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Der integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan konkret - IBRP

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[ibrp.pdf]Seite 1Petra Gromann<strong>Der</strong> <strong>integrierte</strong> <strong>Behandlungs</strong>- <strong>und</strong><strong>Rehabilitationsplan</strong> <strong>konkret</strong>Ein Lernprogramm für die wesentlichen Schritte der Hilfeplanung<strong>und</strong> die verwendeten InstrumenteWie kann die Beteiligung des Klienten am Hilfeplan aussehen?...... 2Integrierte Hilfeplanung als Prozess:<strong>Der</strong> Übersichtsbogen A ......... 3<strong>Der</strong> Einstieg in die Hilfeplangespräche ....................................... 5Die Rollen „K<strong>und</strong>e“, „Besucher“ <strong>und</strong> „Kläger“ .............................. 5Einführung in die ersten Schritte der Hilfeplanung ....................... 7Was ist die gewünschte Lebensform? .......................................10Die Nutzung des Bogens B „Beschreibung der gegenwärtigen <strong>und</strong> /oder der angestrebten Wohnform ............................................11<strong>Der</strong> Bogen C zur „gewünschten Tätigkeitsform“ .........................12<strong>Der</strong> Übersichtsbogen A ...........................................................13Anleitung zur Spalte „Aktuelle Problemlagen“ ............................13Anleitung zur Spalte „Ziele“ .....................................................14Die Kunst der <strong>konkret</strong>en <strong>und</strong> realistischen Formulierungvon Zielen ............................................................................15Goal Attainment Scaling .........................................................19Anleitung zur Spalte „Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong>Beeinträchtigungen“ ...............................................................24Ausfüllen der Spalte „Hilfen“ ...................................................25Umgang mit Netzwerken <strong>und</strong> allgemeinen sozialen Hilfen:aktivierbare nichtpsychiatrische Hilfen ......................................26Anleitung zur Spalte: „Vorgehen“ .............................................29Anleitung zur Spalte: „Erbringung durch ...“ ..............................30Leistungsbereiche des Gemeindepsychiatrischen Verb<strong>und</strong>es –Hilfen für die Zuordnung .........................................................31<strong>Der</strong> Klient will oder kann sich nicht beteiligen – was tun? ............35Neue Klienten im gemeindepsychiatrischen Netz ........................36Sicherstellen personeller Kontinuität bei der Koordination ...........37Unterschiede dokumentieren ...................................................39Förderung der Teilnahme anderer Professioneller an Gesprächen/Hilfeplangesprächen ...............................................................40Schweigepflicht <strong>und</strong> Datenschutz .............................................41Evaluation ............................................................................ 41© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 1 von 41


[ibrp.pdf]Seite 2EinführungDie Gr<strong>und</strong>lage der Integrierten <strong>Behandlungs</strong>- <strong>und</strong> Rehaplanung sind die Wünsche,Vorstellungen <strong>und</strong> Bedarfe der Klientin oder des Klienten. Die Planung soll mit ihr /mit ihm zusammen entwickelt werden. Es muss in jedem Fall nach geeigneten Wegengesucht werden, wie sich Klienten selbst an der Hilfeplanung beteiligen können <strong>und</strong>wie vertraute Menschen aus ihrem persönlichen Umfeld daran beteiligt werden können.Dies gilt auch für die gesetzlichen Betreuer (hier Verweis auf kurzen Text zum Betreuungsrecht),wenn deren Wirkungskreis entsprechend festgelegt wurde. Die gemeinsamePlanung besteht im wesentlichen aus Gesprächen.Auf der CD oder unter wwww.ibrp-online.de fi nden Sie einen solchenGesprächsbeginn als Video.Wie kann die Beteiligung des Klientenam Hilfeplan aussehen?Gerade wenn in einem Dienst oder einer Einrichtung mit Hilfeplanung mit dem<strong>IBRP</strong> begonnen wird, schrecken einige (durchaus auch erfahrene Mitarbeiter) davorzurück, Klientinnen <strong>und</strong> Klienten selbst die Bögen mit ausfüllen zu lassen. Im Vordergr<strong>und</strong>der Bedenken steht dabei meistens die Belastung, die ein so detailliertes Benennender Schwierigkeiten <strong>und</strong> des jetzigen Standes bei psychiatrieerfahrenen Menschendarstellt.Ein weiteres Argument ist, welche unrealistischen Hoffnungen bei den Klientengeweckt werden, wenn sie nach ihren Wünschen <strong>und</strong> Bedarfen gefragt werden. Diesesind ja meist unmittelbar nicht einzulösen <strong>und</strong> – das ist die Befürchtung – das ganzeVerfahren könnte in bitteren Enttäuschungen enden.Auch haben manche Mitarbeiter die Befürchtung, dass sie ihre gute Beziehung zuden Klienten aufs Spiel setzen. Wenn Sie mit einer Klientin gemeinsam planen, müssensie ja auch ihre Sicht der Situation , ihre Einschätzung der Person deutlich machen. Mitarbeitermüssen sich also in diesem Verfahren erklären. Die eigene Sicht – gerade wenndiese von der Sicht der Klienten abweicht – ist schwierig zu formulieren.Am Ende des Verfahrens – nach ihrer ersten praktischen Hilfeplanung sollten Siediese Bedenken nochmals an ihren Erfahrungen überprüfen.Falls Sie diese oder andere Einwände, Befürchtungen oder Bedenken in ihrem Teamvorhanden sind, schlagen wir Ihnen vor, in einer Gesprächsr<strong>und</strong>e die Gedanken der einzelnenTeammitglieder auszusprechen. Sie sollten dann die Bedenken in einer Art Protokollfestzuhalten <strong>und</strong> eine Verabredung zu treffen, wie nach einer Erprobungsphasediese Befürchtungen an den eigenen Erfahrungen diskutiert werden können. UnsererErfahrung nach sind diese Argumente nämlich nicht vorab auszudiskutieren.Die gr<strong>und</strong>legende Verfahrensregel lautet: Das gemeinsame Bearbeiten der Bögenbesteht im Wesentlichen aus Gesprächen.Die Gesprächsergebnisse werden in den Bögen dokumentiert <strong>und</strong> von der Klientinbzw. dem Klienten nochmals überprüft.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 2 von 41


[ibrp.pdf]Seite 3Dies bedeutet, dass Mitarbeiter die Systematik der Bögen gut kennen müssen.Deshalb werden wir Ihnen jetzt auch zunächst die einzelnen Bögen vorstellen.Die Bögen sind auch als ein Gesprächsleitfaden zu verstehen. Wie bei so genannten„offenen“ Interviews können die Beteiligten auch auf die Unterlagen sehen oder Übersichten(z.B. Manual „Wohnformen“) als Gesprächsanregung nutzen.Wie das Verfahren insgesamt, so verlaufen auch die Hilfeplanungsgespräche individuellunterschiedlich. Für manche Klientinnen <strong>und</strong> Klienten ist es wichtig, selbst dieBögen in der Hand zu haben, für andere ist dies geradezu gesprächsverhindernd. MancheKlienten sitzen überhaupt nicht gerne <strong>und</strong> so werden Hilfeplangespräche beim Spazierengehengeführt. Gr<strong>und</strong>satz ist dabei, das „Setting“ weitgehend an den Klientenzu orientieren. Dies trifft auf Zeit, Ort <strong>und</strong> Beteiligte an diesen Terminen zu. Häufigkönnen sich Klientinnen <strong>und</strong> Klienten nur geringe Zeit konzentrieren. Es ist hilfreich,dann gleich mehrere kurze Treffen zu vereinbaren. Alle diese Maßnahmen wirken denBelastungen entgegen.Um ein Hilfeplanungsgespräch mit Ihrer Klientin oder ihrem Klienten zu führen,müssen Sie die Systematik der Bögen genauer kennenlernen.Im Folgenden üben wir an einzelnen Beispielen, wie diese Bögen auszufüllen sind.Integrierte Hilfeplanung als Prozess:<strong>Der</strong> Übersichtsbogen A:Bitte laden Sie sich den Bogen A im PDF-Format – sie fi nden Ihnunter Downloads.<strong>Der</strong> Übersichtsbogen A – auch BogenA genannt – besteht aus verschiedenenSpalten. Diese versuchen, einen ProzessvorzugebenAuch hier gilt der personenbezogeneAnsatz, Sprache <strong>und</strong> Beginn sollen fürdie Klienten angemessen sein.Integrierte Hilfeplanung als ProzessBewertung <strong>und</strong>ggf. Veränderungdes ProzessesFestlegung derProzessverantwortung:Wer koordiniert?GewünschteLebensformAktuelleProblemlageZiele derKlientenWer erbringtwelche gebündelten Hilfen?Festlegung derDurchführungsverantwortungFähigkeiteneinschätzenZuordnungnotwendiger Hilfen:a) nicht psychiatrischeb)psychiatrischeBeeinträchtigungeneinschätzenKonkrete <strong>und</strong>realistische Ziele fürdie vereinbarte Zeitverhandeln© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 3 von 41


[ibrp.pdf]Seite 4SelbstorganisationszirkelAuswertung<strong>und</strong> EvaluationEinschätzung <strong>und</strong>Beschreibung derAusgangssituationErkennungvon Problemen <strong>und</strong>Ressourcen derPersonDurchführungPlanung derindividuellen HilfenFestlegungvon Zielen<strong>Der</strong> den Bögen zugr<strong>und</strong>liegende Prozess (Selbstorganisationszirkel – siehe Schaubild)soll von Ihnen in verständlicher Sprache dargestellt werden: Situation einschätzen,Ziele herausfinden, Möglichkeiten <strong>und</strong> Hindernisse bedenken, Hilfen in der Umgebung<strong>und</strong> von Mitarbeitern herausfinden <strong>und</strong> gemeinsam verabreden. Dies kann mit oderohne Bögen bzw. andere Hilfsmittel geschehen.Vielleicht können Sie das an einem Beispiel aus der Interessenswelt der Klientin /des Klienten tun.Bitte üben Sie das <strong>und</strong> ordnen Sie den einzelnen Beschreibungen derfolgenden Geschichte je einen der passenden Prozesse zu:• Situation einschätzen• Ziele herausfinden• Möglichkeiten, Fähigkeiten <strong>und</strong> Hindernisse bedenken,• Hilfen in der Umgebung <strong>und</strong> von Mitarbeitern herausfinden• Gemeinsames Verabreden von MaßnahmenSie gehen allein an ihrem Urlaubsort wandern. Sie verirren sich in einem großenWald. Es wird langsam dunkel.Sie glauben nicht, dass sie ihr Hotel vor Einbruch der Dunkelheit nocherreichen können. Sie können aber vielleicht vorher noch eine Ortschaftoder eine Waldgaststätte erreichen.Die Lösungen zu denAufgaben finden Sie unterDownlods, Lösungen.Sie haben eine Taschenlampe <strong>und</strong> eine Wanderkarte dabei, wissenaber nur ungefähr, in welchem Waldabschnitt sie sich gerade befinden.Sie haben ziemliche Angst vor der Dunkelheit, aber noch schlimmerbedrückt sie, das sie nicht genau wissen, wo sie gerade sind.Sie beschließen Bis zur nächsten Wegkreuzung zu gehen, um dort anden Wandermarkierungen herauszufinden, wo genau sie sich befinden.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 4 von 41


[ibrp.pdf]Seite 5<strong>Der</strong> Einstieg in die HilfeplangesprächeEine Hilfestellung, um zu erkennen, welcher Einstieg in Hilfeplangesprächeangemessen ist, bietet eine Systematik (nach de Shazer*), die von Mainzer Kollegenangewendet wird: Sie unterscheiden nach drei großen Gruppen:Diejenigen, die gleich Absichten, Wünsche <strong>und</strong> Bedarfe in Bezug auf die Betreuungäußern (K<strong>und</strong>en). Mit ihnen kann man gleich in die Beratung von gewünschterLebensform <strong>und</strong> Zielen einsteigen.Diejenigen, die eher abwartend <strong>und</strong> zögernd kommen („Mal sehen, was die Mitarbeitersich da wieder ausgedacht haben, das werde ich auch noch überstehen“)(Besucher). Hier ist es hilfreich, die „Außenperspektive“ als Einstieg zu nutzen:Kostenträger oder die Gesellschaft will eine Begründung <strong>und</strong> genaue Planung, fürwas das Geld ausgegeben wird.Diejenigen, die sich beschweren <strong>und</strong> beklagen (Kläger). Hier liegt der Einstiegüber die Verabredung von Veränderungen auf der Hand.* Steve de Shazer: <strong>Der</strong> Dreh.Überraschende Wendungen<strong>und</strong> Lösungen in der Kurzzeittherpie.Carl Auer Verlag,8. Aufkage 2004Bitte sehen Sie sich die Beispiel-Videosequenz an zum Thema:Situation einschätzenDie Rollen „K<strong>und</strong>e“, „Besucher“ <strong>und</strong> „Kläger“Bitte lesen Sie sich die folgenden Beispiele durch <strong>und</strong> ordnen siediese den Rollen „K<strong>und</strong>e“ „Besucher“ <strong>und</strong> „Kläger“ zu. Auf derCD-Rom können Sie diese aktiv zuordnen <strong>und</strong> eine Rückmeldungerhalten:Welche Ansprech-Rolle sehen Sie hier?:„Sie haben auf Gr<strong>und</strong> ihrer Erkrankung ein Recht auf Behandlung bzw. ein Rechtauf Hilfe zur Lebensgestaltung <strong>und</strong> Lebensbewältigung. Ich werde mit Ihnen jetztBögen bearbeiten, die ›Individueller <strong>Behandlungs</strong>- <strong>und</strong> Reha-Plan‹ heißen. DieseBögen sollen helfen herauszufinden, welche Art von Hilfe sie genau brauchen. Ichmöchte das mit Ihnen zusammen tun <strong>und</strong> gleichzeitig mit Ihnen überprüfen, ob das,was Sie im Moment bekommen, Ihren Bedürfnissen entspricht. Daraus soll ein Hilfeplanentstehen. In diesem Plan sind die verschiedenen Lebensbereiche Wohnen,Tätigsein, Freizeit <strong>und</strong> Kontakte zusammen enthalten. Er kann aber nur funktionieren,wenn Ihre persönlichen Voraussetzungen <strong>und</strong> ihre Ziele einbezogen werden.“Welche Ansprech-Rolle sehen Sie hier?:„Es gibt bestimmt einige Dinge in der Betreuung, die Ihnen nicht gefallen, die sieeigentlich anderes haben wollen. Um genau herauszufinden, wie es anders sein soll,möchte ich mit Ihnen jetzt einige Bögen besprechen. Bei der Beantwortung derBögen sind Sie selbst nach ihrer Meinung gefragt. Sie sollen mitbestimmen, was Sieanders haben möchten, was Sie erreichen möchten. Wir sprechen über die Bögen<strong>und</strong> ich trage dann ein. Sie lesen anschließend noch mal nach, ob das so stehenbleiben kann. Das Ausfüllen der Bögen benötigt einige Zeit. Wir werden uns vielleichtnochmals verabreden. Deshalb sagen Sie mir bitte, wenn sie sich nicht mehrkonzentrieren können. Wir erarbeiten so gemeinsam einen Hilfeplan, der dann verbindlichabgemacht werden soll.“© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 5 von 41


[ibrp.pdf]Seite 6Welche Ansprech-Rolle sehen Sie hier?:„Ich habe hier einige Fragebögen, die ich mit Ihnen ausfüllen möchte. Es geht um diePlanung der Hilfen, die genau für Ihre Situation passen sollen. Es wird uns einige Zeit<strong>und</strong> Mühe kosten, diese Bögen gemeinsam auszufüllen, aber ich bin sicher, das sichder Aufwand lohnen wird. Die anderen <strong>und</strong> ich werden dann klarer sehen, wie <strong>und</strong> woSie leben wollen <strong>und</strong> welche Unterstützung Sie dafür brauchen. Wir werden uns einigeMale treffen. Wenn es für Sie anstrengend wird oder sie eine Pause brauchen, könnenwir unterbrechen <strong>und</strong> einen neuen Termin vereinbaren. Wenn wir fertig sind, bekommenSie zuerst den Bogen, um alles noch mal in Ruhe durchzulesen.Sie sehen hier einige Bögen auf dem Tisch. Die sollen helfen herauszufinden, wo sie imtäglichen Leben genau Hilfe <strong>und</strong> Unterstützung brauchen. Es geht um Fragen wie: Wo<strong>und</strong> wie möchten Sie wohnen? Soll alles so bleiben oder möchten Sie ihre Lebensumständeverändern? Welche Unterstützung brauchen Sie, um sich selbst zu versorgen?Ist Unterstützung nötig, damit sie aus dem Haus kommen oder mit Ihren Bekanntenzurechtzukommen? Wir besprechen das <strong>und</strong> halten Ihre Wünsche fest. Wir versuchenZiele für die nächsten Monate herauszufinden <strong>und</strong> welche Unterstützung sie dafürbrauchen.“Welche Ansprech-Rolle sehen Sie hier?:„Sie sind der Mittelpunkt dieser Befragung <strong>und</strong> bekommen die Möglichkeit, sich mitIhrem Leben <strong>und</strong> den Folgen Ihrer Erkrankung auseinander zu setzen. Ich finde eswichtig, über die Art, wie Sie leben wollen, <strong>und</strong> ihre Erfahrungen zu sprechen. Damitwir nichts vergessen, möchte ich einiges asufschreiben, dafür sind diese Bögen da. Fürmich ist es wichtig, ihre Erfahrungen zu verstehen, um sie zu unterstützen, ihre Krankheitzu verarbeiten. Auch für Sie ist es wichtig, sich mit den Gedanken zur Zukunft,ihren Stärken <strong>und</strong> Schwächen auseinander zu setzen. Nur so können wir herausfinden,was die passende Hilfe für Sie ist.Was Sie selbst tun können, wo <strong>und</strong> für was Sie noch Unterstützung brauchen, das istThema der Gespräche. Dieser Individuelle <strong>Behandlungs</strong>- <strong>und</strong> Reha-Plan, den wir hierausfüllen, ist eine Zusammenfassung aus unseren Gesprächen. Er soll zu besserenLebensumständen beitragen <strong>und</strong> alle Hilfen, die sie bekommen, miteinander abstimmen.“Welche Ansprech-Rolle sehen Sie hier?:„Sie (<strong>und</strong> wir) haben gestern Post vom Kostenträger bekommen, der Ihren Aufenthalt<strong>und</strong> Ihren Platz hier finanziert. Darin bittet der Kostenträger um einen Bericht über dieEntwicklung im letzten Jahr <strong>und</strong> fragt, welche Perspektiven sich ergeben sollen. Dasist nicht so einfach zu beantworten, weil ja ein genauer Plan für die nächste Zeit gefordertist. Deshalb möchte ich mit Ihnen diese Bögen ausfüllen, damit wir einen solchenPlan gemeinsam entwickeln können.“Die Lösungen fi nden Sie unter downloads, Lösungen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 6 von 41


