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Zeitgeschichte Braunauer Zeitgeschichte-Tage 2012 Die 21. Braunauer Zeitgeschichte-Tage von 28. bis 30. September beleuchten einen besonderen Aspekt der Thematik der Landesausstellung 2012, denn sie behandeln unter dem Titel „Adel verpflichtet“ die Rolle des Adels einst – als staatstragende Gesellschaftsschicht – und jetzt – in der republikanischen säkularen Gesellschaft, in Politik und Wirtschaft. Bis 1848/49 hatte – auch in der Habsburgermonarchie – der Adel durch die Grundherrschaft wesentliche Rechte und Pflichten: Der Grundherr besaß Verfügungsgewalt über sein Land und dessen Bewohner, ihm oblag sowohl die rechtliche Verwaltung und Nutzungsvergabe von land- oder forstwirtschaftlichen Flächen als auch die Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse wie der Polizeigewalt und der niederen Gerichtsbarkeit. Gleichzeitig hatte der Grundherr aber den Untertanen „Schutz und Schirm“ zu gewähren. Grundherrschaft bedeutet somit eine Herrschafts- und Besitzstruktur, die alle Bereiche des Lebens umfasste. Die Aufhebung der Grundherrschaft mit ihren Rechten und Pflichten 1848/49 stellte die Frage, welche anderen Aufgaben und Funktionen in Politik und Gesellschaft den meist adeligen Grundeigentümern zukämen. In Cisleithanien, der österreichischen Reichshälfte der Donaumonarchie, wurde durch die Dezemberverfassung 1867 die politische Einbindung von Adelsfamilien der „Ersten Gesellschaft“ institutionalisiert: Neben volljährigen Erzherzögen, Fürsterzbischöfen und Fürstbischöfen saßen auch etwa 100 Angehörige des „vermögenden landsässigen Adels“, denen Kaiser Franz Joseph I. die erbliche Reichsratswürde verliehen hatte, in der ersten Kammer des Reichsrat genannten Parlaments, dem Herrenhaus (im wahrsten Sinn des Wortes, denn bis zum Ende der k.u.k. Monarchie 1918 gab es keine Frau unter den Mitgliedern). Dazu kamen mindestens 150 und höchstens 170 Mitglieder, die der Kaiser für Verdienste um Staat oder Kirche, Wissenschaft oder Kunst auf Lebenszeit berief – die Ehrung erreichte der steirische Dichter Peter Rosegger ebenso wie die Bierindustriellen Anton Dreher jun. und A. I. Mautner von Markhof. Letztere waren typische Vertreter der „Zweiten Gesellschaft“: vom Herrscher in den Adelsstand erhobene Wirtschaftstreibende, Beamte, Künstler, Offiziere und Angehörige der freien Berufe. Gerade sie empfanden sich oft als Elite mit besonderen Verpflichtungen, die sich in sozialen, pädagogischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Stiftungen widerspiegelten. Ein Beispiel wäre das Mautner Markhof’sche Kinderspital in Wien. 1918/19 wurde in Österreich der Adel abgeschafft – es liegt vielleicht eine Ironie in der Kontinuität, dass nämlich der Nationalrat der Republik im Sitzungssaal des Herrenhauses tagt. Wenngleich es in der Bundesverfassung heißt: „Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen“, ist doch in vielen Wirkungsfeldern der Einfluss adeliger Familien immer noch vorhanden, mitunter unge- Lesung von Katrin Himmler Als Großnichte des Reichsführers-SS Heinrich Himmler hat sich die in Berlin lebende Autorin und Politikwissenschaftlerin Katrin Himmler intensiv mit der Geschichte ihrer Familie beschäftigt und die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung in dem Buch „Die Brüder Himmler. Eine deutsche Familiengeschichte“ festgehalten. Den Erzählungen nach galt Heinrich Himmler als der „ungeratene“ Außenseiter eines humanistisch gebildeten Elternhauses, seine Brüder Gebhard und Ernst hingegen hätten mit der Politik des NS-Regimes nicht viel zu tun gehabt. Bei ihrer Familienforschung stieß Katrin Himmler auf eine viel tiefere Verstrickung von Heinrichs Brüdern. Als frühe Anhänger der Partei profitierten die beiden nicht nur von den neuen Verhältnissen nach 1933, sondern unterstützten mit ihrer Tätigkeit im Reichserziehungsministerium und im Reichsrundfunk engagiert das NS-Regime. Noch inmitten zerbombter Städte wollten die Brüder gemeinsam mit Heinrich Zukunftspläne „für die nächsten zwanzig Jahre“ schmieden. In ihrer ungewöhnlichen – und für sie selbst sehr schmerzhaften – Auseinandersetzung mit der brochen respektiert. Was berechtigt dazu, wie sehen Adelige sich selbst, ihre eigene Stellung, wie sehen sie den Satz „Adel verpflichtet“, in welchem Sinn gilt er für sie heute – wozu verpflichtet der Umstand, in eine ehemals adelige Familie hineingeboren zu sein, eigentlich im Besonderen, ist „man“ gar zu mehr verpflichtet als Nicht-Adelige? Dies alles zu thematisieren