13.07.2015 Aufrufe

Theoretische Physik 1 - THEP Mainz

Theoretische Physik 1 - THEP Mainz

Theoretische Physik 1 - THEP Mainz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Theoretische</strong> <strong>Physik</strong> 1Stefan Weinzierl9. Juli 20101


Inhaltsverzeichnis1 Einführung 41.1 Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41.2 Historisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Newtonsche Mechanik 62.1 Die Formalismen der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.2 Die Grenzen der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72.3 Die Konzepte der klassischen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.1 Der Massepunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.2 Die Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82.3.3 Der Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.3.4 Die Galilei-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122.3.5 Abgeschlossene Systeme und Teilsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.3.6 Inertialsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142.4 Die Formulierung der Newtonschen Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.4.1 Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.4.2 Das Newtonsche Gravitationsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152.4.3 Die Newtonschen Gesetze der Mechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.5 Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.5.1 Zentralkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182.5.2 Konservative Kräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202.6 Allgemeine Aussagen über N-Teilchensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.6.1 Erhaltungsgrößen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.6.2 Das Virialtheorem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252.6.3 Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen der Bewegungsgleichungen . . 272.7 Der harmonische Oszillator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282.8 Das Zweikörperproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312.8.1 Die Keplerschen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372.9 Streuung von Teilchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382.9.1 Streuung an einer harten Kugel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472.9.2 Rutherford-Streuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482.10 Rotierende Bezugssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 Spezielle Relativitätstheorie 543.1 Postulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.2 Abstand, Metrik und Vierervektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553.3 Die Lorentztransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 593.4 Die Lorentz- und die Poincaré-Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 623.5 Die Längenkontraktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643.6 Die Zeitdilatation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 653.7 Transformation der Geschwindigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 672


1 EinführungInhalt:- Die Newtonsche Mechanik- Spezielle Relativitätstheorie- ElektrodynamikLiteratur:- H. Goldstein, Klassische Mechanik, Aula-Verlag, Wiesbaden- L. Landau und E. Lifschitz, Lehrbuch der theoretischen <strong>Physik</strong>, Band 1: Mechanik, Akademie-Verlag, Berlin- F. Scheck, <strong>Theoretische</strong> <strong>Physik</strong> 1: Mechanik, Springer, Berlin- A. Sommerfeld, Vorlesungen über theoretische <strong>Physik</strong>, Band 1: Mechanik, Akademische Verlagsgesellschaft,Leipzig- J.D. Jackson, Classical Electrodynamics, John Wiley & Sons- L. Landau und E. Lifschitz, Lehrbuch der theoretischen <strong>Physik</strong>, Band 2: Klassische Feldtheorie,Akademie-Verlag, Berlin- F. Scheck, <strong>Theoretische</strong> <strong>Physik</strong> 3: Klassische Feldtheorie, Springer, Berlin1.1 MotivationDiese Vorlesung soll eine Einführung in die theoretische <strong>Physik</strong> geben, auf der die weiterenKurse in theoretischer <strong>Physik</strong> aufbauen können. Das Ziel dieser Vorlesung ist, die Studenten mitder Denkart und Vorgehensweise der theoretischen <strong>Physik</strong> vertraut zu machen und sie so frühwie möglich mit modernen Ideen der theoretischen <strong>Physik</strong> in Kontakt zu bringen. Behandeltwerden in dieser Vorlesung die Newtonsche Mechanik, die spezielle Relativitätstheorie sowiedie Grundlagen der Elektrodynamik. Die Formalismen die zur Beschreibung der klassischenMechanik verwendet werden, werden in übertragener Form später auch in der Relativitätstheorieoder der Quantentheorie ihre Anwendung finden. Daher ist eine genaue Kenntniss der klassischenMechanik unablässlich für das weitere Studium der theoretischen <strong>Physik</strong>.4


1.2 Historisches1638 G. Galilei Relativitätsprinzip1666 I. Newton Gravitationsgesetz1687 I. Newton Gesetze der Mechanik1785 Ch. A. Coulomb Coulombsches Gesetz1864 J. C. Maxwell Verschiebungsstrom und Maxwellsche Gleichungen.1900 M. Planck h: Wirkungsquantum1905 A. Einstein Spezielle Relativitätstheorie1915 A. Einstein Allgemeine Relativitätstheorie1925 E. Schrödinger Schrödingergleichung1927 W. Heisenberg Unschärferelation1948 R.P. Feynman, QuantenelektrodynamikJ. Schwinger,S.-I. Tomonaga1954 C.N. Yang, R.L. Mills nicht-abelsche Eichtheorien1967 S. Glashow, A. Salam, elektroschwache WechselwirkungS. Weinberg1972 H. Fritzsch, M. Gell-Mann starke Wechselwirkung1972 ’t Hooft, Veltman Renormierung5


2 Newtonsche Mechanik2.1 Die Formalismen der klassischen MechanikDie klassische Mechanik befasst sich mit der Bewegung physikalischer Körper. Wir werden unszunächst auf die Newtonsche Formulierung beschränken. In dieser Formulierung ergibt sich dieBahn eines Teilchens durch Lösen der Bewegungsgleichungddt ⃗p = ⃗F(⃗x, ˙⃗x,t), ⃗p = m˙⃗x.In der Vorlesung <strong>Theoretische</strong> <strong>Physik</strong> 2 werden wir weitere Formulierungen der klassischenMechanik kennenlernen. In der Formulierung von Lagrange wird ein Teilchen durch eine LagrangefunktionL ( ⃗x, ˙⃗x,t )beschrieben. Die Bahn des Teilchens ergibt sich durch Lösen der Differentialgleichungend ∂L− ∂L = 0.dt ∂ẋ i ∂x iIn der Formulierung von Hamilton wird ein Teilchen durch eine HamiltonfunktionH (⃗x,⃗p,t)beschrieben. Die Bahn des Teilchens ergibt sich durch Lösen der Differentialgleichungendx idt= ∂H∂p i,dp idt= − ∂H∂x i.Alle diese Formulierungen können aus dem Prinzip der kleinsten Wirkung hergeleitet werden.Unter der Wirkung versteht man das IntegralS =Z t bL ( ⃗x, ˙⃗x,t ) dt.t aDie Bahn eines Teilchens ergibt sich als diejenige Bahn, für die die Variation der Wirkung verschwindet:δS = 0.Das Wirkungsprinzip ist von fundamentaler Bedeutung für die gesamte theoretische <strong>Physik</strong>.6


2.2 Die Grenzen der klassischen MechanikDie klassische Mechanik liefert eine zufriedenstellende Beschreibung der <strong>Physik</strong>, falls die folgendenAnnahmen erfüllt sind:1. Alle auftretenden Geschwindigkeiten sind klein gegenüber der Lichtgeschwindigkeit.v ≪ c.Dies bedeutet, daß Korrekturen der speziellen Relativitätstheorie vernachlässigt werdenkönnen.Es impliziert auch, daß Zeit und Raum getrennt betrachtet werden können.Die Lichtgeschwindigkeit wird als unendlich groß betrachtet. In diesem Falle ist die Signalausbreitunginstantan und man spricht von einer Fernwirkungstheorie. So würde zumBeispiel eine abrupte Änderung der Position der Sonne instantan eine Änderung der Bahnder Erde bewirken.Können die auftretenden Geschwindigkeiten gegenüber der Lichtgeschwindigkeit nichtvernachlässigt werden, so ist eine Beschreibung durch die relativistische Mechanik notwendig.2. Alle auftretenden Wirkungsgrößen sind groß gegenüber der Planckschen Konstante.∆p i ∆x i ≫ , ∆E∆t ≫ , = h2π .Dies bedeutet, daß Quantenkorrekturen vernachlässigt werden können.Es impliziert auch, daß sowohl Ort und Impuls als auch Energie und Zeit gleichzeitig gemessenwerden können.Sind die auftretenden Wirkungsgrößen in der Größenordnung der Planckschen Konstante,so ist eine Beschreibung durch die Quantenmechanik notwendig.3. Alle auftretenden Massen sind klein.r sr ≪ 1,r s = 2Gmc 2 .Dies bedeutet, daß die Krümmung des Raumes vernachlässigt werden kann. Die Korrekturenzur Metrik sind von der Größenordnung r s /r, wobei r s der Schwarzschildradius derMasse m ist.Sind die auftretenden Massen hinreichend groß, so daß die Korrekturen zur Metrik desRaumes nicht vernachlässigt werden können, so ist eine Beschreibung durch die allgemeineRelativitätstheorie notwendig.7


2.3 Die Konzepte der klassischen Mechanik2.3.1 Der MassepunktUnter einem Massepunkt versteht man einen Körper infinitessimaler Ausdehnung mit einer endlichenMasse m.Das Konzept eines Massepunktes stellt eine vernünftige Näherung für einen Körper dar, dessenAbmessungen gegenüber allen anderen Längenskalen des Problems vernachläßigt werdenkönnen. Die Beschreibung mit Hilfe von Massepunkten vereinfacht die Lösung des Problems.Ein einzelner Massepunkt ist nicht deformierbar, noch besitzt er einen Eigendrehimpuls.Jedem Massepunkt ist zu jeder Zeit ein eindeutiger Ort⃗x= ⃗x(t)zugeordnet. Wir werden auch oft die Bezeichnung “Teilchen” für einen Massepunkt verwenden.2.3.2 Die ZeitIn der klassischen Mechanik gibt es keine Obergrenze für die Signalausbreitungsgeschwindigkeit.Daher können in einem klassischen Universum alle Uhren perfekt miteinander synchronisiertwerden. Man sagt daher, daß eine absolute Zeit existiert.Zwei Ereignisse (⃗x 1 ,t 1 ) und (⃗x 2 ,t 2 ) die zu verschiedenen Zeiten t 1 und t 2 an verschiedenen Orten⃗x 1 und⃗x 2 geschehen, können in Bezug auf die Zeit wie folgt in Bezug stehen:1. t 1 < t 2 : Das Ereigniss (⃗x 1 ,t 1 ) ereignet sich vor (⃗x 2 ,t 2 ).2. t 1 = t 2 : Die beiden Ereignisse geschehen gleichzeitig.3. t 1 > t 2 : Das Ereigniss (⃗x 1 ,t 1 ) ereignet sich nach (⃗x 2 ,t 2 ).Diese Aussage gilt in der klassischen Mechanik unabhängig vom Bezugssystem. In der speziellenRelativitätstheorie werden wir lernen, daß die Begriffe “Vorzeitigkeit”, “Gleichzeitigkeit”und “Nachzeitigkeit” vom Bezugssystem abhängig sind und nicht mehr absolut sind.Wir können die Werte, die die Variable t annehmen kann, mit den reellen Zahlen identifizieren.Der Zeitraum ist also ein eindimensionaler reeller Vektorraum. Die Wahl des Nullpunktesist dabei Konvention. Hat man den Nullpunkt festgelegt, so definiert dies ein Zeitsystem. Wirbetrachten nun zwei Zeitsysteme mit möglicherweise unterschiedlichen Konventionen bezüglichdes Nullpunktes. Wir bezeichnen die Zeitvariable im System T mit t, die Zeitvariable im SystemT ′ dagegen mit t ′ . Sei weiter t 0 der Wert der Zeitvariable im System T , der dem Wert t ′ = 0 imSystem T ′ entspricht. Wir können nun jeden Wert t in den entsprechenden Wert t ′ umrechnen:t ′ = t −t 0 .8


Wir betrachten nun alle möglichen Transformationen von einem Zeitsystem in ein anderes. Seidie Transformation von dem System T in das System T ′ wie oben gegeben durcht ′ = t −t 0und sei weiter eine Transformation von dem System T ′ in ein weiteres System T ′′ gegeben durcht ′′ = t ′ −t 1 ,so definiert die Hintereinanderausführung dieser beiden Transformation eine Transformation vonT nach T ′′ . Die Zeitkoordinaten transformieren sich hierbei wiet ′′ = t −t 0 −t 1 .Ebenso gibt es zu der Transformation von T nach T ′ eine Umkehrtransformation von T ′ nach T ,die durcht = t ′ +t 0beschrieben wird. Desweiteren soll erwähnt werden, daß die (triviale) Transformation von Tnach T durcht= tbeschrieben wird. Aus diesen Tatsachen folgt, daß die Menge aller Transformationen von Zeitsystemeneine Gruppe bilden, die isomorph zu der Abelschen Gruppe (R,+) ist. Wir bezeichnendiese Gruppe als die Gruppe der Zeittranslationen.Solche Transformationsgruppen haben eine fundamentale Bedeutung in der theoretischen <strong>Physik</strong>.Wir werden später lernen, daß aus der Invarianz eines Systems unter den obigen Zeittransformationendie Energieerhaltung folgt.2.3.3 Der RaumIn der klassischen Mechanik wird der Ortsraum durch einen dreidimensionalen Raum isomorphzu R 3 beschrieben. Ortsvektoren sind Vektoren in diesem Vektorraum:⃗r ∈ R 3 .Der Abstand zweier Punkte ist durch den euklidischen Abstand gegeben:∣ ⃗r −⃗r′ ∣ √= (x − x ′ ) 2 +(y − y ′ ) 2 +(z − z ′ ) 2 .Der Raum ist mit dem euklidischen Skalarprodukt ausgestattet:⃗r ·⃗r ′ = x · x ′ + y · y ′ + z · z ′ .9


Der Raum wird als homogen und isotrop betrachtet. Homogenität bedeutet, daß kein Punkt ausgezeichnetist, insbesondere ist auch kein Punkt als Ursprung des Koordinatensystems ausgezeichnet.Die Wahl des Ursprungs ist daher wieder Konvention. Wir betrachten wieder zwei KoordinatensystemO und O ′ , die sich durch eine unterschiedliche Wahl des Koordinatenurpsrungsunterscheiden. Wir können wieder die Koordinaten (x,y,z) im System O in die entsprechendenKoordinaten (x ′ ,y ′ ,z ′ ) im System O ′ transformieren:x ′ = x − x 0 ,y ′ = y − y 0 ,z ′ = z − z 0 ,wobei (x 0 ,y 0 ,z 0 ) die Koordinaten des Ursprungs des Systems O ′ in O sind. Sei nun O ′′ einweiteres Koordinatensystem. Die Transformation von O ′ nach O ′′ sei gegeben durchx ′′ = x ′ − x 1 ,y ′′ = y ′ − y 1 ,z ′′ = z ′ − z 1 .Dann definiert die Hintereinanderausführung dieser beiden Transformationen eine Transformationvon O nach O ′′ , deren explizite Form durchx ′′ = x −(x 0 + x 1 ),y ′′ = y −(y 0 + y 1 ),z ′′ = z −(z 0 + z 1 ).gegeben ist. Ebenso gibt es zu jeder Transformation von O nach O ′ eine Rücktransformationvon O ′ nach O. Ausserdem existiert die triviale Transformation von O nach O. Die Menge allerTransformationen des Ursprunges bilden daher eine Gruppe, die isomorph zu der AbelschenGruppe (R 3 ,+) ist. Diese Gruppe bezeichnet man als die Gruppe der Ortstranslationen. Ist einphysikalisches System invariant unter dieser Gruppe, so folgt hieraus – wie wir später sehen werden– die Impulserhaltung.Isotropie bedeutet, daß keine Richtung im Raum ausgezeichnet ist. Insbesondere können wir dieRichtung der drei Koordinatenachsen frei wählen. Wir betrachten wieder zwei KoordinatensystemeO und O ′ . Der Einfachheit halber wollen wir zunächst annehmen, daß in beiden Systemen derUrsprung gleich gewählt wurde. Sei (⃗e 1 ,⃗e 2 ,⃗e 3 ) eine Orthonormalbasis des KoordinatensystemsO und (⃗e ′ 1 ,⃗e′ 2 ,⃗e′ 3 ) eine Orthonormalbasis des Koordinatensystems O′ . Des weiteren nehmen wiran, daß beide Basen rechtshändig orientiert sind. Dann transformieren sich die Koordinaten vonO nach O ′ wie folgt:⎛⎝x ′y ′z ′ ⎞⎠ =⎛⎝⎞⎛R 11 R 12 R 13R 21 R 22 R 23⎠⎝R 31 R 32 R 3310x ′ ⎞y ′ ⎠z ′


Hierbei istR =⎛⎝⎞R 11 R 12 R 13R 21 R 22 R 23⎠R 31 R 32 R 33eine orthogonale 3 × 3 Matrix mit Determinante 1:R T · R = 1, detR = 1.Die Matrix R beschreibt eine Drehung des Koordinatensystems.Sei nun R 1 die Matrix der Drehung, die die Transformation des Koordinatensystems O nachO ′ beschreibt. Sei R 2 eine weitere Drehmatrix, die die Transformation des KoordinatensystemsO ′ nach O ′′ beschreibt. Die Hintereinanderausführung beschreibt nun eine Transformation vonO nach O ′′ . Die ensprechende Drehmatrix ist durch das MatrizenproduktR 3 = R 2 · R 1gegeben. R 3 ist wieder eine orthogonale Matrix mit Determinante Eins:R −13= (R 2 · R 1 ) −1 = R −11· R −12= R T 1 · RT 2 = (R 2 · R 1 ) T = R T 3 ,detR 3 = det(R 2 · R 1 ) = (detR 2 ) ·(detR 1 ) = 1 · 1 = 1.Zu jeder Drehtransformation mit Drehmatrix R existiert eine Umkehrtransformation, deren Drehmatrixdurch R −1 gegeben ist. Ferner beschreibt die Einheitsmatrix 1 die triviale Transformation,die ein Koordinatensystem O in sich selbst überführt. Daher bilden die Drehtransformationen eineGruppe, die man als die spezielle orthogonale GruppeSO(3,R)bezeichnet. SO(3,R) enthält alle reellen 3×3-Matrizen, die orthogonal sind und für die detR = 1gilt. In der Bezeichnung “SO(3,R)” steht das “O” für die Orthogonalitätsbedingungwährend das “S” für die zusätzliche BedingungR T · R = 1,detR = 1steht. Die Verknüpfung in dieser Gruppe ist durch die Matrizenmultiplikation gegeben. Hierbeiist zu beachten, daß die Multiplikation im allgemeinen nicht kommutativ ist:R 1 · R 2 ≠ R 2 · R 1 .Im Zusammenhang mit physikalischen Systemen bezeichnen wir diese Gruppe als RotationsoderDrehgruppe. Ist ein physikalisches System invariant unter der Rotationsgruppe, so folgt11


hieraus – wie wir später sehen werden – die Drehimpulserhaltung.Wir betrachten noch eine weitere Transformation von einem Koordinatensystemen O in ein KoordinatensystemO ′ , gegeben durch die Vorschriftx ′y ′z ′= −x,= −y,= −z.Diese Transformation nennt man Raumspiegelung. Sie überführt ein rechtshändiges Koordinatensystemin ein linkshändiges Koordinatensystem. Die Raumspiegelung läß sich auch durcheine 3 × 3-MatrixP =⎛⎝−1 0 00 −1 00 0 −1beschreiben. Die Matrix P ist offensichtlich orthogonal, es giltallerdings gilt für die DeterminanteP −1 = P T = P,detP = −1.Die Menge aller 3 × 3-Matrizen die die OrthogonalitätsbedingungR T · R = 1erfüllen, bilden wieder eine Gruppe, die man als die orthogonale Gruppe O(3,R) bezeichnet. Fürein Element R ∈ O(3,R) giltwie man leicht ausherleitet.2.3.4 Die Galilei-GruppedetR = ±1,1 = det1 = det ( R T · R ) = ( detR T)·(detR) = (detR) 2Wir wollen noch zwei weitere Koordinatentransformationen betrachten: Bei der ersten bewegtsich das Bezugssystem O ′ gegebüber dem System O mit einer konstanten Geschwindigkeit⃗v =(v x ,v y ,v z ). In diesem Fall transformieren sich die Koordinaten wie folgt:x ′ = x − v x t,y ′ = y − v y t,z ′ = z − v z t,t ′ = t.12⎞⎠


Die zweite und letzte Transformation die wir noch betrachten wollen, ist die Zeitumkehr, gegebendurcht ′= −t.Wir haben nun die verschiedenen Grundtransformationen kennengelernt: Verschiebung des Ursprungsder Zeitachse, Verschiebung des Ursprungs des Ortsraumes, Drehung des Ortsraumes,Transformation auf ein mit konstanter Geschwindigkeit bewegtes Bezugssystem, Raumspiegelungund Zeitumkehr. Alle Transformationen, die aus diesen Grundtransformationen erzeugtwerden können, bilden eine Gruppe, die man die Galilei-Gruppe nennt. Die allgemeine Koordinatentransformationder Galilei-Gruppe lautet⃗r ′ = λ 1 R ·⃗r −⃗v ·t −⃗r 0 ,t ′ = λ 2 t −t 0 ,wobei R ∈ SO(3,R),⃗v,⃗r 0 ∈ R 3 , t 0 ∈ R und λ 1 , λ 2 die Werte {−1,1} annehmen. Eine Drehmatrixaus SO(3,R) kann durch die Angabe von drei Parametern (z.B. den Euler-Winkeln) eindeutigbeschrieben werden. Daher sind zur eindeutigen Spezifikation einer Galilei-Transformation dieAngabe von zehn reellen Parametern und zwei Vorzeichen notwendig.Sei nun eine Galilei-Transformation von dem System S in das System S ′ spezifiziert durch dieParameter(R,⃗v,⃗r 0 ,t 0 ,λ 1 ,λ 2 )und sei ausserdem eine weitere Galilei-Tranformation von dem System S ′ in ein drittes SystemS ′′ gegeben durch(R ′ ,⃗v ′ ,⃗r 0 ′ ) ,t′ 0 ,λ′ 1 ,λ′ 2 .Dann gilt für die Parameter(R ′′ ,⃗v ′′ ,⃗r ′′0 ,t′′ 0 ,λ′′1 ,λ′′ 2)der Galilei-Transformation von S nach S ′′ :R ′′ = R ′ · R,⃗v ′′ = λ ′ 1 R′ ·⃗v+λ 2 ⃗v ′ ,⃗r 0 ′′ = λ ′ 1 R′ ·⃗r 0 −⃗v ′ t 0 +⃗r 0 ′ ,t 0 ′′ = λ ′ 2 t 0 +t 0 ′ ,λ ′′1 = λ ′ 1 λ 1,λ ′′2 = λ ′ 2λ 2 .13


2.3.5 Abgeschlossene Systeme und TeilsystemeIn der Mechanik unterscheiden wir zwischen abgeschlossenen Systemen und Teilsystemen. Ersteresind von der Außenwelt entkoppelt, während letztere explizit an die Außenwelt gekoppeltsind. Dies kann zum Beispiel durch Schwerkraftfelder, elektrische oder magnetische Felder realisiertsein.In der Praxis hat man natürlich nie ein perfektes abgeschlossenes System, doch lassen sich oftSysteme in guter Näherung als abgeschlossen beschreiben. So lassen sich zum Beispiel die Planetenbahnenin unserem Sonnensystem gut beschreiben, indem man unser Sonnensystem als einabgeschlossenes System betrachtet. Natürlich haben auch weiter entfernte Sterne einen Einflußauf die Planentenbahnen, doch ist dieser Effekt so klein, so daß er vernachlässigt werden kann.Betrachten wir andererseits zwei Massepunkte, wobei der eine Massepunkt eine Masse in derGrößenordnung der Erdmasse hat, der andere eine Masse, die mit der Masse eines Apfels vergleichbarist. Interessiert man sich für die Bahnkurve des Apfels, so ist es vorteilhaft, den Apfelals ein Teilsystem zu betrachten, das sich in einem äusseren Schwerkraftfeld befindet, welchesdurch die Erde hervorgerufen wird. Natürlich übt auch der Massepunkt des Apfels eine Anziehungskraftauf den Massepunkt der Erde aus. Diese Anziehungskraft modifiziert die Bahnkurvedes Massepunktes der Erde, doch ist dieser Effekt so klein, so daß er getrost vernachlässigt werdenkann.2.3.6 InertialsystemeBezugssysteme, in denen sich Teilchen, auf die keine Kräfte wirken, mit konstanter Geschwindigkeitentlang gerader Linien bewegen, nennt man Inertialsysteme.Ist S ein Inertialsystem, und S ′ ein Bezugssystem, daß aus S durch eine Galilei-Transformationerhalten wird, so ist auch S ′ ein Inertialsystem.Andererseits gilt auch: Sind S und S ′ zwei Inertialsysteme, so gibt es eine Galilei-Transformation,die S in S ′ überführt.Die Bedeutung der Inertialsysteme liegt in dem Relativitätsprinzip der klassischen Mechanikvon Galilei: Die Gesetze der klassischen Mechanik sind in allen Inertialsystemen gleich.Kein Inertialsystem ist zum Beispiel ein rotierendes Bezugssystem. Hier treten Scheinkräfte wiedie Zentrifugalkraft und die Corioliskraft auf.14