[ibrp.pdf]Seite 7Einführung in die ersten Schritteder HilfeplanungMit den ersten Schritten der Hilfeplanung ist gemeint:• die Nutzung des Anamnesebogens bzw. Integration anderer Anamnesebögen,• das Feststellen oder gemeinsame Herausfinden der gewünschten Lebensform,• die Zusammenfassung der Problemlage,• die Formulierung von Zielen,• die Einschätzung von Fähigkeiten <strong>und</strong>• die Einschätzung von Beeinträchtigungen.Wir schlagen vor, zunächst die Bögen an jeweils unterschiedlichen Beispielen zubearbeiten. Äußerst hilfreich ist es, wenn Sie sich auf folgende Rolle bei der Bearbeitungder Bögen einstimmen:„Ich bin eine Fachkraft in einer Beratungsstelle. Zu mir können alle psychisch krankenoder seelisch behinderten Menschen der Region kommen, um herauszufinden, welcheHilfen Sie benötigen um so leben zu können, wie sie möchten. Selbstverständlichmüssen die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten mit beteiligt werden, aber es macht auch Sinn,die Informationen, die ich als Fachkraft habe, für mich zu ordnen <strong>und</strong> Hilfeplangesprächevorzubereiten.“Sie werden im Folgenden immer wieder aufgefordert, etwas aufzuschreiben oderNotizen zu ordnen. Gr<strong>und</strong>sätzlich sollten ihre Notizen• möglichst <strong>konkret</strong> <strong>und</strong> nachvollziehbar formuliert sein,• möglichst eindeutig zugeordnet sein, d.h. tatsächlich eine 0 eintragen, wenn dasItem nicht zutrifft oder nicht notwendig ist.<strong>Der</strong> <strong>IBRP</strong> <strong>und</strong> die Hilfsmittel sind keine Bögen zum „Abhaken“. Es ist nötig, sieauch kreativ zu nutzen; begründetes Hinzufügen <strong>und</strong> Weglassen ist erwünscht <strong>und</strong>möglich.Die Bögen sind Hilfsmittel, um im Sinne einer subjektorientierten <strong>und</strong> personenbezogenenHaltung die Frage nach dem persönlichen Hilfebedarf <strong>und</strong> darauf aufbauender,mit allen Beteiligten abgestimmten Hilfeplanung beantworten zu können.<strong>Der</strong> <strong>IBRP</strong> soll das personenbezogene Verhandeln fördern <strong>und</strong> dafür eine systematischeGr<strong>und</strong>lage geben.Bitte öffnen Sie sich zunächst den Anamnesebogen. Wenn es ihnen unvertraut ist,einen so komplexen Bogen sich auf dem Bildschirm anzusehen, drucken Sie ihn jetztaus <strong>und</strong> sehen Sie sich diesen Bogen in der Papierform an.Falls Sie bereits Mitarbeiterin / Mitarbeiter einer psychiatrischen Einrichtung sind,vergleichen sie den dort verwendeten Bogen mit dem hier Vorgeschlagenen. In weitenTeilen werden die hier nachgefragten Informationen identisch sein. Markieren Sie sichin unserem Vorschlag, welche Fragen für Sie neu sind.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 7 von 41


[ibrp.pdf]Seite 8Bitte lesen Sie sichden folgenden Beispielfall durch:Beispielfall: Frau Mauer wird nachts von der Polizei in die psychiatrische Klinik gebracht, nachdemdas Städtische Krankenhaus die Aufnahme verweigert hat. Sie gilt dort nach mehreren Aufnahmen als„hoffnungsloser“ Fall, akute Lebensgefahr liegt nach Einschätzung des aufnehmenden Arztes im Allgemeinkrankenhausnicht vor. Frau Mauer hat Prellungen am ganzen Körper <strong>und</strong> Schnittw<strong>und</strong>en anden Handgelenken <strong>und</strong> Unterarmen. Ihr körperlicher Zustand ist schlecht, sie ist abgemagert, hat alteSchnittnarben an Armen <strong>und</strong> Händen, sie wirkt ungepflegt <strong>und</strong> riecht stark nach Alkohol.Frau Mauer wirkt verschlossen <strong>und</strong> verstört, sie spricht kaum, ist aber zeitlich <strong>und</strong> örtlich orientiert. Siemacht folgende Angaben:Name: Helga Mauer, 28 Jahre. Wohnort: keiner. Zuletzt hat sie auf einem wilden Campingplatz am Stadtrandwechselnd bei verschiedenen Bekannten übernachtet. Sie hat keine Papiere, keine persönliche Habe<strong>und</strong> ist mittellos. Sie besitzt nur die Kleidung, die sie trägt; diese ist für die Witterung zu dünn, abgetragen<strong>und</strong> sehr verschmutzt.Frau Mauer lässt sich freiwillig stationär aufnehmen. Sie ist ärztlich untersucht worden, weitergehendePlanungen wurden zurückgestellt. Im Team wurde eine Bezugstherapeutin festgelegt. Diese hat mit FrauMauer Kontakt aufgenommen <strong>und</strong> für den nächsten Tag ein längeres Gespräch verabredet.Frau Mauer ist vom Krankenhaus mit Kleidung <strong>und</strong> Waschzeug versorgt worden. Sie hat die ersten beidenTage fast ausschließlich geschlafen, viel gegessen <strong>und</strong> weder mit Mitarbeitern noch mit Mitpatientenmehr als das Nötigste gesprochen.Folgende Informationen haben sich bei Nachfragen von Mitarbeitern ergeben:Sie ist in verschiedenen Heimen aufgewachsen <strong>und</strong> zweimal in Pflegefamilien gewesen. Mit 18 lernte sieihren ehemaligen Mann kennen <strong>und</strong> heiratete ihn, als sie schwanger war. Nach fünf Jahren Ehe folgteScheidung auf Betreiben des Ehemannes, der dann das Sorgerecht für den Sohn gerichtlich zugesprochenbekam <strong>und</strong> jeden Kontakt von Frau Mauer zu ihm <strong>und</strong> dem Sohn ablehnt.Nach der Scheidung war sie wohnungslos <strong>und</strong> hatte verstärkte Alkoholprobleme. Eine Berufsausbildunghat Frau Mauer nicht, sie hat manchmal gejobbt, aber in der letzten Zeit nicht mehr.Bitte versuchen Sie jetzt, die Informationen aus diesem Beispieltext in den Anamnesebogeneinzutragen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 8 von 41


[ibrp.pdf]Seite 9In einem zweiten Schritt formulieren Sie bitte, welche Informationen sie in einemGespräch mit Frau Mauer noch erfragen müssten (als Liste der Angaben formulieren,am schnellsten geht das mit den Ziffern).Weitere Informationen zu Frau Mauer: Frau Maurer lebte in den ersten drei Lebensjahren bei Mutter<strong>und</strong> Großmutter; über den Vater ist nichts bekannt. Die Mutter arbeitete bei einer Reinigungsfirma,abends half sie oft in einer Gaststätte. Frau Mauer berichtet, das die Mutter stark getrunken habe. DieGroßmutter habe sie versorgt, sehr gemocht <strong>und</strong> habe sie verwöhnt.Nach dem Tod der Großmutter kam sie in ein Kinderheim, da die Mutter mit der Versorgung des Kindesüberfordert war. Als 6-jährige nahm sie eine Pflegefamilie auf, nach dem plötzlichen Tod des Pflegevatersaber musste sie wieder zurück ins Heim.Mit elf Jahren erfolgte wieder ein Wechsel in eine Pflegefamilie, die eine etwas jüngere eigene Tochterhatte. Es gab sehr viele Schwierigkeiten. Frau Mauer fühlte sich zurückgesetzt, die Pflegemutter klagteüber störrisches Verhalten <strong>und</strong> fehlende Mithilfe. Nach sechs Monaten kam sie ins Heim zurück <strong>und</strong> bliebdort bis zum 18. Lebensjahr.Frau Mauer besuchte eine staatliche Schule bis zum Hauptschulabschluss. Sie war keine gute Schülerin<strong>und</strong> hatte wenig Kontakte in der Klasse <strong>und</strong> zu den Lehrern. Nach dem Schulabschluss begann sie eineLehre im Einzelhandel, die sie auf Gr<strong>und</strong> der Schwangerschaft abbrach.Während ihrer Ehe <strong>und</strong> auch nach der Scheidung übernahm sie st<strong>und</strong>enweise Aushilfstätigkeiten, zeitweiligauch in einer Fabrik. Diese Beschäftigungsverhältnisse wechselten jedoch häufig, im letzten Jahrhatte sie gar keine Arbeit.Frau Mauer berichtet, das die Ehe sehr schwierig gewesen sei. Sie habe es ihrem Mann <strong>und</strong> der bei ihnenlebenden Schwiegermutter nicht recht machen können. Den kleinen Sohn habe man ihr immer mehr entfremdet.Sie habe dann häufig Alkohol getrunken <strong>und</strong> sich auch öfter selbst verletzt. Nach fünf Jahrenhabe der Mann die Scheidung eingereicht <strong>und</strong> das Sorgerecht bekommen. Er sei inzwischen wieder verheiratet<strong>und</strong> habe zwei weitere Kinder.Zur Mutter von Frau Mauer besteht seit Jahren keinerlei Kontakt.Vorgeschichte der Erkrankung: Nach dem Tod der Großmutter fühlte sich Frau Mauer einsam <strong>und</strong> verlassen.Sie zog sich immer mehr zurück, war oft traurig <strong>und</strong> konnte sich im Kinderheim nicht einleben. Indieser Zeit dachte sie oft, dass sie auch lieber tot wäre, wie die Großmutter.In den folgenden Jahren wuchs ihre innere Überzeugung, niemand könnte sie gern haben, sie sei wertlos<strong>und</strong> überflüssig.Schon im Heim kam es bei seelischen Belastungen zu selbstverletzendem Verhalten, das sie aber zu verheimlichensuchte. In der Ehe wurde dieses Verhalten sehr viel stärker, oft in Verbindung mit Alkohol.Frau Mauer war mehrmals zur W<strong>und</strong>versorgung in der Ambulanz des Städtischen Krankenhauses, wurdeaber in der letzten Zeit wegen ihrer „Alkoholfahne“ wieder weggeschickt.In den letzten Monaten vor ihrer Einweisung war Frau Mauer fast ständig betrunken. Sie lebte bei verschiedenenMännern, wurde häufig geschlagen <strong>und</strong> verlor ihre letzte Habe.Inzwischen ist sie seit drei Wochen auf der psychiatrischen Station. Sie hat sich körperlich erholt, nachder Entgiftung hat sie sich strikt an das Alkoholverbot gehalten. Sie besucht eine Selbsthilfegruppe vonaußerhalb, die sich zweimal in der Woche in der Klinik trifft.Mit dieser Übung machen sie sich schnell mit dem Anamnesebogen vertraut.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 9 von 41


[ibrp.pdf]Seite 10Wenn Sie einen anderen Bogen / ein anderes Dokumentationssystemin ihrer Einrichtung / ihrem Dienst nutzen:Bitte überprüfen Sie, ob darin die persönlichen Daten zur allgemeinen Situation <strong>und</strong>zur Ausbildung <strong>und</strong> Berufstätigkeit auch dokumentiert werden können.Besonders wichtig für das weitere Hilfeplanverfahren ist, dass Sie mit ihrer Klientin/ihrem Klienten über die Erfahrungen mit bisherigen Hilfen ins Gespräch kommen<strong>und</strong> dies auch dokumentieren können.Wenn Sie eine Hilfeplanung mit einer Ihnen schon länger bekannten Klientin beginnen:es ist wichtig, sich die Basisinformationen aus dem Bogen D zur „vergegenwärtigen“.Bei neuen Klientinnen/Klienten muss nicht „alles“ im Anamnesebogen schon ausgefülltsein, bevor Sie mit der Hilfeplanung beginnen – sie haben in den folgenden HilfeplangesprächenZeit, das Eine oder Andere zu ergänzen.Was ist die gewünschte Lebensform?Genau wie anderen Menschen fällt es manchen Klientinnen <strong>und</strong> Klienten schwer,sich gedanklich von den jetzigen Lebensumständen zu lösen. Aber genau das ist nötig,um zu beantworten: Will ich so leben? Was will ich verändern?Die eigene Perspektive auf die Zukunft zu richten ist unerlässlich für Hilfeplanung<strong>und</strong> außerdem Gr<strong>und</strong>lage der Einschätzung von Situationen, Ressourcen <strong>und</strong> Hindernissenin mir <strong>und</strong> in der Umwelt.Um so einen „Leitstern“ zu entwickeln, muss ich mich lösen können, muss offensein für eine positive „Utopie“. Kann ich mir meine weitere Lebensentwicklung vorstellen,wie würde ich gerne wohnen, wie mit anderen zusammenleben, wie meine Zeitverbringen, was gerne tun?Für die eher Sachlichen sind die Bögen B <strong>und</strong> C mit den erläuternden Materialiengedacht.Diese Bögen sind Hilfsmittel, die sowohl die gemeinsame Einschätzung der jetzigenSituation wie auch die sich daraus eventuell ergebenden Veränderungswünscheklarer machen. Diese können, aber müssen nicht ausgefüllt werden. Vielleicht sind dieWünsche klar <strong>und</strong> das Gespräch zu diesen Aspekten dient nur der besseren Einschätzungder Situation. Insbesondere bei Fortschreibungen ist die bloße Wiederholung nichtsinnvoll.Gr<strong>und</strong>sätzlich ist zu beachten, dass die gewünschte Lebensform alle Lebensbereichebetrifft, nicht nur zum Wohnen kann man Zukunftsvorstellungen entwickeln, sondernauch zu: Tätigsein <strong>und</strong> Nähe, Erreichbarkeit <strong>und</strong>/oder Distanz zu sozialen Kontakten<strong>und</strong> sozialen Räumen sind genauso wichtig.Als nützlich für Menschen, die noch gar keine genaue Vorstellungen äußern können,hat sich folgendes Verfahren bewährt: die jetzige Wohnsituation in dieser Systematikmit dem Klienten zu erarbeiten. Also die Frage: Was sind Vor- <strong>und</strong> was Nachteile fürmich?Hilfreich kann auch sein, die Verantwortung an andere zu geben. Da haben sichExperten eine Übersicht zu Wohnformen ausgedacht: Was meinen Sie, ist das so richtig,wie es hier aufgeschrieben ist? Was sehen sie anders?© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 10 von 41


[ibrp.pdf]Seite 11Oder: <strong>Der</strong> Dienst XY hat sie hierher geschickt, was haben die sich ihrer Meinungnach dabei gedacht? Sehen Sie das auch so?Auch die systemische W<strong>und</strong>erfrage (Eine Fee hat sie über Nacht dorthin gezaubert,wo sie schon immer leben wollten - wo wachen Sie auf?) kann in diesem Zusammenhanghilfreich sein.Das Wichtigste überhaupt ist jedoch, mit den Klientinnen <strong>und</strong> Klienten in einGespräch über die Zukunft zu kommen, das positiv getönt ist.Manchmal liegt die Schwierigkeit auch nicht bei den Klienten: aus Vorsicht, ja nichtzu unrealistische, unerfüllbare Wunschträume anzusprechen, bremsen MitarbeiterZukunftsaspekte aus, bleiben ganz „auf dem Teppich“.Auch bei der Vorstellung vom Schloss in Südfrankreich lassen sich „Wie-Qualitäten“herausarbeiten, die zu <strong>konkret</strong>en <strong>und</strong> realistischen Verbesserungen der Lebensumständejetzt beitragen können.Bitte rufen Sie sich jetzt den Bogen B auf <strong>und</strong> drucken ihngegebenenfalls aus.Die Nutzung des Bogens B „Beschreibung dergegenwärtigen <strong>und</strong> / oder der angestrebten WohnformWenn Sie mit ihrer Klientin / ihrem Klienten über die gewünschte Lebensformgesprochen haben, ist es sinnvoll, dies auch noch mit dem Bogen „B“ <strong>konkret</strong>er weiterzu verfolgen.Gehen sie ruhig in gemeinsamer Überlegung Vor – <strong>und</strong> Nachteile durch, lassen Siesich diese von ihrer Klientin/ ihrem Klienten vor allem aus ihrer /seiner Sicht schildern.Gerade bei Fragen der Selbstversorgung <strong>und</strong> des Wohnens gibt es sehr unterschiedlicheSichtweisen <strong>und</strong> die Gefahr des „Überstülpens“ eigener Vorstellungen ist groß.Lesen Sie sich die folgenden neuen Informationen zu Frau Mauerdurch:Weitere Informationen zu Frau Mauer: Frau Mauer hat Ihnen schon gesagt, dass ihr Traum eine eigeneWohnung sei. Im Moment ist Ihnen aber nur bekannt, dass im Betreuten Wohnen ein Platz in einer Vierer-Wohngruppefrei ist. Dort leben eine Frau <strong>und</strong> zwei Männer.Welche <strong>konkret</strong>en Vor- <strong>und</strong> Nachteile der Wohnformen würden Sie mit ihr durchgehen?Welche Punkte wären Ihnen besonders wichtig? Als Hilfsmittel benutzen Sie bittedas Manual Wohnformen.Wenn Sie den Bogen B bearbeitet haben, können sie dessen Ergebnisse schon imÜbersichtsbogen A , S 2 oben bei der jetzigen/ angestrebten Wohnform vermerken.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 11 von 41


