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BAG Antifaschismus der Partei DIE LINKE.

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(3) Krisen <strong>der</strong> Demokratien:Auf die Krisen des Kapitalismus und <strong>der</strong> Eurozone reagiertedie Europäische Union mit einem Krisenmanagement, das daraufabzielte, über eine drastische Austeritätspolitik – etwa Sozialkürzungen,Privatisierungen sowie den Abbau <strong>der</strong> Rechtevon Lohnabhängigen und Gewerkschaften – die Kreditwürdigkeit<strong>der</strong> Peripherie wie<strong>der</strong> herzustellen. Durchgesetzt wurdedas Krisenmanagement über ein Bausteinsystem, welches dieRechte <strong>der</strong> europäischen Exekutive stärkte, während nationaleParlamente und an<strong>der</strong>e Terrains, »<strong>der</strong>en Konfiguration eine fürdie Subalternen vergleichsweise günstigere ›strukturelle Selektivität‹[…] aufwies« 6 , entwertet wurden. Die ohnehin prekärenMöglichkeiten 7 <strong>der</strong> europäischen Bevölkerungen auf politischeEntscheidungen Einfluss nehmen zu können – sanken weiter.(4) Krisen <strong>der</strong> sozialen Reproduktion:Infolge <strong>der</strong> Krisen des Kapitalismus und aufgrund des austeritätsorientiertenKrisenmanagements verän<strong>der</strong>ten sich vor allemin <strong>der</strong> europäischen Peripherie die Lebensbedingungen<strong>der</strong> Bevölkerungen. Armuts- und Arbeitslosigkeitsraten stiegendeutlich an, die Prekarität von Arbeitsverhältnissen erhöhtesich, das Haushaltseinkommen ging zurück. In Spanien,wo kapitalistische Akkumulation seit den 1980er Jahren zentralauf einem hypothekenbasierten Immobilienboom beruhte,wurden Zwangsräumungen zu einer alltäglichen Erfahrung, inGriechenland stiegen Suizid- und Krankheitsraten drastischan, in Ungarn lebten 2010 fast 30 Prozent <strong>der</strong> Bevölkerungan o<strong>der</strong> unter <strong>der</strong> Armutsgrenze. 8 Von den sozialen Krisenerscheinungenblieben aber auch breite Schichten innerhalb<strong>der</strong> Län<strong>der</strong> des europäischen Zentrums nicht verschont. Sokam es beispielsweise auch in Deutschland in den letzten Jahrenzu einer massiven Ausweitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse.Für die europäischen Mitgliedslän<strong>der</strong> lässt sichfeststellen, dass das alltägliche (Über-)Leben heute deutlichprekärer ist als in den Jahren zuvor. Ein in materieller Hinsichtabgesichertes Leben ist vor allem in den Län<strong>der</strong>n <strong>der</strong> europäischenPeripherie für immer weniger Menschen möglich.Nimmt man die vier Dimensionen zusammen, zeichnen sichin den letzten Jahren – vor allem in <strong>der</strong> europäischen Peripherie– Konturen einer autoritären Demokratie ab, die nurnoch begrenzt in <strong>der</strong> Lage ist, Zustimmung bzw. Legitimitätin den Bevölkerungen zu generieren 9 : Ihr Möglichkeitskorridorist strukturell durch die Krisen kapitalistischer Akkumulationeingeschränkt, die Einflussmöglichkeiten <strong>der</strong> Bevölkerungsind durch das Bausteinsystem autoritärer Austeritätspolitikbegrenzt, soziale Absicherung wird kaum noch gewährleistet.10 Die autoritäre Demokratie muss dabei in Kontinuität zuFormen post-politischer bzw. technokratischer Herrschaftbegriffen werden, die mit <strong>der</strong> Durchsetzung neoliberalen Regierenszunehmend zur demokratischen Normalität wurden. 