Vertragsarbeiter in <strong>der</strong> DDR. Aber mankann ja irgendetwas behaupten. Wennes etwas Negatives zur DDR-Geschichteist, wird keiner einen Wi<strong>der</strong>spruchwagen.Diese Bewertung trifft auch auf dieFeststellung zu, dass aufgrund <strong>der</strong>Hautfarbe jemand nicht den Beruf erlernendurfte o<strong>der</strong> dasjenige Fach studierenkonnte, das er bevorzugte. Dieheutigen Experten haben anscheinendnoch niemals etwas von »Umlenkungen«,Studienlenkungen und ähnlichemgehört, was heute in etwa mit dem NumerusClausus vergleichbar ist. Immerhingab es in <strong>der</strong> DDR eine Planwirtschaft,in <strong>der</strong> keiner sein Studiumabgeschlossen o<strong>der</strong> sein Ausbildungabsolviert haben<strong>der</strong> junger Menschauf <strong>der</strong> Straße stehen o<strong>der</strong> mit Taxifahrenseinen Lebensunterhalt verdienenmusste. Wenigstens auf diesem Gebiethat die Planwirtschaft einigermaßenfunktioniert.Auf S. 16 <strong>der</strong> Einführung wird behauptet,dass es in <strong>der</strong> DDR »oftmals« Attackenauf die Vertragsarbeiter gab. AlsBeleg in einer Fußnote wird auf zweiVorkommnisse verwiesen.Zwar haben sich die Herausgeber sicherlichbemüht, vor allem in Form vonInterviews, auch Afrikaner und »schwarzeDeutsche« zu Wort kommen zu lassen,womit belegt ist, dass auf <strong>der</strong>enSicht Wert gelegt wird. Jedoch werdendie Einschätzungen von ehemaligenVertragsarbeitern über ihr Leben in <strong>der</strong>DDR, welche in <strong>der</strong> Einführung hättenverwendet werden können, vollständignegiert.Dabei hätte bei Berücksichtigung <strong>der</strong>vorliegenden Meinungen festgestelltwerden können, dass das Verhältnis<strong>der</strong> schriftlich belegten (o<strong>der</strong> als Interviewgeführten) Aussagen von ehemaligenmosambikanischen Vertragsarbeiternüber die Einschätzungen »ihrerDDR«-Zeit etwa 1 zu 20 beträgt. Warum,so muss man fragen, versteifensich die Herausgeber nur auf ein Zwanzigstel<strong>der</strong> Meinungen?Direkt ins Auge springt, dass daraufverzichtet wurde, dass die Mosambikanerals Vertragsarbeiter ja etwas Positiveserlebt haben, ganz zu schweigendavon, was die DDR-Bevölkerung für siean Solidarität aufgebracht hat.Die – in <strong>der</strong> Regel unbewiesene – Kritikan den Zuständen <strong>der</strong> Vertragsarbeitist zudem ein deutliches Indiz für einepaternalistische o<strong>der</strong> rassistische Einstellung<strong>der</strong> Autoren. Denn es heißt janichts an<strong>der</strong>es, als dass die Afrikanerzu unwissend o<strong>der</strong> zu dumm gewesenwaren, um ihre Interessen durchzusetzen.Dies war jedoch mitnichten so!Je<strong>der</strong> kann sich zu bestimmten historischenErscheinungen, Prozessen, Vorgängenin einer Weise äußern, wie eres für richtig und angemessen hält. Bekanntlichgibt es stark divergierendeBetrachtungen und Bewertungen <strong>der</strong>Geschichte. Jedoch kann doch erwartetwerden, gerade von Historikern, dassnicht dem mainstream ohne Quellenbelegeo<strong>der</strong> Quellenkritik zum Mundegeredet bzw. geschrieben wird. Dies istbeson<strong>der</strong>s verwun<strong>der</strong>lich, wenn – wiein diesem Falle – mit einem Satz daraufhingewiesen wurde, dass