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man auf einer Seite stehen, findet einen Gedanken, der nicht nur die Kognition<br />
anspricht, tiefer geht, freut sich an einer Formulierung oder - speziell<br />
beim Lesen von BUBERs Texten - vergegenwärtigt sich im Innehalten,<br />
daß diese auf rund 120 Seiten konzentrierten Aussagen über Dialogik zumindestens<br />
sieben Jahre Entstehungszeit brauchten, von 1916 bis 1923 (die<br />
mittelbare Vorbereitung nicht gerechnet) (WEHR 1992, S. 137 f.). Innehalten<br />
in der Begegnung, beim Dialog mit einem kleinen Textabschnitt, ist<br />
möglicherweise eine kleine Ahnung vom Sabbat.<br />
1.3 Zur Intention des Dialogischen Prinzip<br />
„Ich werde am Du; Ich werdend spreche ich Du. Alles wirkliche Leben ist<br />
Begegnung.“ (BUBER 1992, S. 15) Der letzte Satz wurde 1959 von F.O.<br />
BOLLNOW aufgegriffen, um den Anhaltspunkt „Begegnung“ im Konzept der<br />
unstetigen Formen der Erziehung zu entfalten (siehe oben). Er bezog sich<br />
damit auf das Dialogische Prinzip Martin BUBERs. Was wollte Martin<br />
BUBER mit diesem Dialogischen Prinzip beschreiben? Ging es ihm um naturwissenschaftlich<br />
abgesicherte Grundwahrheiten menschlicher Existenz,<br />
oder um eine umfassende Darlegung sozio-kultureller Entwicklungsfaktoren?<br />
Wollte er eine neue Philosophie oder gar Religion gründen oder<br />
eine alte verteidigen? BUBER gibt darauf an mehreren Stellen Auskunft.<br />
Hier sollen zwei Aussagen hervorgehoben werden:<br />
1. Er sah sich nicht als Vertreter einer Lehre und erhob auch nicht den Anspruch<br />
einer vollständigen Erklärung. „Ich muß immer wieder sagen:<br />
Ich habe keine Lehre. Ich zeige nur etwas. Ich zeige Wirklichkeit. Ich<br />
zeige etwas an der Wirklichkeit, was nicht oder zu wenig gesehen worden<br />
ist. Ich nehme ihn, der mir zuhört, an der Hand und führe ihn zum<br />
Fenster. Ich stoße das Fenster auf und zeige hinaus. Ich habe keine Lehre,<br />
aber ich führe ein Gespräch.“ (1992, hinterer Klappentext)<br />
„Wirklichkeit zeigen“ heißt, etwas zeigen, was „wirkt“, dessen Wirken<br />
nicht anhand rudimentärer Spuren und erklärender Theorien von Anthropologen<br />
und Historikern nachgewiesen werden muß, sondern was<br />
gegenwärtig, direkt und authentisch wahrgenommen werden kann.<br />
Etwas, was gemeinsam wahrgenommen und in Gesprächen verarbeitet<br />
werden kann. BUBERs Anspruch ist nicht total, denn er zeigt „etwas“.<br />
Dieses etwas, so hat er festgestellt, ist bis zu dem Zeitpunkt „nicht oder<br />
zu wenig“ beachtet worden.