2.4 Die Formulierung der Newtonschen Mechanik2.4.1 GrundbegriffeWir beschreiben die Position eines Massepunktes durch⃗x(t)Die Position kann von der Zeit t abhängen, wir sprechen daher von einer Bahnkurve. Die Geschwindigkeitist definiert als die Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit:⃗v(t) =d dt ⃗x(t).Als Beschleunigung versteht man die Ableitung der Geschwindigkeit nach der Zeit – oder äquivalenthierzu die zweite Ableitung des Ortsvektors nach der Zeit:⃗a(t) =d d2⃗v(t) =dt dt 2⃗x(t).Ableitungen nach der Zeit werden auch oft mit einem Punkt gekennzeichnet:⃗v(t) = ˙⃗x(t),⃗a(t) = ˙⃗v(t) = ¨⃗x(t),Der Impuls eines Massepunktes ist gegeben durch das Produkt seiner Masse mit der Geschwindigkeit:⃗p(t) = m⃗v(t).Der Drehimpuls ist definiert durch das Kreuzprodukt des Ortsvektors mit dem Impulsvektor:⃗L(t) = ⃗x(t) ×⃗p(t) = m(⃗x(t) ×⃗v(t)).Wir bezeichnen Kräfte mit dem Buchstaben ⃗F (von englisch “force”), auch der Buchstabe ⃗K(von deutsch “Kraft”) ist gebräuchlich.Das Drehmoment bezeichnen wir mit ⃗M. Wirkt auf einen Massepunkt die Kraft ⃗F, so ist daszugehörige Drehmoment (bezüglich des Urspungs des Koordinatensystems):⃗M= ⃗x ×⃗F.2.4.2 Das Newtonsche GravitationsgesetzDas Newtonsche Gravitationsgesetz beschreibt die Kraft, die ein Massepunkt der Masse m j aufeinen Massepunkt der Masse m i ausübt. Diese Kraft ist gegeben durch⃗F i j = Gm i m j⃗x j −⃗x i∣ ⃗x j −⃗x i∣ ∣3 .15


Hierbei ist G die Newtonsche Konstante:G = (6.67428 ± 0.00067)· 10 −11 m 3 kg −1 s −2 .Die Position des Teilchens i ist durch den Ortsvektor ⃗x i gegeben, die Position des Teilchens jdurch den Ortsvektor ⃗x j . Die Gravitationskraft ist immer anziehend. Die Kraft ist umgekehrtproportional zum Quadrat des Abstandes. Beachte hierzu, da߈n = ⃗x j −⃗x i∣∣ ⃗x j −⃗x i einen Einheitsvektor definiert, der von⃗x i in Richtung⃗x j zeigt. Das Gravitationsgesetz läßt sichalso auch alsschreiben.⃗F i j = Gm im j∣ ⃗x j −⃗x i∣ ∣2 ˆnDas Gravitationsgesetz läßt sich auf Systeme mit mehreren Teilchen verallgemeinern. Liegt einSystem von N Teilchen vor und betrachten wir die Kraft, die auf das i-te Teilchen wirkt, so gilt⃗F i⃗x j −⃗x i= ∑ Gm i m j∣j≠i∣ ⃗x j −⃗x i 3 .2.4.3 Die Newtonschen Gesetze der MechanikDie Newtonschen Gesetze der Mechanik lauten:1. Ein Teilchen, auf das keine Kräfte wirken, bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeitentlang gerader Linien.2. Die Kraft auf ein Teilchen ist gleich dem Produkt seiner Masse und seiner Beschleunigung⃗F= m⃗a.3. Die Kräfte von Aktion und Reaktion sind vom gleichen Betrag und entgegengesetzt. Übtein Teilchen A eine Kraft ⃗F auf ein Teilchen B aus, so übt Teilchen B eine Kraft −⃗F aufTeilchen A aus.Bemerkungen:• Das erste Newtonsche Gesetz beschreibt Inertialsysteme. Wir hatten Inertialsysteme geradeso definiert, daß in ihnen Teilchen, auf die keine Kräfte wirken, sich mit konstanterGeschwindigkeit entlang gerader Linien bewegen.16


• Das zweite Newtonsche Gesetz stellt einen Zusammenhang zwischen der Kraft, die auf einTeilchen wirkt, und der Änderung der Geschwindigkeit her. Diese Gleichung nennt mandie Bewegungsgleichung.• Das dritte Newtonsche Gesetz verifiziert man unmittelbar für ein Zweikörpersystem. Betrachtenwir zwei Massen m 1 und m 2 and den Orten⃗x 1 und⃗x 2 , so ist die Kraft, die Teilchen1 auf Teilchen 2 ausübt⃗F 21 = Gm 1 m 2⃗x 1 −⃗x 2|⃗x 1 −⃗x 2 | 3.Andererseits ist die Kraft, die Teilchen 2 auf Teilchen 1 ausübtEs gilt⃗F 12 = Gm 1 m 2⃗x 2 −⃗x 1|⃗x 2 −⃗x 1 | 3.⃗F 12 = −⃗F 21 .• Betrachten wir nun einen Massepunkt m im Potential einer Masse M, welche sich im Ursprungbefinde. Die Bewegungsgleichung für den Massepunkt m lautet:m t ⃗a= −Gm s M ⃗x|⃗x| 3.Wir haben auf der linken Seite einen Index “t”, der die träge Masse bezeichnen soll, hinzugefügt.Auf der rechten Seite haben wir einen Index “s”, der die schwere Masse bezeichnensoll, hinzugefügt. Es ist nicht notwendig, daß diese beiden Größen gleich sein müssen. Esstellt sich jedoch heraus, daß im Rahmen der experimentellen Meßungenauigkeit stetsm t= m sgilt. Wir werden daher im Laufe der Vorlesung nicht weiter zwischen der trägen Masse undder schweren Masse unterscheiden. Im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie wirddie Gleichheit von schwerer und träger Masse als Äquivalenzprinzip bezeichnet.• Wir zeigen noch, daß das erste und zweite Newtonsche Gesetz miteinander verträglichsind. Wirkt auf ein Teilchen keine Kraft, so lautet die Bewegungsgleichung nach demzweiten Newtonschen Gesetzalso⃗a = 0,d 2dt2⃗x(t) = 0.17


Dies ist eine gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung, deren Lösung durch⃗x(t) = ⃗vt +⃗x 0gegeben ist. Hierbei sind⃗v und⃗x 0 Integrationskonstanten. Wir sehen, daß die Lösung geradeeine Bewegung entlang einer geraden Linie mit konstanter Geschwindigkeit beschreibt,im Einklang mit dem ersten Newtonschen Gesetz.• Wir haben gesehen, daß die Bahn eines freien Teilchens vollständig durch die Bewegungsgleichungund der beiden Anfangsbedingungen ( Ort und Geschwindigkeit zum Zeitpunktt = 0 ) festgelegt ist. Dies gilt allgemein: In einem System mit N Teilchen sind – unterrelativ schwachen Voraussetzungen – die Bahnen aller Teilchen durch die Bewegungsgleichungenund die Anfangsbedingungen (Ort und Geschwindigkeit eines jeden Teilchenszum Zeitpunkt t = t 0 ) festgelegt. Man spricht von einer deterministischen Theorie. Wirwerden dies im Rahmen der N-Teilchensysteme noch genauer diskutieren.2.5 KräfteWir haben bereits gesehen, daß die Gravitationskraft zwischen zwei Teilchen der Massen m i undm j durch⃗F i j = Gm i m j⃗x j −⃗x i∣ ⃗x j −⃗x i∣ ∣3gegeben ist. Sind die Teilchen zusätzlich elektrisch geladen, so treten zusätzlich zur Gravitationskraftnoch elektromagnetische Kräfte auf, die anziehend oder abstossend sein können. Esempfiehlt sich daher, die Kräfte zwischen zwei Teilchen etwas abstrakter zu diskutieren. Im folgendenwollen wir Zentralkräfte und konservative Kräfte genauer studieren.2.5.1 ZentralkräfteDas Newtonsche Gravitationsgesetz beschreibt die Kraft auf ein Teilchen mit der Masse m, welchessich im Kraftfeld eines Teilchens der Masse M zu:⃗F= −GmM ⃗x|⃗x| 3 = −GmM ⃗x|⃗x| 2 |⃗x| .Hierbei haben wir das Koordinatensystem so gewählt, so daß sich das Teilchen mit der Masse Mam Ursprung befindet. Man spricht hier von einer Zentralkraft. Unter einer Zentralkraft verstehtman eine Kraft, die immer auf einen Punkt oder von ihm weg gerichtet ist. Wählt man diesenPunkt als Ursprung des Koordinatensystems, so ist eine Zentralkraft von der Form⃗F= f(r) ˆx,18


wobei r = |⃗x| und ˆx der Einheitsvektor in Richtung von⃗x ist. Für das Newtonsche Gravitationsgesetzistf(r) = − GmMr 2 .Für Zentralkräfte gibt es immer eine Funktion V(r), so daßF x = − ∂ ∂x V (|⃗x|), F y = − ∂ ∂y V (|⃗x|), F z = − ∂ ∂z V (|⃗x|).Beweis: Wir setzenZ rV(r) −V(r 0 ) = − f(r ′ )dr ′ ,r 0wobei r 0 ein beliebiger Bezugswert und V(r 0 ) eine Konstante ist. Wir haben nun:∂V (r) = − f(r)∂r∂x ∂x = − f(r) ∂ √x∂x2 + y 2 + z 2 = − f(r) x r .Gleiches gilt für die Ableitungen nach y und z. Wir bezeichnen die Funktion V als Potential.Eine additive Konstante ist für die Bestimmung der Kraft aus dem Potential irrelevant. Für dasNewtonsche Gravitationsgesetz lautet das PotentialZ (V(r) = − − GmM )r 2 dr = − GmM .rBemerkung: Für Zentralkräfte haben wir die Beziehung⎛ ⎞ ⎛∂F x⃗F = ⎝ F y⎠ ⎜= −⎝F zFühren wir nun den Nabla-Operator⃗ ∇=⎛⎜⎝∂∂x ∂∂y∂∂z∂x V (r)⎞∂∂y V (r)∂∂z V (r)⎞⎟⎠ein, so läßt sich diese Gleichung auch wie folgt schreiben:⎟⎠.⃗F= − ⃗ ∇V(r).Bemerkung: ⃗ ∇ ist ein Operator, der auf eine Größe, wie zum Beispiel eine Funktion, die abgeleitetwerden kann, wirkt. Man sollte diese Größe daher immer mitangeben. Mathematische19


Beziehungen, in denen die Größe auf die ein Operator wirkt fehlt, machen nur Sinn, wenn sie füralle möglichen Größen des Problems (wie zum Beispiel für alle Testfunktionen) gelten.Ist f(x,y,z) eine skalare Funktion der Variablen x, y und z, so bezeichnet man ⃗ ∇ f als Gradientender Funktion f . Man schreibt auchgrad f = ⃗ ∇ f.Wir betrachten ein Teilchen der Masse m in einem Zentralpotential V(r). Die Kraft auf das Teilchenist ⃗F = − ⃗ ∇V und parallel zu⃗x. Der Drehimpuls des Teilchens ist gegeben durch⃗L= m⃗x × ˙⃗x.Für die zeitliche Änderung des Drehimpuls erhält man˙ ⃗L = m˙⃗x × ˙⃗x+m⃗x × ¨⃗x = m⃗x × ¨⃗x =⃗x ×⃗F = −⃗x × ⃗ ∇V = 0.Wir erhalten somit die wichtige Aussage, daß für ein Teilchen, daß sich in einem Zentralpotentialbefindet, der Drehimpuls erhalten ist.2.5.2 Konservative KräfteWir haben bereits gesehen, daß sich eine Zentralkraft immer als der (negative) Gradient einesPotentials schreiben läßt. Wir interessieren uns nun ganz allgemein für alle Kräfte, die sich indieser Form ausdrücken lassen.Definition: Unter einer konservativen Kraft versteht man eine Kraft, welche sich als der negativeGradient eines zeitunabhängigen Potentials V (⃗x) schreiben läßt:⃗F= − ⃗ ∇V (⃗x).Für konservative Kräfte gilt, dass die Arbeit die entlang eines Weges von⃗x 0 nach⃗x geleistet wird,nur vom Anfangs- und Endpunkt abhängt, aber vom Weg unabhängig istFür einen geschlossenen Weg γ gilt somit:IZ ⃗x⃗x 0⃗F · d⃗r = −[V (⃗x) −V (⃗x 0 )].γ⃗F · d⃗r = 0.Es gilt auch die Umkehrung: Hängt das Wegintegral nur vom Anfangs- und Endpunkt ab, abernicht vom Weg, so läß sich die Kraft als (negativer) Gradient eines Potentials schreiben.20


Wir bemerken noch, daß für das Vorliegen eines konservativen Kraftfeldes es zu fordern genügt,daß das Wegintegral über jeden geschlossenen Weg verschwindet.Mit Hilfe des Satzes von Stoke läß sich diese Aussage wie folgt umformulieren:I Z (0 = ⃗F · d⃗r = ⃗∇ × ⃗F)· ˆndσ,γwobei A die von γ umschlossene Fläche, dσ ein infinitessimales Flächenelement und ˆn den Normalenvektorzu diesem Flächenelement beschreibt. Weiter gilt⎛∂∂y⃗ ⎜F z − ∂ ∂z F ⎞y∇ ×∂ ⃗F = ⎝ ∂z F x − ∂ ∂x F ⎟z ⎠.∂∂x F y − ∂ ∂y F xDiese Größe bezeichnet man auch als Rotation von ⃗F:Arot ⃗F= ⃗ ∇ ×⃗F.Da die obige Gleichung für beliebige geschlossene Kurven und somit beliebige umschlossenenFlächen A gilt, gilt sie auch im Infinitessimalen. Daher folgt das der Integrand des Integrals überA verschwinden muß. Wir erhalten somit die folgende Aussage: Ein Kraftfeld ist genau dannkonservativ, falls⃗ ∇ × ⃗F = 0gilt, d.h∂∂y F z − ∂ ∂z F y = 0,∂∂z F x − ∂ ∂x F z = 0,∂∂x F y − ∂ ∂y F x = 0.2.6 Allgemeine Aussagen über N-TeilchensystemeWir betrachten nun ein System von n Teilchen an den Orten ⃗x 1 , ⃗x 2 , ..., ⃗x n mit den Massen m 1 ,m 2 , ..., m n . Die inneren Kräfte, die von Teilchen j auf Teilchen i wirken, bezeichnen wir mit ⃗F i j ,eventuell auftretende äußere Kräfte, welche auf Teilchen i wirken, bezeichnen wir mit K i .Für die Gesamtmasse des Systems führen wir die BezeichnungM =n∑ m ii=1ein, den Schwerpunkt des Systems bezeichnen wir mit⃗X = 1 M21n∑i=1m i ⃗x i .


Für die inneren Kräfte wollen wir annehmen, daß sie Potentialkräfte sindsowie daß⃗F i j = − ⃗ ∇ i V i j(∣ ∣⃗xi −⃗x j∣ ∣),⃗F i j= −⃗F jigilt. Der Index i bei ⃗ ∇ i gibt an, daß die Ableitungen nach den Komponenten von⃗x i erfolgen. DieBewegungsgleichungen lautenm 1¨⃗x1 = ⃗F 12 +⃗F 13 +...+⃗F 1n +⃗K 1 ,m 2¨⃗x2 = ⃗F 21 +⃗F 23 +...+⃗F 2n +⃗K 2 ,... ...m n¨⃗xn = ⃗F n1 +⃗F n2 +...+⃗F n(n−1) +⃗K n .Etwas kompakter läßt sich die Kraft auf das i-te Teilchen schreiben alsm i¨⃗xi = ∑⃗F i j +⃗K i .j≠i2.6.1 ErhaltungsgrößenSchwerpunktsatz: Für den Schwerpunkt gilt:M ¨⃗X =Der Beweis ergibt sich durch Aufsummation der einzelnen Bewegungsgleichungen unter derAusnutzung von ⃗F i j = −⃗F ji :(nn∑ m i¨⃗xi = ∑ ∑⃗F i j +⃗K i),i=1j≠iM ¨⃗X =i=1n∑i=1Drehimpulssatz: Die zeitliche Änderung des gesamten Drehimpulses ist gleich dem Drehmomentder äußeren Kräfte:˙ ⃗L =n∑i=1⃗K i .n∑i=1⃗K i .⃗x i ×⃗K i ,wobei der Gesamtdrehimpuls⃗L durch⃗L =n∑i=1m i(⃗xi × ˙⃗x i)22


gegeben ist. Dies zeigt man wie folgt:˙ ⃗L =n∑ i(˙⃗xi ×i=1m ˙⃗x) n (i + ∑ i ⃗xi ×i=1m ¨⃗x) n (i = ∑ i ⃗xi ×i=1m ¨⃗x) ni = ∑ ⃗x i ×i=1()∑⃗F i j +⃗K i =j≠in∑i=1⃗x i ×⃗K i .Energiesatz: Die zeitliche Änderung der gesamten inneren Energie ist gleich der Leistung deräußeren Kräfte:wobeinddt (T +U) = ∑ ⃗v i ·⃗K i ,i=1T =U =n∑i=1n∑i=1T i =n∑i=112 m i˙⃗x 2 i ,n (∣ ∣) ∑ V ∣⃗xi i j −⃗x j .j=i+1Beweis: Wir verwenden die Annahme, daß die inneren Kräfte Potentialkräfte sind. Somit lautetdie i-te Bewegungsgleichungm i¨⃗xi(∣ ∣) = ⃗ −∑ ∇i V ∣⃗xi i j −⃗x j + ⃗K i .j≠iMultipliziert man diese Gleichung mit ˙⃗x i , so erhält manm i˙⃗xi · ¨⃗x iDie linke Seite ist nichts anderes als(∣ ∣) = −∑˙⃗x i ·⃗∇ i V ∣⃗xi i j −⃗x j + ˙⃗xi ·⃗K i .j≠im i˙⃗xi · ¨⃗x i = d dtSummiert man alle Gleichungen auf, so erhält man)d 12 m i˙⃗x 2 ni = −∑dt( n∑i=1i=1Für den ersten Term auf der rechten Seite ergibt sich−n∑i=1(∣ ∣) ∑˙⃗x i ·⃗∇ i V ∣⃗xi i j −⃗x j 1 = −j≠i2= − 1 2= − 1 2n∑i=1∑j≠in∑ ∑i=1 j≠ind∑ ∑i=1 j≠idt V i j12 m i˙⃗x 2 i .(∣ ∣) n∑˙⃗x i ·⃗∇ i V ∣⃗xi i j −⃗x j + ∑˙⃗x i ·⃗K i .j≠ii=1˙⃗x i ·⃗∇ i V i j(∣ ∣⃗xi −⃗x j∣ ∣)−12n∑i=1∑j≠i(˙⃗xi ·⃗∇ i + ˙⃗x j ·⃗∇ j)V i j(∣ ∣⃗xi −⃗x j∣ ∣)23(∣ ∣⃗xi −⃗x j∣ ∣).˙⃗x j ·⃗∇ j V ji(∣ ∣⃗x j −⃗x i∣ ∣)


Somit erhalten wir(1ddt T = − d dt 2nddt (T +U) = ∑˙⃗x i ·⃗K i .i=1und die Behauptung ist bewiesen.n∑i=1∑j≠iV i j(∣ ∣⃗xi −⃗x j∣ ∣) ) +n∑i=1˙⃗x i ·⃗K i ,Wir betrachten nun den Spezialfall eines abgeschlossenen Systems. In diesem Fall verschwindenper Definition alle äußeren Kräfte:Aus dem Schwerpunktsatz⃗K i = 0.M ¨⃗X= ⃗0folgt⃗0 =n∑i=1m i¨⃗xi = d dtn∑i=1m i˙⃗xi .Bezeichnen wir mit⃗P =n∑i=1m i˙⃗xi .den Gesamtimpuls, so erhalten wirddt ⃗ P = ⃗0.Für die Bewegung des Schwerpunktes folgt aus ¨⃗X =⃗0, daß sich der Schwerpunkt mit konstanterGeschwindigkeit entlang einer geraden Linie bewegt. Ausgedückt durch den Impuls erhält manfür die Bewegung des Schwerpunktes⃗X(t) = 1 M ⃗ Pt +⃗X(t 0 ),wobei ⃗X(t 0 ) die Integrationskonstante aus der Integration der Bewegungsgleichung ist. Der Drehimpulssatzvereinfacht sich für ein abgeschlossenes System zu˙ ⃗L = 0.24


Der Energiesatz vereinfacht sich für ein abgeschlossenes System zuWir setzend(T +U) = 0.dtE= T +U.Wir können zusammenfassend sagen, daß ein abgeschlossenes System durch zehn Größen⃗L,⃗P,E,⃗X(t 0 )charakterisiert ist. Diese zehn Größen bezeichnet man als die klassischen zehn Bewegungsintegraleoder die klassischen zehn Erhaltungsgrößen.2.6.2 Das VirialtheoremWir betrachten ein abgeschlossenes System von n Teilchen. Wir nehmen an, daß die Kräfte zwischenden Teilchen durch ein Potential beschrieben werden können und daß die Kräfte nichtexplizit von der Zeit abhängen:Wir definieren die Größe⃗F i = − ⃗ ∇ i V (⃗x 1 ,...,⃗x n ).G(t) =n∑i=1⃗x i (t) ·⃗p i (t),die man als Virial bezeichnet. Für die zeitliche Ableitung von G(t) findet manddt G(t) = n∑i=1˙⃗x i (t) ·⃗p i (t)+n∑i=1⃗x i (t) · ˙⃗p i (t) =Zu einer Funktion f(t) definieren wir den zeitlichen Mittelwertn∑ i(˙⃗xi (t)i=1m ) n2− ∑ ⃗x i (t) ·⃗∇ i V (⃗x 1 ,...,⃗x n )i=1〈 f 〉 = limT →∞12TZ T−Tf(t) dt.Angewandt auf die zeitliche Ableitung des Virials erhalten wir〈Ġ〉 = limT →∞12TZ T−TdG(t)dtdt = limT →∞G(T) − G(−T).2T25


