Dokument 5.pdf - oops
Dokument 5.pdf - oops
Dokument 5.pdf - oops
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
246<br />
Die am Anfang des Kapitels gestellte Frage kann so beantwortet werden: Es<br />
bestand in der Nachkriegszeit und es besteht auch aktuell, die begründete<br />
Forderung nach einem umfassend gegründeten Welt- und Menschenbild in<br />
der Pädagogik, und dieses Menschenbild soll sich nicht an den Interessen<br />
von Ideologien und unterschiedlichen Professionen wie Pädagogik oder<br />
Medizin ausrichten, sondern den (behinderten) Menschen mit seinen existentiellen<br />
Voraussetzungen in seinen Mittelpunkt stellen. Dieses Menschenbild<br />
kann kein geschlossenes, es muß ein offenes sein.<br />
Während Martin BUBER das Dialogische Prinzip, auf das nachfolgend eingegangen<br />
werden wird, schon im ersten Viertel dieses Jahrhunderts entwikkelte,<br />
erfuhr die Dialogik mit Emmanuel LÉVINAS nach der geschichtlichen<br />
Erfahrung der Shoah im Faschismus eine Erweiterung in der Nachkriegszeit,<br />
die hier, wegen der Nähe zur Frage nach der Notwendigkeit einer<br />
anthropologisch-philosphischen Begründung für die Pädagogik, kurz<br />
erwähnt werden soll. LÉVINAS betont neben der Abhängigkeit der Seins-<br />
Werdung von der dialogischen Begegnung mit dem anderen den Aspekt der<br />
„Ethik“. Indem das Ich dem Du begegnet, stellt sich die Frage der „Herrschaft“<br />
des einen über den anderen. In dieser Machtfrage ist die „ethische<br />
Bedeutung des Nächsten“ (S. 20) enthalten. LÉVINAS sieht in der Begegnung<br />
zwischen Menschen das Problem von Herrschaft, die verbunden mit<br />
Gewalt zum Mord führen kann: „Der Nächste ist das einzige Wesen, das<br />
ich töten wollen kann. Ich kann wollen ... (aber) ... Im gleichen Moment, wo<br />
meine Fähigkeit zu töten umgesetzt wird, ist mir der Nächste schon entwischt.<br />
... Ich habe ihm nicht ins Gesicht gesehen, ich bin nicht seinem<br />
Antlitz begegnet. ... Dem Nächsten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen<br />
heißt, nicht töten können“ (1995, S. 21 f.)<br />
So beschreibt das Dialogische eine anthropogene Seinsvoraussetzung, aber<br />
sie ist nur mit der ethischen Bedeutung des Nächsten vollständig beschrieben.<br />
Diese ethische Ebene, die das Problem der menschlichen Freiheit umfaßt,<br />
zwischen „gut“ und „böse“ unterscheiden zu können und zu müssen,<br />
betont E. LÉVINAS (dazu auch STINKES 1993, S. 84 ff.; SCHULZ 1995, S. 104<br />
ff.). Seine Sicht der Begegnung zwischen ICH und DU wird weiter unten<br />
die BUBERschen Gedanken in dieser Arbeit ergänzen.<br />
Die Interviews bestätigen ebenfalls die Notwendigkeit einer Welt- und Menschenbildklärung.<br />
Zur Erinnerung daran und stellvertretend für die anderen<br />
sollen hier CB.IB. zu Wort kommen. Ein Merkmal ihres Interviews war die<br />
Reflexion der „Verantwortung“, die die Erziehenden, Lehrenden, Pflegenden,<br />
Therapeuten und Förderer gegenüber den von ihnen Abhängigen ha-