und zu diskutieren, ist Aufgabe und Ziel der heurigen Zeitgeschichte-Tage. Die häufig konfliktbeladene Beziehung zwischen Adel und Volk, in diesem speziellen Fall noch dazu durch konfessionelle Gegensätze aufgeladen, kulminierte 1625 in einem Ereignis, das als „Frankenburger Würfelspiel“ in die Geschichte einging: Der katholische Statthalter Adam Graf Herberstorff ließ 36 vermeintliche Rädelsführer einer Erhebung protestantischer Bürger und Bauern in Frankenburg um ihr Leben würfeln; 17 Verlierer wurden sofort gehenkt, einem wurde das Leben geschenkt. Dieses grausame Exempel, das ein Adeliger an Andersdenkenden zur Abschreckung statuieren ließ, beleuchtet der 1988 entstandene Dokumentarfilm „Frankenburger Würfelspiel“. Dieser Film wird am Donnerstag, 27. September, um 20.00 Uhr im Movieplexx Braunau gezeigt. Anschließend steht der Regisseur Alfred Jungraithmayr für ein Gespräch zur Verfügung. Ein weiterer Hinweis gilt der Lesung von Katrin Himmler am Mittwoch, 3. Oktober, um 19.30 Uhr in der Landesmusikschule Braunau (s. unten). Text von Mag. Florian Kotanko Vergangenheit konnte Katrin Himmler auf persönliche Briefe und Dokumente aus den Familiennachlässen zurückgreifen und damit auch Lücken in der bisherigen historischen Forschung schließen. Der Verein für Zeitgeschichte lädt zu einer Lesung von Katrin Himmler mit anschließender Gesprächsrunde ein. Lesung katrin Himmler „Die Brüder Himmler. eine deutsche Familiengeschichte“ Mittwoch, 3. Oktober, 19.30 Uhr Landesmusikschule Braunau Eintritt frei - freiwillige Spenden erwünscht 30 BRAUNAUER STADTNACHRICHTEN 157/2012
Freitag, 28. september 19.30 Uhr Begrüßung und eröffnung Mag. Johannes Waidbacher, Bürgermeister der Stadt Braunau am Inn Mag. Florian Kotanko, Obmann Verein für Zeitgeschichte Friedrich Bernhofer, Erster Präsident des OÖ Landtags Adelsbiografien Botschafterin Gabriela von Habsburg, Botschaft von Georgien, Berlin Altabt Gregor Henckel-Donnersmarck, OCist, Stift Heiligenkreuz samstag, 29. september 9.00 Uhr Adel in Monarchie und Republik – von einer elite zu Verfemten? Dr. Gudula Walterskirchen, Historikerin und Buchautorin, Purkersdorf Adel heute. Rechtlicher Rahmen und soziologische Beobachtungen Dr. Georg Frölichsthal, Wien Netzwerke des Adels Botschafter Dr. Ferdinand Trauttmansdorff, Prag 14.00 Uhr Rundgang durch die Altstadt Christine Schmid und Hannes Waidbacher sen. 15.00 Uhr Verantwortung des Unverdienten Georg Adam Starhemberg, Eferding Zum Gedenken an im Ersten Weltkrieg gefallene und vermisste Soldaten aus Braunau wurde 1924 ein Denkmal am Fuß des Turms der Stadtpfarrkirche St. Stephan errichtet. Vier Marmortafeln tragen die Namen von 57 gefallenen, sechs vermissten und zwölf an den Folgen des Krieges verstorbenen Braunauern. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte waren die Inschriften allmählich verblasst und schließlich unlesbar geworden. Auf Initiative von Mag. Florian Kotanko wurde das Denkmal nun mit Unterstützung der Stadtgemeinde Braunau am Inn, der Pfarre Braunau-St. Stephan und des Oö. Schwarzen Kreuzes restauriert und erhielt so seine Bestimmung als Stätte der Erinnerung und des Gedenkens zurück. Zeitgeschichte 21. Braunauer Zeitgeschichte-tage „Adel verpflichtet“ Die Verantwortung des Adels einst und jetzt Braunau am Inn, Gugg – Kulturhaus Stadt Braunau, 28. – 30. September 2012 Veranstalter: Verein für Zeitgeschichte, Braunau am Inn und Verein für Zeitgeschichte Inn-Salzach e.V., Simbach Wissenschaftliche Leitung: Dr. Andreas Maislinger, Innsbruck „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“ DI Stephanie von Pfuel, Schloss Tüßling Warum polarisiert Adel? DI Dr. Ulrich Habsburg-Lothringen, Gutsverwaltung Wolfsberg 20.00 Uhr Anpassung und Widerstand – Adelige in der Ns-Zeit Prof. Dr. Peter Steinbach, Gedenkstätte Deutscher Widerstand Mein Vater Adolf Freiherr von Harnier (1903 – 1945) Louis Freiherr von Harnier, Gräfelfing bei München Vernetzung und Widerstand der schulenburgs im Nationalsozialismus: Folgerungen für die nächsten generationen Hubertus von Schulenburg, München sonntag, 30. september 10.30 Uhr Wozu verpflichtet Adel? Prof. Dr. Peter Steinbach, Gedenkstätte Deutscher Widerstand Franz-Josef Freiherr von Heydte, Genossenschaft katholischer Edelleute in Bayern General a.D. Hubertus Trauttenberg, Gmunden Änderungen vorbehalten – aktuelles Programm auch auf www.hrb.at/bzt Kriegerdenkmal bei Stadtpfarrkirche restauriert BRAUNAUER STADTNACHRICHTEN 157/2012 31 Foto: privat
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