Sind die Kräfte so beschaffen, daß kein Teilchen gegen Unendlich entweicht und kein Teilchenzu keinem Zeitpunkt einen unendlich großen Impuls besitzt, so sind die Werte, die das Virialannehmen kann, beschränkt. In diesem Fall giltDann folgtund somitn∑i=1m i〈 (˙⃗xi (t) ) 2 〉 =〈T 〉 = 1 2n∑i=1〈Ġ〉 = 0.n∑i=1〈〉⃗x i (t) ·⃗∇ i V (⃗x 1 ,...,⃗x n ) ,〈〉⃗x i (t) ·⃗∇ i V (⃗x 1 ,...,⃗x n ) .Dies ist das Virialtheorem. Man nennt die Funktion V (⃗x 1 ,...,⃗x n ) homogen vom Grade k fallsV (λ⃗x 1 ,...,λ⃗x n ) = λ k V (⃗x 1 ,...,⃗x n )gilt. Ist das Potential eine homogene Funktion vom Grade k in den Argumenten⃗x 1 ,...,⃗x n , so läßtsich zeigen, daßn∑i=1⃗x i (t) ·⃗∇ i V (⃗x 1 ,...,⃗x n ) = kgilt. Somit vereinfacht sich der Virialsatz in diesem Fall zu〈T 〉 = k 2 〈U〉.Kombiniert man dies mit dem Energieerhaltungssatzso ergibt sichFür k = 2 erhält man zum Beispielwährend man für k = −1erhält.〈T 〉+〈U〉 = E,n∑i=1V (⃗x 1 ,...,⃗x n )〈T 〉 = k2E, 〈U〉 =k+ 2 k+ 2 E.〈T 〉 = 1 2 E, 〈U〉 = 1 2 E,〈T 〉 = −E, 〈U〉 = 2E26


2.6.3 Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen der BewegungsgleichungenWir wollen die Existenz und Eindeutigkeit von Lösungen der Bewegungsgleichungen noch etwasgenauer diskutieren. Wir betrachten ein System mit n Teilchen. Die Bewegungsgleichungenlautenm i¨⃗xi= ∑⃗F i j +⃗K i .j≠iDies ist ein System von (3n) Differentialgleichungen zweiter Ordnung in den Größenx 1 ,y 1 ,z 1 ,...,x n ,y n ,z n ,t.Wir führen dieses System in ein System von (6n) Differentialgleichungen erster Ordnung über,indem wir die Impulseeinführen. Wir erhalten somit das System⃗p i= m i˙⃗xi˙⃗x i = 1 m i⃗p i ,˙ ⃗p i= ∑⃗F i j +⃗K i .j≠iDies ist ein System von (6n) Differentialgleichungen in den Gr¨ßenFühren wir den Vektorx 1 ,y 1 ,z 1 , p x 1 , py 1 , pz 1 ,...,x n,y n ,z n , p x n , py n , pz n ,t.⃗y = ( x 1 ,y 1 ,z 1 , p x 1 , py 1 , pz 1 ,...,x n,y n ,z n , p x n , py n , pz n) T ,ein, so läß sich dieses System auf die Formddt ⃗y = ⃗G(t,⃗y)bringen. Dies ist die Standardform eines Systems von Differentialgleichungen erster Ordnung.Die Existenz und Eindeutigkeit der Lösungen folgt nun aus der Theorie der Differentialgleichungen:Ist ⃗G stetig in t und⃗y und genügt ⃗G einer Lipschitz-Bedingung, so gibt es eine eindeutigeLösung dieser Differentialgleichung zu vorgegebenen Anfangswerten.Bemerkung: Ist ⃗G in den Variablen ⃗y = (x 1 ,..., p z n ) stetig partiell differenzierbar, so erfüllt ⃗Geine Lipschitz-Bedingung. Somit gilt: Ist ⃗G(t,⃗y) in der Variablen t stetig und in den Variablen⃗y = (x 1 ,..., p z n) stetig partiell differenzierbar, dann gibt es eine eindeutige Lösung der Bewegungsgleichungenzu den Anfangswerten⃗x i (t 0 ) und ⃗p i (t 0 ).Bemerkung: Wir bezeichen den Raum aller Koordinaten⃗y = ( x 1 ,y 1 ,z 1 , p x 1 , py 1 , pz 1 ,...,x n,y n ,z n , p x n , py n , pz n) T ,als den Phasenraum eines Systems von n Teilchen. Dieser Phasenraum hat die Dimension (6n).27


2.7 Der harmonische OszillatorDer harmonische Oszillator ist ein Beispiel für ein physikalisches System mit einer Bewegungin einer Dimension. Bei einem harmonischen Oszillator ist die rücktreibende Kraft proportionalzur Auslenkung. Die Kraft ist gegeben durch⃗F= −mω 2 0 ⃗x.Hier haben wir das Koordinatensystem schon so gewählt, daß x = 0 die Ruhelage darstellt. Dawir ein ein-dimensionales System betrachten, ist ⃗x ∈ R 1 . Wir betrachten zunächst den Fall, indem weder Reibung noch eine äußere Kraft vorliegt. Aus der Bewegungsgleichung⃗F= m⃗aerhalten wir¨⃗x+ω 2 0⃗x = 0.Dies ist eine gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Ein Lösungsfundamentalsystemist gegeben durch die Funktionenso daß die allgemeine Lösung lautete iω 0t , e −iω 0t ,⃗x(t) = ⃗c 1 e iω 0t +⃗c 2 e −iω 0t .Sucht man die Lösungen zu den Anfangsbedingungen ⃗x(0) =⃗x 0 und ˙⃗x(0) =⃗v 0 , so erhält mandas lineare GleichungssystemAls Lösung findet man⃗c 1 = 1 2⃗c 1 +⃗c 2 = ⃗x 0 ,iω 0 ⃗c 1 − iω 0 ⃗c 2 = ⃗v 0 .(⃗x 0 − i ⃗v 0), ⃗c 2 = 1 (⃗x 0 + i )⃗v 0 .ω 0 2 ω 0Somit hat man die Lösung zur gewünschten Anfangsbedingung:⃗x(t) = 1 (⃗x 0 − i ⃗v 0)e iω0t + 1 (⃗x 0 + i )⃗v 0 e −iω0t .2 ω 0 2 ω 0Bemerkung: Auch wenn in der rechten Seite explizit imaginäre Ausdrücke auftreten, so ist dieLösung doch rein reell, d.h. alle Imaginärteile heben sich weg. Dies sieht man durch die Ersetzunge iω 0t = cos(ω 0 t)+isin(ω 0 t),e −iω 0t = cos(ω 0 t) − isin(ω 0 t).28


Man erhält⃗x(t) = ⃗x 0 cos(ω 0 t)+ ⃗v 0ω 0sin(ω 0 t).Die rücktreibende Kraft läßt sich als der negative Gradient einer Potentialfunktion darstellen. Mit⃗F= − ⃗ ∇V(⃗x)findet man für V(⃗x):V(⃗x) = 1 2 mω2 0 ⃗x2 .Diese Größe entspricht der potentiellen Energie U des harmonischen Oszillators. Die Potentialfunktionis homogen vom Grad 2:Somit ergibt sich aus dem Virialtheorem:V (λ⃗x) = λ 2 V(⃗x).〈T 〉 = 1 2 E, 〈U〉 = 1 2 E.Wir betrachten noch den harmonischen Oszillator mit Reibung. Wir nehmen an, daß die Reibungskraftproportional zur Geschwindigkeit ist:⃗F friction = −2µm˙⃗x, µ> 0.Die Reibungskraft bremst die Bewegung, daher das Minuszeichen. Berücksichtigt man die Reibungskraft,so liegt kein konservatives System mehr vor. Die Bewegungsgleichung für den harmonischenOszillator mit Reibung lautet:¨⃗x+2µ˙⃗x+ω 2 0⃗x = 0.Dies ist wieder eine gewöhnliche Differentialgleichung zweiter Ordnung. Zur Lösung betrachtenwir die Fälle µ 2 < ω 2 0 , µ2 = ω 2 0 und µ2 > ω 2 0 getrennt.1. Fall: µ 2 < ω 2 0 . Dieser Fall beschreibt eine kleine Dämpfung. Ein Lösungsfundamentalsystemist gegeben durch√ϕ 1 (t) = e −µt e iωt , ϕ 2 (t) = e −µt e −iωt , ω = ω 2 0 − µ2 .Die Lösung zu den Anfangsbedingungen⃗x(0) =⃗x 0 und ˙⃗x(0) =⃗v 0 ist gegeben durch⃗x(t) = 1 (⃗x 0 − i )2 ω (⃗v 0 + µ⃗x 0 ) e −µt e iωt + 1 (⃗x 0 + i )2 ω (⃗v 0 + µ⃗x 0 ) e −µt e −iωt= ⃗x 0 e −µt cos(ωt)+ ⃗v 0 + µ⃗x 0e −µt sin(ωt).ω29


2. Fall: µ 2 = ω 2 0. In diesem Fall lautet das Lösungsfundamentalsystemϕ 1 (t) = e −µt , ϕ 2 (t) = te −µt .Die Lösung zu den Anfangsbedingungen⃗x(0) =⃗x 0 und ˙⃗x(0) =⃗v 0 ist gegeben durch⃗x(t) = ⃗x 0 e −µt +(⃗v 0 + µ⃗x 0 )te −µt .Den Fall µ 2 = ω 2 0 bezeichnet man als aperiodischen Grenzfall.3. Fall: µ 2 > ω 2 0. In diesem Fall lautet das Lösungsfundamentalsystemϕ 1 (t) = e −µ 1t , ϕ 2 (t) = e −µ 2t , µ 1 = µ+√µ 2 − ω 2 0 , µ 2 = µ−√µ 2 − ω 2 0 .Die Lösung zu den Anfangsbedingungen⃗x(0) =⃗x 0 und ˙⃗x(0) =⃗v 0 ist gegeben durch⎛ ⎞ ⎛ ⎞⃗x(t) = 1 ⎝⃗x 0 − ⃗v 0 + µ⃗x 0√ ⎠e −µ 1t + 1 2µ 2 − ω 2 20Den Fall µ 2 > ω 2 0 bezeichnet man als Kriechfall.⎝⃗x 0 + ⃗v 0 + µ⃗x 0√µ 2 − ω 2 0⎠e −µ 2t .Zu guter Letzt betrachten wir noch den Fall, daß auf den harmonischen Oszillator eine periodischeäußere Kraft der Form⃗K = m⃗Acos(ω ext t)wirkt. In diesem Fall handelt es sich um kein abgeschlossenes System mehr. Wir behandeln nurden Fall einer schwachen Dämpfung: µ 2 < ω 2 0. Es empfiehlt sich über den komplexen Zahlen zuarbeiten und die äußere Kraft als den Realteil einer komplexwertigen Funktion zu betrachten:(⃗K) = Re m⃗Ae iω extt.Dies führt uns auf die Differentialgleichung¨⃗x+2µ˙⃗x+ω 2 0 ⃗x = ⃗Ae iω extt .Wir können annehmen, daß ω ext reell und positiv ist. Wie bereits oben gezeigt, ist das Fundamentalsystemder homogenen Gleichung gegeben durch√ϕ 1 (t) = e −µt e iωt , ϕ 2 (t) = e −µt e −iωt , ω = ω 2 0 − µ2 .Wir unterscheiden zwei Fälle. Im ersten Fall ist µ> 0 oder ω ext ≠ ω. Im zweiten Fall ist µ= 0 undω ext = ω. Beginnen wir mit dem ersten Fall. Die allgemeine Lösung der inhomogenen Gleichunglautet[⃗x(t) = Re ⃗Aω2 0 − ω2 ext − 2iµω ext(ω20− ω 2 ) 2e iωextt +⃗c 1 e −µt e iωt +⃗c 2 e −µt e].−iωtext + 4µ 2 ω 2 ext30


Die Konstanten⃗c 1 und⃗c 2 bestimmt man so, daß die Anfangsbedingungen⃗x(0) =⃗x 0 ,˙⃗x(0) =⃗v0erfüllt sind. Im Fall µ> 0 gilt für große Zeiten⃗x(t)t→∞=⃗A(ω20− ω 2 ) 2ext + 4µ 2 ω 2 ext[(ω20 − ω 2 )ext cos(ωext t)+2µω ext sin(ω ext t) ] .Es bleibt noch der Spezialfall µ = 0 und ω = ω 0 = ω ext zu diskutieren. Man bezeichnet diesenFall als Resonanzfall. Die allgemeine Lösung im Resonanzfall ist gegeben durch[⃗x(t) = Re − i]2ω ⃗ Ate iωt +⃗c 1 e iωt +⃗c 2 e −iωt .Die Konstanten⃗c 1 und ⃗c 2 bestimmt man wieder aus den Anfangsbedingungen. Die Amplitudedes ersten Terms wächst linear mit t an:⃗x(t)2.8 Das Zweikörperproblemt→∞=12ω ⃗ At sin(ωt).Wir betrachten nun das Zweikörperproblem: Hierunter versteht man ein abgeschlossenes Systembestehend aus zwei Teilchen, die sich gegenseitig anziehen. Äußere Kräfte liegen nicht vor. Wirhaben also die Bewegungsgleichungenm 1¨⃗x1 = ⃗F 12 ,m 2¨⃗x2 = ⃗F 21 ,wobei nach dem dritten Newtonschen Gesetz ⃗F 21 = −⃗F 12 ist. Es empfiehlt sich anstelle der Ortsvektoren⃗x1 und⃗x 2 den relativen Abstandund den Ortsvektor des Schwerpunktes⃗x = ⃗x 1 −⃗x 2⃗X =1m 1 + m 2(m 1 ⃗x 1 + m 2 ⃗x 2 )zu betrachten. Wir können⃗x 1 und⃗x 2 durch⃗x und ⃗X ausdrücken:⃗x 1 = ⃗X + m 2m 1 + m 2⃗x,⃗x 2 = ⃗X − m 1m 1 + m 2⃗x.31


Schreiben wir die Bewegungsgleichungen auf die Variablen⃗x und ⃗X um, so ergibt sich zunächstdurch Addition der beiden Gleichungen¨⃗X = ⃗0.Hier haben wir ⃗F 21 = −⃗F 12 ausgenutzt. Der Schwerpunkt bewegt sich also geradlinig gleichförmig.Diesen Sachverhalt haben wir zuvor schon durch die allgemeine Betrachtung von n-Teilchensystemen ohne äußere Kräfte hergeleitet. Interessanter ist die Bewegungsgleichung fürdie Relativbewegung⃗x:m 1 m 2 ¨⃗x = ⃗F 12 .m 1 + m 2Man bezeichnetµ = m 1m 2m 1 + m 2als reduzierte Masse. Setzt man noch ⃗F = ⃗F 12 so erhält man die Bewegungsgleichung der Relativbewegung:µ¨⃗x= ⃗F.Dies entspricht der Bewegungsgleichung eines Teilchens in einem äußeren Kraftfeld ⃗F. Wirhaben durch die geschickte Aufspaltung der Koordinaten in Schwerpunktskoordinaten und Relativkoordinatenerreicht, daß die Bewegungsgleichungen entkoppeln: Der Schwerpunkt bewegtsich geradlinig gleichförmig, die Relativbewegung entspricht der Bewegung eines Teilchens ineinem äußeren Kraftfeld. Man sagt daher auch, daß das Zweikörperproblem auf ein Einteilchenproblemin einem äußeren Feld reduziert werden kann.⃗F ist die Kraft, die durch das Teilchen 2 auf das Teilchen 1 wirkt. Bezüglich der Relativkoordinaten⃗xist diese Kraft (anti)-parallel zu⃗x gerichtet, es handelt sich also um eine Zentralkraft.Wir können daher⃗F= − ⃗ ∇Vschreiben. Für Zentralkräfte ist der Drehimpuls⃗ l= µ⃗x × ˙⃗xerhalten, daddt ⃗ l = µ˙⃗x × ˙⃗x+µ⃗x × ¨⃗x = 0+0 = 0.(Wir haben hier ein kleines ⃗ l gewählt, da sich der Drehimpuls in diesem Fall auf die Relativkoordinaten⃗xbezieht.) Die Bewegung erfolgt also in einer Ebene senkrecht zu⃗l. Wir können dasKoordinatensystem so wählen, so daß für⃗x(t) = (x(t),y(t),z(t))z(t) = 032


für alle Zeiten t gilt. Für die x- und y-Koordinate führen wir die Parametrisierungx(t) = r(t)cosϕ(t),y(t) = r(t)sinϕ(t).Als erstes stellen wir fest, daß˙⃗x 2 = ṙ 2 + r 2 ˙ϕ 2gilt:˙⃗x 2 =[ ddt (r(t)cosϕ(t)) ] 2+[ ddt (r(t)sinϕ(t)) ] 2= (ṙ cosϕ − r ˙ϕsinϕ) 2 +(ṙ sinϕ+r ˙ϕcosϕ) 2 = ṙ 2 + r 2 ˙ϕ 2 .Als nächstes stellen wir fest, daß für die kinetische Energie gilt (mit M = m 1 + m 2 ):12 m 1˙⃗x 2 1 + 1 2 m 2˙⃗x 2 2 = 1 (2 m 1˙⃗X + m ) 22 ˙⃗x + 1 (m 1 + m 2 2 m 2˙⃗X − m ) 21 ˙⃗xm 1 + m 2= 1 2 M ˙⃗X 2 + 1 2 µ˙⃗x 2 .Wir haben ein abgeschlossenes System, daher ist die Gesamtenergie erhalten:Nun ist aberT +V = const,12 M ˙⃗X 2 + 1 2 µ˙⃗x 2 +V = const.12 M ˙⃗X 2 = ⃗ P 22M ,wobei ⃗P der Gesamtimpuls ist. In einem abgeschlossenen System ist aber auch der Gesamtimpulserhalten, und somit auch die kinetische Energie des Schwerpunktes. Somit folgt:bzw.12 µ˙⃗x 2 +V(r) = const,12 µ( ṙ 2 + r 2 ˙ϕ 2) +V(r) = const,Wie bereits erwähnt, ist auch der Drehimpuls ⃗ l erhalten. Der Drehimpuls ist gegeben durchl x = 0, l y = 0,l z = µrcosϕ(ṙ sinϕ+r ˙ϕcosϕ) − µrsinϕ(ṙ cosϕ − r ˙ϕsinϕ) = µr 2 ˙ϕ.33


Setzen wir l z = l so haben wir also˙ϕ = lµr 2.Setzen wir dies in den Energieerhaltungssatz ein, so erhalten wir12 µṙ2 + l2+V(r) = const,2µr2 Der Term l 2 /(2µr 2 ) hängt nur von r, aber nicht von ṙ oder ˙ϕ ab. Da V(r) ebenfalls nur von rabhängt, können wir ein neues “effektives” Potential definieren:Somit können wir schreibenV eff (r) = V(r)+ l22µr 2.12 µṙ2 +V eff (r) = E,wobei wir die Gesamtenergie der Relativbewegung gleich E gesetzt haben. Für r(t) erhalten wiralso die Differentialgleichung√ddt r(t) = 2µ (E −V eff(r)).Diese Differentialgleichung hängt nur von r(t), aber nicht von ϕ(t) ab. Wir haben also das Problemauf eine Differentialgleichung erster Ordnung in einer Variablen reduziert. Hat man r(t)durch Lösen dieser Differentialgleichung bestimmt, so ergibt sich ϕ(t) durch Lösen der Differentialgleichungddt ϕ(t) =lµr(t) 2.Wir können auch die beiden Differentialgleichungen miteinander kombinieren und betrachtenhierzu zunächst dr/dϕ:Durch Integration erhalten wirdrdrdϕ = dtdϕdt= r2 √2µ(E −Veff (r)).lϕ − ϕ 0= lr(ϕ) Zr 0drr 2√ 2µ(E −V eff (r)) .34


Wir spezifizieren nun das Potential und betrachten das Newtonsche Gravitationsgesetz. Somitgilt für das effektive PotentialWir möchten die GleichungV eff = −G m 1m 2r+ l22µr 2.( ) dr 2 (= r4dϕ l 2 · 2µ E + G m 1m 2−rlösen. Hier ist es einfacher, zunächst die Funktionzu betrachten:= 2µEl 2 r4 + 2µGm 1m 2l 2 r 3 − r 2σ(ϕ) = 1r(ϕ) ,dσdϕ = − 1 r 2 drdϕ)l22µr 2( ) dσ 2= 2µEdϕ l 2 + 2µGm 1m 2 1l 2 r − 1 r 2 = 2µEl 2 + 2µGm 1m 2l 2 σ − σ 2 .Führt man noch die Hilfsgrößenr 0 =l 2Gm 1 m 2 µ ,ε = √√1+ 2El2G 2 m 2 1 m2 2 µ = 1+ 2Eµr2 0l 2ein, wobei r 0 die Dimension einer Länge hat und ε dimensionslos ist, so erhält manWir schreiben diese Gleichung noch um:Diese Gleichung hat die Lösung( ) dσ 2= ε2 − 1dϕ r02 + 2r 0 r − 1 r 2 = ε2 − 1r02 + 2σ − σ 2 .r 0wie man leicht durch Differenzieren überprüft:( ) dσ 2+(σ − 1 ) 2= ε2dϕ r 0 r02 .σ(ϕ) = 1 r 0+ ε r 0cos(ϕ − ϕ 0 ),dσdϕ = − ε r 0sin(ϕ − ϕ 0 ).35


ϕ 0 ist eine Integrationskonstante. Somit ergibt sich für r(ϕ):r(ϕ) =1σ(ϕ) = r 01+εcos(ϕ − ϕ 0 ) .Diese Gleichung wollen wir etwas genauer betrachten. Wählen wir unser Koordinatensystem so,daß ϕ 0 = 0 ist, so läßt sich diese Gleichung mit Hilfe voncosϕ= x rwie folgt umformen:r+ εx = r 0 ,x 2 + y 2 = (r 0 − εx) 2 ,(1 − ε2 ) x 2 + 2εr 0 x+y 2 = r 2 0 .Wir betrachten zunächst den Fall ε 2 < 1. Quadratische Ergänzung führt uns auf(x+ ε ) 21 − ε 2 r 0 + y21 − ε 2 =r 2 0(1 − ε 2 ) 2.Setzt manx 0 = −ε1 − ε 2 r 0, a = r 01 − ε 2, b = r 0√ ,1 − ε 2so erhält man(x − x 0 ) 2a 2+ y2b 2 = 1.Diese Gleichung beschreibt eine Ellipse mit den Halbachsen a und b.Betrachten wir dagegen den Fall ε 2 > 1, so erhalten wir mita = r 0ε 2 − 1 , b = r 0√ε 2 − 1 ,(x − x 0 ) 2a 2Diese Gleichung beschreibt eine Hyperbel.− y2b 2 = 1.Es bleibt noch der Fall ε 2 = 1. In diesem Fall haben wir2εr 0 x+y 2 = r 2 0 .36


Diese Gleichung beschreibt eine Parabel.Wir erinnern uns an die Definition von ε:Somit können wir zusammenfassen:ε 2 = 1+ 2El2G 2 m 2 1 m2 2 µ.• Ist die Gesamtenergie der Relativbewegung E < 0, so ist die Bahn eine Ellipse.• Ist E = 0, so ist die Bahn eine Parabel.• Ist E > 0, so ist die Bahn eine Hyperbel.Im ersten Fall spricht man von einer gebundenen Bahn, in den anderen beiden Fällen von einerungebundenen Bahn.2.8.1 Die Keplerschen GesetzeWir gehen nun näher auf die gebundenen Bahnen ein und betrachten insbesondere die Planetenbahnenim Sonnensystem. Hierbei wollen wir die Kräfte der anderen Planenten auf einenPlaneten vernachlässigen, so daß wir ein Zweikörpersystem Sonne-Planet haben. Da wir an gebundenBahnen interessiert sind, folgt unmittelbar das erste Keplersche Gesetz:Die Planeten bewegen sich auf Ellipsen.Bewegt sich der Planet von⃗x nach⃗x+d⃗x, so überstreicht der Ortsvektor die FlächedA= 1 |⃗x × d⃗x|.2Pro Zeiteinheit haben wir alsodAdt= 1 2∣ ⃗x × ˙⃗x∣ ∣.Nun ist allerdings⃗x × ˙⃗x = ⃗ l/µ und da der Drehimpuls erhalten ist, folgtdAdt= const.Wir haben somit das zweite Keplersche Gesetz:Der Ortsvektor von der Sonne zum Planeten überstreicht in gleichen Zeiten gleiche Flächen.Die Fläche einer Ellipse mit den Halbachsen a und b ist A = πab. Diese Fläche wird in dervollen Umlaufzeit T überstrichen. Es gilt alsoAT = l2µ .37