[ibrp.pdf]Seite 12<strong>Der</strong> Bogen C zur „gewünschten Tätigkeitsform“<strong>Der</strong> Bogen C zur zur gewünschten Tätigkeitsform soll dazu beitragen, diegewünschte Lebensform ihrer Klientin herauszufinden oder einen schon bestehendenWunsch auf die <strong>konkret</strong>en Bedingungen hin abzuprüfen.Bitte holen Sie sich diesen Bogen <strong>und</strong> drucken Sie ihn gegebenenfallsaus.Bitte füllen Sie diesen Bogen für sich selbst aus: Wie war Ihre Wochenstruktur,bevor dieser Kurs begonnen hat? Was muss sich ändern wenn Sie diesen Kurs weitermachen?Nachdem Sie das für sich ausgefüllt haben, schreiben sie auf, was aus ihrer Sichtschwierig war beim Ausfüllen dieser Übersicht.Bitte tauschen Sie sich im Kleingruppenforum aus <strong>und</strong> formulieren Sie zusammenThesen, auf was mann/frau bei dem Ausfüllen mit einer Klientin (z.B. Frau Mauer) ausIhrer Sicht achten sollte. Stellen Sie diese Thesen in das Kursforum <strong>und</strong> sehen sie sichdie Rückmeldungen an.<strong>Der</strong> Bogen C sollte zweifach ausgefüllt werden siehe dazu die Überschriften: Version1 beschreibt die gegenwärtige Situation „<strong>Der</strong>zeitige Tages/Wochengestaltung“,Version 2 die gewünschte <strong>und</strong> zu planende Veränderung der Tages/ <strong>und</strong> Wochengestaltung.Diese zunächst schematisch wirkende Aufteilung hilft, Belastungsspitzen <strong>und</strong> Leerläufein der Woche zu erkennen.In die Kästchen der ersten Spalte sollten sie die <strong>konkret</strong>en Tätigkeiten eintragen<strong>und</strong> jeweils ungefähr abschätzen, wie viel Zeit dafür nötig ist. Wenn Ihnen die Aufteilungnach Tagen zu detailliert ist <strong>und</strong> zu viel Zeit in Anspruch nimmt, versuchen Sie eswenigstens auf Wocheniveau einzuschätzen.Für die gewünschten Veränderungen kann es sehr hilfreich sein, diese in ihren täglichenBelastungen (denken Sie auch an Fahrzeiten) zu überlegen.Diese <strong>konkret</strong>en Überlegungen: “ was genau soll in z.B. 6 Monaten oder einem Jahrin meiner Wochenstruktur anders sein“ helfen sehr bei der Erarbeitung von <strong>konkret</strong>enZielen. Bitte sehen Sie sich auch die ergänzenden Materialien an – vor allem wenn esum Veränderungen der Arbeits- <strong>und</strong> Beschäftigungssituation geht.Wenn Sie den Bogen C ausgefüllt, bzw. besprochen haben, können sie dessen Ergebnisse(ähnlich wie bei der Wohnform) schon in den Bogen A eintragen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 12 von 41


[ibrp.pdf]Seite 13<strong>Der</strong> Übersichtsbogen ABitte holen Sie sich den Bogen A <strong>und</strong> sehen Sie sich ihn an,gegebenenfalls drucken Sie ihn aus.Sie sollen jetzt versuchen, für unser Beispiel Frau Mauer, die erste Spalte auszufüllen.Lesen Sie sich dafür zunächst die folgende Anleitung durch!Anleitung zur Spalte „Aktuelle Problemlagen“Die aktuelle Problemlage soll geschildert werden im Hinblick auf:• Wohnsituation (Frage: Wird diese in irgendeiner Art <strong>und</strong> Weise als problematischempf<strong>und</strong>en <strong>und</strong> wenn ja, wie?).• Vorrangige Störungen (Frage: Welche Möglichkeiten zur Krankheitsbewältigungsind bis jetzt gef<strong>und</strong>en worden bzw. mit welchen Möglichkeiten wurdenwelche Erfahrungen gemacht <strong>und</strong> welche weiteren Ideen gibt es diesbezüglichschon?).• Lebensfeldbezogene Fähigkeitsstörung (Frage: Welche Auswirkungen hat diepsychische Störung bei der Aufnahme <strong>und</strong> Gestaltung sozialer Beziehungen, imBereich Selbstversorgung <strong>und</strong> Wohnen, im Bereich Ausbildung, bei der Tagesgestaltungim Freizeitbereich <strong>und</strong> bei der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben?).• Situative Faktoren <strong>und</strong> belastende Lebenssituation (Frage: Welche entlastenden<strong>und</strong>/oder belastenden, über- <strong>und</strong>/oder unterfordernden Lebensbedingungengibt es momentan, welche Faktoren der momentanen Lebenssituation werden alsproblematisch angesehen?).Generell ist wichtig: Falls Unterschiede in der Einschätzung der aktuellen Problemlagezwischen den Klienten einerseits <strong>und</strong> der Fachkraft andererseits auftreten, sinddiese in geeigneter Weise zu dokumentieren (durch verschiedene Farben etc.).Wenn irgend möglich, sollten die Angaben der Klientinnen <strong>und</strong> Klienten in derenSprache notiert werden, es sollten keine Zusammenfassungen wie zum Beispiel„Depressivität“ notiert werden. Es geht hier nicht um Ursachenklärung oder das Aufzeigenvon Zusammenhängen: Bestehende Probleme sollen kurz festgehalten werden. Dasmomentan vorhandene Problem sollte herausgearbeitet werden (es nicht dabei belassen:„Ich bin alkoholabhängig“, sondern: „Ich bin alkoholabhängig, mir ist angedrohtworden, dass ich auf Gr<strong>und</strong> des häufigen Zu-spät-Kommens <strong>und</strong> der alkoholbedingtenEigengefährdung an meinem Arbeitsplatz diesen verlieren könnte, <strong>und</strong> das will ichnicht“ (= Gefährdung Arbeitsplatz durch Alkoholkonsum).Es sollten auch vermeintlich „allgemeine“ Probleme („Ich habe keine Familie <strong>und</strong>fühle mich deswegen minderwertig“) notiert werden.Zunächst ist es günstiger, sämtliche Probleme auf einem Blatt zu notieren <strong>und</strong> nichtnur die, die eventuell aktuell „bearbeitet“ werden sollen. Die aktuell „zu bearbeitenden“Probleme können bzw. werden später in einem zweiten Schritt markiert <strong>und</strong> dann in dieSpalte eingetragen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 13 von 41


[ibrp.pdf]Seite 14Übung zum Übersichtsbogen, Spalte „Aktuelle ProblemlageAuch wenn Sie Frau Mauer <strong>und</strong> ihre Lebensumstände nicht so genau kennen, schreibensie sich Stichworte im Hinblick auf:• vorrangige Störungen,• Krankheitsbewältigung,• lebensfeldbezogene Fähigkeiten <strong>und</strong> Fähigkeitsstörungen,• situative Faktoren,• belastende Lebenssituation auf.Prüffragen:Ist das vorstellbar, das Frau Mauer das auch so formulieren würde?Wie können Sie die Problemlage so beschreiben,das auch Frau Mauer dieser Beschreibung ihrer Situation zustimmen könnte?Sind dann noch die wesentlichen Probleme aus ihrer Sicht benannt?Sie haben jetzt die ersten Schritte der Hilfeplanung geübt:• die Nutzung des Anamnesebogens bzw. Integration anderer Anamnesebögen,• das Feststellen oder gemeinsame Herausfinden der gewünschten Lebensform,Wohn- <strong>und</strong> Arbeitssituation• die Zusammenfassung der ProblemlageAnleitung zur Spalte „Ziele“Die nächste Spalte im Bogen A / <strong>IBRP</strong> ist überschrieben mit Ziele.Hier sollen die vorrangigen, das heißt die allgemeinen <strong>und</strong> groben therapeutischenZiele benannt werden, <strong>und</strong> zwar bezogen auf:• Allgemeine Wohn- <strong>und</strong> Lebenssituation (Zu diesem Gebiet haben Sie aus derBearbeitung der Bögen B <strong>und</strong> C einige Anregungen) Ziele können sich auf dieErhaltung <strong>und</strong> Stabilisierung oder die Veränderung der Wohnsituation <strong>und</strong>/oderder Tagesgestaltung beziehen.• Die Symptomatik (Fragebeispiel: „Sie haben gesagt, Sie hören Stimmen, diesestören Sie in Ihrer Konzentration beim Abwaschen, sodass Sie nicht vorankommen.Soll sich in Bezug auf dieses Stimmenhören irgendetwas ändern, zumBeispiel bezogen auf bestimmte Situationen oder Zeiten?“): Ziele können sichhier auf die Verminderung einer ggf. (fort)bestehenden Symptomatik wie auchauf die Entwicklung von besseren Fähigkeiten, mit der Symptomatik umzugehen,beziehen (Spalte „Fähigkeiten“ einbeziehen!).• Eigene Befindlichkeit (Fragebeispiel: „Sie sagten, dass es Sie störe, so häufigtraurig zu sein. Dadurch hätten Sie jegliche Lebensfreude <strong>und</strong> Freude an Aktivitätenverloren. Soll sich etwas von dieser Befindlichkeit ändern oder ist Ihnendas nicht so wichtig?“).© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 14 von 41


[ibrp.pdf]Seite 15• Kompetenzen (Beispielfrage: „Möchten Sie - <strong>und</strong> wenn ja, welche - für Siewichtigen alltagspraktische <strong>und</strong> soziale Kompetenzen <strong>und</strong> Fertigkeiten erwerben?“).• Soziale Integration (Beispielfrage: „Was könnten Sie sich vorstellen zu tun,damit sich die Belastung für Ihre Nachbarn künftig verringert?): Es geht um<strong>konkret</strong>e Ziele in Bezug auf die Vorbeugung von Benachteiligungen sowie Milderungoder Kompensation von Ablehnung <strong>und</strong> Ausgrenzung.Generell ist wichtig: <strong>Der</strong> Bereich der Ziele kann durchaus in einem ersten Durchlaufaus einer Nennung einer großen Zahl von Zielen ganz unterschiedlicher <strong>und</strong> auch allgemeinerArt bestehen. Bei der späteren Planung der Hilfen sind dann die für einen <strong>konkret</strong>enZeitraum auszuwählenden Ziele zu benennen <strong>und</strong> in diese Spalte einzutragen.Es ist also wichtig, Ziele auf einen bestimmten Zeitrahmen (zum Beispiel den dernächsten Kostenbewilligung) zu beziehen.Nochmals: Das angestrebte Ziel kann sowohl in einer Veränderung bestehen als auchdarin, die gegenwärtige Lebenssituation zu erhalten.Nützlich ist es, Ziele positiv <strong>und</strong> nicht negativ zu formulieren. Weiterhin ist es hilfreich,sie so <strong>konkret</strong> <strong>und</strong> realistisch wie möglich zu formulieren. Zu berücksichtigen ist, dassnicht jede Beeinträchtigung, Fähigkeitsstörung oder Umfeldbelastung aufgehoben werdenkann.Wie in der Spalte vorher sollten die Angaben der Klientinnen <strong>und</strong> Klienten in derenSprache notiert werden. Es sollte nicht diskutiert, sondern ausschließlich im Sinne vonPräzisierung nachgefragt werden.Unterschiede bei den Zielvorstellungen (z.B. andere Prioritäten) sind in geeigneterWeise zu dokumentieren.Achtung: Am Ende des Ausfüllens der zweiten Spalte sollten deren Angaben mitdenen der ersten Spalte abgeglichen werden, um festzustellen, ob Zielformulierungeneventuell vergessen wurden. Wichtig ist dabei, dass nicht jedes formulierte Problem zueinem Handlungsziel werden muss <strong>und</strong> umgekehrt.An diesen fachlichen Qualitätsstandards für das Ausfüllen dieser Spalte haben Sieschon gemerkt, das diese Spalte „schwierig“ ist <strong>und</strong> auf keinen Fall einfach so ausgefülltwerden kann. Ich brauche dafür Vorarbeiten.Die Kunst der <strong>konkret</strong>en <strong>und</strong> realistischen Formulierungvon Zielen<strong>Der</strong> Begriff der „Kunst“ macht deutlich, dass dies eine zu übende Fähigkeit ist. Sieist nur schlecht allein zu üben, eine große Hilfe können die Klienten sein - denn auchsie müssen merken können, wenn das Ziel erreicht ist. Die wichtigste Hilfe aber sindKollegen <strong>und</strong> die Kultur der Fallbesprechungen. Je mehr gute <strong>und</strong> klare Zielvereinbarungenich geschrieben, gehört <strong>und</strong> deren Ergebnisse verfolgt habe, umso besser werdeich.Sehen Sie sich die Videosequenz an zum Thema:Ziele <strong>konkret</strong>isieren© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 15 von 41


[ibrp.pdf]Seite 16Wir üben dies jetzt in Schrittenan unserem Beispiel Frau Mauer:Fallbeispiel: <strong>Der</strong> in der Klinik vereinbarte Wochenplan für Frau Mauer sieht folgendermaßen aus:Dreimal eine St<strong>und</strong>e Gruppentherapie; Angebot von Einzelgesprächen zweimal 30 Minuten pro Woche;dreimal morgens zum Schwimmen gehen; Arbeitstherapie, Belastungserprobung zunächst für eineWoche dreimal 1,5 St<strong>und</strong>en, dann auf dreimal drei St<strong>und</strong>en steigern.Teilnahme an der lebenspraktischen Gruppe zweimal nachmittags 1,5 St<strong>und</strong>en.Frau Mauer nimmt an allen Angeboten teil <strong>und</strong> hält die Termine genau ein. In der Gruppentherapie wirktsie weiterhin sehr zurückgezogen <strong>und</strong> still. In der Arbeitstherapie <strong>und</strong> der lebenspraktischen Gruppe istsie wesentlich aufgeschlossener. Sie hat dort Fre<strong>und</strong>schaft mit einer älteren Patientin geschlossen. Beideunterstützen sich gegenseitig. Die Stammtischr<strong>und</strong>e ist durch Entlassung von drei Patienten nicht mehrvorhanden. Frau Mauer hält sich an das Alkoholverbot, raucht aber sehr stark.Sie lehnt jeden Kontakt zu ihrem letzten Lebensumfeld ab. Das Angebot, dort in Begleitung nach ihrerHabe zu schauen <strong>und</strong> der Besuch eines Mannes, der jetzt Patient einer anderen Station ist, wurde von ihrzurückgewiesen.Frau Mauer bemüht sich, mit ihrem Taschengeld auszukommen, aber das starke Rauchen kostet sehr vielGeld.Die Mitarbeiterin, die die lebenspraktische Gruppe leitet, berichtet, dass Frau Mauer sehr interessiert ist<strong>und</strong> viel Lob aus der Gruppe für ihre Fähigkeit bekam, aus wenigen einfachen Zutaten eine Mahlzeit herzustellen.Sehr ungewohnt sei ihr längerfristige Finanzplanung.<strong>Der</strong> Mitarbeiter aus der Arbeitstherapie berichtet, dass Frau Mauer verschiedene Arbeitserprobungengemacht habe, sie bemühe sich sehr, benötige aber präzise Anweisungen <strong>und</strong> sehr viel Zeit.In der letzten Woche hatte Frau Mauer einen Rückfall: Ein ehemaliger Patient aus der „Stammtischr<strong>und</strong>e“hatte Alkohol mit auf das Klinikgelände gebracht <strong>und</strong> die ehemaligen Mitpatienten eingeladen. Auf derStation war dies unbemerkt geblieben. Frau Mauer hatte es selbst angesprochen, nachdem sie den Rückfallin der Selbsthilfegruppe bearbeitet hatte. Erstmals sprach sie davon, dass die Gruppe sie unterstützensolle, ein Besuchsrecht für ihren Sohn zu erreichen.Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> war sie besonders ärgerlich auf sich selbst wegen ihres Rückfalles.Frau Mauer möchte entlassen werden. Sie hat von dem Schwiegersohn der befre<strong>und</strong>eten Mitpatientin einAngebot: Sie könne eine kleine Dachgeschosswohnung neben der Jugendherberge beziehen. Herr Froh -der Schwiegersohn - <strong>und</strong> seine Frau sind die Herbergseltern. Die Wohnung ist seit vier Wochen frei <strong>und</strong>kostet 400 DM ohne Nebenkosten. Herr <strong>und</strong> Frau Froh können sich vorstellen, das Frau Mauer st<strong>und</strong>enweisein der Herbergsküche gegen Entlohnung hilft.Das Wohnangebot ist unabhängig vom Arbeitsangebot.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 16 von 41


