Wörtlich heißt es im Griechenland-Report von Human RightsWatch: »Bislang haben we<strong>der</strong> Polizeianalysen noch Gerichtsurteiledie ›Bürgergruppen‹ o<strong>der</strong> die <strong>Partei</strong> Goldene Morgenrötemit Übergriffen gegen Migranten und Asylsuchende inVerbindung gebracht. Allerdings gibt es Hinweise darauf,dass Mitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> ihnen nahestehende Personen für rassistischeAngriffe verantwortlich sind. Dafür sprechen unteran<strong>der</strong>em die <strong>Partei</strong>bindungen <strong>der</strong> Verteidiger im Rahimi-Fallund die Festnahmen von Mitglie<strong>der</strong>n von Goldene Morgenröte,die verdächtigt werden, an mehreren Angriffen beteiligtgewesen zu sein.« 12Gewalt und politische Provokationen werden auch gezielt eingesetzt,um sich scheinbar von den »Etablierten« abzugrenzen.Auch in bundesdeutschen Medien konnte man die Bil<strong>der</strong><strong>der</strong> Schlägerei sehen, die sich <strong>der</strong> <strong>Partei</strong>sprecher IliasKasidiaris im Juni 2012 mit zwei linken Parlamentarierinnenwährend einer Live-Fernsehdebatte lieferte. Die <strong>Partei</strong> verteidigtediese Provokation und verklagte – ohne Erfolg – denFernsehsen<strong>der</strong>.Mehrfach adaptierte Chrysi Avgi auch faschistische Symbolikenund ideologische Versatzstücke des Faschismus. Der<strong>Partei</strong>vorsitzende Nikolaos Mihaloliakos trat auf einer öffentlichenVeranstaltung <strong>der</strong> <strong>Partei</strong>jugend auf und zeigte, währen<strong>der</strong> alle etablierten politischen Kräfte <strong>der</strong> Korruption beschuldigte,den Hitler-Gruß. Dazu kommentierte er: »Unsere Händekönnen manchmal in dieser Weise grüßen, aber diese Händesind sauber – nicht schmutzig. Sie haben nichts gestohlen.«Im Oktober 2012 provozierte Ilias Kasidiaris während einerParlamentssitzung damit, dass er in seinem Redebeitrag in<strong>der</strong> Auseinan<strong>der</strong>setzung um die Aufhebung <strong>der</strong> parlamentarischenImmunität von Chrysi Avgi Abgeordneten, denen Gewaltund an<strong>der</strong>e Straftaten, unter an<strong>der</strong>em die Zerstörungvon Marktständen von Einwan<strong>der</strong>ern, vorgeworfen wurden,aus dem antisemitischen Pamphlet »Die Protokolle <strong>der</strong> Weisenvon Zion« vorlas. 13Im November 2012 verursachte <strong>der</strong> Abgeordnete ChristosPappas, <strong>der</strong> in einer früheren Veröffentlichung Adolf Hitlerals »Visionär« gelobt hatte, einen Skandal, indem er bei einerVeranstaltung auf Kreta die Flagge <strong>der</strong> griechischen Militärjuntaentrollte. Dass auch an<strong>der</strong>e Chrysi Avgi Abgeordnete<strong>der</strong> faschistischen Tradition und Hitler nahe stehen, zeigtesich im Mai 2013, als <strong>der</strong> Abgeordnete Panagiotis Iliopoulosund weitere Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Fraktion den Sitzungssaal unter»Heil Hitler« – Rufen verließen, nachdem <strong>der</strong> Vizepräsidentdes Parlaments die Chrysi Avgi – Abgeordneten gerügt hatte.Zuvor beschimpften die Abgeordneten noch Abgeordnetegegnerischer Fraktionen als »Banden«, »Nieten« und »Ziegenherde«.14Neben diesen geschichtsrevisionistischen Ansätzen gehörtauch ein aggressiver Chauvinismus in das ideologische Repertoire<strong>der</strong> Chrysi Avgi. Dieses zeigt sich an verschiedenenAktivitäten, bei denen insbeson<strong>der</strong>e in <strong>der</strong> Albanien- und Mazedonien-Frage»groß-griechische« Vorstellungen propagiertwurden. Auch gegenüber <strong>der</strong> Türkei wird ein aggressiver Kurs28
