
lernte. 1976 kam ihr Sohn zur Welt, und die Familie<br />
wohnte im Haus an der Zürcher Strasse, wo<br />
früher noch die Drogerie Maurer ihren Laden hatte,<br />
fast gegenüber vom heutigen Wohnort.<br />
Später arbeitete sie bei der Bahn, wo sie ihren<br />
zweiten Mann kennenlernte. Es mutet sie seltsam<br />
an, dass sie in der St.Leonhardskirche getraut<br />
wurde, im Gotteshaus, das jetzt verkauft werden<br />
soll. Zwei Söhne wurden der Familie geboren,<br />
wovon der jüngste im nächsten Sommer als<br />
Zwanzigjähriger fertig mit der Lehre wird.<br />
10<br />
1988 ergab sich dann die Möglichkeit, das Haus<br />
an der Zürcher Strasse 263 zu kaufen. Damals<br />
stand daneben noch eine riesige Tanne, welche<br />
Myrtha Weber sehr vermisst. Aber das Lädeli, das<br />
gibt es heute noch. Zum Wolle-Verkaufen sei sie<br />
eigentlich ganz zufällig gekommen. Die vielen Aktionen<br />
hätten ihr viele Fragen eingebracht: “Hören<br />
Sie auf, geht der Laden ein?” Aber der eine<br />
Grund für günstige Angebote sei ein praktischer,<br />
sie brauche immer wieder Platz für neue Ware,<br />
und dann sei es ihr einfach ein echtes Bedürfnis,<br />
etwas für Leute zu tun, welchen das Geld nicht<br />
so locker in der Tasche sitze. Schliesslich gehe es<br />
ihr gut, und sie könne einmal gar nichts mitnehmen.<br />
Mich beeindruckt diese Haltung echt, zumal ich<br />
im Verlauf des Gespräches vieles aus dem Leben<br />
von Myrtha Weber vernahm, was für sie nicht einfach<br />
zu meistern war, auch viele Enttäuschungen.<br />
Sie hat vieles weggesteckt und nie mit dem<br />
Schicksal gehadert.<br />
Aber jetzt freut sie sich auf einen Neuanfang, denn<br />
eigentlich sollte in nächster Zeit ihr Haus einer<br />
Grossüberbauung weichen. “Dieser Abbruch<br />
käme mir zur Zeit eigentlich ganz gelegen. Was<br />
ich dann mache, weiss ich zwar noch nicht – es<br />
wird schon eine neue Arbeit geben!” ist Frau<br />
Weber zuversichtlich.<br />
Ich wünsche Ihnen, liebe Frau Weber, jetzt nur<br />
noch, dass viele Frauen und auch einzelne Ausnahme-Männer<br />
bei der Totalliquidation vorbeischauen<br />
und zu günstigen Preisen Wolle für etwas<br />
“Glismets” posten, damit Ende Juni 05 alles<br />
weg ist.<br />
Für Ihr Mitmachen und Ihr interessantes Erzählen<br />
aus Ihrem Leben danke ich Ihnen ganz herzlich.<br />
31. Januar 2005 Bruno Früh