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Es sind auch schlichte biologische Prozesse, welche die dialogische Begegnung<br />
einschränken, BUBER meint: „In bloßer Gegenwart läßt sich nicht leben,<br />
sie würde einen aufzehren, wenn da nicht vorgesorgt wäre, daß sie<br />
rasch und gründlich überwunden wird. Aber in bloßer Vergangenheit läßt<br />
sich leben, ja nur in ihr läßt sich ein Leben einrichten. Man braucht nur jeden<br />
Augenblick mit Erfahren und Gebrauchen zu füllen, und er brennt<br />
nicht mehr. Und in allem Ernst der Wahrheit, du: ohne Es kann der Mensch<br />
nicht leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht der Mensch“ (BUBER<br />
1992, S. 38).<br />
Die Dialogik der ICH-DU-Beziehungen findet ihre Erfüllung im Dialog mit<br />
dem ewigen DU, „das seinem Wesen nach nicht Es werden kann“: „Die<br />
verlängerten Linien der Beziehungen schneiden sich im ewigen DU“<br />
(BUBER 1992, S. 76).<br />
Emmanuel LÉVINAS differenziert diesen Akt des Beziehungsstrebens. Während<br />
bei BUBER das erste zwecklose Suchen und Greifen der „weichen Handentwürfe<br />
in die leere Luft“ (BUBER 1992, S. 29 f.) als Beziehungsstreben<br />
gedeutet wird, sieht LÉVINAS den Beginn der Existenz des ICH in der Sorge<br />
um die Existenzabsicherung. Eine Sorge mit dem Ziel, sich der Sorge um<br />
das Sein zu entledigen. „Sein als Sein, das heißt zunächst, sich um das Sein<br />
zu sorgen, ... um als Seiendes - ohne Sorge um das Sein zu sein“ (1995, S.<br />
8). Das ICH steht somit erst einmal im Zentrum der eigenen Bemühungen.<br />
Es geht im Sein um die Erhaltung des Seins, Erhaltung bis zur Befreiung<br />
von der Daseinssorge. Somit muß das ICH eine intuitive und implizite Ahnung<br />
von seinen existentiellen Bedürfnissen und deren Absicherung haben,<br />
und es muß den Zustand der Sorglosigkeit erahnen können. Eine große - für<br />
diesen Handentwurf eigentlich unlösbare - Aufgabe wird da in den Seins-<br />
Mittelpunkt gestellt; das alles erst einmal ohne DU, ohne Gegenüber,<br />
„autistisch“ und an Objekte gebunden - Objekte, deren Sinn in der Existenzabsicherung<br />
des Seins (ICH) besteht.<br />
- Plötzlich - denn an dieser Stelle ist das ICH noch nicht ICH - es ist einfach<br />
Seiendes mit Intuition und ICH-Entwürfen - beginnt im Sosein das Dasein<br />
des anderen als „existentielles Abenteuer“. Dieses Abenteuer verschiebt<br />
die autistischen Perspektiven des sorgenfreien Seins. Die Sorge um<br />
das Antlitz gegenüber beinhaltet schwindelerregend mehr als die Beherrschung<br />
der Objekte. Die Begegnung mit dem Gegenüber beinhaltet die<br />
Chance der gemeinsamen Menschwerdung. In dieser Situation der Antwort<br />
auf den Anderen, der Übernahme von Verantwortung für das „Zwischenuns“,<br />
den Anderen und das Selbst, ereignet sich Ethik. LÉVINAS formuliert