durch die Vertragsarbeittausenden von jungen Afrikanerndas Leben, die Gesundheit, dieZukunft gerettet wurde. Da muss manja nicht einmal die Meinung von betroffenenAfrikanern teilen, wie die kürzlichveröffentlichte von I. D. Honwana, <strong>der</strong>seine Stellungnahme mit »Berlin – Erinnerungenan ein Paradies« betitelte.Das Anliegen des Buches insgesamt istzu begrüßen und die Beiträge sind gutgeschrieben, verallgemeinern bisherigeErkenntnisse o<strong>der</strong> legen neue vor.Zum Abschluss: Es bleibt <strong>der</strong> Ausweg,den Daniela Dahn aufzeigte: »Die heutedominierende Geschichtsschreibungüber die DDR … ist voll von Verzerrungen,Verkürzungen und Verleumdungen… Zuerst regt man sich noch auf,dann schüttelt man nur noch den Kopf,schließlich langweilt es einen, und mansagt: Lass sie, sie reden über ein Land,in dem ich nicht gelebt habe.«Ulrich Ramm84
Schicksalen wie<strong>der</strong> ein Gesicht gegebenStiftung nie<strong>der</strong>sächsische Gedenkstätten: Bergen-Belsen. Kriegsgefangenenlager1940–1945. Konzentrationslager 1943–1945. Displaced Persons Camp 1945–1950.Katalog <strong>der</strong> Dauerausstellung, Wallstein Verlag, Göttingen 2009, 384 Seiten.Als das Konzentrationslager Bergen-Belsen am 15. April1945 von britischen Soldaten befreit wurde, bot sich ihnenein grauenerregen<strong>der</strong> Anblick. Das Lagergelände war mit Leichenübersät, Häftlingsbaracken mit Leichen vollgestopft, diesich in unterschiedlichen Stadien <strong>der</strong> Verwesung befanden,insgesamt über 18.000 Leichen. Seit März hatte man die Toteneinfach liegenlassen o<strong>der</strong> zu Haufen getürmt. Bei <strong>der</strong> hohenSterblichkeit kamen täglich Hun<strong>der</strong>te hinzu.In an<strong>der</strong>en Baracken lagen rund 60.000 kranke o<strong>der</strong> todkrankeMenschen, eng zusammengepfercht, oft bis auf das Skelettabgemagert. Von ihnen starben auch nach <strong>der</strong> Befreiungnoch 14.000 an Hunger, Erschöpfung und Seuchen. DieseHäftlinge hatten seit vielen Tagen we<strong>der</strong> Verpflegung nochTrinkwasser erhalten und waren schon über Monate hinwegkaum verpflegt worden. Von hygienischen Verhältnissen zusprechen, ist angesichts des Mangels an Toiletten, Wasserund medizinischer Versorgung, grassierenden Fleckfiebersund Durchfalls unangebracht. Die SS-Lagerführung unternahmso gut wie nichts, um die Seuchen einzudämmen. Häftlinge,die mehrere deutsche Konzentrationslager durchlittenhatten, nannten Bergen-Belsen das schmutzigste aller deutschenLager.Britische Sanitätssoldaten bemühten sich um die Rettung<strong>der</strong> kranken Häftlinge; britische Korrespondenten schicktendie Bil<strong>der</strong> des Grauens in die ganze Welt. Seitdem wurde <strong>der</strong>Name Bergen-Belsen zum Symbol für die Greuel <strong>der</strong> nazistischenKonzentrationslager. So wie die Fotos aus dem von <strong>der</strong>Sowjetarmee befreiten Majdanek bei Lublin 1944 <strong>der</strong> Weltöffentlichkeitdie Realität <strong>der</strong> faschistischen Vernichtungsstättenauf polnischem Boden vor Augen führten, so prägten dieErfahrungen britischer Soldaten in Bergen-Belsen 1945 dasBild des Massensterbens in einem deutschen Konzentrationslager.Bergen-Belsen war