[ibrp.pdf]Seite 17Die folgende Aufgabe ist in 3 Schritten aufgebaut:Übung zum Übersichtsbogen, Spalte „Zielformulierung“1. Aufgabe ist, sich auf das Hilfeplangespräch mit Frau Mauer vorzubereiten. Überlegung:„Welche Vorstellungen hätten Sie als Fachkräfte für die Ziele vonFrau Mauer in den nächsten sechs Monaten?“Sehr wichtig ist, das Sie dies als „Vorübung“ betrachten: in der Realität müssengerade die Ziele unbedingt mit der Klientin erarbeitet werden. Es ist aber geradeam Beginn der eigenen Berufstätigkeit oder mit einer neuen Klientin / einemneuen Klienten nützlich, sich vorher kurz selbst aufzuschreiben, was den eigenenStandpunkt, die eigene Sichtweise festhält.Wir beginnen mit der ersten Vorübung: Was kommen aus ihrer Sicht überhauptfür Ziele für Frau Mauer in Frage?Bitte notieren Sie sich in Stichworten alles, was Ihnen einfällt.Im Folgenden versuchen wir weitere Ansatzpunkte für eine inhaltliche Verdichtungzu finden: Leitstern soll die gewünschte Lebensform sein.2. Aufgabe: Schreiben Sie alle Stichpunkte zusammen, die eine inhaltliche Verbindungmit Frau Mauers Ziel „eigene Wohnung“ haben.Schon aus der Beschreibung der gegenwärtigen Situation lassen sich Ziele formulieren.Zusammen mit neuen Informationen zur Wohnsituation <strong>und</strong> der Tagesgestaltungkann sich wieder eine andere Sichtweise ergeben.Es ist schwierig, eine solches Hin- <strong>und</strong> Herdenken, das komplexe Abwägenvon professionellen <strong>und</strong> persönlichen Zielen, das Einbeziehen der Zeit <strong>und</strong> derMöglichkeiten hinzubekommen. Später können Sie es mit Einfärben oder Einkringelnversuchen - wenn Sie es können auch auf dem Computer, sonst einfachso auf Papier.Weitere Ebenen entstehen, wenn sie die Fähigkeiten <strong>und</strong> in einem zweiten Schrittdie Beeinträchtigungen einbeziehen. Das sind die beiden nächsten Spalten imÜbersichtsbogen.Diese lassen wir jetzt mal aus, zumal das ziemlich schwierig wäre, das für unserenBeispielfall nachzuvollziehen.Das nächste Hilfsmittel zum „Verdichten“ von Zielen ist das Bilden von Rangreihen.Was steht für den Klienten im Vordergr<strong>und</strong>, was ist ihm am Wichtigsten, was istmir selbst wichtig?Bitte bilden Sie zunächst für sich selbst eine Rangreihe der Ziele für Frau Mauer.Welches der bisherigen Zielstichpunkte wäre Ihnen am Wichtigsten, welches das zweitwichtigste,welches das drittwichtigste ?Wenn Ihnen das nicht unmittelbar gelingt , probieren sie das zunächst so, das sie dieaus ihrer Sicht wichtigen Ziele auf Karten schreiben <strong>und</strong> hin <strong>und</strong> her schieben. WelchesLegen gefällt Ihnen am Besten? Das ist ein Hilfsmittel, das sich auch empfiehlt,wenn sie mit Klientinnen oder Klienten versuchen, Ziele zu ordnen. Sie können auch© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 17 von 41


[ibrp.pdf]Seite 18versuchen, Punkte zu vergeben oder kleine Gruppen zu bilden – jeweils immer 2 oder3 wichtige <strong>und</strong> weniger wichtige Ziele zusammenfassen.Die folgenden Aspekte können dann nur an einem realen Fall geübt werden, weildiese für sie bei einem Beispielfall nicht realistisch einzuschätzen sind.Ein neuer Aspekt kommt hinzu: Was ist realistisch in den nächsten 3, 6 oder 12Monaten zu erreichen? Das Ordnen nach Nah- <strong>und</strong> Fernzielen ist abhängig von derAusgangslage: welchen Auftrag haben Sie, wie lange brauchen Beantragung, Veränderungenvon Absprachen aus ihrer Kenntnis von Verwaltungsabläufen? Wie schätzendie Klienten ihre Kräfte zur Bewältigung ein?Nach diesen Verdichtungsprozessen kommt die Kunst der <strong>konkret</strong>en Formulierung.Es gibt Merkmale, die dabei helfen, Zielformulierungen zu überprüfen:1. Stehen die Ziele in einem größeren Kontext? Deshalb ist die Frage nach dem„Leitstern“, der gewünschten Lebensform so wichtig, auch wenn dieser Kontextmit der Zielformulierung für die nächsten sechs Monate nur indirekt zu tunhaben mag.2. Sind die Ziele positiv formuliert? <strong>Der</strong> Anreiz, sie zu erreichen, ist wichtig. Einemögliche Frage hierzu lautet: Was wäre Ihnen am liebsten?3. Sind die Ziele <strong>konkret</strong> genug gefasst? Ihr Erreichen muss zu sehen, zu fühlen, zuhören sein. Je <strong>konkret</strong>er gewünschte Wahrnehmungen einbezogen werden, umsobesser kann das Erreichen von Zielen erkannt werden.4. Sind die Ziele so beschrieben, dass die Klientin oder der Klient etwas dazu beitragenkann, damit sie erreicht werden?5. Passen die Ziele in die Lebenssituation <strong>und</strong> das soziale Umfeld der Klientin bzw.des Klientin? Passen sie zu den Wertvorstellungen? In wessen Leben wird sichdurch das Erreichen von Zielen noch etwas ändern ? Welche Schwierigkeitenkönnen hingenommen werden?6. Woran werde ich merken, das ich mein Ziel erreicht habe?Als Hilfsmittel für Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter dient das genaue Erinnern vonUmständen: Woran habe ich bemerkt, das Frau X mit dem Praktikum zurechtkam? Anden Blumen auf dem Küchentisch vielleicht. Auch die Frage, woran Fre<strong>und</strong>e merkenkönnten, dass es klappt, kann hilfreich sein.Zielformulierungen, die sich auf Häufigkeiten (z.B. dreimal die Woche die Wohnungverlassen) beziehen, sind hierbei günstig; auch möglichst <strong>konkret</strong>e Vereinbarungen(etwa einmal in der Woche in der Tagesstätte Kaffee trinken gehen) machen Zieleüberprüfbar.3. Teil der Aufgabe: Bitte sehen Sie sich jetzt ihre Stichpunktliste noch einmal an.Bitte formulieren sie 3 Ziele für die nächsten 6 Monate aus. Sie sollen der Hintergr<strong>und</strong>sein, mit dem Sie in ein Gespräch mit Frau Mauer einsteigen würden .Zielformulierungen sind „an sich“ nicht gelungen, sondern sie werden nur inihrem Kontext verständlich, deshalb habe ich hier auch nur wenige Beispielegenannt.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 18 von 41


[ibrp.pdf]Seite 19Ziele mit Klientinnen <strong>und</strong> Klienten gemeinsam zu formulieren ist ein Prozess,in der Regel werden die aufgeschriebenen Ideen mit jeder Überprüfung des Hilfeplanspassender.Die <strong>konkret</strong>e Zielformulierung ist erfahrungsgemäß eine der schwierigstenAnforderungen des <strong>IBRP</strong>. Deshalb schlagen wir bei Gruppen, die Mühe mit derZielformulierung haben <strong>und</strong> zu allgemein bleiben, vor, dies mit Hilfe folgenderMethode im nächsten Kapitel zu üben.Goal Attainment ScalingDas Erreichen von Zielen kann skaliert werden. Eine sehr gut überprüfte Methodeaus den USA (Goal Attainment Scaling) besteht darin, gemeinsam mit den Patientinnen<strong>und</strong> Patienten eine solche Skalierung selbst zu entwerfen. Im Folgenden ist ein fiktivesBeispiel abgedruckt (entnommen aus: STIEGLITZ/HAUG, S. 194).ZielerreichungStudium- 2 Wesentlich schlechterals erwartet- 1 Etwas schlechter alserwartetSkala 1TherapiecomplianceKein Arztbesuch, keine MedikamenteneinnahmeUnregelmäßiger Arztbesuch– keine Medikamenteneinnahme0 Erwartetes Ergebnis Unregelmäßiger Arztbesuch –Medikamenteneinnahme nur aufAufforderung durch andere+ 1 Etwas besser als erwartet+ 2 Wesentlich besser alserwartetUnregelmäßiger Arztbesuch– selbstständige Medikamenteneinnahme*Regelmäßiger Arztbesuch– selbstständig MedikamenteneinnahmeSkala 2Soziale KontakteKeine sozialen Kontaktezu anderenMenschenSoziale Kontakte zueinem FamilienmitgliedSoziale Kontakte zuzwei FamilienmitgliedernSoziale Kontakte zueiner Person außerhalbder FamilieSoziale Kontakte zuzwei oder mehr Personenaußerhalb derFamilieSkala 3Arbeit bzw.StudiumErscheint jeden Tag verspätetzu den Vorlesungen(mehr als 30 Minuten)Erscheint jeden zweitenTag mit halbstündiger VerspätungErscheint einmal proWoche mit halbstündigerVerspätungErscheint einmal proWoche mit viertelstündigerVerspätungErscheint einmal pro Monatmit viertelstündiger Verspätung© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 19 von 41


[ibrp.pdf]Seite 20Bitte versuchen Sie dieses Beispiel einer gestuften Skala derZielerreichung auf eines Ihrer Beispielziele für Frau Maueranzuwenden. Benutzen Sie dazu das nachfolgende Beispiel.Beispiel: Frau Schäfer ist 54 Jahre alt <strong>und</strong> lebt im vierten Stock eines Wohnhauses des Sozialen Wohnungsbaus.Die Wohngegend ist als so genannter „sozialer Brennpunkt“ bekannt. Sie bewohnt allein eine2-Zimmer-Wohnung.Frau Schäfer ist in den vergangenen fünf Jahren ca. acht Mal stationär in der psychiatrischen Klinikbehandelt worden; die <strong>Behandlungs</strong>dauer betrug zwischen vier <strong>und</strong> acht Wochen.Die ärztliche Diagnose ist Schizophrenie. Frau Schäfer wurde jeweils in sehr verwirrtem <strong>und</strong> körperlichsehr schlechtem Zustand (Austrocknung, Abmagerung) in die Klinik gebracht; bei den beiden erstenKlinikaufenthalten hatten entfernt lebende Verwandte telefonisch das Ges<strong>und</strong>heitsamt informiert. Diefolgenden extremen Verschlechterungen wurden über Besuche der Ambulanz der Klinik bemerkt.Frau Schäfer nimmt ihr verordnete Medikamente sehr unregelmäßig ein <strong>und</strong> vergisst auch fast immerbestehende Nachsorgetermine in der Klinik, beim Arzt <strong>und</strong> auch angekündigte Besuche der Ambulanz.Frau Schäfer ist Spätaussiedlerin aus der Ukraine. Sie lebt seit 15 Jahren in Deutschland <strong>und</strong> hat ca. 9Jahre ihre Schwiegermutter in der jetzt noch bestehenden Wohnung gepflegt. Frau Schäfer spricht selbstsehr wenig. Wenn sie spricht, ist sie aber gut zu verstehen. Sie selbst versteht allerdings nach eigenenAussagen nur wenig Deutsch.Nach dem letzten Klinikaufenthalt beschließen die Pflegekraft <strong>und</strong> die Ärztin der Ambulanz, einekontinuierlichere Betreuung sicherzustellen. Bisher wurde während der Klinikaufenthalte bereits Verschiedenesausprobiert: Kontaktaufnahme mit dem Hausarzt, Vermittlung an eine Beratungsstelle fürSpätaussiedler, Vermittlung von Kontaktbesuchen durch Mitarbeiter des Betreuten Wohnens, Vermittlungan ein Gruppentreffen vorwiegend älterer Besucher einer Kontakt- <strong>und</strong> Beratungsstelle. Alleweitergehenden Kontaktangebote wurden durch Frau Schäfer nicht wahrgenommen.Die bestehenden monatlichen oder auch vierzehntägigen Treffen mit dem Krankenpfleger der Ambulanzwerden hingegen gerne von Frau Schäfer wahrgenommen – sofern sie zu Hause ist. Die Gespräche habenim Wesentlichen den Inhalt, die Medikamenteneinnahme zu stabilisieren, die Übersicht zu den Wochentagen<strong>und</strong> Terminen zu behalten, die Essensvorräte ggf. gemeinsam zu ergänzen <strong>und</strong> überhaupt einenKontakt zu stabilisieren. Um hier etwas zusätzlich zu bewegen, wird eine Berufspraktikantin für Sozialarbeitbeauftragt, für vier Monate wöchentliche Besuche bei Frau Schäfer zu machen.Die hier wiedergegebenen Spalten sind das Ergebnis der ersten 2 Treffen mit FrauSchäfer.Aktuelle Problemlage:• starke Vereinsamung <strong>und</strong> Rückzugstendenzen, da kaum Kontakte im Außen<strong>und</strong>im Wohnbereich;• Ablehnung von Kontaktangeboten im psychiatrischen <strong>und</strong> nichtpsychiatrischen(Freizeit-)Bereich;• extrem geringe Eigenaktivität;• herausgerissen sein aus den vertrauten Strukturen der Großfamilie durch dieÜbersiedlung nach Deutschland;• Distanz bzw. Nichtwahrnehmen eigenen Körpererlebens, der Erkrankung <strong>und</strong>von Schlaf- bzw. Aktivitätsphasen (sie geht nicht ins Bett zum Schlafen);• Frau Schäfer neigt dazu, eigene Fähigkeiten (Kompetenzen) herabzusetzen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 20 von 41


[ibrp.pdf]Seite 21Ziele:• Förderung <strong>und</strong> Stärkung der Eigenaktivität <strong>und</strong> Außenorientierung durchwochenstrukturierende Aktivitäten <strong>und</strong> Hilfen.• Befähigung, das durch die Erkrankung beeinflusste Körpererleben auszusprechen;• Verbesserung des Tag-Nacht-Rhythmus.Diese 3 Ziele sind sehr allgemein formuliert <strong>und</strong> deshalb wenig praktikabel. Wiewürden Sie mit dem Hintergr<strong>und</strong> ihrer Erfahrung der Praktikantin helfen, sie besserzu formulieren?Bitte versuchen Sie alle 3 Zielea) <strong>konkret</strong>er zu formulieren <strong>und</strong>b) passende Überprüfungskriterien für Zielerreichung zu formulieren.Die nächste Spalte im Bogen A ist die Einschätzung von FähigkeitenSehen Sie sich die Videosequenz an zum Thema: Fähigkeiteneinschätzen <strong>und</strong> Hilfen in der Umgebung herausfi nden.Dabei soll in Stichworten im Bogen notiert werden:1. Unterstützende Fähigkeiten bei der Bewältigung psychischer Erkrankungen, eigenesHandeln zur Belastungsverminderung <strong>und</strong>/oder Spannungsreduktion. Hier soll infreiem Text eingetragen werden, welche Fähigkeiten für die Klientin bzw. den Klientenbesonders zutreffen. Die Erläuterungen umfassen:• Informationssuche <strong>und</strong> Austausch mit anderen Betroffenen,• Wahrnehmung von Frühwarnzeichen,• Aussprache/Ausdruck von Belastungen,• sich etwas Gutes tun, sich ablenken können,• Sinn geben können, religiöse Erfahrung <strong>und</strong> Praxis,• Hilfepersonen aktiv anfragen <strong>und</strong> aufsuchen,• sich selbst ermutigen können.Diese Punkte sollen Anregungen sein, ganz spezifische hilfreiche Erfahrungen <strong>und</strong>Eigenschaften im Gespräch zu erarbeiten <strong>und</strong> hier als Ressourcen der Person festzuhalten.2. Stützende Beziehungen. Auch hier wird kurz in freiem Text eintragen, wer inBezug auf die Ziele von der Klientin bzw. dem Klient als stützend/unterstützend erlebtwird. Im Gespräch sollten dabei die verschiedenen Möglichkeiten:• im familiären System• bei Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en• mit anderen Psychiatrieerfahrenen• im weiteren sozialen Umfeld© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 21 von 41