verfolgt, wobei diese Haltung mit einer rassistischen Verfolgungvon allen Menschen mit Migrationshintergrund verbundenwird. Ende Mai 2013 marschierten hun<strong>der</strong>te Neonazismit rassistischen und nationalistischen Parolen durch diegriechische Hauptstadt Athen. Der Fackelzug sollte an den460. Jahrestag des Falls von Konstantinopel erinnern. DieTeilnehmer skandierten Parolen wie »Griechenland gehörtden Griechen« und »Blut, Ehre, Goldene Morgenröte«. 15Was ist zu tun?Nach einer Phase <strong>der</strong> politischen Irritation durch den Wechsel<strong>der</strong> extrem-rechten Hauptakteure LAOS und Chrysi Avgihaben die antifaschistischen Kräfte damit begonnen, politischeund praktische Gegensignale gegen den Vormarsch <strong>der</strong>Neonazis zu entfalten. Die Gewerkschaftsbewegung entwickeltSchutzmaßnahmen gegen Aktionen neofaschistischerProvokateure, gemeinsam mit griechischen Antifaschistenbeginnen sich Migrantenorganisationen gegen rassistischeÜbergriffe konkret zu wehren. Dass die Polizei dabei in allerRegel die Antifaschisten verhaftet und die Neonazis unbehelligtlässt, beklagte Savas Michael-Matsas in dem oben zitiertenInterview. Das ist jedoch angesichts <strong>der</strong> guten Beziehungenvon Chrysi Avgi in den Polizeiapparat nicht überraschend.Zum politische Wi<strong>der</strong>stand gehört aber auch, solche neofaschistischenUmtriebe öffentlich zu denunzieren. Einenwichtigen Beitrag dazu leistete <strong>der</strong> Aufruf von Exilgriechen:»Nichts Goldenes an dieser Morgenröte« vom Herbst 2012,<strong>der</strong> von mehreren hun<strong>der</strong>t Menschen unterzeichnet wurde.Darin heißt es:»Glücklicherweise gibt es Menschen, die den Mut haben, sichzu wehren und gewalttätige Angriffe gegen ihre Mitbürger abzuwenden.Es ist wichtig, dass solche Taten Nachahmer finden.Keine Gesellschaft kann frei sein, wenn sie zulässt, dassMenschen in Gefahr sind, weil sie sich aufgrund ihrer Herkunft,ihrer Gedanken, ihres Geschlechts, unterscheiden.Heute die ›An<strong>der</strong>en‹, morgen wir, du, ich. Faschismus keineMeinung, son<strong>der</strong>n ein Verbrechen. Nichts ist golden an dieserMorgenröte. Deshalb sagen wir NEIN zur Chrysi Avgi, und zuje<strong>der</strong> Chrysi Avgi.« 16Auch <strong>der</strong> Verfasser des »Antifaschistischen Europäischen Manifests«,Yorgos Mitralias, formulierte als Ziel, »eine europäischeantifaschistische, demokratische und einheitliche Massenbewegungzu bilden, die imstande sein soll, die aus demSchoß unseres Kontinents kriechende braune Pest zu bekämpfenund zu besiegen. Wir werden alles tun, damit <strong>der</strong> Gründungskongressdieser so bitter nötigen Europäischen antifaschistischenBewegung im Frühjahr in Athen stattfindet undmit einer europäischen antifaschistischen Großdemonstrationin den Straßen <strong>der</strong> griechischen Hauptstadt gekoppelt ist.