zunächst seit 1940 ein Kriegsgefangenenlager.Auf <strong>der</strong> Suche nach einem geeigneten Platz für das imFrühjahr 1943 gegründete Konzentrationslager wurde dasehemalige Stammlager (Stalag) XI C/311 <strong>der</strong> Wehrmacht fürrussische Kriegsgefangene ausersehen, weil es leer stand.Hier waren im Herbst und Winter 1941 rund 44.000 russischeKriegsgefangene gestorben, an Fleckfieber, Ruhr und Typhus,vor allem aber wegen mangeln<strong>der</strong> Ernährung.Anfänglich nahm Bergen-Belsen innerhalb des Konzentrationslagersystemseine gewisse Son<strong>der</strong>stellung ein. Es wurdeals »Aufenthaltslager« für jüdische Häftlinge gegründet, diegegen sog. Palästinadeutsche ausgetauscht werden sollten.Da die britische Regierung dem Vorschlag zustimmte, kam esin <strong>der</strong> Tat zweimal zu Austauschaktionen: 45 britische und 69deutsche Inhaber palästinensischer Pässe wurden im Dezember1941 bzw. im November 1942 gegen 300 »Palästinadeutsche«ausgetauscht. Daraufhin stellte Himmler sich im Dezember1942 vor, bis zu 10.000 Juden als »wertvolle Geiseln«in einem Lager zu versammeln. Er wies das Reichssicherheitshauptamt(RSHA) an, Juden für den weiteren Austauschin Listen zu erfassen. Auch das Auswärtige Amt befürwortetediese Pläne.Das »Aufenthaltslager« war in mehrere, weitgehend voneinan<strong>der</strong>getrennte Lagerabteilungen geglie<strong>der</strong>t, in denen die»Austauschjuden« nach ihrer Nationalität untergebrachtwaren. Auf Weisung des RSHA wurden diese »Lager innerhalbdes Lagers« unterschiedlich behandelt, je nach denangestrebten Zwecken. Die »Austauschjuden« in den an<strong>der</strong>enLagerteilen unterstanden nicht <strong>der</strong> Inspektion <strong>der</strong>Konzentrationslager, son<strong>der</strong>n unterlagen <strong>der</strong> Regie desReichssicherheits hauptamtes. Da sie nicht arbeiten mußten,zeigten die Funktionäre <strong>der</strong> Amtsgruppe D (Inspektion<strong>der</strong> Konzentrationslager) im Wirtschaftsverwaltungshauptamt<strong>der</strong> SS keinerlei Interesse am Aufbau und Ausbau desLagers, sie stellten nicht einmal Baumaterial zum Ausbau<strong>der</strong> Baracken und für ausreichende sanitäre Anlagen zurVerfügung.Neben den Einzellagern für »Vorzugsjuden« gab es in Bergen-Belsen von Anfang an das sog. Häftlingslager, in dem Baukommandosmit 5.000 russischen und polnischen Häftlingenuntergebracht waren. Nur dieser Teil wurde wie ein Konzentrationslagerverwaltet. Die Häftlinge trugen Sträflingskleidung,erlitten grausame Mißhandlungen durch SS und Kaposund mußten bis zur Erschöpfung arbeiten. Ihre Sterblichkeitwar sehr hoch.Die Austauschpläne erwiesen sich bald als fiktiv. 1944 wurde<strong>der</strong> Charakter des Lagers verän<strong>der</strong>t: Größere Rüstungsbetriebe,in denen die Häftlinge Zwangsarbeit hätten leistenkönnen, gab es in <strong>der</strong> Umgebung nicht. Deshalb wurde Bergen-Belsenim März 1944 zum Aufnahmelager für kranke un<strong>der</strong>schöpfte, nicht mehr arbeitsfähige Häftlinge an<strong>der</strong>er Konzentrationslagerbestimmt. In <strong>der</strong> folgenden Zeit erreichtenTransporte mit Häftlingen das Lager Bergen-Belsen, die we-85
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