[ibrp.pdf]Seite 22durchgegangen werden <strong>und</strong> dann die wichtigen Personen, deren Unterstützung für dieangestrebten Ziele wichtig sind, benannt werden. Wenn irgend möglich sollten diesePersonen nicht mit vollständigem Namen, sondern nach ihrer Funktion für die Klientenin den Übersichtsbogen eingetragen werden (Datenschutz!).3. Besondere Fähigkeiten in den Lebensfeldern. Auch hier wird kurz in freiem Textschildern. Als Anleitung für das Gespräch können die Items der nächsten Spalte„Beeinträchtigungen“ dienen. Beim Ausfüllen dieser Spalte empfiehlt es sich, zunächstein Beiblatt zu verwenden <strong>und</strong> dann erst in einem zweiten Schritt nur die wichtigenPunkte <strong>und</strong> Unterstützungsleistungen für das Erreichen der Ziele im vereinbarten Zeitraumin den Bogen einzutragen:• Selbstsorge,• Arbeit <strong>und</strong> Beschäftigung,• Tagesgestaltung <strong>und</strong> Teilnahme am öffentlichen Leben.Hier soll benannt werden, über welche stützenden Fähigkeiten <strong>und</strong> Ressourcen dieKlienten verfügen. Treten hier unterschiedliche Einschätzungen von Klient <strong>und</strong> Mitarbeiterauf, müssen diese auch getrennt dokumentiert werden. Auch hier sind in denÜbersichtsbogen für die Planung der Hilfen hauptsächlich die Fähigkeiten <strong>und</strong> Ressourcenfestzuhalten, die im Hinblick auf die Ziele <strong>und</strong> gewünschte Lebensform gegenwärtigbedeutsam sind.Das wollen wir im Folgenden an einem neuen Fallbeispiel üben:Beispiel: Herr Weber ist 54 Jahre alt <strong>und</strong> frühberentet. Er ist gerade aus einer betreuten Wohngruppeausgezogen <strong>und</strong> lebt jetzt allein in einer winzigen 2-Zimmer-Wohnung in einer Kleinstadt. Herr Funk– ein Sozialpädagoge – hat ihn bisher betreut. Er will in die Weiterführung der Betreuung seine neueKollegin mit einbinden. Er berichtet ihr kurz in der Teambesprechung: Herr Weber führt sein aktuelleBefinden stets auf seine psychiatrische Erkrankung zurück, seine Berentung ist dabei für ihn überzeugenderBeweis. Er findet sich sehr unattraktiv <strong>und</strong> hat wenig Selbstwertgefühl. Er lebte auch in derWohngemeinschaft sehr zurückgezogen <strong>und</strong> ging Konflikten aus dem Weg.Herr Weber trinkt gerne Bier <strong>und</strong> raucht viel <strong>und</strong> gern, was in der Wohngruppe eine ständige Quelle vonÄrger mit den nicht rauchenden Mitbewohnerinnen war. Er kann derzeit nicht selbst kochen, weil derHerd in der neuen Wohnung noch nicht angeschlossen ist. Tagsüber hält er sich oft in der Stadtbüchereiauf, wo er aktuelle Zeitschriften <strong>und</strong> Tageszeitungen liest.Frage:„Wenn Sie die neue Kollegin wären: Was würden Sie bei diesen Informationennachfragen, um die Fähigkeiten von Herrn Weber herauszufinden <strong>und</strong> in denBogen eintragen zu können?© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 22 von 41


[ibrp.pdf]Seite 23Sehen Sie ein Beispiel-Video des ersten Treffens von Herrn Webermit der neuen Kollegin Frau Schmitt.Bitte kreuzen Sie jeweils an, um welchenTyp Frage es sich handelt:Was haben die früheren Mitbewohnerinnenan Herrn Weber geschätzt?Wie sollte für Herrn Weber ein attraktiverMann aussehen?Trinkt Herr Weber in der neuen Wohnungmehr?Erkennt Herr Weber selbst, wenn esihm schlechter geht?Hat Herr Weber schon mal selbstgekocht?Wie beschafft Herr Weber das Geldfür sein starkes Rauchen?Meldet sich Herr Weber, wenn erHilfe braucht?Wie verhält sich Herr Weber in Konflikten?Was hat Herr Weber früher beruflichgemacht?Wie hat Herr Weber den Mut aufgebracht,umzuziehen?Welche Probleme gab es bisher bei derBetreuung?Trinkt Herr Weber in der neuen Wohnungmehr?Mit wem spricht Herr Weber in derStadtbücherei?Was ist für Herrn Funk angenehm inder Betreuung von Herrn Weber?Wie oft am Tag / in der Woche verlässtHerr Weber seine Wohnung <strong>und</strong>für was?Die Frage istgeeignet, umFähigkeitenherauszufindenDie Frage ist neutral: sie istgeeignet Informationen herauszufindenmit denen wiederumFähigkeiten herausgef<strong>und</strong>enwerden könnenDie Frage findetnur Probleme,keineFähigkeitenherausFähigkeiten neutral ProblemeDie Lösung fi nden Sie zur Kontrolle unter downloads, Lösungen.An dieser Übung ist Ihnen deutlich geworden, das viele Fähigkeiten von Klientinnen<strong>und</strong> Klienten erst herausgef<strong>und</strong>en werden müssen. Fragen ist gut, aber noch besser istes, sie auch so zu stellen, das Sie <strong>und</strong> ihre Klientin / ihr Klient eigene Fähigkeiten dabeientdecken können.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 23 von 41


[ibrp.pdf]Seite 24Dabei hilft die gr<strong>und</strong>sätzliche Vorstellung, die Lebensumstände als nicht nur erduldet,sondern auch als aktiv hergestellt zu betrachten. (Konstruktivismus). Zum Beispielkönnen Sie die schlechte Angewohnheit, täglich mehr als 8 St<strong>und</strong>en Fernzusehen auchals Fähigkeit betrachten, 8 St<strong>und</strong>en das furchtbare Programm zu ertragen.Diese „Umdeutung“ macht nur Sinn, wenn sie Handlungsmöglichkeiten für Klientenim Hinblick auf ihre Ziele erschließt. Anderenfalls ist diese Übung in „flexiblem“Denken schlicht nur zynisch.Anleitung zur Spalte„Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong>Beeinträchtigungen“Bevor Sie jetzt die nächste Spalte im <strong>IBRP</strong> bearbeiten, sollten Siesich das Manual Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungenausdrucken. Diese Spalte besteht aus ankreuzbaren Items, <strong>und</strong> derenBedeutung wird im Manual nochmals deutlich erklärt.Die generellen Leitfragen für die Teilbereiche I <strong>und</strong> II lauten (Gr<strong>und</strong>lage ist dasManual):• Für den Teilbereich I (Beeinträchtigungen/Gefährdungen durch die psychischeErkrankung): Welche Beeinträchtigung der subjektiven Befindlichkeit durch diepsychische Erkrankung ergibt sich für die psychisch kranke Person in bezug auf... (von a) „Angst“ bis m) „Störendes, fremdgefährdendes Verhalten“)?• Für die Teilbereiche II <strong>und</strong> III (Fähigkeiten, Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen...): Verfügt die Klientin /der Klient über die erforderlicheFähigkeit zu einer eigenständigen Bewältigung der in dem jeweiligen Teilbereich(11 <strong>und</strong> 111) genannten Anforderung im Hinblick auf die angestrebteLebens- <strong>und</strong> Wohnsituation oder ist er bzw. wäre er auf sich allein gestellt, alsohinsichtlich der Bewältigung dieser Anforderungen beeinträchtigt.Zwischen I, II <strong>und</strong> III sind „Kreisfragen“ möglich <strong>und</strong> sinnvoll wie: Welche Auswirkungenhat zum Beispiel das stark ausgeprägte halluzinatorische Erleben (I d) auf dieSicherstellung der Ernährung (III a) im engeren Wohn- <strong>und</strong> Lebensbereich (II a)?Generell ist wichtig: Es sollen nicht auf der Basis schon geleisteter Hilfe die Fähigkeiten,Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen betrachtet werden, sondern dieAusgangsfrage lautet vielmehr: „Sie haben sich entschieden in einer eigenen Wohnungzu leben <strong>und</strong> erhalten keine Unterstützung. Sagen Sie mir bitte, welche UnterstützungSie brauchten, um so leben zu können.“Es geht also nicht (nur) darum, zu erfragen, ob zum Beispiel „störendes Verhalten“vorhanden ist, sondern wesentlich eher darum, ob <strong>und</strong> wie dieses Verhalten <strong>und</strong> Erlebensubjektiv beeinträchtigt/beeinträchtigend wirkt.Insbesondere vor Bearbeitung des Themenkomplexes dieser Spalte ist es notwendig,sich gut vorzubereiten, die Fragen sich „klientengerecht“ „auf die Zunge zu legen“.Hierzu können eigene Ausarbeitungen hilfreich sein. Die entsprechenden Formulierungenzu erarbeiten ist eine Frage der Übung.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 24 von 41


[ibrp.pdf]Seite 25Frage- <strong>und</strong> Betrachtungshintergr<strong>und</strong> ist die aktuelle oder die angestrebteLebenssituation.Dies bedeutet: Wenn – wie in unserem ersten Fallbeispiel Frau Mauer – ein Umzugansteht, ist es sinnvoll, etwa die Beeinträchtigungen der Selbstversorgung auf dem Hintergr<strong>und</strong>der neuen eigenen Wohnung einzuschätzen. Es ist nicht sinnvoll, von der Situationauf der psychiatrischen Station auszugehen, bei der etwa die Fähigkeit, sich selbstgut zu ernähren, durch die Zentralversorgung <strong>und</strong> Stationsroutine sichergestellt ist.Die Stufung der Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen sollen ausschließlicheinen ersten Hinweis auf die Rangfolge <strong>und</strong> die Gewichtung der jeweiligen Aspektegeben. Dabei ist festzuhalten, dass eine hohe Beeinträchtigung nicht zwangsläufigeinen hohen Hilfebedarf nach sich zieht. Die Stufungen geben in ihren Ausprägungeneine Orientierungshilfe <strong>und</strong> können als Gr<strong>und</strong>lage dienen, um vorrangige Hilfeziele zuformulieren.Abstufung der Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen:0 keine Beeinträchtigung vorhanden1 leichte Beeinträchtigung vorhanden2 ausgeprägte Beeinträchtigung vorhanden3 stark ausgeprägte Beeinträchtigung vorhandenÜbung zum Übersichtsbogen, Spalte „Beeinträchtigungen“Bitte wählen Sie sich insgesamt vier Items aus mindestens 2 verschiedenenBereichen (I. Beeinträchtigungen/Gefährdungen durch diepsychische Erkrankung II. Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungenbei Aufnahme <strong>und</strong> Gestaltung sozialer Beziehungen <strong>und</strong> III. Fähigkeitsstörungen<strong>und</strong> Beeinträchtigungen in den Lebensfeldern) aus.Formulieren sie dazu jeweils eine Einstiegsfrage oder eine Formulierungenfür ein Gespräch mit einer Klientin oder einem Klienten.Ausfüllen der Spalte „Hilfen“Vorab eine Warnung: Die Missachtung des ehernen Gr<strong>und</strong>satz „Nicht jede Beeinträchtigunglöst eine psychiatrische Hilfe aus“ ist meist schon unmittelbar auf demÜbersichtsbogen zu erkennen: Fein säuberlich wurde hier jede Spalte ausgefüllt <strong>und</strong>fast mit derselben Wertigkeit wie bei der Spalte der Beeinträchtigungen versehen. AlsGr<strong>und</strong>lage von Fallkonferenzen sowie zur Arbeitsteilung <strong>und</strong> Koordination sind solcheVorlagen nicht zu verwenden. Deshalb ist in der neuen Version des <strong>IBRP</strong> die Stufungnicht mehr gleich gewichtet : die Intensität der Hilfen soll jetzt mit a) wenig bis d) vielHilfe eingeschätzt werden, damit nicht automatisch die Wertigkeit von der Beeinträchtigungauf die Hilfe übertragen werden kann.Es gibt eine „Faustregel“ bei der Einschätzung von Hilfen: „Vorsicht bei insgesamtvielen kompensatorischen Hilfen (ankreuzen von c <strong>und</strong> d), denn die Gefahrder Überversorgung <strong>und</strong> der „erlernten Hilflosigkeit“ ist zu bedenken. Wasist nötig, damit die Klientin bzw. der Klient selbst Erfahrungen machen kann?Bei zu vielen fördernd-trainierenden Hilfen ist die Gefahr der Überforderung zubedenken. Was kann eine Klientin bzw. ein Klient „verkraften“?© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 25 von 41


[ibrp.pdf]Seite 26Die Vielzahl der Möglichkeiten im Manual psychiatrischer Hilfen ist zunächst mit derBrille der erarbeiteten Ziele zu betrachten.Hierzu ein Beispiel, das der Übersichtlichkeit wegen lediglich auf den Bereich II„Fähigkeiten, Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen bei der Aufnahme sozialerBeziehungen“ bezogen ist.Beispiel: Herr Weber hat mit Frau Müller von der psychiatrischen Ambulanz folgende Ziele besprochen:Er will in den nächsten sechs Monaten neben anderen Zielen seine Ängste vor anderen Menschen angehen,indem er zweimal in der Woche die Tagesstätte besucht <strong>und</strong> einmal in den Patientenclub geht.Herr Weber lebt allein <strong>und</strong> hat keinen Kontakt mit Nachbarn.Bei Fähigkeitsstörungen in der Aufnahme <strong>und</strong> Gestaltung sozialer Beziehungen ist hier angekreuzt: IIa im engeren Wohn- <strong>und</strong> Lebensbereich (3), Partnerschaft <strong>und</strong> sonstige familiäre Beziehungen entfällt,<strong>und</strong> II d im Außenbereich (1/2).Durch die Brille des „Zieles“ betrachtet, erschließt sich jetzt: Aktivierbare nicht psychiatrische Hilfenderzeit keine; Bedarf an psychiatrischen Hilfen II a (c), d.h. individuelle Planung, Beobachtung <strong>und</strong>Rückmeldung bei Besuchen in der Wohnung, <strong>und</strong> II d (d) begleitende, übende Unterstützung.Übung:Holen Sie sich das Manual Hilfearten <strong>und</strong> Hilfeausprägungen aus demDownloadbereich <strong>und</strong> suchen Se sich die entsprechenden Hilfearten <strong>und</strong> Ausprägungenfür 2a) <strong>und</strong> 2d) heraus.Welche Hilfeausprägung würden Sie Herrn Weber zuordnen?Konkret vereinbart wird dann, das Frau Müller <strong>und</strong> ein Mitarbeiter des BetreutenWohnens sich zweimal wöchentlich in der Wohnung mit Herrn Weber verabreden <strong>und</strong>von dort zunächst mit in Tagesstätte <strong>und</strong> Patientenclub gehen.Ohne die Ausrichtung an den Zielen würde ein „lineares“ Übertragen vom „Grad“der Beeinträchtigung auf die Intensität der Hilfe zu nicht passenden Vorgehensweisenführen.Wenn Sie sich den Übersichtsbogen aber genau ansehen, gibt es vor den psychiatrischenHilfen noch eine kleine zugehörige Spalte: nichtpsychiatrische Hilfen.Hierzu jetzt einige Erläuterungen:Umgang mit Netzwerken <strong>und</strong> allgemeinen sozialen Hilfen:aktivierbare nichtpsychiatrische HilfenGr<strong>und</strong>satz der Arbeit ist es, dass qualifizierte sozialpsychiatrische Hilfen nur dann<strong>und</strong> nur dort eingesetzt werden sollen, wo sie unabdingbar notwendig sind.Folgende Einschätzungen spielen eine große Rolle:• Welche Hilfepotenziale sind im unmittelbaren sozialen Umfeld (Angehörige,Fre<strong>und</strong>e, Psychiatrieerfahrene, Nachbarn, Vereine, Bürgerhelfer) gegeben?• Welche Hilfen gibt es im Rahmen von Diensten <strong>und</strong> Einrichtungen aus der sozialen<strong>und</strong> medizinischen Regelversorgung?© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 26 von 41


[ibrp.pdf]Seite 27• Welche Hilfen existieren im Umfeld des Lebensortes (Kirchengemeinde, Läden,Park, Schwimmbad etc.)?Ich muss bei dem Vorrang dieser Hilfen immer bedenken, welche Unterstützung notwendigist, damit diese Ressourcen den Klienten verfügbar sind bzw. bleiben.Gerade bei Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en als wichtigste Netzwerkstützen sollten Mitarbeitervorrangig deren Belastung einschätzen können. Wie ist derzeit die Beziehungzu Angehörigen <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>en, wie belastet (überlastet?) sind diese selbst? Die Stabilisierungder Stützen eines Klienten gehört mit zum Herstellen von „Netzwerken“ <strong>und</strong>den „direkt klientenbezogenen“ Tätigkeiten.Es ist in der Regel immer eigener Einsatz nötig, um im Umfeld Dinge zu klären, zuarrangieren, selbst wenn die Klienten nicht direkt begleitet werden. Dieser Umfangist bei den psychiatrischen Hilfen mit zu berücksichtigen. Häufig sind die Mitarbeiterjedoch so stark im professionellen Netzwerk eingeb<strong>und</strong>en, das ihnen meistens zuersteine „psychiatrische“ Hilfe einfällt.Warum findet die Skatgruppe in der Tagesstätte statt <strong>und</strong> nicht in der Kneipe? <strong>Der</strong>Vorrang nichtpsychiatrischer Hilfen ist „dokumentationspflichtig“ zu machen, etwa dieBegründung, warum die Skatgruppe nicht in der Kneipe stattfindet. Mitarbeiter stationärer<strong>und</strong> teilstationärer Einrichtungen haben im Beruf immer nur Kontakt zu anderenProfessionellen - etwa niedergelassenen Ärzten oder Sozialarbeitern. Aus dieser „Vertrautheit“mit Behörden <strong>und</strong> Diensten geht manchmal der Blick auf scheinbar „unprofessionelle“Hilfen verloren. Ob ich einer Klientin des Besuch der Tagesstätte vorschlageoder diese täglich mit dem H<strong>und</strong> der erkrankten Nachbarin losschicke, machtfür die Einbindung in soziale Netze einen großen Unterschied.Kollegen <strong>und</strong> Kolleginnen sozialpsychiatrischer Dienste können hier ein wichtiges„Wächteramt“ wahrnehmen, indem sie bei ihrer Teilnahme an der Fallkonferenz - mancherortsauch Gutachterfunktion - auf dem Vorrang nichtpsychiatrischer Hilfen bestehen.Hilfreich ist ebenfalls, wenn das Wissen <strong>und</strong> die Kontakte der unterschiedlichenBerufsgruppen <strong>und</strong> Altersgruppen im Team systematisch zusammengeführt werden.Auch die Ressourcen, die durch Mitarbeiter persönlich erschlossen werden können(private Kontakte zu potenziellen Praktika, Mitgliedschaft in Sportgruppen u.Ä.) sindhier von hoher Bedeutung für die „Normalisierung“ der Lebensverhältnisse.Vielleicht erinnern Sie sich noch an unser Fallbeispiel Herr Weber. Welche Möglichkeitennichtpsychiatrischer Hilfen fallen Ihnen für einen alleinlebenden Mannein, der gerne mehr Kontakte hätte, aber große Schwierigkeiten hat, Kontakteaufzunehmen?Bitte tragen sie alles an Möglichkeiten zusammen <strong>und</strong> schätzen Sie ein, was SieMenschen in der Umgebung zumuten können <strong>und</strong> wie viel Unterstützung von Ihnenfür solche Kontakte nötig sind.Sehen Sie sich dazu noch einmal das Beipsielvideo an.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 27 von 41