Sei a die große Halbachse und b die kleinere. Es giltSomitπa 3 2 √ r 0Ta 3T 2 == l2µ ,b = √ ar 0 .l 24π 2 r 0 µ 2 = Gm 1m 24π 2 µ = 14π 2 G(m 1 + m 2 ).Kann man die Massen der Planeten gegenüber der Sonnenmasse vernachlässigen, so ergibt sicha 3T 2= GM ⊙4π 2 ,wobei M ⊙ die Sonnenmasse bezeichnet. Die rechte Seite hängt nicht mehr von der Planetenmasseab. Man erhält das dritte Keplersche Gesetz:Das Verhältnis der Kuben der großen Halbachsen zu den Quadraten der Umlaufzeiten istfür alle Planeten in einem gegebenen Sonnensystem dasselbe.2.9 Streuung von TeilchenWir wollen nun die ungebundenen Bahnen in einem Zweikörpersystem unter einem anderenAspekt genauer betrachten: In diesem Abschnitt beschäftigen wir uns mit der Streuung einesTeilchens im Kraftfeld eines zweiten Teilchens.Wir betrachten zwei Teilchen der Masse m 1 und m 2 , die über eine Zentralkraft mit Potential V(r)miteinander wechselwirken. Wir wollen annehmen, daß V(r) mindestens wie 1/r für r → ∞ abfällt.Die typische experimentelle Situation besteht darin, daß man Teilchen 1 aus großer Entfernungmit einem genau definierten Impuls auf Teilchen 2 schießt, welches vor dem Stoß ruht. Man bezeichnetTeilchen 1 als Projektil und Teilchen 2 als Target. Mit Hilfe von Detektoren misst mandann die Impulse der beiden Teilchen nach dem Stoß. Somit kennt man aus den experimentellpräparierten Anfangsbedingungen die Impulse der Teilchen lange vor der Streuung und aus denmit Hilfe der Detektoren gemessenen Impulsen die Impulse der Teilchen lange nach der Streuung.In Streuexperimenten versucht man aus der Kenntniss der Anfangs- und der EndzuständeErkenntnisse über das Potential V(r) zu gewinnen. Aus diesem Grund beschränkt man sich beider Betrachtung des Potentials nicht nur auf das Newtonsche GravitationsgesetzV(r) = −G m 1m 2,rsondern betrachtet ein allgemeines Zentralkraftpotential. So kann zum Beispiel die Wechselwirkungzwischen den beiden Teilchen durch die elektromagnetische Coulombkraft dominiert sein.38


p ′ 1p 1ϑϑ 2p ′ 2b−q ′ 1q ′ 1q ϑ ∗1−q 1Abbildung 1: Die Streuung im Laborsystem (links) und im Schwerpunktssystem (rechts).Haben die elektrischen Ladungen der beiden Teilchen gleiches Vorzeichen, so ist die Kraft abstoßend,andernfalls ist sie anziehend.Wir betrachten nun zwei Koordinatensystem: Das erste Koordinatensystem ist dadurch definiert,daß Teilchen 2 in diesem System vor dem Stoß ruht. Wir bezeichnen dieses System als Laborsystem.Wir bezeichnen in diesem Koordinatensystem mitdie Impulse der Teilchen vor dem Stoß, und mit⃗p 1 , ⃗p 2⃗p ′ 1 , ⃗p′ 2die Impulse der Teilchen nach dem Stoß. Im Laborsystem gilt also per Definition⃗p 2 = ⃗0.Als zweites Koordinatensystem betrachten wir das Schwerpunktssystem. Hier bezeichnen wirmit⃗q =⃗q 1den Impuls des Teilchens 1 vor dem Stoß und mit⃗q ′ =⃗q ′ 1den Impuls des Teilchens 1 nach dem Stoß. Per Definition ruht der Schwerpunkt im Schwerpunktssystem.Daher ist der Gesamtimpuls im Schwerpunktssystem gleich Null. Somit ist derImpuls des Teilchens 2 im Schwerpunktsystem vor dem Stoß gleich⃗q 2 = −⃗q und nach dem Stoßgleich⃗q ′ 2 = −⃗q′ . Diese Größen sind in Abbildung 1 veranschaulicht.Da es sich um ein Zweikörperproblem handelt, kann man wieder das Koordinatensystem so39


wählen, daß alle Teilchenbewegungen in der x-y-Ebene stattfinden. Dies gilt sowohl für das Laborsystemals auch für das Schwerpunktssystem. Wir bezeichnen mit ϑ den Streuwinkel desTeilchen 1 im Laborsystem. Es gilt offensichtlich⃗p 1 ·⃗p ′ 1= |⃗p 1 | ·∣∣⃗p′1∣ ∣cosϑ.Den Winkel unter dem Teilchen 2 im Laborsystem ausläuft, wollen wir mit ϑ 2 bezeichnen. ImSchwerpunktssystem bezeichnen wir den Streuwinkel des Teilchens 1 mit ϑ ∗ . Im Schwerpunktssystemist der Streuwinkel des Teilchens 2 identisch mit dem des Teilchens 1.Wir führen darüberhinaus noch den Stoßvektor ⃗ b ein (siehe Abbildung). Er gibt an, wie zentralder Stoß verläuft. Den Betrag b = |⃗b| bezeichnet man als Stoßparameter (engl. impact parameter).Im Laborsystem haben wir also für Zeiten lange vor der Streuung⃗x 1 (t) = ⃗b+ ⃗p 1t,m 1⃗x 2 (t) = ⃗0.für t → −∞Für den Schwerpunkt gilt somit im Laborsystem⃗X(t) =m 1m 1 + m 2⃗ b+⃗p 1m 1 + m 2t.Da sich der Schwerpunkt konstant gleichmäßig bewegt, gilt dies für alle Zeiten. Bezeichnen wirmit⃗x ∗ 1 (t) und⃗x∗ 2(t) die Koordinaten im Schwerpunktssystem, so haben wir für die Transformationvom Laborsystem ins Schwerpunktssystem:⃗x ∗ j(t) = ⃗x j (t) − m 1m 1 + m 2⃗ b −⃗p 1m 1 + m 2t, j ∈ {1,2}.Für die Relativkoordinaten gilt offensichtlichSomit ist der Relativimpuls⃗x(t) = ⃗x 1 (t) −⃗x 2 (t) =⃗x ∗ 1(t) −⃗x ∗ 2(t).⃗p(t) = µ˙⃗x(t), µ= m 1m 2m 1 + m 2,in beiden Koordinatensystemen gleich. Wir bezeichnen mit ⃗P den Impuls des Schwerpunktes imLaborsystem. Im Schwerpunktssystem gilt für den Impuls des Schwerpunktes ⃗P ∗ per Definition⃗P ∗ =⃗0. Aus⃗x 1 (t) = ⃗X(t)+ m 2m 1 + m 2⃗x(t), ⃗x 2 (t) = ⃗X(t) − m 1m 1 + m 2⃗x(t),40


folgt⃗p 1 (t) = m 1m 1 + m 2⃗P+⃗p(t), ⃗p 2 (t) = m 2m 1 + m 2⃗P −⃗p(t).Im Schwerpunktssystem gilt (da ⃗P ∗ =⃗0)⃗q 1 (t) = ⃗p(t),⃗q 2 (t) = −⃗p(t).Somit giltlim ⃗p(t) =⃗q, limt→−∞⃗p(t) t→∞ =⃗q′ .Wir möchten als erstes eine Beziehung zwischen dem Streuwinkel ϑ im Laborsystem und demStreuwinkel ϑ ∗ im Schwerpunktssystem herleiten. AusfolgtNach dem Stoß gilt⃗p 1 = m 1m 1 + m 2⃗P+⃗q, ⃗0 = ⃗p 2 = m 2m 1 + m 2⃗P −⃗q,⃗p 1 = ⃗P, ⃗P = m 1 + m 2⃗q.m 2⃗p ′ 1 = m 1m 1 + m 2⃗P+⃗q ′ = m 1m 2⃗q+⃗q ′ , ⃗p ′ 2 = m 2m 1 + m 2⃗P −⃗q ′ =⃗q −⃗q ′ ,Da wir vorausgesetzt haben, daß das Potential für große Abstände mindestens mit 1/r abfällt,können wir für große Zeiten vor bzw. nach der Streuung die potentielle Energie vernachläßigen.Die Gesamtenergie ist also in diesen Grenzfällen durch die kinetische Energie gegeben. Da diekinetische Energie des Schwerpunktes separat erhalten ist, folgt somit daß die kinetische Energieder Relativbewegung lange vor der Streuung gleich der kinetischen Energie lange nach derStreuung ist. Somit giltund insbesondereWir betrachten nun die Größe|⃗q| 22µ = |⃗q′ | 22µ|⃗q| 2 = ∣ ∣ ⃗q′ ∣ ∣ 2 .2⃗p 1 ·⃗p ′ 1 .41


q ′ qϑ ∗ p ′ 2βϑ 2αAbbildung 2: Der Zusammenhang zwischen ϑ ∗ und ϑ 2 . Es gilt ϑ 2 = α = β.Es ist einerseitsAndererseits haben wir2⃗p 1 ·⃗p ′ 1 = 2 m ( )(1 + m 2 m1⃗q ⃗q+⃗q ′ = 2 m 1 + m 2|⃗q| 2m 2 m 2 m 2= 2 m 1 + m 2m 2|⃗q| 2 (m1m 2+ cosϑ ∗ )2⃗p 1 ·⃗p ′ 1 = 2|⃗p 1 | ∣ ∣ ⃗p′1∣cosϑm 1 + m 2 = 2m 2√|⃗q| 2= 2 m 1 + m 2m 21+2 m 1m 2cosϑ ∗ +m 1m 2+)⃗q ·⃗q′|⃗q| 2∣ |⃗q|m 1 ∣∣∣∣ ⃗q+⃗q ′ cosϑm 2( ) 2 m1cosϑ.m 2Somit erhalten wir die Relationcosϑ =Durch Umformen erhält mansinϑ =√√m 1m 2+ cosϑ ∗1+2 m 1m 2cosϑ ∗ +sinϑ ∗1+2 m 1m 2cosϑ ∗ +(m1(m1m 2) 2.m 2) 2.Dividiert man die beiden Gleichungen, so kann man die Wurzel eliminieren und man erhälttanϑ =sinϑ ∗m 1m 2+ cosϑ ∗.Der Winkel ϑ 2 , der die Richtung des Rückstoßes des Targets im Laborsystem beschreibt, läß sich42


durch den Streuwinkel im Schwerpunktssystem ausdrücken:ϑ 2 = 1 2 (π − ϑ∗ ).Dies leitet man wie folgt her: Wir hatten schon gesehen, daß ⃗p ′ 2 =⃗q −⃗q′ gilt. Darüberhinaus ist|⃗q| 2 = |⃗q ′ | 2 . Dies ist in Abbildung 2 dargestellt. Aus der Abbildung ist ersichtlich, daß ϑ 2 = αgilt. Da zwei Seiten im Dreieck die gleiche Länge haben, gilt α = β. Die Winkelsumme im Dreiechkist ϑ ∗ + α+β = π, und somit folgt die Behaputung ϑ 2 = (π − ϑ ∗ )/2.Bemerkungen: Ist die Masse des Projektils m 1 sehr viel kleiner als die Masse des Targets m 2 ,so gilttanϑ m 1≪m=2tanϑ ∗ .Im Grenzfall einer unendlichen Targetmasse fallen Laborsystem und Schwerpunktssystem zusammen.Sind die Massen von Projketil und Target gleich,so folgt ausm 1 = m 2 = m,und somitsowietanϑ =sinϑ ∗ϑ∗2sin2=1+cosϑ∗ ϑ = ϑ∗2cosϑ∗22cos 2 ϑ ∗ϑ+ϑ 2 = 1 2 π.2= tan ϑ∗2Im Laborsystem laufen die beiden Teilchen also unter 90 Grad auseinander.Wir betrachten nun die Dynamik des Streuprozesses: Für den relativen Drehimpuls gilt⃗ l= µ⃗x × ˙⃗x =⃗x ×⃗p = ⃗ b ×⃗q.Für den Betrag gilt∣ ⃗ b∣ =43∣ ⃗ l∣|⃗q| .


Wie wir wissen, ist bei einer Zweiteilchenstreuung mittels einer Zentralkraft der relative Bahndrehimpulserhalten. Die gesamte Energie der Relativbewegung ist ebenfalls erhalten. Wir könnensie aus dem Wert bei t → ∞ bestimmen:E= |⃗q|22µ .Die Bahn eines Teilchens ist also durch die Größen | ⃗ l| und E charakterisiert. Es ist üblich | ⃗ l| durchb = | ⃗ b| zu ersetzen. Im Schwerpunktssystem ist der Zusammenhang zwischen den Koordinaten⃗x ∗ 1(t) des Teilchens 1 und den Relativkoordinaten⃗x(t) gegeben durch⃗x ∗ 1 (t) = m 2m 1 + m 2⃗x(t).Wir parametrisieren wieder die Relativkoordinaten wie im Zweikörperproblem⎛ ⎞r(t)cosϕ(t)⃗x(t) = ⎝ r(t)sinϕ(t) ⎠.0Für ϕ(t) giltϕ − ϕ 0= lr(ϕ) Zr 0drr 2√ 2µ(E −V eff (r)) .Die Bahn des Teilchens 1 hat einen Punkt des kleinsten Abstands zum Kraftzentrum, den entsprechendenRadius wollen wir mit r min bezeichnen. Man erhält r min , indem man die GleichungE −V eff (r min ) = 0lößt. Wir wählen das Koordinatensystem nun so, daß ϕ(r min ) = 0 gilt. Setzen wir nochso erhalten wirl = b|⃗q| = b √ 2µEϕ= br(ϕ) Zr mindrr 2√ 1 −V eff (r)/E .Sei nun ϕ max = ϕ(∞). Wie aus der Abbildung 3 ersichtlich ist, gilt2ϕ max + ϑ ∗= πund somitϑ ∗= π − 2ϕ max = π − 2b44Z ∞r mindrr 2√ 1 −V eff (r)/E .


˜ϕ maxPϕ maxϑ ∗Abbildung 3: Der Streuprozess in Relativkoordinaten. P bezeichnet den Punkt des kleinsten Abstandesvom Streuzentrum. Es gilt ϕ max = ˜ϕ max und ˜ϕ max + ϕ max + ϑ ∗ = π.Betrachten wir nun die Situation, daß viele Teilchen (alle mit der Masse m 1 ) nacheinander aufdas Target geschossen werden, so definieren wir zunächst die Intensität I des Teilchenstrahls alsdie Anzahl der Teilchen, die pro Zeiteinheit durch eine Flächeneinheit senkrecht zum Teilchenstrahltreten. Wir betrachten nun die Anzahl der Teilchen pro Zeiteinheit, die nach dem Stoßin Richtung ϑ gestreut werden. Etwas genauer betrachten wir alle Teilchen, welche mit einemPolarwinkel zwischen ϑ und ϑ+dϑ und einem Azimuthwinkel zwischen ϕ und ϕ+dϕ gestreutwerden. Wir definieren das RaumwinkelelementdΩ = sinϑ dϑdϕ.Der differenzielle Wirkungsquerschnitt des Streuprozesses ist nun definiert durchdσdΩAnzahl der gestreuten Teilchen pro Zeiteinheit und pro Raumwinkelelement dΩ= .Idσ hat die Dimension einer Fläche. Integriert man über alle Raumwinkelelemente, so ergibt sichder totale Wirkungsquerschnitt:σ =ZdΩ( ) Z π Z 2πdσ= dϑdΩ0 0dϕ sinϑ( ) dσ.dΩBei der Streuung an einem Zentralpotential haben wir eine Rotationssymmetrie bezüglich derStrahlachse. Daher hängt der differenzielle Wirkungsquerschnitt nicht von ϕ ab. Man gibt daheroft die folgende Größe an, die nur noch differenziell in dem Streuwinkel ϑ ist:Z2πdσdϑ = dϕ sinϑ0( ) dσ= 2πsinϑdΩ( ) dσ.dΩDie Definition des differenziellen Wirkungsquerschnittes hat einen direkten Bezug zu experimentellmeßbaren Größen. Wir wollen im folgenden den differenziellen Wirkungsquerschnittnun auch mit der Theorie in Verbindung setzen. Wie wir bereits diskutiert haben, wir die Bahn45


eines Teilchens (und somit auch der Streuwinkel) durch die Energie E und den Stoßparameter bbestimmt. Halten wir die Energie fest, so ist der Streuwinkel ϑ eine Funktion des Stoßparametersb. Wir wollen nun der Einfachheit annehmen, daß diese Funktion umkehrbar ist. Die Anzahl derTeilchen, die man im Zeitintervall ∆t zwischen den Winkeln ϑ und ϑ+dϑ mißt, ist gleichdN= I ∆t( dσdϑ)dϑAndererseits ist diese Anzahl gleich der Anzahl der Teilchen, die durch den Ring zwischen b(ϑ)und b(ϑ+dϑ) im Zeitintervall ∆t treten:dN= I ∆t · 2π b(ϑ) db.Somit erhalten wir( ) dσdϑdϑ= 2π b(ϑ) db,bzw.dσdϑ= 2π b(ϑ) ∣ ∣∣∣ db(ϑ)dϑ∣ .Wir haben wir den Betrag hinzugefügt, da im allgemeinen die Funktion b(ϑ) mit wachsendem ϑfallen wird: Ein größerer Streuwinkel entspricht einem kleineren Stoßparameter.Bemerkung: Wir hatten zur Vereinfachung angenommen, daß die Funktion ϑ(b) umkehrbar ist.Es gibt Potential, für die diese Annahme nicht zutrifft. Ein Beispiel wäre das attraktive 1/r 2 -Potential. Hier können Teilchen mit unterschiedlichen Stoßparametern in den gleichen Winkelgestreut werden. Die Bahnen dieser Teilchen unterscheiden sich dadurch, daß das Teilchen dasKraftzentrum gar nicht, einmal oder mehrmals umkreist. In einem solchen Falle kehrt man dieFunktion ϑ(b) auf einem Intervall, auf dem sie monoton ist um und summiert dann über all Intervalle.Es ist oftmals einfacher, den Wirkungsquerschnitt zunächst im Schwerpunktssystem zu berechnen.Ist dσ/dϑ ∗ bekannt, so erhält man den Wirkungsquerschnitt im Laborsystem aus der Beziehungzutanϑ =sinϑ ∗m 1m 2+ cosϑ ∗⎛dσdϑ = dσ dϑ ∗dϑ ∗ dϑ = ⎜⎝ 1+ m 1m 2cosϑ ∗1+2 m 1m 2cosϑ ∗ + m2 1m 2 2⎞⎟⎠ dσdϑ ∗.46


2ϕ maxRϑ ∗bAbbildung 4: Die Streuung an einer harten Kugel.2.9.1 Streuung an einer harten KugelAls ein erstes Beispiel betrachten wir die Streuung an einer ideal reflektierenden harten Kugel.Dies ist in Abbildung 4 dargestellt. Aus der Geometrie ergibt sichb( π − ϑ∗) = Rsinϕ max = Rsin = Rcos ϑ∗22 .Somit istdbdϑ ∗= − 1 ϑ∗Rsin2 2und der differenzielle Wirkungsquerschnitt im Schwerpunktssystem ergibt sich zudσdϑ ∗ = 2π b(ϑ ∗ )db(ϑ ∗ ∣) ∣∣∣∣ dϑ ∗ = πR 2 sin ϑ∗ ϑ∗cos2 2 = 1 2 πR2 sinϑ ∗ .Integriert man den differenziellen Wirkungsquerschnitt über all Winkel ϑ ∗ , so erhält man dentotalen Wirkungsquerschnitt σ:σ =Z π0dϑ ∗dσdϑ ∗ = 1 2 πR2Zπ0dϑ ∗ sinϑ ∗ = πR 2 .Der totale Wirkungsquerschnitt für die Streuung an einer ideal reflektierenden Kugel ist alsoidentisch mit der Stirnfläche der Kugel, die das einlaufende Teilchen sieht.47


2.9.2 Rutherford-StreuungWir betrachten nun die Streuung eines elektrisch geladenen Teilchens an einem ebenfalls elektrischgeladenem zweiten Teilchen. Bezeichnen wir mit Q 1 und Q 2 die Ladungen der beidenTeilchen, so wird die Wechselwirkung zwischen den Teilchen durch die Coulomb-Kraft⃗F i j = −κQ i Q j⃗x j −⃗x i∣ ⃗x j −⃗x i∣ ∣3beschrieben. κ ist hierbei eine Konstante, die von der Wahl des Maßeinheitssystems abhängigist. Im SI-System istκ =Im Gaußschen Maßsystem ist dagegen14πε 0, ε 0 = 14πc 2 · 10−7 .κ = 1.Die Coulomb-Kraft ist wieder eine Zentralkraft und wird durch ein Potential beschriebenDas effektive Potential lautet somitV(r) = κQ iQ j.rV eff (r) = κQ iQ jr+ l22µr 2 = κQ iQ j+ Eb2r r 2 .Der minimale Abstand r min ergibt sich aus der Gleichung V eff (r min ) = E zu⎛ √ ⎞r min = 1 ⎝ κQ (κQi )iQ j Q 2j+ + 4b2 E E2 ⎠ = 1 ( )a+√a22 + 4b 2 .Hier haben wir zur Abkürzung a = κQ i Q j /E gesetzt. Wir erhalten nun den Streuwinkel imSchwerpunktssystem zuϑ ∗= π − 2ϕ max = π − 2b= π − 2bZ ∞r minZ ∞r mindrr √ r 2 − ar − b 2drr 2√ 1 −V eff (r)/ENun istZdrr √ r 2 − ar − b 2= 1 barcsin−ar − 2b2r √ a 2 + 4b 2,48


und somitϑ ∗= π − 2arcsin−a√a 2 + 4b + 2arcsin −ar min − 2b 2√ 2 r min a 2 + 4b 2.Nun ist das Argument der zweiten Arkussinusfunktion geradesowie arcsin(−1) = −π/2 und somit−ar min − 2b 2r min√a 2 + 4b 2 = −1,ϑ ∗= −2arcsin−a√a 2 + 4b 2.Wir lösen nun nach b auf und erhaltenb(ϑ ∗ ) =a2tan ϑ∗2Somit ergibt sich der differenzielle Wirkungsquerschnitt zudσdϑ ∗ = 2π b(ϑ ∗ )∣.db(ϑ ∗ ∣) ∣∣∣dϑ ∗ = 1 4ϑ∗cos2πa2sin 3 .ϑ∗2Gibt man den Wirkungsquerschnitt pro Raumwinkelelement im Schwerpunktssystem an dΩ ∗ =2πsinϑ ∗ dϑ ∗ und benutzt man sinϑ ∗ = 2sin(ϑ ∗ /2)cos(ϑ ∗ /2), so lautet das ResultatdσdΩ ∗ =Dies ist die Formel von Rutherford.a 216sin 4 ϑ∗2= κ2 Q 2 i Q2 j16E 2 sin 4 .ϑ∗2Bemerkungen: Der Wirkungsquerschnitt hängt nicht von den Vorzeichen der Ladungen ab, dadie Ladungen im Quadrat eingehen.Würde man über alle Streuwinkel integrieren, um den totalen Wirkungsquerschnitt zu berechnen,so wird man auf ein divergentes Integral geführt. Der totale Wirkungsquerschnitt wäre alsounendlich groß. Der unendliche Beutrag kommt von der Region kleiner Streuwinkel ϑ ∗ = 0.Die Divergenz des totalen Wirkungsquerschnittes ist auf die langreichweitige Kraft eines 1/r-Potentials zurückzuführen. Kleine Streuwinkel entsprechen großen Stoßparametern. Im totalenWirkungsquerschnitt zählt man auch Teilchen, die mit sehr großen Stoßparametern fast nicht abgelengtwerden. In einem physikalischen Experiment wird aber immer der Stoßparameter nachoben beschränkt sein, z.B. durch die Abmessungen des Strahlrohres. Dies impliziert eine untereGrenze ϑ ∗ min für den Streuwinkel. Integriert man dσ/dϑ∗ von ϑ ∗ minbis π, so erhält man einendliches Ergebnis.49