« 17Die Großdemonstration umfasste zwar nur einige tausendTeilnehmer, aber wichtig war, dass Antifaschisten aus verschiedeneneuropäischen Län<strong>der</strong>n vertreten waren.Auch in Griechenland selbst beginnt <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>stand gegendie Propaganda und die Aktionen <strong>der</strong> Chrysi Avgi. So wehrtensich beispielsweise Dorfbewohner auf <strong>der</strong> von Türkenund Griechen bewohnten Insel Thassos im März 2013 gegendie kostenfreie Verteilung von Lebensmitteln »nur an Griechen«.18 Da diese Aktionen erkennbar zunehmenden sozialenUnfrieden stiften, haben nun auch die Verwaltungen begonnen,solchen Propagandaaktionen einen Riegel vorzuschieben.Kurz vor Ostern kam es bei einer Essensausgabe »nuran Griechen« in Athen bereits zu Auseinan<strong>der</strong>setzungen mit<strong>der</strong> Polizei. Als Mitte Mai 2013 die Polizei in Athen einen Lastwagen<strong>der</strong> Chrysi Avgi, <strong>der</strong> zu einer Lebensmittelaktion unterwegswar, stoppte, warfen die Nazis die Nahrungsmitteleinfach auf die Straße. 19 Im Juli 2013 verbot die Stadt Athenendgültig solche »illegalen, rassistischen und fremdenfeindlichen«Veranstaltungen – so die offizielle Begründung. Auchdas Ministerium für öffentliche Ordnung schloss sich diesemVerbot an, sodass diese Propaganda-Aktionen auf absehbareZeit nicht mehr stattfinden können. 20Solch staatliches Handeln erfolgt jedoch nur, weil <strong>der</strong> antifaschistischeWi<strong>der</strong>stand gegen den Vormarsch <strong>der</strong> Neofaschistenauf den Straßen und in <strong>der</strong> Gesellschaft erfreulichwächst. Dabei muss es den Antifaschisten auch darum gehen,<strong>der</strong> Chrysi Avgi den Nimbus zu nehmen, sie böten einereale Alternative zur gegenwärtigen Finanzkrise und ständenfür eine »saubere« Politik ohne Korruption und Filz. Umzu verhin<strong>der</strong>n, dass die extrem-rechte Krisenlösung als »Ausweg«gesehen wird, müssten die linken Kräfte gemeinsam eineüberzeugende Alternative formulieren, die auch auf kleinbürgerlicheKräfte ausstrahlen kann.Ulrich Schnei<strong>der</strong>1 Siehe The Guardian, 26.10.2012.2 Vassiliki Georgiadou: Populismus und Extremismus am rechten Rand – Derrasante Aufstieg <strong>der</strong> Goldenen Morgenröte im Krisenland Griechenland, in:Rechtsextremismus in Europa, hrsg. v. Ralf Melzer und Sebastian Serafin, Berlin2013, S. 85.3 Siehe ebenda, S. 88.4 Siehe Werner T. Bauer: Rechtsextreme und rechtspopulistische <strong>Partei</strong>en inEuropa, Wien 2011, S. 71 f.5 Siehe The Guardian, 26.10.2012.6 Siehe den Bericht hierzu auf http://de.indymedia.org/2013/02/341288.shtml.7 Siehe Georgiadou, S. 93.8 Junge Welt, 17.7.2012, S. 8.9 http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Rassismus/europa6.html.10 Siehe Georgiadou, S. 99 f.11 Tagesanzeiger, 19.3.2013.12 http://www.hrw.org/de/news/2012/07/10/griechenland-migranten-lebenangst.13 Siehe International Human Rights Movement »World Without Nizism’. Monitoringof social basis of the revival of Nazi sentiments, xenophobia and extremism,October 2012, S. 44.14 Siehe Süddeutsche Zeitung, 13.5.2013.15 Siehe Neues Deutschland, 30.5.2013.16 http://www.blaetter.de/archiv/jahrgaenge/dokumente/«nichts-goldenesan-dieser-morgenroete«.17 http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Rassismus/europa6.html.18 Siehe Deutsch-türkische Nachrichten, 2.4.2013.19 Siehe Süddeutsche Zeitung, 17.5.2013.20 Siehe Junge Welt, 25.7.2013.29
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