[ibrp.pdf]Seite 28Bündelung der HilfenWie die so erarbeiteten Hilfen zu bündeln sind, ist dann der zweite Schritt.Wenn ich einen Patienten besuche, sehe ich <strong>und</strong> spreche ich darüber, wie es ihmgeht. Ich begleite ihn beim Einkaufen <strong>und</strong> spreche mit ihm bzw. helfe bei der Bewältigungseiner Ängste, bei der Ernährung, beim Geldeinteilen <strong>und</strong> überprüfe gleichzeitig,ob die verabredete Koordination der Hilfen gelingt.Ich erledige also viele Dinge - etwa bei einem Hausbesuch - gleichzeitig.<strong>Der</strong> Inhalt meines Hausbesuches ist aber vielschichtig <strong>und</strong> situativ bestimmt <strong>und</strong>erschließt sich erst, wenn ich vorher (Planung: An was muss ich heute denken?) oderhinterher genau darüber nachdenke.„Gute“ Klientenkontakte <strong>und</strong> gelungene berufliche Beziehungsaufnahmen lebenvon der Fähigkeit, Kontakte spontan <strong>und</strong> authentisch zu gestalten, ohne professionelleAspekte auszublenden. Beziehungsarbeit scheint sich den Einschätzungen von Bedarf(Mitarbeiterwahrnehmung) <strong>und</strong> Bedürfnis (Klientenwahrnehmung) zu entziehen, <strong>und</strong>deshalb ist es wichtig, Hilfen in Hinblick auf Ziele zu definieren.Ich bin also jetzt aufgefordert, die erforderlichen Hilfen zusammen mit den Klientenzu benennen <strong>und</strong> zu bündeln. Eine Möglichkeit ist, die Ziele zu nummerieren <strong>und</strong>danach diesen den angekreuzten Bedarf an Hilfen zuzuordnen. Eine andere Möglichkeitist es, vom Vorgehen her zu überlegen: Wer sollte was machen, was lässt sich gutgemeinsam erledigen? Dafür muss ich wissen: Was kann ich, was kann mein Dienst,meine Einrichtung leisten, was können andere?Als einen Vorlauf zu individueller Hilfeplanung ist es sinnvoll, wenn ein Team sichdas eigene Angebotsspektrum erarbeitet. Um <strong>konkret</strong>e Arbeitsteilung mit Kolleginnen<strong>und</strong> Kollegen anderer Teams zu verabreden, bin ich zukünftig auch als Makler meinerFähigkeiten, der Fähigkeiten meiner Kollegen <strong>und</strong> der Einschätzung der strukturellenBedingungen unseres Teams tätig.Folgende Überlegungen helfen hierbei:• Was ist die Struktur der Tagesstätte bzw. der Wohnheimarbeit <strong>und</strong> was kann ichdabei alles individuell machen?• Welche „Strukturen“ eignen sich für was (z.B. kann auch beim vereinbartengemeinsamen Wohngemeinschaftskochen durchaus etwa individuelle Beratungzu einem ganz anderen Thema geleistet werden).Ich muss abschätzen können, wie viel meiner Arbeitszeit insgesamt durch Wegezeiten,Teambesprechungen, Dokumentation <strong>und</strong> Arbeitsstrukturen geb<strong>und</strong>en ist, um individuelleVereinbarungen zu treffen oder individuelle Hilfen in die vorhandene Struktureinzupassen.Hier gibt es zwei Leitfragen (Gr<strong>und</strong>lage ist das Manual):1. Welche nichtpsychiatrische Hilfen können beim Erreichen der Ziele nützlich sein(Vorrang)?2. Welche psychiatrischen Hilfen sind zur Erreichung der Ziele notwendig?Zur Klärung dieser Fragen ist der Zeitraum der Hilfeplanung unbedingt zu berücksichtigen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 28 von 41


[ibrp.pdf]Seite 29Die Abstufungen im Bereich des Bedarfs an psychiatrischen Hilfen beinhaltenquantitative <strong>und</strong> qualitative Elemente <strong>und</strong> sind als Anregungen für die Planung der<strong>konkret</strong>en Durchführung zu verstehen. Die Stufung des Bedarfes an nicht psychiatrischenHilfen kann Hinweise geben, ob <strong>und</strong> wie viel an erhaltender <strong>und</strong> stützender Aktivitätdurch psychiatrische Fachkräfte nötig ist.Dies gilt genauso für die Stufung der psychiatrischen Hilfen. Sie gibt dann auchHinweise bezüglich Schwerpunktsetzungen.Im Gegensatz zum vorherigen spaltenweisen Vorgehen soll jetzt bereichsweise(quer) im Zusammenhang mit den Spalten 3 <strong>und</strong> 4 vorgegangen werden.Nach Bearbeitung der Spalte „Hilfen“ sollten noch einmal die Angaben der erstenvier Spalten betrachtet werden. (Etwa: Es wurde ein sehr hoher <strong>und</strong> umfangreicherBedarf an psychiatrischen Hilfen bei „Ernährung“ genannt, Ernährung wurde allerdingsnicht als Problem <strong>und</strong> nicht als Ziel definiert.) Es geht also auch hier wiederumum mögliche Vervollständigungen.Hinweis: Zur besseren Lesbarkeit der Beschreibung der Stufung diese hier nochmalsin großzügigerer Aufteilung:Aktivierbarkeit, Verfügbarkeit nicht psychiatrischer Hilfen0 keine Hilfen / Hilfspotentiale vorhandena geringe Hilfen / Hilfspotentiale vorhandenb wesentliche entlastenden Hilfen / Hilfspotentiale vorhandenAbstufung der Hilfearten <strong>und</strong> Hilfeausprägungenbezogen auf den Bedarf an psychiatrischen Hilfen0 keine Hilfen notwendiga Information <strong>und</strong> Beratung notwendigb Erschließung, Erhaltung von Hilfen im Umfeld nötigc individuelle Planung, Beobachtung, Rückmeldung notwendigd begleitenden, übende Unterstützung notwendige regelmäßiges, intensives individuelles Angebot notwendigAnleitung zur Spalte: „Vorgehen“Die Frage lautet: Welche fachliche Vorgehensweise ist notwendig bzw. sinnvoll,um die vorher genannten Ziele unter Berücksichtigung:• der vorhandenen <strong>und</strong> verfügbaren Fähigkeiten,• der bestehenden Fähigkeitsstörungen <strong>und</strong> Beeinträchtigungen,• der (aktivierbaren) nichtpsychiatrischen Hilfen sowie• des genannten Bedarfes an psychiatrischen Hilfen erreichen zu können?Generell ist wichtig: Die Bedeutung <strong>und</strong> Aufgabe von fachlicher Planung wird häufigunterschätzt. Wie eine Fachkraft Planung „macht“, hängt auch von persönlichen Stilen<strong>und</strong> Vorlieben ab. Auf alle Fälle ist in ausreichend kleinen Schritten vorzugehen, umalle Aspekte zu berücksichtigen <strong>und</strong> um dann zu „Zusammenfassungen“ zu kommen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 29 von 41


[ibrp.pdf]Seite 30Eine Möglichkeit ist, vom Allgemeinen zum Besonderen zu gehen, um so zu Zusammenfassungenzu kommen. Ein Beispiel:1. Es hat sich herausgestellt, dass, um in einer eigenen Wohnung leben zu können,fachpsychiatrische Hilfen notwendig sind.2. Diese allgemeinste Ebene wird „zerlegt“ <strong>und</strong> fortgeführt unter anderem in: Eshat sich weiterhin herausgestellt, dass dazu Hilfen zur Sicherstellung der Ernährungnotwendig sind.3. Dieses wiederum wird „zerlegt“ etwa in: Auf Gr<strong>und</strong> einer starken Beeinträchtigungdurch Ängste <strong>und</strong> Vergiftungsideen kommt momentan für das Mittagessenausschließlich selbst zubereitetes Essen in Frage. Beim Einkauf <strong>und</strong> Zubereitensind häufige Rückversicherungen bei einer psychiatrischen Fachkraft notwendig.Fachliche Mittel dafür sind: Begleitung beim Einkauf, Dabeisein beim Zubereiten<strong>und</strong> Essen, Nachbesprechung.4. Folgende „Zusammenfassungen“ sind denkbar: Da Hausbesuche sinnvoll sind,können dabei noch eventuell andere Dinge, die „hineinpassen“, mit besprochenwerden. Die auch in anderen Lebensbereichen durch Ängste <strong>und</strong> Vergiftungsideenbeeinträchtigte Person wünscht weiterhin diesbezüglich „aufarbeitende“Unterstützung, zum Beispiel im Rahmen einer Psychotherapie oder im Rahmeneiner psychoedukativen Gruppe.5. <strong>Der</strong> Umfang (Anzahl der Treffen, Zeit pro Woche) der geplanten Hilfe ist festzulegen.Bei der Planung des Vorgehens ist zu unterscheiden zwischen:• einer Einzelleistung, wie zum Beispiel einem therapeutischen Gespräch <strong>und</strong>• einer Bündelung von Maßnahmen wie der unterstützenden Begleitung beimEinkauf <strong>und</strong> dabei <strong>integrierte</strong>r Beratung etwa bezüglich der Einteilung des Geldes,der Ernährung <strong>und</strong> Zuordnung zu einem Leistungsbereich (siehe hierzu AS7 b). Für die Detailplanung ist es sicherlich notwendig, diese gesondert festzuhalten.In der Spalte 7 werden nur die zusammengefassten Ergebnisse der Planung dokumentiert.Bei der fachlichen Haltung geht es hier immer um ein Verhandeln statt Verordnen.Klare, überschaubare Zielsetzungen erleichtern das Ausfüllen dieser Spalte erheblich.Anleitung zur Spalte: „Erbringung durch ...“Hier lautet die generelle Frage, von wem welche Leistung in welchem Zeitraumerbracht werden soll.Zu benennen sind die Mitarbeiter, die <strong>konkret</strong> die vereinbarte individuelle Hilfeleistungerbringen werden, <strong>und</strong> zwar mit dem Namen ihrer Organisationseinheit, ihrerEinrichtung, ihres Dienstes. Dies bezieht sich auf alle, auch die im Bereich nichtpsychiatrischerHilfen eingeplanten Unterstützungsleistungen.Um zu entscheiden, wer sinnvollerweise bestimmte Leistungen erbringt, ist nebenden Wünschen der Klienten die Verfügbarkeit <strong>und</strong> die funktionale Zuordnung („Fürwas ist das wichtig?“) entscheidend.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 30 von 41


[ibrp.pdf]Seite 31Bitte lesen Sie jetzt den im Downloadbereich liegendenBegleittext Gemeindepsychiatrischer Verb<strong>und</strong> <strong>und</strong> funktionaleLeistungsbereiche durch.Leistungsbereiche des Gemeindepsychiatrischen Verb<strong>und</strong>es –Hilfen für die ZuordnungDie Zuordnung zu Leistungsbereichen ist notwendig, wenn mit dem <strong>IBRP</strong> Zeitbemessung<strong>und</strong> damit die Bildung von Gruppen vergleichbarer Hilfebedarfe (nach § 93BSHG) vorgenommen werden soll.Diese Zuordnung ist ein notwendiger Zwischenschritt zur Zuordnung von Minutenwerten.Sie haben bereits den Begleittext gelesen. Dennoch kommt es zu Beginn desVerfahrens manchmal zu Zuordnungsproblemen.Wichtig für eine erfolgreiche <strong>und</strong> überprüfbare Zuordnung ist zunächst, gedanklichnochmals zwischen den Hilfezielen <strong>und</strong> dem Vorgehen zu unterscheiden. Entscheidendfür die Zuordnung ist das Hilfeziel. <strong>Der</strong> entscheidende gedankliche Zwischenschrittbetrifft die Frage: Wofür ist das vereinbartes Vorgehen hilfreich?Die Zuordnung nach Leistungsbereichen ist dementsprechend funktional zubegründen.Wenn man von den Hilfezielen ausgeht, fällt es wesentlich leichter, sich die „finaleBetrachtungsweise“ anzueignen <strong>und</strong> zu einer Zuordnung zu kommen. Zu Beginn fälltdie Unterscheidung oft schwer, wenn es um die Zuordnung zwischen Leistungsbereichenwie Tagesgestaltung oder Arbeit geht.Hierzu ein Beispiel: Vereinbart ist die Unterstützung einer Klientin bei ihremHobby, der Blumenpflege. Ohne die Betrachtung der vereinbarten Ziele ist die Zuordnunghier ganz eindeutig: Leistungsbereich Tagesgestaltung. Ist auch das Hilfeziel derTagesstruktur zuzuordnen, bleibt es dabei.Ist jedoch als Ziel vereinbart, die Blumenpflege in der Tagesstätte zu übernehmenoder die Fähigkeiten in Hinblick auf ein Tätigwerden im Bereich Floristik – seies auch nur ehrenamtlich – auszubauen, so wäre diese Leistung dem Bereich Arbeit/Beschäftigung zuzuordnen.Die methodische Regel lautet: Zuordnungen zu den Leistungsbereichen immer nachfinalen Gesichtspunkten (Für was soll das gut sein?) zu begründen; das erleichtert eineAbstimmung in den Fallkonferenzen enorm. Hintergr<strong>und</strong> dieser Regel ist die Erkenntnis,das Mitarbeiterinnen <strong>und</strong> Mitarbeiter bestehender Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen Leistungenaus verschiedenen Bereichen erbringen. Das Verfahren des <strong>IBRP</strong> erkennt diesan <strong>und</strong> versucht die bestehende Flexibilität von Mitarbeitern für die Kontinuität derBegleitung von Klientinnen <strong>und</strong> Klienten nutzbar zu machen.Noch einmal: Die ungewohnte Perspektive funktionalen Denkens fragt nach demZiel bzw. der Absicht der Hilfeleistung.Die bestehende Angebotsorientierung hat die Überlegungen „Für was ist das beiFrau X gut?“ bisher überflüssig gemacht. Im Wohnheim gab es nun mal eine Gesangsgruppe,die Arbeitsmotivation wurde in der Tagesstätte angebahnt <strong>und</strong> im Arbeitstrainingsbereichder Werkstatt gefördert.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 31 von 41