2.10 Rotierende BezugssystemeWir haben uns bisher ausschließlich mit Inertialsystemen beschäftigt. In diesen Systemen giltdas erste Newtonsche Gesetz: Ein Teilchen, auf das keine Kraft wirkt, bewegt sich mit konstanterGeschwindigkeit entlang einer geraden Linie. Man kommt von einem Inertialsystem zu einemanderen Inertialsystem durch eine Galilei-Transformation.Wir wollen nun noch eine Klasse von Bezugssystemen diskutieren, die keine Inertialsystemesind. Dies sind die rotierenden Bezugssysteme. Betrachtet man die Erdrotation, so ist einsichtig,daß die rotierenden Bezugssysteme in der Anwendung durchaus ihre Berechtigung haben.Allgemein treten in nicht-Inertialsystemen Scheinkräfte auf. Im Falle eines rotierenden Bezugssystemssind dies die Corioliskraft und die Zentrifugalkraft. Diese Scheinkräfte wollen wir nunherleiten.Sei S ein Inertialsystem und S ′ ein weiteres Koordinatensystem, welches mit der Winkelgeschwindigkeitω = |⃗ω| um die Achse in Richtung von⃗ω rotiert. S ′ ist kein Inertialsystem.Betrachten wir zunächst den Fall, daß ⃗ω in Richtung der z-Achse zeigt, d.h.⃗ω =Dann gilt für die Umrechnung der Koordinatenx ′y ′⎛⎝00ω⎞⎠.= xcos(ωt − ψ)+ysin(ωt − ψ),= −xsin(ωt − ψ)+ycos(ωt − ψ),z ′ = z.ψ is hierbei ein konstanter Winkel, der angibt wie die x-y-Ebenen der Koordinatensysteme zumZeitpunkt t = 0 zueinander orientiert sind.Im allgemeineren Fall zeigt⃗ω in eine beliebige Richtung. Diese können wir durch zwei Winkelangeben:⃗ω⎛= |⃗ω| ⎝sinϑcosϕsinϑsinϕcosϑMan erhält die Koordinatentransformation, indem man zunächst vom System S ausgehend um diez-Achse mit dem Winkel ϕ in ein temporäres System S ′′ mit den Achsen x ′′ , y ′′ und z ′′ = z rotiert.Anschließend rotiert man um die y ′′ -Achse mit dem Winkel (−ϑ) in ein Koordinatensystem S ′′′mit den Achsen x ′′′ , y ′′′ = y ′′ und z ′′′ . Abschließend rotiert man mit dem Winkel ωt − ψ um diez ′′′ -Achse. In Formeln ausgedrückt hat man⎛⎝⎞⎠.x ′y ′z ′ ⎞⎠ = A z (ωt − ψ) B y (−ϑ) C z (ϕ)⎛⎝xyz⎞⎠,50


wobei die Rotationsmatrizen A z (ωt − ψ), B y (−ϑ) und C z (ϕ) gegeben sind durch⎛cos(ωt − ψ)⎞sin(ωt − ψ) 0A z (ωt − ψ) = ⎝ −sin(ωt − ψ) cos(ωt − ψ) 0 ⎠,0 0 1⎛⎞cosϑ 0 −sinϑB y (−ϑ) = ⎝ 0 1 0 ⎠,sinϑ 0 cosϑ⎛⎞cosϕ sinϕ 0C z (ϕ) = ⎝ −sinϕ cosϕ 0 ⎠.0 0 1Man überprüft leicht, daß nun im System S ′ der Vektor der Winkelgeschwindigkeit⃗ω ′ =⎛0⎝ 0ω⎞⎠lautet. Die Tatsache, daß sich jedes rotierte Koordinatensystem durch die Hintereinanderausführungvon drei einfachen Drehungen in jeweils einer Ebene erzeugen läßt, war schon Eulerbekannt. Üblicherweise wählt man die erste Drehung in der x-y-Ebene, die zweite Drehung inder neuen y-z-Ebene und die dritte Ebene in der aus dem vorherigen Schritt erhaltenen x-y-Ebene.In Formeln:⃗x ′= A z (α) B x (β) C z (γ) ⃗x,wobei⎛A z (α) = ⎝cosα sinα 0−sinα cosα 00 0 1⎞⎛⎠,B x (β) = ⎝1 0 00 cosβ sinβ0 −sinβ cosβDie drei Winkel α, β und γ nennt man die Euler-Winkel.⎞⎛⎠,C z (γ) = ⎝cosγ sinγ 0−sinγ cosγ 00 0 1Bemerkung: Es gibt insgesamt 12 Möglichkeiten, wie die drei Winkel, die die Rotationsmatrixbestimmen, gewählt werden können. Sechs Möglichkeiten sind von der Form A z B x C z , wobeidie erste und die dritte Drehung jeweils vom gleichen Typ ist. Diese Möglichkeiten sind:A z B x C z , A z B y C z , A y B x C y , A y B z C y , A x B y C x , A x B z C x .Bei den anderen sechs Möglichkeiten sind alle Drehungen von unterschiedlichen Typ. Hier habenwirA x B y C z , A x B z C y , A y B x C z , A y B z C x , A z B x C y , A z B y C x .⎞⎠.51


Zwei aufeinanderfolgende Drehungen können nie vom gleichen Typ sein, da sie sonst zu einerDrehung mit einem Drehwinkel der der Summe der einzelnen Drehwinkel entspricht zusammengefasstwerden können. Im obigen Beispiel haben wir die Drehachsen so gewählt, daß ausgehendvom Vektor⃗ω der transformierte Vektor⃗ω ′ im System S ′ entlang der z ′ -Achse liegt. Für dieTransformation vom System S in das System S ′ und zurück gilt also⃗x ′ (t) = A z (ωt − ψ) B y (−ϑ) C z (ϕ) ⃗x(t),⃗x(t) = C z (−ϕ) B y (ϑ) A z (−ωt + ψ) ⃗x ′ (t).Betrachten wir nun ¨⃗x(t) und drücken dies durch die Koordinaten im System S ′ aus, so finden wir[¨⃗x(t) = C z (−ϕ) B y (ϑ) A z (−ωt + ψ) ¨⃗x ′ (t)+2Ȧ z (−ωt + ψ) ˙⃗x]′(t)+Ä z (−ωt + ψ) ⃗x ′ (t) .Nun istȦ z (−ωt + ψ) =⎛⎞ ⎛= d cos(ωt − ψ) −sin(ωt − ψ) 0⎝ sin(ωt − ψ) cos(ωt − ψ) 0 ⎠ = ω⎝dt0 0 1⎛⎞⎛cos(ωt − ψ) −sin(ωt − ψ) 0= ⎝ sin(ωt − ψ) cos(ωt − ψ) 0 ⎠⎝0 0 10 −ω 0ω 0 00 0 0−sin(ωt − ψ) −cos(ωt − ψ) 0cos(ωt − ψ) −sin(ωt − ψ) 00 0 0⎞⎠⎞⎠undSomit ergibt sich⎛⎝0 −ω 0ω 0 00 0 0⎞⎛⎠⎝ẋẏż⎞⎠ =⎛⎝00ω⎞⎛⎠ × ⎝ẋẏż⎞⎠.Ȧ z (−ωt + ψ) ˙⃗x ′ (t) = A z (−ωt + ψ) ⃗ω ′ × ˙⃗x ′ (t).Ebenso ergibt sichInsgesamt erhalten wir alsoÄ z (−ωt + ψ) ⃗x ′ (t) = A z (−ωt + ψ) ⃗ω ′ × [ ⃗ω ′ ×⃗x ′ (t) ] .¨⃗x(t) = C z (−ϕ) B y (ϑ)A z (−ωt + ψ)[¨⃗x′(t)+2⃗ω ′ × ˙⃗x ′ (t)+⃗ω ′ × ( ⃗ω ′ ×⃗x ′ (t) )] .Das System S haben wir als ein Inertialsystem vorausgesetzt. In diesem System gilt also daszweite Newtonsche Gesetz:m¨⃗x(t) = ⃗F.52


Setzen wir nun für ¨⃗x(t) ein und bringen die Drehmatrizen auf die andere Seite, so erhalten wirm¨⃗x ′ (t)+2m⃗ω ′ × ˙⃗x ′ (t)+m⃗ω ′ × ( ⃗ω ′ ×⃗x ′ (t) ) = A z (ωt − ψ) B y (−ϑ) C z (ϕ) ⃗F.Der Ausdruck auf der rechten Seite ist nichts anderes als die Kraft transformiert in das SystemS ′ :⃗F ′= A z (ωt − ψ) B y (−ϑ) C z (ϕ) ⃗F.Löst man nun nach m¨⃗x ′ (t) auf, so erhält manm¨⃗x ′ (t) = ⃗F ′ − 2m⃗ω ′ × ˙⃗x ′ (t) − m⃗ω ′ × ( ⃗ω ′ ×⃗x ′ (t) ) .Wir sehen, daß wir auf der rechten Seite neben dem erwarteten Term ⃗F ′ zwei Zusatzterme bekommenhaben. Diese haben ihren Ursprung darin, daß das System S ′ gegenüber dem SystemS beschleunigt wird. Sie werden als Scheinkräfte bezeichnet. Den geschwindigkeitsabhängigenTerm⃗F Coriolis= −2m⃗ω ′ × ˙⃗x ′ (t)bezeichnet man als Corioliskraft, den zweiten Term⃗F Zentrifugal = −m⃗ω ′ × ( ⃗ω ′ ×⃗x ′ (t) )bezeichnet man als Zentrifugalkraft.53


3 Spezielle RelativitätstheorieWir rufen uns nochmal die Definition eines Inertialsystems in Erinnerung: Dies ist ein Bezugssystem,in dem sich ein Körper, auf dem keine Kraft wirkt, mit konstanter Geschwindigkeit entlanggerader Linien bewegt.Wir hatten in der klassischen Mechanik das Galileische Relativitätsprinzip kennengelernt: Naturgesetzegelten in jedem Inertialsystem in gleicher Form.Wir hatten außerdem gelernt, daß in der Newtonschen Mechanik ein Intertialsystem aus einemanderen Inertialsystem durch eine Galileitransformation hervorgeht. Dies waren Raum- und Zeittranslationen,Rotationen des Raumes, Zeitumkehr, Raumspiegelung und Transformationen, indenen sich ein Inertialsystem gegenüber dem anderen mit konstanter Geschwindigkeit bewegt.Betrachten wir die letzteren etwas genauer: Bewegt sich das System S ′ gegenüber dem SystemS mit konstanter Geschwindigkeit⃗v 0 , so transformieren sich die Zeit- und Ortskoordinaten wiefolgtt ′ = t,⃗x ′ = ⃗x −⃗v 0 t.Betrachten wir ein Teilchen, daß sich im System S ′ mit Geschwindigkeit⃗v ′ 1bewegt. Im SystemS gilt dann⃗v 1 = ⃗v ′ 1 +⃗v 0,d.h. die Geschwindigkeiten addieren sich. Diese Beziehung kann man nun experimentell überprüfen.Man findet, daß diese Beziehung für kleine Geschwindigkeiten in der Tat experimentellverifiziert wird. Betrachtet man hingegen Geschwindigkeiten in der Größenordnung der Lichtgeschwindigkeit,so stellt man fest, daß diese Beziehung modifiziert werden muss. Insbesonderefindet man, daß die Lichtgeschwindigkeit in allen Inertialsystemen den Wertc= 2.99792458 · 10 8 m/shat. Damit kann eine einfache Addition der Geschwindigkeiten natürlich nicht richtig sein.Darüberhinaus findet man, daß in jedem Inertialsystem die maximale Signalausbreitungsgeschwindigkeitgleich der Lichtgeschwindigkeit ist. Auch dies steht im Widerspruch zur NewtonschenMechanik. In der Newtonschen Mechanik geht man davon aus, daß eine Änderung derPosition eines Teilchens am Orte ⃗x 1 das Kraftfeld am Orte ⃗x 2 instantan beeinflußt. Auch dieseAussage muß modifiziert werden. Man stellt fest, daß eine Beeinflußung frühestens nach einerZeitauftritt.∆t = |⃗x 2 −⃗x 1 |c54


3.1 PostulateDie spezielle Relativitätstheorie von A. Einstein (1905) basiert auf den folgenden zwei Postulaten:1. Die Gesetze der Mechanik sind in allen Inertialsystemen gleich.2. Die Signalgeschwindigkeit ist gleich der Lichtgeschwindigkeit. Diese Geschwindigkeit istendlich und hat in jedem Inertialsystem den gleichen Wert c.Bemerkung: Wir erhalten die klassische Mechanik durch den Grenzfall c → ∞. In der NewtonschenMechanik ist die Signalausbreitung instantan, also c = ∞. Außerdem werden wir späterfeststellen, daß sich im Grenzfall v 1 ,v 2 ≪ c die Formel der speziellen Relativitätstheorie für dieAddition zweier Geschwindigkeiten auf die einfache Addition der Newtonschen Mechanik reduziert.Wir bemerken gleich zu Beginn, daß eine endliche Signalausbreitungsgeschwindigkeit wichtigeKonsequenzen für das Konzept der Zeit hat: In der Newtonschen Mechanik unterscheidet sichdie Zeitkoordinate in verschiedenen Inertialsystemen höchstens durch eine Zeittranslation undder Zeitumkehrtransformation. In allen Fällen gilt aber im Rahmen der Newtonschen Mechanik:Finden in einem Inertialsystem S zwei Ereignisse an den Orten⃗x 1 und⃗x 2 gleichzeitig zu der Zeitt = t 1 = t 2 statt, so finden diese Ereignisse auch in allen anderen Initialsystemen, die aus S durcheine Galileitransformation hervorgehen, zu einer gleichen Zeit statt. Diese Aussage gilt in derspeziellen Relativitätstheorie nicht mehr, wie die folgende Überlegung zeigt: Wir betrachten zweiInertialsysteme S und S ′ , wobei sich S ′ gegebüber S mit konstanter Geschwindigkeit v entlang derx-Achse bewegt. Zum Zeitpunkt t = 0 sollen die beiden Koordinatensysteme zusammenfallen.Wir betrachten nun im System S ′ zwei Raumpunkte, die vom Urpsrung gleichweit entfernt sind,wobei der erste Raumpunkt A auf der positiven x-Achse mit den Koordinaten⃗x ′ 1= (l,0,0) liegt,während der zweite Raumpunkt B auf der negativen x-Achse mit den Koordinaten⃗x ′ 2 = (−l,0,0)liegt. Senden wir zu der Zeit t ′ = 0 ein Lichtsignal vom Ursprung in alle Richtungen aus, soerreicht dieses Signal im System S ′ die Punkte A und B gleichzeitig. Im System S dagegen wirddas Lichtsignal den Punkt B früher erreichen als den Punkt A. Wir sehen also, daß der Begriff derGleichzeitigkeit in der speziellen Relativitätstheorie abhängig vom gewählten Bezugssystem ist.3.2 Abstand, Metrik und VierervektorenIn der speziellen Relativitätstheorie ist ein Ereignis durch den Ort an dem es stattfindet unddurch den Zeitpunkt an dem es geschieht charakterisiert. Wir können also ein Ereignis durch dieAngabe von drei Ortskoordinaten und einer Zeitkoordinate in einem vier-dimensionalen Raumbeschreiben.Wir betrachten wieder zwei Inertialsysteme S und S ′ , die sich möglicherweise gegeneinandermit konstanter Geschwindigkeit bewegen. Wir betrachten zunächst im System S ein erstes Ereignis,das darin besteht daß vom Punkt (x 1 ,y 1 ,z 1 ) zur Zeit t 1 ein Lichtsignal ausgesandt wird.55


Dieses Signal trifft zur Zeit t 2 am Punkt (x 2 ,y 2 ,z 2 ) ein (Ereignis 2). Da sich das Signal mitGeschwindigkeit c ausbreitet, hat es die Entfernungc(t 2 −t 1 )zurückgelegt. Anderseits ist die Entfernung natürlich√(x 1 − x 2 ) 2 +(y 1 − y 2 ) 2 +(z 1 − z 2 ) 2 .Daher gilt:c 2 (t 2 −t 1 ) 2 −(x 1 − x 2 ) 2 −(y 1 − y 2 ) 2 −(z 1 − z 2 ) 2 = 0.In S ′ seien die Koordinaten des ersten Ereignisses x ′ 1 ,y′ 1 ,z′ 1 ,t′ 1 und die des zweiten Ereignissesx ′ 2 ,y′ 2 ,z′ 2 ,t′ 2. Wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit gilt auch in diesem Systemc 2 (t ′ 2 −t ′ 1) 2 −(x ′ 1 − x ′ 2) 2 −(y ′ 1 − y ′ 2) 2 −(z ′ 1 − z ′ 2) 2 = 0.Diese Gleichungen motivieren die folgende Definition: Sind x 1 ,y 1 ,z 1 ,t 1 und x 2 ,y 2 ,z 2 ,t 2 die Koordinatenvon zwei beliebigen Ereignissen, so heißt die Größes 2 12 = c 2 (t 2 −t 1 ) 2 −(x 1 − x 2 ) 2 −(y 1 − y 2 ) 2 −(z 1 − z 2 ) 2das Abstandsquadrat zwischen diesen beiden Ereignissen.Bemerkung: Wie man unmittelbar sieht, kann nach dieser Definition das Abstandaquadrat positiv,negativ oder Null sein. Das Abstandsquadrat ist Null, fall die beiden Ereignisse durch einenLichtstrahl verbunden werden können.Wir verwenden die folgenden Sprechweisen:s 2 12 > 0s 2 12 < 0s 2 12 = 0zeitartiger Abstand;raumartiger Abstand;lichtartiger Abstand;Aus den obigen Überlegungen bezüglich der Invarianz der Lichtgeschwindigkeit in den SystemenS und S ′ folgt: Verschwindet das Abstandsquadrat zwischen zwei Ereignissen in einemBezugssystem, so auch in allen anderen.Es gilt sogar die folgende allgemeinere Behauptung: Das Abstandsquadrat zwischen zwei Ereignissenist in allen Bezugssytemen gleich.Beweis: Wir unterteilen das enliche Intervall zwischen der Ereignissen 1 und 2 in unendlich vieleinfinitessimale Intervalle und zeigen zunächst, daß das infinitessimale Abstandsquadrat in allenInertialsystemen gleich ist. Sind zwei Ereignisse infinitessimal benachbart, so ist das Abstandsquadratds 2 = c 2 dt 2 − dx 2 − dy 2 − dz 2 .56


Gilt ds = 0 in einem Inertialsystem, so verschwindet ds ′ in einem anderen System ebenfalls. dsund ds ′ sind infinitessimale Größen gleicher Ordnung. Aus diesen beiden Umständen folgt, daßsie zueinander proportional sein müssen:ds 2 = a ds ′2Die Proportionalitätskonstante a kann nicht von den Raum- und Zeitkoordinaten abhängen, dadies der Homogenität von Raum und Zeit widersprechen würde. a kann auch nicht von der Richtungder Relativgeschwindigkeit anhängen, da dies im Widerspruch zur Isotropie des Raumesstehen würde. Daher kann a nur vom Betrag der Relativgeschwindigkeit der beiden Inertialsystemeabhängen. Betrache die Bezugsysteme S, S 1 und S 2 . Sei ⃗v 1 die Geschwindigkeit von S 1relativ zu S, ⃗v 2 die Geschwindigkeit von S 2 relativ zu S und ⃗v 12 die Geschwindigkeit von S 2relativ zu S 1 . Dann giltund daherds 2 = a(v 1 )ds 2 1 , ds2 = a(v 2 )ds 2 2 , ds2 1 = a(v 12)ds 2 2 ,a(v 2 )a(v 1 )= a(v 12 ).Nun hängt v 12 auch vom Winkel zwischen ⃗v 1 und ⃗v 2 ab, die linke Seite dagegen nicht. Dahermuß a(v) gleich einer Konstanten sein, die wie aus derselben Gleichung folgt, gleich 1 sein muß.Daherds 2 = ds ′2 ,und aus der Gleichheit infinitesimaler Abstände folgt auch die endlicher Abstände:s 2 = s ′ 2 .Wir bemerken noch, daß zwei Ereignisse nur dann kausal miteinander verbunden sein können,falls der Abstand zwischen ihnen ≥ 0 ist. Dies folgt unmittelbar daraus, daß sich keine Wirkungmit einer Geschwindigkeit ausbreiten kann, die größer als die des Lichtes ist. Man kann diesauch graphisch darstellen. Hierbei verwendet man der Einfachheit halber oft nur 1 + 1-Raum-Zeit-Dimensionen. Die Zeit (multipliziert mit der Lichtgeschwindigkeit) wird nach oben aufgetragen,der Ort nach rechts. Dies ist in Abbildung 5 gezeigt. Ein Teilchen das ruht, wird durcheine senkrechte Gerade x = const beschrieben. Im Allgemeinen wird in diesem Diagramm einTeilchen durch eine Weltlinie beschrieben. Die Weltlinie eines Teilchens gibt zu jeder Zeit denOrt des Teilchens an. Da sich ein Teilchen höchsten mit Lichtgeschwindigkeit bewegen kann,folgt für die graphische Darstellung einer Weltlinie, daß der Betrage der Steigung einer Weltlinienie kleiner als 1 ist.Wir betrachten noch alle Punkte, die vom Ursprung einen lichtartigen Abstand haben. In 1+1-Raum-Zeit-Dimensionen sind dies alle Punkte, die auf den beiden gezeigten Diagonalen in Abbildung5 liegen. In 2+1-Raum-Zeit-Dimensionen sind dies alle Punkte, die auf einem Kegelmantelliegen. In 3+1-Raum-Zeit-Dimensionen sind dies alle Punkte, für diec 2 t 2 − x 2 − y 2 − z 2 = 057


zeitartigctlichtartigraumartigxAbbildung 5: Darstellung zeitartiger, raumartiger und lichtartiger Abstände in 1+1 Raum-Zeit-Dimensionen. Die gestrichelte Kurve zeigt die Weltlinie eines Teilchens.gilt. In Anlehnung an die Situation in 2 + 1-Dimensionen spricht man von der Menge dieserPunkte als die Menge der Punkte die auf dem Lichtkegel liegen. Giltc 2 t 2 − x 2 − y 2 − z 2 > 0,so sagt man, daß dieser Punkt im Lichtkegel liegt. Ist darüberhinaus t > 0, so spricht man vomVorwärtslichtkegel, ist dagegen t < 0, so spricht man vom Rückwärtslichtkegel. Es ist nun unmittelbareinsichtig, daß ein Ereigniss im Ursprung nur die Raum-Zeit-Punkte beeinflussen kann,welche im oder auf dem Vorwärtslichtkegel liegen.Es ist naheliegend, ein Ereigniss, welches durch die Angabe einer Zeitkoordinate und durchdrei Raumkoordinaten beschrieben wird, als einen Punkt in einem vier-dimensionalen Raum zubetrachten. Diesen Raum bezeichnet man als die Raumzeit. Man faßt die Koordinaten(ct,x,y,z)eines Ereignisses zu einem Vektor zusammen, der als Vierervektor bezeichnet wird. Es ist üblichdie Zeitkoordinate mit der Lichtgeschwindigkeit zu multiplizieren, so daß alle Einträge diegleiche Dimension bezüglich der Einheiten haben.Die Komponenten eines Vierervektors werden von 0 bis 3 durchnummeriert und mit oberen Indizesgeschrieben:x 0 = ct, x 1 = x, x 2 = y, x 3 = z.Man verwendet griechische Indices µ,ν,..., die die Werte 0,1,2,3 annehmen, um die Komponenteneines Vierervektors zu bezeichnen:x µ = (x 0 ,x 1 ,x 2 ,x 3 )= (x 0 ,⃗x).Lateinische Indizes i, j,... werden verwendet, um die Komponenten eines räumlichen Dreiervektorszu bezeichnen. Sie nehmen die Werte 1,2,3 an.Das Abstandsquadrat zweier Ereignisse x a und x b ist:s 2 ab = (x 0 a − x 0 b )2 −(x 1 a − x 1 b )2 −(x 2 a − x 2 b )2 −(x 3 a − x 3 b )2 .58