11Der organisierten Rechten bieten die autoritären Transformationen<strong>der</strong> Demokratie die Möglichkeit, sich als Vertreterindes »kleinen Mannes« zu inszenieren – so warb etwadie österreichische <strong>Partei</strong> FPÖ 2009 erfolgreich mit dem Slogan»Echte Volksvertreter statt EU-Verräter«. In Ungarn manifestiertesich <strong>der</strong> enge demokratische Möglichkeitskorridorbereits vor <strong>der</strong> Eurokrise in einem von <strong>der</strong> damaligensozialdemokratischen Regierung – im Kontext ökonomischerKrisenentwicklungen und einem »Rettungsprogramm« vonEU und IWF in Höhe von 20 Milliarden Euro – durchgeführtenAusteritätsprogramm, das neben an<strong>der</strong>en Faktoren zumWahlerfolg <strong>der</strong> rechten <strong>Partei</strong>en Fidesz und Jobbik 2010 beitrug.12Parallel zu den Krisen <strong>der</strong> Demokratie entwickeln sich – begünstigtdurch die Konstruktionsfehler <strong>der</strong> Wirtschafts- undWährungsunion – nationalistisch-sozialchauvinistische Diskurse,in denen die Eurokrise auf das Fehlverhalten einzelnerStaaten und Bevölkerungen zurückgeführt wird. Suggeriertwird, dass die »Musterschüler« des Zentrums nun für die Verfehlungen<strong>der</strong> Staaten und/o<strong>der</strong> Bevölkerungen <strong>der</strong> europäischenPeripherie aufkommen müssten. Nicht zufällig bereuenin <strong>der</strong> Folge 55 Prozent <strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>län<strong>der</strong> den Euro-Beitritt, 13während zwei Drittel <strong>der</strong> Deutschen die europäischen »Rettungspakete«ablehnen 14 und sich 30 Prozent ein »unabhängigesDeutschland ohne den Euro, in das keine EuropäischeUnion hineinregiert« wünschen. 15 Insbeson<strong>der</strong>e Griechenlandund die griechische Bevölkerung werden – bis weit in die europäischePeripherie hinein – abgewertet. So verkündetendie Regierungen <strong>der</strong> am stärksten von <strong>der</strong> Eurokrise betroffenenStaaten unisono ihr Land sei »nicht Griechenland«. Derirische Finanzminister Michael Noonan erklärte gar, er denkedarüber nach, T-Shirts mit dem Aufdruck »Irland ist nichtGriechenland« zu verkaufen. 16 Auch die starke Stellung <strong>der</strong>deutschen Regierung im europäischen Krisenmanagementlöste nationalistische Gegenreaktionen aus. 78 Prozent <strong>der</strong>GriechInnen erklären eine schlechte Meinung von Deutschlandzu haben, 49 Prozent sogar eine sehr schlechte. 17Menschenverachtende EinstellungenJenseits <strong>der</strong> unmittelbaren Dynamiken <strong>der</strong> Eurokrise lassensich europaweit hohe Akzeptanz- und Unterstützungswertefür menschenverachtende Einstellungen 18 beobachten:– Die Aussagen »Es gibt zu viele Zuwan<strong>der</strong>er in (jew. Land)«und »Es gibt eine natürliche Hierarchie zwischen schwarzenund weißen Völkern« treffen europaweit auf hohe Zustimmung.19 Insbeson<strong>der</strong>e für osteuropäische Mitgliedslän<strong>der</strong><strong>der</strong> EU lässt sich darüber hinaus eine hohe Zustimmung zuantiziganistischen Einstellungen konstatieren. So sind beispielsweiseüber 80 Prozent <strong>der</strong> Erwachsenen in Ungarn negativgegenüber Roma eingestellt. 20 47 Prozent <strong>der</strong> Roma,41 Prozent <strong>der</strong> »Afrikaner (südl. Sahara)« 21 , 36 Prozent <strong>der</strong>»Nordafrikaner«, 23 Prozent <strong>der</strong> »Mittel- und Osteuropäer«sowie 23 Prozent <strong>der</strong> »Türken«, die in <strong>der</strong> EU leben, erklärten,in den vergangenen 12 Monaten zumindest einmal diskriminiertworden zu sein. 2211

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