[ibrp.pdf]Seite 32Die Frage nach der Funktion der Hilfen, nach der Zuordnung zu Leistungsbereichen,macht die Angebotsprofile von Einrichtungen <strong>und</strong> Diensten flexibler <strong>und</strong>bietet neue Möglichkeiten.Zeiteinschätzung der HilfenDie Umsetzung bis zu einer Zeiteinschätzung ist erfahrungsgemäß am schwierigsten.Hilfen für die Einordnung in ZeitstufenVoraussichtlich wird es in den verschiedenen B<strong>und</strong>esländern unterschiedliche Regelungenfür die Einordnung in Zeitstufen geben.Unabhängig von den länderrechtlichen Regelungen sind jedoch folgende methodischeHilfen für die Zuordnung von vereinbarten Hilfen zu Zeitstufen wichtig: Alledirekt klientenbezogenen Leistungen müssen hinsichtlich ihres durchschnittlichenwöchentlichen Zeitaufwands berücksichtigt werden. Dieser Schritt wird in der Praxisnicht immer einfach sein. Er bedeutet, die im vorigen Schritt besprochenen <strong>und</strong> mit denBeteiligten ausgehandelten Leistungen auf eine der Zeitstufen zu beziehen. Die Beteiligtenmüssen sich auf einen durchschnittlichen wöchentlichen Zeitwert verständigen.Dabei sind Schwankungen - soweit sie einzuschätzen sind - zu berücksichtigen <strong>und</strong> aufeinen Mittelwert zu beziehen. Mit den Zeitstufen werden die voraussichtlich erforderlichendirekt klientenbezogenen Leistungen in dem jeweiligen Leistungsbereich erfasst.Zu den direkt klientenbezogenen Leistungen gehören: alle Kontakte mit dem Klienten,alle Tätigkeiten, die nur für diesen Klienten stattfinden (Kontakte zum rechtlichenBetreuer, zu Nachbarn, zu Angehörigen, zu Behörden), Vor- <strong>und</strong> Nachbereitung vonKontakten, Fallbesprechungen, Helferkonferenzen, Dokumentation, das Verfassen vonBerichten, Fertigung von Anträgen <strong>und</strong> Schreiben sowie die Wegezeiten, die regelmäßiganfallen werden. Bei der derzeitigen durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 St<strong>und</strong>enpro Woche kann man jetzt die Jahresarbeitszeit abzüglich Urlaub, durchschnittlichenKrankheitstagen <strong>und</strong> Fortbildung abziehen. Wieder auf wöchentlich verfügbareArbeitszeit berechnet, kommen dabei ca. 31 St<strong>und</strong>en durchschnittlich verfügbarerArbeitszeit heraus.Nicht mitzurechnen bei einer Einschätzung direkt klientenbezogener Leistungensind die Zeiten, die nur indirekt für den Klienten anfallen. Als diese definieren dieLeistungstypbeschreibungen zum Beispiel: Teambesprechungen <strong>und</strong> Büroorganisation,allgemeine Dokumentation, Supervision, Teilnahme an der PSAG <strong>und</strong> anderenFachgruppensitzungen, Außendarstellung bzw. Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtung,Kontakte zu anderen Einrichtungen. Hierzu gehören auch Zeiten für Fortbildungen etc.Diese Tätigkeiten sind aus Erfahrung mit etwa 7-9 St<strong>und</strong>en wöchentlich anzusetzen.Ein durchschnittlicher Mitarbeiter ist also 22-24 St<strong>und</strong>en direkt klientenbezogen tätig.Die Zeitstufen gehen von einem unmittelbaren Zeitaufwand eines Betreuers füreinen Klienten aus. Bei allen Maßnahmen, Leistungen oder Tätigkeiten, die einBetreuer mit mehreren Klienten zusammen erbringt oder verrichtet, muss der Zeitaufwanddes einzelnen Klienten durch die Zahl der Klienten geteilt werden. Wird eineGruppenveranstaltung benötigt, an der durchschnittlich mehrere Klientinnen <strong>und</strong> Kliententeilnehmen (z.B. ein Gruppengespräch in einer Wohngruppe oder eine Veranstaltungin einer Tagesstätte), ist der Zeitbedarf der Klienten durch diese Gruppengröße zuteilen. Nehmen mehr als eine Fachkraft an der Gruppenaktivität teil, so ist der Zeitaufwandmit der Zahl der notwendig anwesenden Gruppenleiter zu multiplizieren.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 32 von 41


[ibrp.pdf]Seite 33Ist etwa in einer Wohngruppe (vier Bewohner) zweimal wöchentlich ein Gruppengesprächvereinbart, das jeweils 60 Minuten dauert (zusammen dann 120 Mitarbeiterminuten),so sind für den einzelnen Bewohner 30 Minuten einzurechnen. Nehmenimmer zwei Mitarbeiter teil, so sind 60 Minuten dafür einzusetzen.<strong>Der</strong> Zeitaufwand für beaufsichtigende Leistungen während des Tages (Anwesenheitsbereitschaft),d.h. die ständige Anwesenheit einer Fachkraft in der Einrichtung,wird nicht in personenbezogenen Zeitstufen berücksichtigt, sondern mittels einesZuschlags; dies gilt ähnlich für Nachtbereitschaften.<strong>Der</strong> Bedarf an diesen Bereitschaften ist auf die Person bezogen in der Begutachtungfestzuhalten. Ähnlich ist die Erfordernis von Nachtwachen zu verhandeln <strong>und</strong> zu vereinbaren.Neben diesen gr<strong>und</strong>sätzlichen Hilfen ist zunächst zu berücksichtigen, dass der hiergeforderte Blickwinkel, nämlich die Einschätzung der Leistungen für einen Klientenin Zeiteinheiten, ganz ungewohnt ist. Die gängigen „Personalschlüssel“ (etwa 1:8) sindaber gr<strong>und</strong>sätzlich auch nichts anderes. Ein Personalschlüssel – auf der Gr<strong>und</strong>lage dererrechneten klientenbezogenen Arbeitszeit – sagt genauso aus, wie viel Zeit für einenKlienten durchschnittlich pro Woche zu Verfügung steht.Bei den häufig vorkommenden Schlüsseln 1:4 bedeutet dies etwa sechs St<strong>und</strong>enwöchentlich, bei 1:8 drei St<strong>und</strong>en <strong>und</strong> bei 1:12 zwei St<strong>und</strong>en wöchentlich, die direktklientenbezogen eingesetzt werden können.Auch heute schätzt zum Beispiel ein Klinikarzt ein, ob der Klient viel (d.h. in derRegel eine 1:4-Betreuung im Wohnheim) oder wenig (z.B. eine 1:12-Betreuung imBetreuten Wohnen) brauchen wird.Wir sind nur gewöhnt, diese Zeiten mit festen Angebotsstrukturen zu verbinden,<strong>und</strong> beziehen unsere Erfahrungswerte auf diese Angebotspakete.Erfahrungsgemäß ist gerade bei Menschen mit Psychiatrieerfahrung nicht voneinem zeitlich immer gleichen Hilfebedarf zu sprechen. Es ist also eine durchschnittlicheEinschätzung gefragt. Auch derzeit ist es so, dass die zeitlich unterschiedlichenBedarfe sich bei mehreren Hilfeempfängern <strong>und</strong> einer bestimmten Teamgröße untereinanderausgleichen. Geht der dokumentierte Aufwand jedoch deutlich über den eingeschätztenZeitbedarf hinaus, ist eine Neubewertung <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en eine Veränderungder Hilfeplanung vorzunehmen.Die Umrechnung in wöchentliche „Zeiten“ statt in Schlüssel hat einen großen Vorteil:Die Klientinnen <strong>und</strong> Klienten wissen, welcher Zeitaufwand abgesprochen wurde,sie können sich an der weiteren Einschätzung <strong>und</strong> Bewertung beteiligen.Die zutreffende Einschätzung von Zeitbedarfen ist auch eine Frage der Erfahrung,<strong>und</strong> diese Übung entsteht nicht nur durch Gewöhnung, sondern auch durch die Dokumentationder direkt für Klienten geplanten <strong>und</strong> durchgeführten Zeiten.Als Hilfe bei der Einführung personenbezogener Zeitbemessung ist es sehr nützlich,sich im Team einer Einrichtung oder eines Dienstes die bisherige Zeiteinteilung derArbeitswoche zu verdeutlichen.• Welche sind die direkt klientenbezogenen Tätigkeiten?• Wie sind diese auf einzelne Klienten pro Woche zu berechnen?© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 33 von 41


[ibrp.pdf]Seite 34• Wie können diese auf einer Skala von 1 St<strong>und</strong>e pro Woche (kleinste Zeiteinheit,die sinnvoll ist) bis zu 16 St<strong>und</strong>en pro Woche (mehr wird wohl im Rehabilitationsbereichdirekt klientenbezogen nicht geleistet) eingeordnet werden?Mit dieser „Vorübung“ ist es meist sehr viel einfacher, durchschnittliche wöchentlicheZeitbedarfe für direkt klientenbezogene Tätigkeiten einzuschätzen.Sind mehrere Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen beteiligt, errechnet sich die Gesamteinschätzungdurch Addition bzw. durch klare Aufteilung der auf den jeweiligen Trägerentfallenden Zeitstufen.Die Aufteilung ist unter fachlichen Gesichtspunkten zu treffen. Es werden alsoimmer die tatsächlich notwendigen Tätigkeiten für einen Klienten hinsichtlich ihresZeitbedarfes im Leistungsbereich eingeschätzt. Werden diese – etwa zur Stärkung derKontinuität für eine Klienten – von zwei unterschiedlichen Trägern erbracht, müssendiese aufgeteilt werden.Dieses Verfahren ermöglicht neben einer Zeitbemessung natürlich auch die Planung<strong>und</strong> Einschätzung von Kapazitäten einzelner Träger <strong>und</strong> der Region insgesamt.Das Verfahren macht aber auch lediglich auf den jeweiligen Klienten bezogeneAbstimmungen möglich. Es gibt die Chance, flexibel nach zweit- oder drittbestenLösungen zu suchen, wenn Kapazitäten erschöpft sind.Hierzu folgender Lernfall Herr Weber:Bitte tragen Sie zunächst das erste Mal direkt in den Ausdruck des Bogens A die folgendenDaten ein. Alternativ können Sie den bereits ausgefüllten Bogen mit den unstehendenDaten im Downloadbereich herunterladen oder im Anhang des Buches finden.Inhaltliche Begründung für die Zeitbedarfe:Herr Weber hat derzeit die besten Kontakte zu der Mitarbeiterin der Institutsambulanz,die ja auch die Koordination zunächst weiter übernimmt. Diese Mitarbeiterin istauch Leiterin der Clubnachmittage.Da die Ärztin der Institutsambulanz die medizinisch-präventiven Aufgaben übernimmt,muss hier die höchste Zeitstufe (III) für ambulante sozialpsychiatrische Gr<strong>und</strong>versorgungeingesetzt werden (ca. 20 Minuten pro Woche).Herr Weber kennt Herrn Wagner seit etwa einem halben Jahr. Er hat mit ihm denUmzug vorbereitet, Wohnraumgestaltung, Hilfen bei der Selbstversorgung <strong>und</strong> Gestaltungder Zeit wie die Motivation <strong>und</strong> Begleitung sind bei ihm „richtig“. Er soll perspektivischauch noch die Koordination übernehmen, Lebensfeld Selbstsorge mit Zeitbedarf(V) <strong>und</strong> Tagesgestaltung mit (V) (zusammen ca. 80 Minuten pro Woche).Aus der Kenntnis des bisherigen Betreuungsverlaufs ist anzunehmen, dass für dieKoordination – zumal nur zwei Dienste beteiligt sind – die geringere Zeitstufe ausreicht(I) (ca. 10 Minuten pro Woche). <strong>Behandlungs</strong>planung <strong>und</strong> Abstimmung sind ebenfallsmit 15 Minuten pro Woche zu rechnen. Insgesamt kommen wir zu einem KomplexleistungsprogrammJ (134 bis 189 Min. pro Woche).© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 34 von 41


[ibrp.pdf]Seite 35QualitätskriterienWoran kann frau /man jetzt einen „gut“ ausgefüllten <strong>IBRP</strong>-Übersichtsbogen erkennen?A Ist der Bogen nur aus dem eigenen fachlichen Zugang (z.B. „Sozialpädagogenbrille“)heraus ausgefüllt? Ist der Bogen nur aus der Sicht der eigenen Institution(z.B. „Stations“ oder „Wohnheimbrille“) ausgefüllt?B Sind die Informationen, die im Übersichtsbogen festgehalten wurden, auch alledem Klienten bekannt <strong>und</strong> dessen ggf. abweichende Sicht gekennzeichnet?C Sind die Ziele wirklich <strong>konkret</strong> für den vereinbarten Zeitraum beschrieben?Sind die Ziele mit der Klientin bzw. dem Klienten abgesprochen?D Sind die Hilfen im Umfeld (nichtpsychiatrische Hilfen) <strong>und</strong> die Leistungen, dieerbracht werden müssen, um diese „tragfähig“ zu machen, mitbedacht?E Sind die psychiatrischen Hilfen durchdacht angekreuzt (kein einfacher Übertragder Werte der Beeinträchtigungen)?F Sind in der Spalte „Vorgehen“ die Hilfen schon sinnvoll gebündelt?G Sind bei der Spalte „Erbringung“ gebündelte Hilfen so zugeordnet, dass voneiner sinnvollen Arbeitsteilung gesprochen werden kann?H Ist die Koordination <strong>und</strong> Durchführung der Hilfen so verbindlich vereinbart,dass eine Abstimmung im Verlauf möglich wird?Sie haben jetzt den gesamten Übersichtsbogen einmal an verschiedenen Beispielen ausgefüllt.Es gibt jedoch noch eine ganze Reihe von methodischen Überlegungen, die denProzess der Hilfeplanung begleiten.Auch diese Problemstellungen sollen sie noch ergänzend bearbeiten,bevor Sie sich an ihre erste „echte“ Hilfeplanung wagen.<strong>Der</strong> Klient will oder kann sich nichtbeteiligen – was tun?Die bisherigen Erfahrungen sind ermutigend, denn: dieser Fall kommt selten vor.Klientinnen <strong>und</strong> Klienten, die erfahren, das man sich bei den Gesprächen auf sieeinstellt, dass aus der Hilfeplanung für sie etwas herauskommt, sind zunehmend stärkerbereit, sich an dem Verfahren zu beteiligen (siehe hierzu den Beitrag von Woitas imDownloadbereich).Neben der sorgfältigen Beachtung der methodischen Ratschläge ist bei der Einführungdes Verfahrens auch der „Mut zur Lücke“ erforderlich: Es ist sinnvoll, zunächstnur wenige Aspekte einzubeziehen, aber diese zu dokumentieren <strong>und</strong> Hilfen verbindlichzu verabreden. <strong>Der</strong> <strong>IBRP</strong> ist bewusst als Prozess zu verstehen, der mit jedemZyklus mehr an „Passsung“ erreicht.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 35 von 41


[ibrp.pdf]Seite 36Dennoch gibt es eine kleine Gruppe von betroffenen Menschen, die entweder derzeitnicht in der Lage sind, sich an ihrer Hilfeplanung zu beteiligen, oder die dies deutlichablehnen.Hier empfiehlt sich zunächst, von den Klienten eine Person ihres Vertrauens benennenzu lassen, mit der die Gespräche geführt werden. Ist auch das nicht möglich, ist derbestellte Betreuer direkt bei der Erstellung zu beteiligen. Die entstandene Hilfeplanungist den Klienten unbedingt vor der Fallkonferenz bekannt zu machen, die Meinung zumPlan muss eingeholt <strong>und</strong> dokumentiert werden!Verständlich ist, das Menschen mit langen Hospitalisierungserfahrungen sich ablehnendverhalten. Das Ansetzen an Wünschen, die von Mitarbeitern vermutet werden,<strong>und</strong> das zunächst spärliche Dokumentieren können ein Ansatzpunkt sein, Vertrauen zuschaffen. Wenn alles nicht greift, kann es Sinn machen, die Bögen zunächst zur Seitezu legen <strong>und</strong> für einen Zeitraum nur das zu vereinbaren, was an Betreuung in der jetzigenSituation ohnehin für alle (Gr<strong>und</strong>pauschale) geleistet wird.Dies bedeutet dann auch, sich an diese meist wenigen Vereinbarungen zu halten<strong>und</strong> darauf zu bestehen, dass alle darüber hinausgehenden Betreuungsleistungen übergemeinsame Hilfeplanung vereinbart werden. An manchen Orten unterstützen auchHeimbeiräte die Anwendung des Hilfeplanungsverfahrens <strong>und</strong> können zu einer Beteiligungim eigenen Interesse motivieren.Neue Klienten im gemeindepsychiatrischen NetzZur Zielgruppe gemeindepsychiatrischer Hilfen gehören Menschen mit schweren<strong>und</strong>/oder lang andauernden psychischen <strong>und</strong> Suchterkrankungen, auch in höheremLebensalter. Sie kommen entweder mit der üblichen ambulanten ärztlichen Betreuung<strong>und</strong>/oder anderen ambulanten Angeboten in ihrem Lebensfeld nicht aus, bzw. kommtihr Lebensfeld mit den Belastungen nicht zurecht. Nicht jeder erst- oder wiedererkrankteMensch erhält gemeindepsychiatrische Hilfen, eine ganze Reihe kommt inihren Lebensfeldern zurecht.„Neu im System“ sind aber nicht nur die ersterkrankten Menschen, die so schwererkrankt sind, dass sie nach ihrer stationäre Behandlung umfangreiche Hilfen benötigen.Auch unterversorgte, allein oder bei überforderten Angehörigen lebende Menschenbenötigen nach Krisen umfangreichere Hilfen. In verschiedenartigen Einrichtungenwie allgemeinen Wohn- oder Altenheimen, Einrichtungen der Wohnungslosenhilfeoder auch in der Obdachlosigkeit leben Menschen mit psychiatrischem Hilfebedarf.Das bedeutet, dass die Koordination der Hilfen vorübergehend oder dauerhaft durcheine begleitende therapeutische Bezugsperson nötig ist <strong>und</strong> zeitweise umfassendereHilfen für diesen Mensch zu erschließen sind.Eine Hilfeplanung für „Neue“ musszunächst schnell für einen kurzen Zeitraum erfolgen, d.h. für die nächsten drei Monate.Ein vollständiges gemeinsames Bearbeiten der Bögen ist meist nicht möglich, der „Mutzur Lücke“ bedeutet in dieser Situation:• sich auf das Wesentliche konzentrieren, nur das festhalten, was gewusst, alsovom Klienten berichtet wird (nichts dazu erklären);• keinen Verfahrensschritt auslassen, aber zum Beispiel beim Fähigkeits- oderBeeinträchtigungsprofil nur einige der im Vordergr<strong>und</strong> der Situation stehendeItems klären;© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 36 von 41