Wir definieren den metrischen Tensor g µν durch⎛g µν =⎜⎝Das Abstandsquadrat läßt sich dann schreiben als:1 0 0 00 −1 0 00 0 −1 00 0 0 −1⎞⎟⎠ .s 2 ab =3 3∑ ∑µ=0 ν=0g µν(xµa − x µ b)(xνa − x ν b ).Einsteinsche Summenkonvention: Solche Summen werden üblicherweise unter Fortlassungdes Summenzeichens geschrieben. Allgemein soll die Regel gelten, daß über Indizes, die paarweiseauftreten, summiert wird, das Summationszeichen aber nicht aufgeschrieben wird. Dabeimuß in jedem Paar der eine Index oben stehen, der andere unten stehen.Also:s 2 ab = g µν (x a − x b ) µ (x a − x b ) ν .Wir nennen einen Vierervektor x µ mit einem oberen Index einen kontravarianten Vektor, einVierervektor x µ mit einem unteren Index wird kovarianter Vektor genannt. Der Zusammenhangzwischen ko- und kontra-varianten Vektoren ist durchx µ= g µν x νgegeben. Damit hat mankontravariant : x µ = ( x 0 ,x 1 ,x 2 ,x 3) ,kovariant : x µ = (x 0 ,x 1 ,x 2 ,x 3 ) = ( x 0 ,−x 1 ,−x 2 ,−x 3) .Somit läßt sich das Abstandsquadrat auch schreiben alss 2 ab = (x a − x b ) µ (x a − x b ) µ = (x a − x b ) µ (x a − x b ) µ .Bemerkung: Die durch die quadratische Form g µν = diag(1,−1,−1,−1) definierte Geometrieist keine euklidische Geometrie. Man nennt sie pseudoeuklidische Geometrie. Der spezielle Falleines vierdimensionalen Raumes mit der Metrik diag(1,−1,−1,−1) wird auch als Minkowski-Raum bezeichnet.3.3 Die LorentztransformationGesucht: Formel, die es uns gestattet, aus den Koordinaten x,y,z,t eines Ereignisses in einem BezugssystemS die Koordinaten x ′ ,y ′ ,z ′ ,t ′ desselben Ereignisses in einem anderen InertialsystemS ′ zu berechnen.59


Insbesondere suchen wir die in der speziellen Relativitätstheorie korrekte Transformationsformelfür den Fall, daß sich das System S ′ mit konstanter Geschwindigkeit gegenüber dem SystemS bewegt. Nehmen wir an, daß sich das System S ′ mit der Geschwindigkeit v entlang derx-Achse gegenüber dem System S bewegt. Wir rufen nochmals in Erinnerung, daß die Galilei-Transformationx ′ = x − vt, y ′ = y, z ′ = z, t ′ = tzum Widerspruch führt, da in diesem Fall sich die Geschwindigkeiten addieren würden.Um die korrekte Transformation zu finden, nutzen wir aus, daß das Abstandsquadrat vom Bezugssystemunabhängig ist:s 2 ab = g µν (x a − x b ) µ (x a − x b ) ν .Die gesuchten Koordinatentransformationen müssen also dieses Abstandsquadrat invariant lassen.Man sieht sofort, daß die Operationen der Zeitranslation, der Ortstranslation, der Zeitumkehrsowie der Raumspiegelung das Abstandsquadrat invariant lassen. Diese Operationen ändern sichbeim Übergang von der Newtonschen Mechanik zu der speziellen Relativitätstheorie nicht. Dasgleiche gilt auch für Drehungen der Ortskoordinaten. Betrachten wir den Fall, daß das System S ′gegenüber dem System S in den Ortskoordinaten um den Winkel ϕ um die z-Achse gedreht ist,so lautet die Transformationx ′y ′= xcosϕ+ysinϕ,= −xsinϕ+ycosϕ,z ′ = z,t ′ = t.Betrachten wir das Abstandsquadrat des Punktes (ct,x,y,z) vom Ursprung, so läß diese Transformationdas Abstandsquadratc 2 t 2 − x 2 − y 2 − z 2invariant, dax ′ 2 + y′2= x 2( cos 2 ϕ+sin 2 ϕ ) + y 2( cos 2 ϕ+sin 2 ϕ ) = x 2 + y 2 .Hier haben wir eine Drehung in der x-y-Ebene betrachtet. Gleiches gilt für die beiden anderenunabhängigen Drehungen in der x-z-Ebene bzw. in der y-z-Ebene.In der vier-dimensionalen Raumzeit suchen wir nun zunächst ein Analogon dieser Drehungenin der t-x-Ebene. Diese Transformation soll die y- und die z-Koordinaten invariant lassen. Gesuchtist also eine Transformation der Koordinaten t und x, welchec 2 t 2 − x 260


invariant läßt. Aufgrund der pseudo-euklidischen Metrik mit negativen Vorzeichen erhalten wirhier hyperbolische trigometrische Funktionen:ct ′x ′= ct coshφ − xsinhφ,= −ct sinhφ+xcoshφ.Man überzeugt sich leicht, daß diese Transformation tatsächlich die gewünschte Eigenschaft hat:c 2 t ′ 2 − x′2= c 2 t 2( cosh 2 φ − sinh 2 φ ) − x 2 ( cosh 2 φ − sinh 2 φ ) = c 2 t 2 − x 2 .Man schreibt diese Transformation in Viererschreibweise auch alsx ′ µ = Λµν x ν ,mitΛ µ ν =⎛⎜⎝coshφ −sinhφ 0 0−sinhφ coshφ 0 00 0 1 00 0 0 1⎞⎟⎠ .Analog gibt es zwei weitere Transformation in der t-y-Ebene und in der t-z-Ebene.Bestimmung von φ: Betrachte hierzu den Koordinatenursprung des Systems S ′ im System S:und daherSomitIm Grenzfall v ≪ c giltsinhφ =0 = −ct sinhφ+xcoshφ.tanhφ = x ct = v c .vc√1 − v2c 2 , coshφ =1√ .1 − v2c 2sinhφ = v (c +O v3)( v2)c 3 , coshφ = 1+Oc 2 ,und somit erhält man in diesem Grenzfall die Galilei-Transformation zurück:( ) 1t ′ = t +Oc 2 ,( ) 1x ′ = x − vt +Oc 2 .61


Übliche Abkürzungen:β = v c , γ = 1√ .1 − v2c 2Damit lassen sich die Koordinatentransformation und die Rücktransformation wie folgt ausdrücken:ct ′ = γct − βγx, ct = γct ′ + βγx ′ ,x ′ = −βγct + γx, x = βγct ′ + γx ′ .Die obige Koordinatentransformation in der t-x-Ebene bezeichnet man als einen Lorentz-Boost.Darüberhinaus gibt es die entsprechenden Transformationen für die t-y-Ebene und die t-z-Ebene.3.4 Die Lorentz- und die Poincaré-GruppeIn der Newtonschen Mechanik hatten wir die Galilei-Gruppe als die Gruppe der Koordinatentransformationenbetrachtet, die die Gesetze der Newonschen Mechanik invairant lassen. Wirübertragen dies nun auf die spezielle Relativitätstheorie. Die entsprechende Gruppe in der speziellenRelativitätstheorie bezeichnet man als die Poincaré-Gruppe. Im wesentlichen müssen wirhierbei die Galilei-Transformation zwischen zwei zueinander bewegten Bezugssystemen durcheinen Lorentz-Boost ersetzen. Wir haben bereits gesehen, daß sich ein Lorentz-Boost und eineDrehung einfach durch eine Matrizenmultiplikation schreiben lassen. Die Untergruppe derPoincaré-Gruppe, die sich durch Matrizenmultiplikation darstellen läß bezeichnet man als dieLorentz-Gruppe.Wir beginnen mit der Definition der Lorentzgruppe: Dies ist die Matrixgruppe von 4 × 4-Matrizen Λ µ ν, welche den metrischen Tensor g µν = diag(1,−1,−1,−1) invariant läßt:oder, etwas ausführlicher mit Indizes:Λ T gΛ = g,Λ µ σg µν Λ ν τ = g στ .Diese Definition hat die folgende Motivation: Die Matrix Λ µ ν definiert eine Koordinatentransformationx ′ µ = Λµν x ν .Für das Skalarprodukt zweier Vierervektoren giltx ′ · y ′ = x ′ µ gµν y ′ ν =(Λµσ x σ) g µν (Λ ν τ y τ ) = x σ( Λ µ σg µν Λ ν τ)y τ = x σ g στ y τ = x · y.62


Ein Element der Lorentz-Gruppe läßt also das Minkowski-Skalarprodukt zwischen zwei Vierervektoreninvariant. Diese Lorentz-Gruppe wird auch mit O(1,3) bezeichnet. Wie leicht zu sehenist, giltund daher(det Λ) 2 = 1,det Λ = ±1.Gilt zusätzlich det Λ = 1 bezeichnet man die Gruppe mit SO(1,3) und spricht von der eigentlichenLorentzgruppe.Eine weitere Unterscheidung ergibt sich dadurch, ob die Zeitrichtung erhalten bleibt oder umgekehrtwird. GiltΛ 0 0 ≥ 1,so ist die Zeitrichtung erhalten und man spricht von der orthochronen Lorentzgruppe. Gilt dagegenΛ 0 0 ≤ −1,so wird die Zeitrichtung umgekehrt.Bemerkung:∣ Λ00∣ ∣ ≥ 1folgt aus Λ µ σg µν Λ ν τ = g στ für σ = τ = 0:(Λ00) 2−3∑j=1(Λ j 0) 2= 1.Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Lorentzgruppe aus vier Komponenten besteht, jenachdemwelche Wertedet Λ und Λ 0 0annehmen. Hiervon ist die “eigentliche orthochrone Lorentzgruppe”, definiert durchΛ µ σg µν Λ ν τ = g στ , det Λ = 1, Λ 0 0 ≥ 1,am interessantesten. Die drei anderen Komponenten lassen sich durch ein Element der eigentlichenorthochronen Lorentzgruppe und den beiden diskreten Transformationen der Zeitumkehr⎛ ⎞−1 0 0 0Λ µ ν = ⎜ 0 1 0 0⎟⎝ 0 0 1 0 ⎠0 0 0 163


und der Raumspiegelungdarstellen.Λ µ ν =⎛⎜⎝1 0 0 00 −1 0 00 0 −1 00 0 0 −1⎞⎟⎠Die Poincaré-Gruppe: Die Poincaré-Gruppe besteht aus den Elementen der Lorentzgruppe undden Translationen. Die Koordinaten transformieren sich wie folgtx ′ µ = Λµν x ν + b µ .Die Poincaré-Gruppe wird durch zehn kontinuierliche Parameter (3 Lorentz-Boosts, 3 räumlicheDrehungen und 4 Translationen) und zwei diskrete Transformationen (Zeitumkehr und Raumspiegelung)beschrieben.3.5 Die LängenkontraktionWir betrachten zwei Inertialsysteme S und S ′ , wobei S ′ sich mit konstanter Geschwindigkeit vgegenüber S längs der x-Achse bewegt. Der Ursprung und die Orientierung der Achsen sei inbeiden Systemen S und S ′ gleich.Im System S ′ ruht ein Stab der Länge l ′ . Er liege entlang der x ′ -Achse, wobei sich derAnfangs- bzw. Endpunkt des Stabes bei x ′ = 0 bzw. x ′ = l ′ befindet.Die Koordinaten in S und S ′ gehen durch einen Lorentzboost auseinander hervor:wobeict ′ = γct − βγx, ct = γct ′ + βγx ′ ,x ′ = −βγct + γx, x = βγct ′ + γx ′ ,β = v c , γ = 1√1 − β 2 .Wir wollen nun die Stablänge im System S bestimmen. Hierzu betrachten wir die Position desAnfangs- und des Endpunktes des Stabes im System S zu ein und demselben Zeitpunkt t in S.Betrachten wir zunächst den Anfangspunkt des Stabes mit den Koordinaten t ′ und x ′ = 0 in S ′ .Dieser Punkt hat in S die Koordinatenx A = βγct ′ , ct = γct ′ .Somit ergibt sich für die Weltlinie des Anfangspunktes in S:x A (t) = βct = vt.64


Als nächstes betrachten wir den Endpunkt. In S ′ hat dieser die Koordinaten t ′ und x ′ = l ′ . In Sfindet manx B = βγct ′ + γl ′ , ct = γct ′ + βγl ′ .Für die Weltlinie des Endpunktes findet man daher im System Sx B (t) = β ( ct − βγl ′) + γl ′ = vt + γ ( 1 − β 2) l ′ = vt + l′γ .Somit hat der Stab im System S die Längel = x B (t) − x A (t) = l′γ = l′ √1 − v2c 2.Der Stab erscheint also im System S um den Faktor √ 1 − v 2 /c 2 verkürzt. Dies bezeichnet manals die Längenkontraktion.3.6 Die ZeitdilatationWir betrachten wieder zwei Inertialsysteme S und S ′ , wobei S ′ sich mit konstanter Geschwindigkeitv gegenüber S längs der x-Achse bewegt. Der Ursprung und die Orientierung der Achsensein in beiden Systemen S und S ′ gleich.Im System S befinden sich ruhend entlang der x-Achse eine Anzahl von Uhren, die miteinandersynchronisiert sind.Wir betrachten nun eine weitere Uhr, die im System S ′ im Ursprung ruht und daher sich imSystem S mit konstanter Geschwindigkeit entlang der x-Achse bewegt. Diese Uhr wird zum Zeitpunktt 0 = t0 ′ = 0 mit der Uhr die sich ruhend im Urpsrung des Systems S befindet synchronisiert.Betrachten wir zunächst die Uhr im System S. Da sie sich mit der Geschwindigkeit v bewegt,hat sie zum Zeitpunkt t 1 den Ort x 1 = vt 1 erreicht.Andererseits ruht die Uhr im System S ′ . Der Raumzeitpunkt (ct 1 ,x 1 ) im System S hat also imSystem S ′ die Koordinaten (ct1 ′,0). Wir möchten nun t′ 1bestimmen. Aus der Invarianz des Abstandsquadratesfolgtc 2 t 2 1 − x2 1 = c 2 t ′ 12 ,und somitt ′ 1 = t 1√1 − x2 1c 2 t 2 1= t 1√1 − v2c 2.Die bewegte Uhr zeigt also eine um den Faktor √ 1 − v 2 /c 2 verkürzte Zeit an. In anderen Worten:Bewegte Uhren gehen langsamer. Diesen Effekt bezeichnet man als Zeitdilatation.65


Wir können dies etwas verallgemeinern und eine Uhr betrachten die sich beliebig bewegt (nichtnotwendiger Weise mit konstanter Geschwindigkeit). Sei S ′ das Koordinatensystem, in dem dieUhr ruht. Dies ist dann nicht notwendigerweise ein Inertialsystem. Die Bewegung der Uhr könnenwir näherungsweise durch eine Sequenz geradliniger-gleichförmiger Bewegungen beschreiben.In einem Inertialsystem S legt die Uhr in einem infinitessimalen Zeitintervall dt die Strecke√dx 2 + dy 2 + dz 2zurueck. Gefragt wird, welches Zeitintervall dt ′ sie danach anzeigt. Aus der Invarianz des Abstandesfolgt:und daherdt ′c 2 dt 2 − dx 2 − dy 2 − dz 2 = c 2 dt ′ 2= dt√Integration liefert für eine beliebige Bewegung1 − dx2 + dy 2 + dz 2c 2 dt 2t ′ 1 =Z t 10dt√1 − v2c 2,= dt√1 − v2c 2.wobei wir t0 ′ = t 0 = 0 gesetzt haben. Man bezeichnet t1 ′ als die Eigenzeit der Uhr bzw. desSystems S ′ . Man verwendet oft den Buchstaben τ für die Eigenzeit. Für die infinitessimale Größegilt√dτ = dt 1 − v2c 2.Durch Multiplikation mit c rechnet man auf eine Größe mit der Dimension einer Länge um:Ebensogilt für die infinitessimale Größedss= cτ.= cdτ = cdt√1 − v2c 2.Bemerkung 1: Die Eigenzeit eines sich bewegenden Gegenstandes ist immer kleiner als das entsprechendeZeitintervall im unbewegten System.Bemerkung 2: Die ist kein Widerspruch zum Relativitätsprinzip, da zum Vergleich eine Uhrim “bewegten” System, aber mehrere Uhren im “unbewegten” System notwendig sind.Bemerkung 3: Auch eine Uhr, die auf einer geschlossenen Kurve bewegt wird, stellt keine Widerspruchdar, da sie sich nicht dauernd in einem Inertialsystem befinden kann.66


3.7 Transformation der GeschwindigkeitDas System S ′ bewege sich relativ zum System S mit der Geschwindigkeit V längs der x-Achse.Die Geschwindigkeit eines Teilchens in S seidie entsprechenden Größen in S ′ seienv x = dxdt , v y = dydt , v z = dzdt ,v ′ x = dx′dt ′ , v′ y = dy′dt ′ , v′ z = dz′dt ′ ,Die infinitessimalen Größen stehen mittels der Lorentztransformationdx = γ ( dx ′ +V dt ′) , dy = dy ′ , dz = dz ′ , dt = γ(dt ′ + V )c 2 dx′in Verbindung. Divison der ersten drei Gleichungen durch die vierte liefert:v x = v′ x +V1+ v′ xVc 2 , v y =v ′ yγ(1+ v′ xVc 2 ) , v z =v ′ zγ(1+ v′ xVc 2 ) .Spezialfall: v ′ x = v′ , v ′ y = v′ z = 0: v = v′ +V.1+ v′ Vc 2Die nach dieser Formel berechnete Summe zweier Geschwindigkeiten ist immer kleiner als c.3.8 Die VierergeschwindigkeitDie Vierergeschwindigkeit eines Teilchens ist der Vektoru µ= dxµdsUm die Komponenten zu finden erinnern wir uns, daß√ds= cdt1 − v2c 2,wobei v die gewöhnliche dreidimensionale Geschwindigkeit des Teilchens ist. Man findetu 0= dx0ds =cdtcdt 1√ = √ .1 − v2 1 − v2c 2 c 267


Für die räumlichen Komponenten gilt zum Beispielu 1= dx1ds = dx 1 v√ = √ x,cdt 1 − v2 c 1 − v2c 2 c 2und analoge Beziehungen ergeben sich für u 2 und u 3 . Man findet letztendlich das folgende Ergebnis:⎛⎞u µ = ⎝√1 ⃗v, √ ⎠.1 − v2 c 1 − v2c 2 c 2Die Komponenten von u µ sind nicht unabhängig sondern erfüllen die Relationu µ u µ = 1.Die Vierergeschwindigkeit läßt sich daher geometrisch als Einheitsvektor auffassen, der die Weltliniedes Teilchens tangiert.Analog definiert man die Viererbeschleunigung durch3.9 Die relativistische Mechanikw µ = d ds uµ = d2ds 2 xµ .In diesem Abschnitt wollen wir die Verallgemeinerung des zweiten Newtonschen Gesetztesddt ⃗p= ⃗Fim Rahmen der speziellen Relativitätstheorie betrachten. Wir haben im letzten Abschnitt bereitsdie Vierergeschwindigkeit⎛u µ = dxµds = ⎝√1 ⃗v√ ⎠1 − v2 c 1 − v2c 2 ,c 2 ⎞kennengelernt. Dies legt die folgende Definition des Viererimpulses nahe:Wir erhalten somitp µp µ == m dxµdτ = mcdxµ ds = mcuµ .⎛⎝⎞√mc m⃗v, √ ⎠.1 − v2 1 − v2c 2 c 268


Schreiben wir außerdemp µ= (E/c,⃗p),wobei E die Gesamtenergie des Teilchens und ⃗p dessen Dreierimpuls bezeichnet, so giltE =√mc2 , ⃗p = √m⃗v1 − v21 − v2c 2Wir betrachten diese Ausdrücke für kleine Geschwindigkeiten. Für den Dreierimpuls gilt[ ( v2)]⃗p = m⃗v 1+Oc 2 .Somit geht ⃗p für kleine Geschwindigkeiten in den nicht-relativistischen Ausdruck m⃗v über. Zubeachten ist jedoch daß für Geschwindigkeiten in der Größendordnung der Lichtgeschwindigkeitder Faktor 1/ √ 1 − v 2 /c 2 nicht mehr vernachläßigt werden kann. Dies hat zur Folge daß derImpuls ⃗p stärker als linear mit der Geschwindigkeit anwächst. Man sagt auch, daß die “relativistische”Masse des Teilchens zunimmt:m rel =m√ .1 − v2c 2Entwickelt man E für kleine Geschwindigkeiten, so findet manE = mc 2 + 1 ( v2 mv2 + mc 2 4)Oc 4 .Man findet also die nicht-relativistische kinetische Energie 1/2mv 2 plus einen konstanten Termmc 2 , den man als die Ruhenergie des Teilchens bezeichnet. Um m von der relativistischen Massem rel zu unterscheiden, verwendet man auch den Begriff “Ruhemasse” für m. Befindet sich einTeilchen in Ruhe (⃗v = 0), so gilt für die Energie des TeilchensE = mc 2 .Dies ist wohl die bekannteste Formel Albert Einsteins.Die relativistische Verallgemeinerung des zweiten Newtonschen Gesetzes lautet:ddτ pµ = K µ ,wobei man K µ als Viererkraft bezeichnet. Für die räumlichen Komponenten der Viererkraft giltK i =1√ F i .1 − v2c 269c 2 .


Für kleine Geschwindigkeiten gilt also wieder( vK i = F i 2)+Oc 2 .Eine Beziehung für die nullte Komponente der Viererkraft findet man durch die Kontraktion derBewegungsgleichung mit der Vierergeschwindigkeit: Es istund somitu µddτ pµ= u µddτ mcuµ = 1 2 mc d dτ u µu µ = 0,1√1 − v2c 2 (K 0 − 1 )c ⃗v ⃗K= 0.Also folgtK 0 =1 ⃗v ·⃗F√1 − v2 c .c 2Wir fassen nun zusammen: Die relativistische Verallgemeinerung des zweiten Netwonschen Gesetzesist die Vierervektorengleichung dp µ /dτ = K µ , wobei p µ der relativistische Viererimpuls, τdie Eigenzeit und K µ die Viererkraft ist. Betrachtet man die räumlichen Komponenten und setztman p i = γmv i , dτ = dt/γ und K i = γF i ein, so findet manγ d dt (γm⃗v) = γ ⃗F,bzw.ddt (m rel⃗v) = ⃗F.In der Bewegungsgleichung ist also die relativistische Masse zu berücksichtigen.3.10 TensorenSei V ein Vektorraum und G eine Gruppe. Man sagt, G wirkt auf V , falls eine Abbildung gegebenist,dieG ×V → Vg 1 (g 2 v) = (g 1 g 2 )v70


erfüllt. In diesem Fall nennt man V eine Darstellung von G.Beispiel 1: Sei V ein n-dimensionaler Vektorraum und G = GL(n,R). Die Abbildung G×V → Vist durch die Multiplikation einer Matrix mit einem Spaltenvektor gegeben:v ′ i =n∑ M i j v jj=1Beispiel 2: Sei V der Minkowskiraum und G die Lorentzgruppe.x ′ µ= Λµν x ν , (Einsteinsche Summenkonvention)Beispiel 3: Sei V ein n 2 -dimensionaler Vektorraum und G = GL(n,R). Elemente aus V schreibenwir als v i j mit 1 ≤ i, j ≤ n. G wirkt auf V wie folgt:v ′ i j =Man nennt v i j einen Tensor zweiter Stufe.n n∑ ∑k=1 l=1M ik M jl v klBeispiel 4: Sei V ein 16-dimensionaler Raum und G die Lorenzgruppe.T ′ µν= Λ µ ρΛ ν σT ρσT µν ist ein Tensor zweiter Stufe.Beispiel 5: Sei V ein 64-dimensionaler Raum und G die Lorentzgruppe.T ′ µνρ= Λ µ σΛ ν κΛ ρ λ T σκλT µνρ ist ein Tensor dritter Stufe.Allgemein: Ein Tensor ist ein Element eines Vektorraums, auf den eine Gruppenwirkung gegebenist. Die Anzahl der Kopien des Gruppenelements, die zur Definition der Gruppenwirkungbenötigt werden, bezeichnet man als Rang des Tensors.Pseudotensoren verhalten sich bei allen Transformationen, die sich auf Drehungen zurückführenlassen, wie Tensoren. Sie verhalten sich allerdings anders bei Spiegelungen (Raumspiegelung,Zeitumkehr), d.h. Transformationen, die sich nicht auf Drehungen zurückführen lassen: Hier unterscheidensie sich von den Tensoren um ein Minuszeichen.Pseudotensoren nullter Stufe nennt man Pseudoskalare. Pseudotensoren erster Stufe nennt manauch axiale Vektoren.In der speziellen Relativitätstheorie unterscheiden wir außerdem zwischen oberen und unteren71


Indizes (kontravariante und kovariante Komponenten). Der Zusammenhang ist wieder durch denmetrischen Tensor gegeben:T µ ν = g νρ T µρ ,T µν = g µρ g νσ T ρσTensoren mit bestimmten Symmetrieeigenschaften: Ein Tensor heißt symmetrisch falls giltEin Tensor heißt antisymmetrisch, fallsS µν = S νµA µν = −A νµgilt. Insbesondere gilt für einen antisymmetrischen Tensor zweiter Stufe A 00 = A 11 = A 22 =A 33 = 0.Beispiele für Tensoren in der speziellen Relativitätstheorie:Rang 1: Ortsvektor x µ , Impulsvektor p µ .Rang 2: Metrischer Tensor g µν .Rang 4: Total antisymmetrischer Tensor (Levi-Civita-Tensor) ε µνρσ . Der total antisymmetrischerTensor ist definiert durchε 0123 = 1,εµνρσεµνρσεµνρσ= 1 falls (µ,ν,ρ,σ eine gerade Permutation von (0,1,2,3) ist,= −1 falls (µ,ν,ρ,σ eine ungerade Permutation von (0,1,2,3) ist,= 0 sonst.Der total antisymmetrische Tensor ist ein Pseudotensor, er ändert bei Raumspiegelung und Zeitumkehrseine Komponenten nicht.Das Produkt ε µνρσ ε αβγδ bildet einen Tensor achter Stufe, wobei dieser Tensor echt ist. DurchVerjüngung bezüglich ein oder mehrerer Indexpaare erhalten wir Tensoren sechster, vierter oderzweiter Stufe. Alle diese Tensoren haben dieselbe Gestalt in allen Koordinatensystemen. Daherlassen sie sich durch δ µ ν ausdrücken, des einzigen echten Tensors, dessen Komponenten in allenKoordinatensystemen dieselben sind.ε µνρσ ε αβγδ= −∣δ µ α δ µ βδ µ γ δ µ δδ ν α δ ν βδ ν γ δ ν δδ ρ α δ ρ βδ ρ γ δ ρ δδ σ α δσ βδ σ γ δ σ δ,∣72


ε µνρσ ε αβγσε µνρσ ε αβρσδ µ α δ µ βδ µ γ= −δ ν α δν βδ ν γ∣ δ ρ α δ ρ βδ ρ γδ µ α δ µ β= −2∣ ∣ ,ε µνρσ ε ανρσ = −6δ µ α,ε µνρσ ε µνρσ = −24.δ ν αδ ν β,∣73


4 ElektrodynamikWir behandeln nun die Elektrodynamik. Die Elektrodynamik wird durch die Maxwellschen Gleichungenbeschrieben. Wir werden die Maxwellschen Gleichungen in drei verschiedenen Formenpräsentieren: In der ersten Version schreiben wir die Maxwellschen Gleichungen in der integralenForm auf. Diese Form hat einen direkten Bezug zu den experimentell erwiesenen Fakten undGrundlagen der Elektrodynamik. In einem zweiten Schritt erhalten wir mit Hilfe der Integralsätzevon Gauß und Stokes aus der integralen Form die lokale Form der Maxwellschen Gleichungen.In der lokalen Form sieht man, daß die Elektrodynamik durch partielle Differentialgleichungenbeschrieben wird. In der dritten und letzten Version der Maxwellschen Gleichungen verbindenwir die Elektrodynamik mit der speziellen Relativitätstheorie und präsentieren die MaxwellschenGleichungen in einer manifest kovarianten Form.4.1 Die Maxwellschen Gleichungen in integraler FormVorbemerkung: Historisch begründet sind die folgenden Bezeichnungen:elektrische Feldstärkemagnetische Induktion (magnetische Flußdichte)dielektrische Verschiebungmagnetische Feldstärke⃗E⃗B⃗D⃗H⃗D = ε⃗E,⃗B = µ⃗H.Im Vakuum haben wir (im Gauß’schen Maßsystem):⃗D = ⃗E,⃗H = ⃗B.Im SI-System gilt im Vakuum:⃗D = ε 0⃗E,⃗B = µ 0⃗H,wobeiε 0 = 8.8542 · 10 −12 C V −1 m −1 ,µ 0 = 4π · 10 −7 VsA −1 m −14.1.1 Das InduktionsgesetzEs sei C ′ eine glatte Kurve endlicher Länge, d⃗s = ˆtds das Linienelement entlang dieser Kurveund sei ⃗E(t,⃗x) ein elektrische Feld. Dann nennt man das WegintegralZC ′d⃗s ·⃗E(t,⃗x)74


die elektromotorische Kraft.Sei nun C eine glatte, geschlossene Kurve im R 3 , die eine glatte Fläche A berandet. Sei ˆn(t,⃗x)die Flächennormale. Dann ist der magnetische Fluß durch die Fläche F als das FlächenintegralZΦ(t) = dS ⃗B(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x)Adefiniert. Das Faradaysche Induktionsgesetz (1831) verknüpft die zeitliche Änderung des magnetischenFlusses mit der entlang der Randkurve induzierten elektromotorischen Kraft:ICZdd⃗s ·⃗E(t,⃗x) = − f FdtAdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x)Hierbei ist der geschlossene WegC so orientiert, so daß ˆn undC eine Rechtsschraube bilden. DerFaktor f F ist reell-positiv und hängt von der Wahl der physikalischen Einheiten ab. Im SI-Systemist er f F = 1, im Gaußschen Maßsystem ist er f F = 1/c.Bemerkung: Das negative Vorzeichen der rechten Seite enthält eine physikalische Aussage: dieRichtung des in der KurveC induzierten Stroms ist derart, dass der von diesem Strom erzeugtemagnetische Fluß der zeitlichen Änderung des Flusses der rechten Seite entgegen wirkt. Das istder Inhalt der Lenzschen Regel.4.1.2 Das Gaußsche GesetzDielektrische Verschiebung ⃗D(t,⃗x): Im Vakuum gilt⃗D(t,⃗x) = ⃗E(t,⃗x).In polarisierbaren Medien sind die beiden Vektorfelder über die Relation⃗D(t,⃗x) = ε(⃗x)⃗E(t,⃗x)verknüpft, wobei ε(⃗x) ein Tensor zweiter Stufe ist und die eigenschaften des Mediums – hierseine elektrische Polarisierbarkeit – beschreibt.Das Gaußsche Gesetz setzt den Fluß der dielektrischen Verschiebung durch eine geschlosseneFläche in Beziehung zur gesamten, durch diese Fläche eingeschlossenen elektrischen Ladung.Es sei A eine geschlossene glatte Fläche, und V(A) das von A eingeschlossene räumliche Volumen.Wenn ρ(t,⃗x) eine vorgegebene elektrische Ladungsdichte beschreibt, so giltZZdS ⃗D(t,⃗x) · ˆn = f G d 3 x ρ(t,⃗x) = f G Q V .AV(A)75


Q V ist die im Volumen V(A) eingeschlossene Gesamtladung. Die Konstante f G hat den Wertf G = 1 im SI-System und den Wert f G = 4π im Gaußschen Maßsystem.Anwendung des Gaußschen Gesetzes auf magnetische Ladungen und die von ihnen erzeugtemagnetische Induktion: Das Experiment sagt uns, daß es keine freien magnetischen Ladungengibt. Deshalb hat manZdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn = 0.4.1.3 Das Gesetz von Biot und SavartADas Gesetz von Biot-Savart (1822): Die Stromdichte ⃗j(t,⃗x) liege ganz im Endlichen und sei einglattes Vektorfeld. Dann ist das durch diese Verteilung erzeugte Magnetfeld gegeben durch⃗H(t,⃗x) =f ZBS4πd 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) ×⃗x −⃗x′|⃗x −⃗x ′ | 3.Dieser Ausdruck gilt im Außen- ebenso wie im Innenraum der Quellverteilung⃗j. ⃗H und⃗B hängenwie folgt zusammen⃗B(t,⃗x) = µ⃗H(t,⃗x).µ nennt man die magnetische Permeabilität. Im Vakuum gilt µ= 1 (im Gaußschen Maßsystem).Die Konstante f BS hat den Wert f BS = 1 im SI-System und den Wert f BS = 4π/c im GaußschenMaßsystem.4.1.4 Die Lorentz-KraftEine weitere wichtige, vom Experiment bestätigte Erfahrungstatsache steckt im Ausdruck für dieKraftwirkung von beliebigen elektrischen Feldern ⃗E(t,⃗x) und Induktionsfeldern ⃗B(t,⃗x) auf einPunktteilchen, das die elektrische Ladung q trägt und sich mit der Geschwindigkeit⃗v relativ zudemjenigen Bezugssystem K bewegt, bezüglich dessen die Felder ⃗E und ⃗B definiert sind:)⃗F(t,⃗x) = q(⃗ E(t,⃗x)+ f F ⃗v ×⃗B(t,⃗x) .Die Konstante f F ist wie im Faradayschen Induktionsgesetz definiert.4.1.5 Die KontinuitätsgleichungEine weitere, fundamental wichtige Aussage ist die Erhaltung der Ladung: Die elektrische Ladungist unter allen Wechselwirkungen erhalten. In integraler Form läßt sich dieser Sachverhaltwie folgt formulieren: Eine zeitabhängige Ladungsdichte ρ(t,⃗x) , die ganz im Endlichen liegt,und eine von den Bewegungen der in ρ enthaltenen Ladungen erzeugte Stromdichte ⃗j(t,⃗x) seien76


votgegeben. Für jede glatte geschlossene Fläche A und dem von ihr eingeschlossenen VolumenV(A) gilt die BilanzgleichungZAdS ⃗j(t,⃗x) · ˆn= − d dtZV(A)d 3 x ρ(t,⃗x).4.1.6 Zusammenfassung der Gleichungen in integraler FormFaradaysches Induktionsgesetz:ICZdd⃗s ·⃗E(t,⃗x) = − f FdtAdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x)Gaußsche Gesetze:ZdS ⃗D(t,⃗x) · ˆn= f GZd 3 x ρ(t,⃗x) = f G Q V .AV(A)ZdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn = 0.ABiot-Savartsches Gesetz:⃗H(t,⃗x) =f ZBS4πd 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) ×⃗x −⃗x′|⃗x −⃗x ′ | 3.Kontinuitätsgleichung:ZdS ⃗j(t,⃗x) · ˆn= − d dtZd 3 x ρ(t,⃗x).AV(A)Lorentzkraft:)⃗F(t,⃗x) = q(⃗ E(t,⃗x)+ f F ⃗v ×⃗B(t,⃗x) .4.2 Die Maxwellschen Gleichungen in lokaler Form4.2.1 Das InduktionsgesetzDas Induktionsgesetz in integraler Form lautet:ICZdd⃗s ·⃗E(t,⃗x) = − f FdtAdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x)77


Wir wenden nun den Stokeschen Satz auf die linke Seite an:IZ)d⃗s ·⃗E(t,⃗x) = dS(⃗∇ × ⃗E(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x).DaherZAC)ZdS(⃗∇ d× ⃗E(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x) = − f FdtAAdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn(t,⃗x)Diese Gleichung gilt für jede Fläche F. Wir können die Fläche auch auf eine Punkt zusammenziehen,daher müssen die Integranden gleich sein:⃗ ∇ × ⃗E(t,⃗x) = − f F∂∂t ⃗ B(t,⃗x)Zur Erinnerung: Im SI-System ist f F = 1, im Gaußschen Maßsystem ist f F = 1/c.4.2.2 Das Gaußsche GesetzDas Gaußsche Gesetz für die dielektrische Verschiebung:ZZdS ⃗D(t,⃗x) · ˆn = f G d 3 x ρ(t,⃗x).AV(A)Wir wenden nun den Gaußschen Satz auf die linke Seite an:ZZdS ⃗D(t,⃗x) · ˆn = d 3 x ⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x).SomitAZV(A)V(A)d 3 x ⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x) = f GZV(A)d 3 x ρ(t,⃗x).Da das Volumen beliebig ist und seine Oberfläche stetig zusammengezogen werden kann, müssenwieder die Integranden gleich sein.⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x) = f G ρ(t,⃗x).Zur Erinnerung: Die Konstante f G hat den Wert f G = 1 im SI-System und den Wert f G = 4π imGaußschen Maßsystem.Aus der Integralform des Gaußschen Gesetzes für das MagnetfeldZdS ⃗B(t,⃗x) · ˆn = 0.folgt analogA⃗ ∇ ·⃗B(t,⃗x) = 0.78


4.2.3 Die KontinuitätsgleichungWir bestimmen zunächst die lokale Form der Kontinuitätsgleichung und wenden uns erst danachdem Gesetz von Biot und Savart zu. Die integrale Form der Kontinuitätsgleichung lautete:ZAdS ⃗j(t,⃗x) · ˆn= − d dtZV(A)d 3 x ρ(t,⃗x).Wir wenden wieder den Gaußschen Satz auf die linke Seite an:ZZdS ⃗j(t,⃗x) · ˆn = d 3 x ⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x).Es folgt dannAV(A)⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x) = − ∂ ∂t ρ(t,⃗x)und∂∂t ρ(t,⃗x)+⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x) = 0.4.2.4 Das Gesetz von Biot und SavartDie integrale Form des Gesetzes von Biot und Savart lautet:⃗H(t,⃗x) =f ZBS4πd 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) ×⃗x −⃗x′|⃗x −⃗x ′ | 3.Zur Erinnerung: Die Konstante f BS hat den Wert f BS = 1 im SI-System und den Wert f BS = 4π/cim Gaußschen Maßsystem. Wie man leicht nachrechnet, gilt⃗x −⃗x ′ ( ) ( )|⃗x −⃗x ′ | 3 = − ⃗ 1∇ x|⃗x −⃗x ′ =|⃗ 1∇ x ′|⃗x −⃗x ′ |Somit⃗H(t,⃗x) = − f ZBS4π= f BS4π ⃗ ∇ x ×( )d 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) × ⃗ 1∇ x|⃗x −⃗x ′ |Z ( ) 1d 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ )|⃗x −⃗x ′ |Der Vorzeichenwechsel kommt von der Vertauschung der Reihenfolge im Vektorprodukt. Nunnimmt man auf beiden Seiten die Rotation und benützt( )⃗ ∇ × ⃗∇ × ⃗V = ⃗ )∇(⃗∇ ·⃗V − ∆⃗V.79


⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) =f BS4π ⃗ Z∇ x− f BS4πZ( )d 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) ⃗ 1∇ x|⃗x −⃗x ′ |( ) 1d 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ )∆ x|⃗x −⃗x ′ |Im ersten Term verwendet man( )⃗ 1∇x|⃗x −⃗x ′ |Im zweiten Term benutzt man( ) 1∆ x|⃗x −⃗x ′ |= − ⃗ ∇ x ′( 1)|⃗x −⃗x ′ |= −4πδ ( ⃗x −⃗x ′) .Bemerkung: Die Gleichung ∆1/r = −4πδ(r) verifiziert man für r ≠ 0 durch Differentiation.Es handelt sich hier um zwei Distributionen. Das Verhalten am Ursprung überprüft man durchIntegration über eine Testfunktion. Man integriert über eine Kugel mit Radius ε und verwendetden zweiten Greenschen Satz.Zd 3 x f ∆ 1 r|x|≤ε=Z|x|≤εd 3 x 1 r ∆ f + Z|x|=εd 2 S f ∂ ∂rZ1r −|x|=εd 2 S 1 r∂∂r f.Nun ist d 2 S = r 2 dΩ = r 2 sinθdθdϕ, daher verschwinden der erste und der dritte Term im Grenzfallε → 0.Zd 3 x f ∆ 1 Z= d 2 S f ∂ Z1r∂r r = ε2 dΩ f(ε) ·(− 1 )ε 2 = −4π f(0).|x|≤ε|x|=εEinsetzen der Hilfgleichungen:⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) = − f BS4π ⃗ ∇ xZd 3 x ′ ⃗j(t,⃗x ′ ) ⃗ ∇ x ′( ) 1|⃗x −⃗x ′ + f BS⃗j(t,⃗x)|Mittels einer partiellen Integration erhält man⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) =f BS4π ⃗ Z∇ x( ) ( )d 3 x ′ ⃗ ∇x ′⃗j(t,⃗x ′ 1)|⃗x −⃗x ′ + f BS⃗j(t,⃗x)|Bemerkung:⃗ ∇xZ( )d 3 x ′ ⃗ ∇x ′ ⃗j(t,⃗x ′ 1)|⃗x −⃗x ′ |= ⃗ ∇ xZ=ZAA( )dS ⃗j(t,⃗x ′ 1)|⃗x −⃗x ′ · ˆn|dS ⃗j(t,⃗x ′ ) · ˆn ⃗ ∇ x1|⃗x −⃗x ′ | = 0,80


da ⃗j(t,⃗x ′ ) ganz im Endlichen liegen soll, und daher (für ein groß genug gewähltes Volumen) aufdessen Oberfläche verschwindet.Nun verwendet man die Kontinuitätsgleichungund erhält∂∂t ρ(t,⃗x)+⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x) = 0.⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) = − f BS ∂4π ∂t ⃗ Z∇ xd 3 x ′ ρ(t,⃗x′ )|⃗x −⃗x ′ | + f BS ⃗ j(t,⃗x)Nun hat man mit ρ(t,⃗x) = ⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x)/ f GZ⃗ ∇x d 3 x ′ ρ(t,⃗x′ Z)|⃗x −⃗x ′ = − d 3 x ′ ρ(t,⃗x ′ )|⃗ 1∇ x ′|⃗x −⃗x ′ |= − 1 Z ( d 3 x ′ ⃗ ∇x ′ ·⃗D(t,⃗x )) ′ ⃗∇x 1′f G |⃗x −⃗x ′ |= 1 Zd 3 x ′ ⃗D(t,⃗x ′ 1)∆ x ′f G |⃗x −⃗x ′ |= − 4π ⃗D(t,⃗x),f Gund somit⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) =f BS ∂f G ∂t ⃗ D(t,⃗x)+ f BS⃗j(t,⃗x)4.2.5 Zusammenfassung der Maxwellschen GleichungenFassen wir die vier Maxwellschen Gleichungen zusammen:Die Lorentz-Kraft:⃗ ∇ ·⃗B(t,⃗x) = 0,⃗ ∂∇ × ⃗E(t,⃗x)+ f F∂t ⃗ B(t,⃗x) = 0,⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x) = f G ρ(t,⃗x),⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) − f BS ∂f G ∂t ⃗ D(t,⃗x) = f BS⃗j(t,⃗x).)⃗F(t,⃗x) = q(⃗ E(t,⃗x)+ f F ⃗v ×⃗B(t,⃗x) .Für die Konstanten f F , f G und f BS haben wir im SI-System, bzw. im Gaußschen System:f F f G f BSSI 1 1 1Gauß1c4π4πc81


Gauß-System SI-System VergleichLänge 1 cm 1 m 1 m = 1 · 10 2 cmMasse 1 g 1 kg 1 kg = 1 · 10 3 gZeit 1 s 1 sKraft 1 dyn 1 N 1 N = 1 · 10 5 dynEnergie 1 erg 1 J 1 J = 1 · 10 7 ergLeistung 1 erg/s 1 W 1 W = 1 · 10 7 erg s −1Ladung 1 esu 1 C 1 C = 3 · 10 9 esuStromstärke 1 esc 1 A 1 A = 3 · 10 9 escPotential 1 esv 1 V 1 V = 1/300 esvElektrisches Feld 1 esv/cm 1 V/m 1 V m −1 = 1/30000 esv cm −1Magnetisches Feld 1 Oersted (Oe) 1 A/m 1 A m −1 = 4π · 10 −3 OeMagnetische Induktion 1 Gauß (G) 1 Tesla 1 Tesla = 1 · 10 4 GaußBemerkung: In der Elementarteilchenphysik verwendet man oft die sogenannten natürlichen Einheiten,die so gewählt sind, daßc = 1, = h2π = 1.Faktoren von 4π verschwinden, indem sie in die Felder und Quellen absorbiert werden:⃗E ∣ = 1√ ⃗E ∣ , ρ| nat 4π Gauß nat = √ 4π ρ| Gauß .Bemerkung: Die Kontinuitätsgleichung kann aus der lokalen Form der Maxwellschen Gleichungenhergeleitet werden. Man betrachte hierzu die Zeitableitung der dritten Gleichung und dieDivergenz der vierten Gleichung:Daher∂∂t ⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x) = 4π ∂ ∂t ρ(t,⃗x),( )⃗ ∇ ⃗∇ × ⃗H(t,⃗x) − 1 ∂} {{ } c ∂t ⃗ ∇⃗D(t,⃗x) = 4π c ⃗ ∇⃗j(t,⃗x).=0∂∂t ρ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗j(t,⃗x) = 0.Historische Bemerkung: Das Ampèresche Gesetz für stationäre Ströme:⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) = f BS⃗j(t,⃗x), ⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x) = 0.Die Verallgemeinerung dieser Gleichung auf nicht-stationäre Ströme führt zu einer nicht-konsistentenTheorie. Es fehlt der Verschiebestrom, der die Ladungserhaltung bewirkt.82


Ab jetzt werden wir in dieser Vorlesung nur noch das Gaußsche Maßsystem verwenden. DieMaxwellschen Gleichungen lauten demzufolge:Im Vakuum haben wir⃗ ∇ ·⃗B(t,⃗x) = 0,⃗ ∇ × ⃗E(t,⃗x)+ 1 ∂c ∂t ⃗ B(t,⃗x) = 0,⃗ ∇ ·⃗D(t,⃗x) = 4πρ(t,⃗x),⃗ ∇ × ⃗H(t,⃗x) − 1 ∂c ∂t ⃗ D(t,⃗x) = 4π c ⃗ j(t,⃗x).⃗D(t,⃗x) = ⃗E(t,⃗x),⃗H(t,⃗x) = ⃗B(t,⃗x).Die Lorentz-Kraft:(⃗F(t,⃗x) = q ⃗E(t,⃗x)+ ⃗v )c × ⃗B(t,⃗x) .4.3 Elektromagnetische Potentiale und Eichinvarianz4.3.1 Skalare Potentiale und VektorpotentialeAus der Mathematik ist bekannt, daß ein Vektorfeld, dessen Rotation verschwindet, sich alsGradient einer skalaren Funktion darstellen läßt:⃗ ∇ × ⃗V = 0=⇒ ⃗V = ⃗ ∇Φ.Ebenso ist bekannt, daß ein divergenzfreies Vektorfeld sich als die Rotation eines weiteren Vektorfeldesschreiben läßt:⃗ ∇ ·⃗V = 0=⇒ ⃗V = ⃗ ∇ ×⃗A.Bezogen auf die Maxwellschen Gleichungen führen wir nun zwei Hilfsfelder Φ und ⃗A, so daßdie beiden homogenen Maxwellschen Gleichungen identisch erfüllt sind. Ausfolgt⃗ ∇ ·⃗B(t,⃗x) = 0⃗B(t,⃗x) = ⃗ ∇ ×⃗A(t,⃗x).Das Hilfsfeld ⃗A(t,⃗x) nennt man das Vektorpotential. Setzt man den Ausdruck für ⃗B in die zweiteMaxwellsche Gleichung ein, so erhält man(⃗ ∇ × ⃗E(t,⃗x)+ 1 )∂c ∂t ⃗ A(t,⃗x) = 083