[ibrp.pdf]Seite 37• Wenn keine Vorstellung zur gewünschten Lebensform vom Klient geäußertwird, die aktuelle oder verfügbare Lebenssituation stabilisieren.Wichtig ist, bei „neuen“ Klientinnen <strong>und</strong> Klienten sehr kurzfristig zu entscheiden, werzunächst die koordinierende Funktion übernimmt, die Fallkonferenz einberuft <strong>und</strong>den vorläufigen Hilfeplan abstimmt. Die Unterscheidung zwischen der Verantwortung,dass Hilfeplanung geschieht, <strong>und</strong> dem Aufbau der Koordination durch eine therapeutischeBezugsperson ist dabei wichtig.Die meisten „neuen“ Klientinnen <strong>und</strong> Klienten mit dem Bedarf <strong>integrierte</strong>r Hilfeplanungwerden von Mitarbeitern der Klinik benannt, aber auch die SozialpsychiatrischenDienste <strong>und</strong>/oder Beratungsstellen sind häufig Vermittler. Mit der Trennung vonfederführender <strong>und</strong> koordinierender Funktion in der regionalen Fallkonferenz könnendann Systemressourcen gesteuert werden.Ein Beispiel aus den Verfahrensregeln des GPV-Reutlingen: Entsteht im Kontakt zueinem Klienten der Eindruck, dass die Einsetzung einer koordinierenden Bezugspersonangebracht wäre, verständigen sich die GPV-Mitglieder <strong>und</strong> betreuenden Institutionenin Absprache mit dem Klienten über die personelle Besetzung dieser Funktion.<strong>Der</strong> Klient erklärt schriftlich sein Einverständnis zur Ausübung der Fallkoordinationdurch den ausgewählten Mitarbeiter <strong>und</strong> entbindet die betreuenden Institutionenvon ihrer Schweigepflicht gegenüber der koordinierenden Bezugsperson <strong>und</strong> umgekehrt.Die koordinierende Bezugsperson informiert alle beteiligten Einrichtungen <strong>und</strong>Dienste schriftlich unter Hinzufügung der Schweigepflichtsentbindung über die Funktionsübernahme.Ausgangspunkt für das Tätigwerden einer Fachkraft ist ein Auftrag. Gerade im psychiatrischenBereich ist es jedoch häufig so, dass die von einem Klienten, von Angehörigenoder auch von anderen Diensten <strong>und</strong> Einrichtungen vorgetragenen Anliegeneinerseits unabweisbar deutlich mache, das „etwas“ getan werden muss, andererseitsaber sowohl das Problem wie auch das Ziel der Hilfe eher allgemein <strong>und</strong> unklarbeschrieben wird.Eine wichtige Voraussetzung besteht darin, dieses Etwas zu präzisieren.Eine <strong>konkret</strong>e Zielplanung mit Klienten <strong>und</strong> Angehörigen mit Hilfe des <strong>IBRP</strong> unterstütztdiesen Vorgang. Es kann zunächst nützlich sein, getrennte Übersichtsbögen fürden/die Klienten/Klientin, für die eigene Einschätzung, für Angehörige <strong>und</strong> für Mitarbeiteranderer Einrichtungen kurz zu formulieren <strong>und</strong> erst dann in einem Gesprächzusammenzufassen.Sicherstellen personeller Kontinuität bei derKoordinationDie kontinuierliche Begleitung durch eine „haltende“, Realität vermittelnde, koordinierendeBezugsperson ist ein Qualitätsstandard personenbezogener Hilfen.In praktisch allen Arbeitskonzepten <strong>und</strong> Teams im psychiatrischen Hilfesystemwerden Bezugspersonensysteme verwendet. Das Bezugspersonensystem ist Voraussetzungvon Hilfeplanung nach dem <strong>IBRP</strong>. Standard ist die verantwortliche Festlegungeiner Bezugsperson <strong>und</strong> deren Vertretung.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 37 von 41


[ibrp.pdf]Seite 38Für die <strong>integrierte</strong> Hilfeplanung ist es wichtig, Stufen von zunehmender Qualitätbei der Betreuung zu unterscheiden. Ausgangslage (Stufe 1) ist häufig, das jedes Team,das Hilfen für eine Klientin bzw. einen Klienten erbringt, jeweils eine Bezugspersonbestimmt hat. Abstimmungen für eine sinnvolle Gesamtplanung bestehen aus Absprachen<strong>und</strong> Kontakten bei besonderen Anlässen, etwa bei Verlegungen <strong>und</strong> Wechseln.Mit dem Erstellen eines Hilfeplans in der Fallkonferenz haben sich die beteiligtenDienste <strong>und</strong> Einrichtungen auf eine Aufgabenverteilung geeinigt, ohne eine koordinierendeBezugsperson verbindlich zu benennen. Die jeweiligen Bezugspersonen arbeitenim Rahmen ihrer Teams an der Durchführung der Vereinbarungen. Nach Ablauf dervereinbarten Zeit wird der Verlauf in der Fallkonferenz besprochen (Stufe 2).Bei Stufe 3 ist eine federführende therapeutische Bezugsperson benannt, die imRahmen ihres Dienstes als Bezugsperson für die Klienten zur Verfügung steht <strong>und</strong>übergreifend die Dokumentation weiterführt, Informationen über den Verlauf vermittelt<strong>und</strong> die Überprüfung des Hilfeplanes <strong>und</strong> erneute Fallkonferenzen koordiniert <strong>und</strong>vorbereitet. Eine Abstimmung der Durchführung der verabredeten Hilfen untereinandererfolgt jedoch nicht – sie wird entweder nicht akzeptiert oder aus der Furcht vorEinmischung in dienstinterne Angelegenheiten anderer unterlassen.Erst wenn eine koordinierende therapeutische Bezugsperson mit Vertretung für denHilfeplanungsprozess regelhaft benannt wird, kann man von einem erreichten Qualitätsstandardder Erbringung <strong>integrierte</strong>r Hilfen ausgegangen werden. Diese koordinierendeBezugsperson ist allen Beteiligten bekannt – kennt also auch die jeweiligenBezugspersonen in den anderen Einrichtungen <strong>und</strong> verknüpft deren Einzelleistungenzu einer abgestimmten komplexen Hilfeleistung (Stufe 4). Sie passt auch durchAbsprachen oder erneutes Einberufen der Fallkonferenz zeitnah die Hilfen an veränderteHilfebedarfe an.ÜbungFür Herrn Schmitt haben Sie ja den Übersichtbogen ausgefüllt. Es warvereinbart, dass Herr Wagner vom Betreuten Wohnen die Koordinationsfiunktion übernimmt. Er ist im Team des Betreuten Wohnens dieBezugsperson.Nach einem Jahr ist eine Verlängerung der Kostenzusage erforderlich. HerrWagner überprüft gemeinsam mit Hern Schmitt die Hilfeplanung <strong>und</strong> führtbegleitend ein Hilfeplanungsgespräch mit Frau Meier <strong>und</strong> Frau Dr. Seebald.(Herr Schmitt wollte daran nicht teilnehmen)Herr Wagner legt die abgestimmte Hilfeplanung in der Hilfeplankonferenzder Region vor .Welcher Stufe der Koodination würden Sie dieses Vorgehenzuordnen? Stufe 1: Bezugsperson vorhanden Stufe 2:Aufgabenverteilung mit anderen in der Fallkonferenz erstellt Stufe 3: Koordination des Verlaufs <strong>und</strong> der Dokumentation Stufe 4: Koordination der Durchführung des Hilfeplans© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 38 von 41


[ibrp.pdf]Seite 39Neben diesen qualitativen Aspekten der Prozesskordination ist jedoch für Klientendie Funktion der Kontinuität in der Begleitung wichtig. Wichtigste Voraussetzung ist,dass das regionale Hilfesystem mindestens die Stufe 3 erreicht. Nur so lässt sich beieinem Wechsel der Lebensumstände bzw. von beteiligten Diensten <strong>und</strong> EinrichtungenKontinuität für Klienten aufrechterhalten. Die koordinierende Bezugsperson wird ineinem solchen System dann auch akzeptiert, wenn sie nicht mehr den Hauptanteil derBetreuungsleistungen selbst erbringt. Von großer Bedeutung ist dabei die verbindlicheFestlegung einer Vertretung der Koordination, die auf keinen Fall demselben Arbeitsteamangehören sollte.Mit diesem „Tandem-Prinzip“ gibt es gute Erfahrungen. Die Erkenntnisse geradeim Funktionsbereich Selbstsorge weisen daraufhin, dass sich starre Teamgrenzen zwischenWohnheim <strong>und</strong> Betreutem Wohnen auflösen <strong>und</strong> eine Entwicklung zu einemWohnverb<strong>und</strong>system in Gang kommt.Die Festlegung der koordinierenden Bezugsperson erfolgt wie die Hilfeplanungin Absprache mit den jeweiligen Klienten. Da diese Bezugsperson die Hilfeplanungdurchführt, ist ein bestehendes Vertrauensverhältnis besonders wichtig.Eine weitere Erfahrung ist zudem, dass bei einer guten Koordination der Klientseinen Lebensmittelpunkt <strong>und</strong> auch den Betreuungsmittelpunkt in Richtung auf seineWünsche verändert, damit mit mehr Mitarbeitern in Kontakt kommt <strong>und</strong> so die Koordinationsfunktionauch auf eigenen Wunsch wechselt.Um aus den Erfahrungen mit der Hilfeplanung zu lernen, ist es jedoch günstig, mindestenszwei Prozessphasen durchzuführen <strong>und</strong> nur eine der Positionen „Federführung/Vertretung“ zu wechseln.Unterschiede dokumentierenGr<strong>und</strong>sätzlich gilt es, Wünsche <strong>und</strong> abweichende Meinungen der Klientin bzw. desKlienten zu dokumentieren. Praktisch ist, dies mit Hilfe einer anderen Schreibfarbe imBogen oder eines Symbols kenntlich zu machen. Die Berliner Fassung der <strong>IBRP</strong>-Bögenenthält gleich ein Extrablatt, auf dem die abweichenden Einschätzungen von Klientendokumentiert werden sollen.Manche Mitarbeiter müssen ermutigt werden, Differenzen wahrzunehmen <strong>und</strong> aufzuschreiben:Sie vermuten, das „gute“ Mitarbeiter immer die Bedarfe ihrer Kliententreffen <strong>und</strong>/oder die „eigentlichen“ Bedarfe klarer sehen. Im Rückschluss führt diesdazu, dass differente Einschätzungen der Klienten ein Beweis für schlechte Arbeitsind.Die meisten Klientinnen <strong>und</strong> Klienten müssen sich an vorgegebene Strukturenanpassen <strong>und</strong> haben gute verdeckte Strategien entwickelt, um unangenehme Dinge zuvermeiden. Die Menge der Psychopharmaka in den Blumentöpfen spricht Bände überdie so genannte Compliance in Bezug auf Medikamenteneinnahme.Je offener solche differente Einschätzungen ausgedrückt werden können, umso besserkönnen diese verhandelt werden. Die Ermutigung <strong>und</strong> das Respektieren andererEinschätzungen <strong>und</strong> die Realitätsprüfung durch Ausprobieren gehört zum personenbezogenenAnsatz. Wenn etwa eine Klientin des Betreuen Wohnens in vier Wochen einVollzeitpraktikum beginnen möchte, der Mitarbeiter meint, dass sie dazu noch nicht in© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 39 von 41


[ibrp.pdf]Seite 40der Lage sei, so kann dies erst einmal so stehen bleiben, denn Kompromissbildungen,Erprobungen durch ein Teilzeitpraktikum bzw. durch Vereinbarungen können nur ausder Differenz heraus entstehen.Es muss auch nicht alle Differenz unmittelbar aufgelöst werden. Wichtiges ist zuerstanzugehen. Auch das Abwechseln „Jetzt bin ich dran, dann bist du dran“ macht manchmalSinn.Andere Einschätzungen bestehen manchmal schon bei der Beschreibung der jetzigenSituation <strong>und</strong> Problemlage, auch diese sind zu dokumentieren.Förderung der Teilnahme anderer Professioneller anGesprächen/HilfeplangesprächenHier möchte ich nur auf die Teilnahme von anderen Einrichtungen, Diensten <strong>und</strong>niedergelassenen Ärzten eingehen, die nicht regelhaft an Fallkonferenzen beteiligt sindbzw. selbst keine Koordinationsfunktion übernehmen. Hilfreich ist es, kurz vor derschriftlichen Einladung ein Telefongespräch zu führen, in dem der Prozess der Hilfeplanungvorgestellt wird.Günstig ist es, mit der eigenen Problemdarstellung anzusetzen <strong>und</strong> um ergänzendeInformationen zu bitten.Übung:Stellen Sie sich vor, Sie müssten einen niedergelassenen Arzt zu einem Hilfeplangesprächfür unser letztes Fallbeispiel Herrn Weber einladen. Wie würdenSie dieses Gespräch beginnen?Sehr hilfreich ist zudem, den Ort der Fallkonferenz so zu wählen, dass eine Teilnahmesehr gut möglich wird, also ggf. die Fallkonferenz in dieser Einrichtung, diesemDienst, dieser Arztpraxis anzusetzen.Die vereinbarte Zeit sollte möglichst gut eingehalten werden. Falls eine Teilnahmedennoch nicht möglich ist, sollte in der Fallkonferenz dem Koordinator ein entsprechenderAuftrag zur Absprache erteilt werden.Für die Beteiligung anderer Professioneller geltenfolgende Leitsätze:• verhandeln statt bestimmen sowie• Propagierung der eigenen Sicht, Stehenlassen <strong>und</strong> Dokumentieren unterschiedlicherSichtweisen statt Verheimlichung <strong>und</strong> Harmonisierung.Die Teilnahme an regionalen Fallkonferenzen ist als sich selbst fördernder Wachstumsprozesszu begreifen: Je mehr positive Erfahrungen mit personenbezogener Arbeitgemacht werden können, umso mehr fördert dies Fallkonferenzen.© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 40 von 41


[ibrp.pdf]Seite 41Schweigepflicht <strong>und</strong> DatenschutzGr<strong>und</strong>sätzlich gelten natürlich auch innerhalb der psychiatrischen Arbeit dieBestimmungen des Datenschutzes. Auch ohne die Verwendung des <strong>IBRP</strong> dokumentierenMitarbeiter aller Dienste <strong>und</strong> Einrichtungen derzeit ihre Arbeit, d.h., gr<strong>und</strong>sätzlichgelten die in der alltäglichen Praxis bereits abgestimmten Verfahren des Datenschutzes<strong>und</strong> der Schweigepflicht. Ziel des <strong>IBRP</strong> ist jedoch eine <strong>integrierte</strong> Koordination, die diejeweilige Teamgrenze überschreitet, deshalb sollten folgende Verfahrensregeln angewendetwerden:1. Sobald klar ist, dass eine <strong>integrierte</strong> Koordination stattfinden soll, verständigensich der Klient <strong>und</strong> die Mitarbeiter der derzeit betreuenden Institutionen über diePerson, die die Hilfeplanung durchführen wird.2. Die Klienten erklären schriftlich ihr Einverständnis mit dem Verfahren der<strong>integrierte</strong>n <strong>Behandlungs</strong>- <strong>und</strong> Reha-Planung <strong>und</strong> entbinden alle beteiligten Einrichtungen<strong>und</strong> Dienste von ihrer Schweigepflicht gegenüber der koordinierendenBezugsperson <strong>und</strong> umgekehrt. Die koordinierende Bezugsperson informiert allebeteiligten Einrichtungen <strong>und</strong> Dienste schriftlich mit der Kopie der Schweigpflichtentbindungüber die Funktionsübernahme.Wird der <strong>IBRP</strong> zur Hilfeplanung <strong>und</strong> Leistungsbegründung nach dem BSHG verwendet,sind jeweils landesweit geltende Verfahrensregeln zum Datenschutz zu treffen.Aus Gründen des Datenschutzes sollten die Originale jeweils bei der koordinierendenBezugsperson verbleiben, eine Kopie des Übersichtsbogens sollte stets den Klientenzur Verfügung gestellt werden. Weiterhin wird der zuständige Kostenträger dieÜberlassung einer Kopie wünschen, ob diese bei ihm verbleibt oder nur die Eingruppierungbestätigt bzw. nicht bestätigt wird <strong>und</strong> der Bogen dann in der Region verbleibt; istverfahrenstechnisch <strong>und</strong> datenschutzrechtlich zu prüfen. Auch wird die Funktion derregionalen Verfahrensverantwortung sicher länderspezifisch geregelt werden, wobeiin den B<strong>und</strong>esländern, die derzeit bereits das Verfahren anwenden, dies dem regionalzuständigen Sozialpsychiatrischen Dienst zugeordnet wurde.Evaluation• Bewertung <strong>und</strong> ggf. Veränderung des Prozesses.• Nach Ablauf des Planungszeitraums sollten auf jeden Fall im Bogen D2 die wichtigstenVeränderungen dokumentiert werden.Übung:Wenn Sie an unser letztes Fallbeispiel Herrn Schmitt denken, welche Itemswären besonders wichtig auszufüllen? E1 E2 E3 E4 E5Gr<strong>und</strong>sätzlich ist gemeinsam mit dem Klienten zu entscheiden, wie <strong>und</strong> ob überhaupteine neue Hilfeplanung erforderlich ist <strong>und</strong> wie eine Veränderung aussehenkönnte.<strong>Der</strong> Prozess beginnt von vorne!© FH Fulda 2004 / PDF-Text-Download von [www.ibrp-online.de] · Stand: 12.10.04 Seite 41 von 41

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