Somit läßt sich der Ausdruck in der Klammer als Gradient eines skalaren Feldes darstellen:Das Minuszeichen ist Konvention.⃗E(t,⃗x)+ 1 c∂∂t ⃗ A(t,⃗x) = − ⃗ ∇Φ(t,⃗x).⃗E(t,⃗x) = − ⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 c∂∂t ⃗ A(t,⃗x).Φ(t,⃗x) nennt man das skalare Potential. Betrachten wir nun die inhomogenen MaxwellschenGleichungen im Vakuum, d.h. ⃗D = ⃗E und ⃗H = ⃗B. Setzt man die obigen Ausdrücke in die inhomogenenMaxwellschen Gleichungen ein, so erhält man⃗ ∇ ·(− ⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 )∂c ∂t ⃗ A(t,⃗x) = 4πρ(t,⃗x),⃗ ∇ × ⃗ ∇ × ⃗A(t,⃗x) − 1 (∂−c ∂t⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 )∂c ∂t ⃗ A(t,⃗x) = 4π c ⃗ j(t,⃗x).Umschreiben liefert:4.3.2 EichinvarianzDie Zerlegung∆Φ(t,⃗x)+ 1 ∂c ∂t ⃗ ∇ ·⃗A(t,⃗x) = −4πρ(t,⃗x),1 ∂ 2)c 2 ∂t 2⃗ A(t,⃗x) − ∆⃗A(t,⃗x)+ ∇( ⃗ 1 ∂c ∂t Φ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗A(t,⃗x) = 4π c ⃗ j(t,⃗x).ist nicht eindeutig. Setzt manund gleichzeitig⃗B(t,⃗x) = ⃗ ∇ ×⃗A(t,⃗x),⃗E(t,⃗x) = − ⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 c∂∂t ⃗ A(t,⃗x).⃗A ′ (t,⃗x) = ⃗A(t,⃗x)+ ⃗ ∇χ(t,⃗x)Φ ′ (t,⃗x) = Φ(t,⃗x) − 1 c∂∂t χ(t,⃗x)so ändern sich die physikalischen Felder nicht:⃗ ∇ × ⃗A ′ (t,⃗x) = ⃗ ∇ ×(⃗ A(t,⃗x)+ ⃗ )∇χ(t,⃗x) = ⃗ ∇ ×⃗A(t,⃗x) = ⃗B(t,⃗x),84


− ⃗ ∇Φ ′ (t,⃗x) − 1 (∂c ∂t ⃗ A ′ (t,⃗x) = − ⃗ ∇ Φ(t,⃗x) − 1 )∂c ∂t χ(t,⃗x) − 1 ∂(⃗ A(t,⃗x)+c ∂t⃗ ∇χ(t,⃗x))= − ⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 ∂c ∂t ⃗ A(t,⃗x) = ⃗E(t,⃗x).Eine Transformation des TypsΦ ′ (t,⃗x) = Φ(t,⃗x) − 1 ∂c ∂t χ(t,⃗x),⃗A ′ (t,⃗x) = ⃗A(t,⃗x)+ ⃗ ∇χ(t,⃗x),heißt Eichtransformation der Potentiale. Eine Eichtransformation läßt das elektrische Feld unddas Induktionsfeld unverändert.Man kann die Eichtransformationen benutzen, um zusätzliche Bedingungen an die PotentialeΦ und ⃗A zu stellen. Eine übliche Forderung ist zum Beispiel1c∂∂t Φ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗A(t,⃗x) = 0.Erfüllt das skalare Potential und das Vektorpotential diese Gleichung, so sagt man, daß die Potentialein der Lorenz-Eichung 1 sind. Man kann beliebige Potentiale Φ und⃗A in die Lorenz-Eichungbringen, indem man eine Eichfunktion χ als Lösung der inhomogenen DifferentialgleichungBeweis:1c( 1c 2 ∂ 2∂∂t Φ′ (t,⃗x)+ ⃗ ∇⃗A ′ (t,⃗x) = 1 c( 1=c= 0.∂t 2 − ∆ )χ(t,⃗x) = 1 c(∂Φ(t,⃗x) − 1 ∂t c∂∂t Φ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗A(t,⃗x)∂∂t Φ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗A(t,⃗x).)∂∂t χ(t,⃗x) + ⃗ ∇(⃗ A(t,⃗x)+ ⃗ )∇χ(t,⃗x))( 1 ∂ 2 )−c 2 ∂t 2 − ∆ χ(t,⃗x)Bemerkung: Die Lorenz-Bedingung legt die Potentiale noch nicht eindeutig fest, sondern definiertnur eine Klasse von Potentialen. So hat man noch immer die Freiheit, weitere Eichtransformationenmit einer Eichtransformation, die( 1 ∂ 2 )c 2 ∂t 2 − ∆ χ(t,⃗x) = 0erfüllt, auszuführen. Beweis analog zu oben.1 Ludvig Valentin Lorenz (1829-1891); Hendrik Antoon Lorentz (1853-1928)85


In der Lorenz-Eichung lauten die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen( 1 ∂ 2 )c 2 ∂t 2 − ∆ Φ(t,⃗x) = 4πρ(t,⃗x),( 1 ∂ 2 )c 2 ∂t 2 − ∆ ⃗A(t,⃗x) = 4π c ⃗ j(t,⃗x),wobeigilt.1c∂∂t Φ(t,⃗x)+⃗ ∇⃗A(t,⃗x) = 0Eine andere Klasse von Eichungen wird durch die Bedingung⃗ ∇ ·⃗A(t,⃗x) = 0festgelegt. Diese Eichung nennt man Coulomb-Eichung.4.3.3 Partielle inhomogene DifferentialgleichungenWir betrachten als Beispiel für eine inhomogene Differentialgleichung die Poisson-Gleichung∆Φ(⃗x) = f(⃗x).Es sei f(⃗x) vorgegeben und wir suchen eine Lösung Φ(⃗x). Eine Lösung erhält man mit Hilfeder Greenschen Funktion. Diese Lösungsmethode ist allgemein und läßt sich auch auf andereGleichungen wie die Helmholtz-Gleichung(∆+ω2 ) Φ(⃗x) = f(⃗x),oder auf die vierdimensionale Verallgemeinerung der Poisson-Gleichung✷Φ(x) = f(x)anwenden. Als Greensche Funktion bezeichnet man eine Lösung der Differentialgleichung, inder auf der rechten Seite eine Delta-Funktion auftritt. Für die Poisson-Gleichung lautet die zugehörigeDifferentialgleichung für die Greensche Funktion∆ x G(⃗x,⃗x ′ ) = δ(⃗x −⃗x ′ ).Multipliziert man beide Seiten mit f(⃗x ′ ) und integriert man über⃗x ′ so erhält manZd 3 x ′ ∆ x(f(⃗x ′ )G(⃗x,⃗x ′ ) ) = f(⃗x)86


∆ x wirkt nur auf die ungestrichenen Größen und kann vor das Integral gezogen werden:( Z )∆ x d 3 x ′ f(⃗x ′ )G(⃗x,⃗x ′ ) = f(⃗x)Somit istΦ(x) =Zd 3 x ′ f(⃗x ′ )G(⃗x,⃗x ′ )eine Lösung der Gleichung∆Φ(⃗x) = f(⃗x).Fazit: Ist die Greensche Funktion bekannt, kann man auch die Lösungen für einen beliebigeninhomogen Term f(⃗x) konstruieren.Bestimmung der Greenschen Funktion: In der Herleitung der lokalen Form des Gesetzes vonBiot-Savart wurde verifiziert, daßG(⃗x,⃗x ′ ) = − 1 14π |⃗x −⃗x ′ |die Greensche Funktion der Poisson-Gleichung ist. Nun wollen wir eine allgemeine Methode zurBestimmung von Greenschen Funktionen betrachten. Wir gehen von der Differentialgleichungfür die Greensche Funktion aus∆ x G(⃗x,⃗x ′ ) = δ(⃗x −⃗x ′ )und betrachten die Fouriertransformierten:G(⃗x −⃗x ′ ) =δ(⃗x −⃗x ′ ) =ZZd 3 k(2π) 3 e−i⃗ k·(⃗x−⃗x ′ ) ˜G( ⃗ k),d 3 k(2π) 3 e−i⃗ k·(⃗x−⃗x ′ )˜δ( ⃗ k).˜δ( ⃗ k) ist gegeben durch˜δ(⃗k) =Zd 3 xe i ⃗k·(⃗x−⃗x ′) δ(⃗x −⃗x ′ ) = 1.Eingesetzt erhält man∆ xZd 3 k(2π) 3 e−i ⃗k·(⃗x−⃗x ′ ) ˜G(⃗k) =∆ x wirkt nur auf die Exponentialfunktion:Zd 3 k(2π) 3(−| ⃗k| 2 )e −i ⃗k·(⃗x−⃗x ′ ) ˜G(⃗k) =Zd 3 k(2π) 3 e−i ⃗k·(⃗x−⃗x ′) .Zd 3 k(2π) 3 e−i ⃗k·(⃗x−⃗x ′) .87


Aus der Gleichheit der Integranden folgt˜G(⃗k) = − 1|⃗k| 2,und somitZG(⃗x −⃗x ′ ) = −= − 1(2π) 3= − 1(2π) 2= − 12π 2d 3 k(2π) 3 1| ⃗ k| 2 e−i⃗ k·(⃗x−⃗x ′) , ⃗x −⃗x ′ = (0,0,r)Z∞0Z∞0Z∞0Z πdk0Z 1dk−1dk sin(kr)krZ 2πdθ0dϕsinθe −ikr cos θ ,due ikru = − 1(2π) 2Z∞= − 1 π2π 2 2r = − 14π0u = −cosθdk 1 (e ikr − e −ikr)ikr1|⃗x −⃗x ′ | .Bemerkung: Die Lösung der Poisson-GleichungZΦ(x) = d 3 x ′ f(⃗x ′ )G(⃗x,⃗x ′ )ist nicht eindeutig, wir können zu dieser Lösung immer eine Lösung der homogenen Gleichungaddieren.4.3.4 Probleme mit Randwertbedingungen∆Φ(⃗x) = 0Um eine eindeutige Lösung zu erhalten, müssen zusätzlich Randbedingungen gefordert werden.Dirichlet-Randbedingungen: Das Potential auf einer geschlossenen Fläche ist vorgegeben. (Beispiel:Elektrische Leiter mit gegebenen Potentialen.)Neumann-Randbedingungen: Die Normalenableitung ∂Φ/∂ ˆn auf einer geschlossenen Fläche istvorgegeben. (Beispiel: Vorgegebene Flächenladungen.)Eindeutigkeit: Seien Φ 1 und Φ 2 zwei Lösungen der Poisson-Gleichung mit vorgegebenen Randbedingungen,d.h.Φ 1 | F= Φ 2 | F , Dirichlet88


oder∂Φ 1∂ ˆn∣ = ∂Φ 2F∂ ˆn ∣ , NeumannFBetrachte nun U = Φ 2 (⃗x) − Φ 1 (⃗x). Es gilt∆U(⃗x) = 0,U| F = 0, Dirichlet∂U∣ = 0, Neumann∂ ˆn∣FAus dem ersten Greenschen SatzZ (d 3 x Φ∆Ψ+ ⃗ )∇Φ ·⃗∇ΨV(A)=ZAdS Φ ∂Ψ∂ ˆn .folgt mit Φ = Ψ = U:ZV(A)d 3 x(⃗∇U ·⃗ ∇U)} {{ }≥0=ZAdS U ∂U∂ ˆn .Das Oberflächenintegral auf der rechten Seite gleich Null. Daher giltZ ( )d 3 x ⃗∇U ·⃗ ∇U = 0,V(A)und da der Integrand nicht negativ sein kann, folgt⃗ ∇U = 0.Daher ist U in V konstant. Für das Dirichletsche Randwertproblem gilt U = 0 auf F, und da Ukonstant ist, auch in V. Somit ist die Lösung eindeutig. Für das Neumannsche Randwertproblemkönnen sich zwei Lösungen um eine additive Konstante unterscheiden.4.4 Die Maxwellschen Gleichungen in kovarianter Form4.4.1 Die Lorentzkraft und der FeldstärketensorZur Erinnerung: Vierergeschwindigkeit⎛u µ = dxµds = ⎝√1 ⃗v, √1 − v2 c 1 − v2c 289⎠ = γ(1, 1 )c ⃗v .c 2 ⎞


ds= c γ dt,Viererbeschleunigung:w µ= duµdsNewtons Gesetz F = ma in relativistischer Verallgemeinerung:Kontraktion mit u µ liefert:mc 2 d ds uµ = K µ .mc 2 u µdds uµ= 1 d 2 mc2 ds }{{}u2 = 0,1und daherK µ u µ = 0.Für die räumlichen Komponenten gilt:⃗K= γ⃗FAngewandt auf die Lorentzkraft:mc 2 d ds ⃗u= mc2 d ds(γ ⃗v ) (= qγ ⃗E + ⃗v )cc × ⃗B .Für die zeitliche Komponente giltu µ K µ = γK 0 − γ c ⃗v ⃗K = 0,K 0= 1 c ⃗v ⃗K,und dahermc 2 d ds u0= mc 2 d ds γ = 1 c qγ ⃗E⃗v.Somit:mc 2 d ds (γ) = γq ⃗E ·⃗v c ,mc 2 d (γ ⃗v ) (= γq ⃗E + ⃗v )ds cc × ⃗B .90


Die linke Seite lautet kovariant geschriebenmc 2 d ds uµSetzt man nunF µν =⎛⎜⎝0 −E x −E y −E zE x 0 −B z B yE y B z 0 −B xE z −B y B x 0⎞⎟⎠so istF µν u ν ==⎛⎜⎝⎛⎜⎝0 −E x −E y −E zE x 0 −B z B yE y B z 0 −B xE z −B y B x 0γ⃗E ⃗v cγE x + γ c (vy B z − v z B y )γE y + γ c (vz B x − v x B z )γE z + γ c (vx B y − v y B x )⎞⎛⎟⎜⎠⎝⎞(⎟⎠ = γγ−γ vxc−γ vyc−γ vzc⎞⎟⎠⃗E ⃗v c⃗E + ⃗v c × ⃗B).Daher kann man schreibenmc 2 d ds uµ= qF µν u νDie linke Seite transformiert sich wie ein kontravarianter Vektor unter der Lorentzgruppe, u νtransformiert wie ein kovarianter Vektor, daher muß sich F µν wie ein Tensor zweiter Stufe transformieren:F ′ µν= Λ µ ρΛ ν σ FρσF µν nennt man den Feldstärketensor. Die elektrischen und magnetischen Felder erhält man ausF µν durchBemerkung: F µν ist anti-symmetrisch:E i = F i 0 = −F 0 i ,B i = − 1 32∑ ε i jk F jk .j,k=1F µν = −F νµ .91


4.4.2 Die Kontinuitätsgleichung und die ViererstromdichteDie Kontinuitätsgleichung lautet∂∂t ρ(t,⃗x)+⃗ ∇ ·⃗j(t,⃗x) = 0.Sie gilt in jedem Koordinatensystem. Sie läßt sich mit( )j µ = cρ,⃗jauch als∂ µ j µ = 0.( )Nun ist ∂ µ = 1c ∂∂t ,⃗ ∇ ein kovarianter Vierervektor und ∂ µ j µ ein Skalar. Daher transformiert sichj µ wie ein kontravarianter Vierervektor.4.4.3 Die Maxwellschen GleichungenDie homogenen Maxwellschen Gleichungen:Wir betrachten⃗ ∇ ·⃗B(t,⃗x) = 0,⃗ ∇ × ⃗E(t,⃗x)+ 1 ∂c ∂t ⃗ B(t,⃗x) = 0.∂ λ F µν + ∂ µ F νλ + ∂ ν F λµ = 0Setzen wir λ = 1, µ= 2 und ν = 3 so erhalten wir∂ 1 F 23 + ∂ 2 F 31 + ∂ 3 F 12 = 0,− ∂ ∂x (−Bx ) − ∂ ∂y (−By ) − ∂ ∂z (−Bz ) = 0,⃗ ∇ ⃗B = 0.Dies ist die erste Maxwellsche Gleichung. Jede Permutation von (λ,µ,ν) = (1,2,3) liefert dieseGleichung. Sei nun λ = 0, µ= 1 und ν = 2. Dann erhalten wir∂ 0 F 12 + ∂ 1 F 20 + ∂ 2 F 01 = 0,1 ∂c ∂t (−Bz ) − ∂ ∂x Ey − ∂ ∂y (−Ex ) = 0,∂∂x Ey − ∂ ∂y Ex + 1 ∂c ∂t Bz = 0.92


Dies ist die z-Komponente der zweiten Maxwellschen Gleichung. Die x- sowie die y-Komponenteerhalten wir für (λ,µ,ν) = (0,2,3) bzw. (λ,µ,ν) = (0,3,1). Somit lassen sich die ersten beidenMaxwellschen Gleichungen zu∂ λ F µν + ∂ µ F νλ + ∂ ν F λµ = 0zusammenfassen. Mit Hilfe des anti-symmetrischen Tensors ε µνρσ und wegen der Antisymmetrievon F µν kann dies auch alsgeschrieben werden.Die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen:ε µνρσ ∂ ν F ρσ = 0Wir betrachten⃗ ∇ ·⃗E(t,⃗x) = 4πρ(t,⃗x),⃗ ∇ × ⃗B(t,⃗x) − 1 ∂c ∂t ⃗ E(t,⃗x) = 4π c ⃗ j(t,⃗x).∂ µ F µν = 4π c jν .Für ν = 0 haben wir∂ 0 F 00 + ∂ 1 F 10 + ∂ 2 F 20 + ∂ 3 F 30Dies ist die dritte Maxwellsche Gleichung.∂∂x Ex + ∂ ∂y Ey + ∂ ∂z Ez⃗ ∇ ·⃗E= 4πρ,= 4πρ,= 4πρ.Für ν = 1 erhalten wir∂ 0 F 01 + ∂ 1 F 11 + ∂ 2 F 21 + ∂ 3 F 31 = 4π c jx ,1 ∂c ∂t (−Ex )+ ∂ ∂y Bz + ∂ ∂z (−By ) = 4π c jx ,∂∂y Bz − ∂ ∂z By − 1 ∂c ∂t Ex = 4π c jx .Dies ist die x-Komponente der vierten Maxwellschen Gleichung Die y- bzw. z-Komponente erhaltenwir für ν = 2 bzw. ν = 3. Somit ist gezeigt, daß sich die inhomogenen MaxwellschenGleichungen zu∂ µ F µν= 4π c jνzusammenfassen lassen.93


4.4.4 ViererpotentialEs wurde schon gezeigt, daß sich die homogenen Maxwellschen Gleichungen durch die Einführungeines skalaren Potentials Φ und eines Vektorpotentials ⃗A identisch erfüllen lassen. ZurErinnerung:⎛⃗E(t,⃗x) = − ⃗ ∇Φ(t,⃗x) − 1 − ∂∂c ∂t ⃗ ∂x⎜Φ − ⎞1c ∂ ∂t AxA(t,⃗x) = ⎝ − ∂ ∂y Φ − 1 c ∂ ∂t Ay ⎟⎠,− ∂ ∂z Φ − 1 c ∂ ∂t Az⃗B(t,⃗x) = ⃗ ∇ ×⃗A(t,⃗x) =Wir betrachten nun das Viererpotentialund berechnen⎛⎜⎝A µ =∂ µ A ν − ∂ ν A µ .∂∂y Az − ∂ ⎞∂z Ay∂∂z Ax − ∂ ⎟∂x Az ⎠∂∂x Ay − ∂ ∂y Ax( )Φ,⃗AZur Erinnerung:∂ µ A ν − ∂ ν A µ ==∂ µ =( 1c)∂∂t ,−⃗ ∇⎛1 ∂0c ∂t Ax + ∂ ∂x Φ 1 c ∂ ∂t Ay + ∂ ∂y Φ 1 c ∂ ∂t Az + ∂ ∂z Φ− ∂ ∂x Φ − 1 c ∂ ∂t Ax 0 − ∂ ∂x Ay + ∂ ∂y Ax − ∂ ∂x Az + ∂ ∂z Ax⎜⎝ − ∂ ∂y Φ − 1 c ∂ ∂t Ay − ∂ ∂y Ax + ∂ ∂x Ay 0 − ∂ ∂y Az + ∂ ∂z Ay− ∂ ∂z Φ − 1 c ∂ ∂t Az − ∂ ∂x Ay + ∂ ∂y Ax − ∂ ∂z Ay + ∂ ∂y Az 0⎛0 −E x −E y −E z ⎞⎜ E x 0 −B z B y⎝ E y B z 0 −B x ⎟⎠ = FµνE z −B y B x 0Somit haben wir gezeigt, daß sich der Feldstärketensor durchF µν = ∂ µ A ν − ∂ ν A µ⎞⎟⎠darstellen läßt.Bemerkung: Die homogenen Maxwellschen Gleichungen sind identisch erfüllt:ε µνρσ ∂ ν F ρσ= ε µνρσ ∂ ν (∂ ρ A σ − ∂ σ A ρ ) = 2ε µνρσ ∂ ν ∂ ρ}{{}symmetrischA σ = 0.94


Einsetzen in die inhomogenen Gleichungen liefertDie Bedingung für die Lorenz-Eichung lauteteDies läßt sich kovariant als✷A ν − ∂ ν ∂ µ A µ = 4π c jν .1c∂∂t Φ+⃗ ∇⃗A = 0.∂ µ A µ = 0schreiben, und gilt daher, wenn sie in einem Bezugssystem gültig ist, auch in allen anderen. DieLorenz-Eichung ist eine kovariante Eichung.Bemerkung: Die Wahl einer Eichung muß nicht notwendiger Weise kovariant sein. Ein Gegenbeispielist die Coulomb-Eichung, die in einem Koordinatensystem K durch⃗ ∇ ·⃗A = 0definiert ist. In einem zu K bewegten Bezugssystem K ′ gilt im allgemeinen⃗ ∇′ ·⃗A ′ ≠ 0In der Lorenz-Eichung (∂ µ A µ ) lauten die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen✷A µ = 4π c jµ .4.4.5 Zusammenfassung der kovarianten FormulierungDefinition des Feldstärketensors:Maxwellsche Gleichungen:F µν =⎛⎜⎝0 −E x −E y −E zE x 0 −B z B yE y B z 0 −B xE z −B y B x 0⎞⎟⎠∂ λ F µν + ∂ µ F νλ + ∂ ν F λµ = 0,∂ µ F µν = 4π c jν ,wobei j µ = (cρ,⃗j).Lorentz-Kraft:mc 2 d ds uµ= qF µν u ν95


Vierer-Potential:A µ =( )Φ,⃗AF µν = ∂ µ A ν − ∂ ν A µ .Die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen:✷A ν − ∂ ν ∂ µ A µ = 4π c jν .Lorenz-Eichung:∂ µ A µ = 0Die inhomogenen Maxwellschen Gleichungen in der Lorenz-Eichung:✷A ν = 4π c jν .96

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!